Protocol of the Session on May 15, 2014

Frau Ministerin, alle Stellungnahmen zu diesem Komplex, die ich in den letzten Tagen verfolgt habe, waren im Konjunktiv ausgedrückt. Auch Bundeswirtschaftsminister Gabriel hat am Sonntagabend so gesprochen. Ich frage Sie also: Wie kommen Sie dazu, all diese Dinge, die Sie hier angerissen haben, als Fakten darzustellen? Woher haben Sie die Informationen, dass das so in den Verträgen stehen wird, wie Sie gesagt haben? Woher wissen Sie, dass das am Ende nach den Verhandlungen, die erst gestartet sind bzw. zurzeit laufen, auch tatsächlich so drinstehen wird?

Sie haben eigentlich völlig recht;

(Licht, CDU: Eigentlich!)

denn die Geheimhaltung ist eines der großen Probleme dieses Abkommens.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Tatsächlich ist es so, dass der zuständige Handelskommissar De Gucht gerade vor den Europäischen Gerichtshof geht, um zu verhindern, dass es einer Ratifizierung durch die nationalen Parlamente bedarf. Ich glaube, das ist ein Schritt, der der Europäischen Kommission gerade vor den anstehenden Wahlen nicht guttut.

Aber natürlich sind inzwischen verschiedene Punkte veröffentlicht worden, wie zum Beispiel die Leitlinien. In denen kann man all diese Dinge nachlesen. Gestern gab es eine neue Veröffentlichung über Teilbereiche. Man muss sagen, daher stammen die Informationen. Das geschieht allerdings mit der Unklarheit, was konkret verhandelt wird und was hinterher herauskommt.

Nichtsdestotrotz muss man davon ausgehen, dass diese Leitlinien ein Maßstab für die Bewertung sind. Nur darauf können wir uns zurzeit verlassen.

Ich will noch einmal auf die Beschlüsse der Agrarministerkonferenz und der Umweltministerkonferenz verweisen. Die werden einstimmig mit allen Ländern zusam

men mit dem Bund gefasst. Die setzen genau hier an und fordern, dass es zu einer eindeutigen Darstellung und Information kommt, und zwar mit der Zielsetzung, dass die Bundesländer hier zu einer Bewertung und Stellungnahme kommen können.

Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Kollegen Steinbach.

Sehr geehrte Frau Staatsministerin, ich knüpfe an diesen Punkt noch einmal an. Der zuständige EUKommissar De Gucht hat erklärt, dass er die Verhandlungen im Namen der Kommission mit den USA führen würde und er durch die Lissabonner Verträge ein ausschließliches Mandat bei der EU-Kommission sähe. Ich darf Sie nach der Rechtsauffassung der Landesregierung fragen, wie sie die Fragestellung der gemischten Zuständigkeit bewertet und ob sie die Notwendigkeit sieht, ein nationales Ratifizierungsverfahren, das eine Beteiligung des Bundesrates implizieren würde, als gegeben ansieht.

Das ist bisher eine nicht geklärte Auseinandersetzung. Darum gibt es den Schritt vor den Europäischen Gerichtshof vonseiten des Kommissars. Ich kann mich nur auf die Aussagen der Umweltministerkonferenzen und Agrarministerkonferenzen beziehen, die eindeutig gesagt haben, sie wollen hier die Möglichkeit haben, Stellung zu beziehen.

Es gibt die interessante Entwicklung, dass sich die Diskussion nicht nur auf TTIP, sondern auch auf das angeblich beschlussreife Abkommen mit Kanada bezieht. Da vertritt die Kommission die Auffassung, dass es sich nicht mehr um ein gemischtes Abkommen handelt, was der Ratifizierung bedürfe, sondern um eines, wo sie das ausschließliche Mandat hat. Dieser Rechtsstreit wird noch ausgetragen werden. Das ist wichtig für die entsprechenden Regierungen der Mitgliedstaaten. Hier wird es problematisch, das Abkommen unter solchen Bedingungen mit Kanada zu unterschreiben, wo bis heute die Texte nicht bekannt sind.

Eine Zusatzfrage des Kollegen Schmitt.

Frau Ministerin, die Europäische Kommission hat mehrfach erklärt, dass die Standards wie bei den gentechnisch veränderten Lebensmitteln, die zu stark voneinander abweichen, in dem Abkommen nicht angeglichen werden können. Wie beurteilen Sie die Aussagen der Kommission in dieser Sache?

Das haben sie auch beim Chemikalienrecht gesagt. Nichtsdestotrotz wird weiter verhandelt. Wenn man dazu kommt zu sagen, es kann nicht angeglichen werden, dann ist damit immer noch die negative Wettbewerbssituation für die europäische Landwirtschaft verbunden, die beispielsweise viel Aufwand hat, um ihre Sorgfaltspflichten zu realisieren.

Man muss klar sagen, bei ganz verschiedenen Standards gibt es eine deutliche Wettbewerbsverzerrung zulasten der europäischen Landwirtschaft. Das betrifft auch Pestizidzulassungen. Dabei wissen wir, dass eine ganze Reihe von Pestiziden, die lange in Europa oder in Deutschland verboten sind, dort angewendet werden. Die Produktion der US-Produkte darf weiter damit erfolgen. Das kann zu entsprechenden Wettbewerbsverzerrungen führen.

Eine Zusatzfrage des Herrn Kollegen Johnen.

Frau Ministerin, sehen Sie die Qualität heimischer Produkte oder die Entwicklung des ökologischen Landbaus durch dieses Freihandelsabkommen in Gefahr?

Ich glaube, die Qualität ist in vielen Bereichen im Bereich der Umwelt oder der Landwirtschaft infrage gestellt. Sehr viele Aussagen gehen in die Richtung, dass solche Qualitätsstandards nicht mehr zu halten sind.

Das ist zu erklären mit Blick auf die Rücksichtnahme, beispielsweise wenn Investoreninteressen betroffen sind, bzw. wenn die Möglichkeit besteht, auf Investoren entsprechend Einfluss zu nehmen oder dass diese entschädigt werden. Man muss sagen, für die künftige Weiterentwicklung von Standards gibt es große Fragezeichen und eine Gefahr.

Beim Bio-Bereich könnte man sagen, dass er der Gewinner ist, weil die Möglichkeit besteht, sich abzugrenzen und besonders gute Produkte auf den Markt zu bringen. Wenn man aber beim Biowein schaut, dann sind die Standards in den USA überhaupt nicht anerkannt. Da geht es beispielweise um die Schwefelfreiheit. Hier kann man keine Aussage machen, dass ein unproblematisches Zustandekommen eines Abkommens in Sicht ist.

Stattdessen müsste man dazu kommen, die Probleme, die es real beim Handel gibt, zu lösen. Es will jeder einen vernünftigen Handel haben. Diese Probleme sind vielleicht im Bereich der Normen und der Zölle zu lösen. Ich glaube, das wäre machbar.

Eine weitere Zusatzfrage der Frau Kollegin Schneider.

Frau Ministerin, ich möchte noch einmal auf Ihre Aussage bezüglich der Investitionsschutzklausel zurückkommen. Ihnen ist sicherlich bekannt, dass es bei dieser Klausel darum gehen soll, Unternehmen zu schützen. Wenn ich richtig informiert bin, gibt es aktuell 131 entsprechende Verträge mit solchen Schutzklauseln zwischen der Bundesrepublik Deutschland und anderen Ländern. Haben Sie bisher das Gefühl, dass bei den 131 bestehenden Verträgen massive Nachteile oder Vorteile auf unsere Unternehmen zugekommen sind?

Ich habe eine zweite Frage. Ist es richtig, dass aufgrund des massiven Protestes, der von ihrer Partei politisch bewusst gesteuert wurde, diese Investitionsschutzklausel bei der Verhandlung ausgesetzt wurde?

(Beifall bei der CDU – Zurufe von den Grünen: Oh!)

Ich weiß nicht, ob wir uns die Ehre anziehen dürfen.

(Zuruf der Abg. Frau Klöckner, CDU)

Sie haben recht, die fast 500.000 Unterschriften, die von Campact überreicht worden sind, zeigen die politische Diskussion.

Heute findet eine Demonstration in Trier statt, die von der katholischen Kirche getragen wird. Ich glaube nicht, dass das 1 : 1 den GRÜNEN zuzuordnen ist. Das zeigt aber die intensive Diskussion. Die Menschen verstehen, dass das ein Abkommen ist, das für alle Ebenen bindend ist. Das gilt von den Nationalstaaten, den Bundesregierungen bis hin in die Ortsgemeinden und Kommunalparlamente hinein. Sie fühlen sich – ich finde zu Recht – betroffen.

Wir reden hier nur über die Bereiche Umwelt und Agrar. Wir könnten auch über Datenschutz und andere Wirtschaftsbereiche, ethische Bereiche, Kultur und Ähnliches reden. Das will ich nicht tun. Ich will klar sagen, Investitionsschutz ist nicht ausgeklammert. Die Kommission hat das Ganze ein Stück weit zurückgestellt. Ich bin dem Bundeswirtschaftsminister sehr dankbar, dass er gesagt hat, so etwas wollen und brauchen wir nicht. Er hat vollkommen recht.

Wir können in die Geschichte der Investitionsschutzklauseln schauen. Da sind welche in den früheren Abkommen. Die waren immer damit begründet, dass die Bundesrepublik Deutschland, die EU-Kommission oder andere Industrieländer Abkommen mit Entwicklungsländern gemacht haben. Sie basierten auf einem völlig unterschiedlichen industriellen und rechtlichen Stand. Heute ist es zwischen OECD-Ländern eine ganz andere

Situation. Meines Erachtens ist noch nie ein solches Investitionsschutzabkommen zwischen Industrieländern vereinbart worden.

Ich habe eben die Beispiele Belgien und China erwähnt. Wir könnten auch Vattenfall und die Klage gegen den Atomausstieg nennen. Es wird inzwischen der Bevölkerung und den Regierungen klar, dass das nicht mehr die Frage ist, wie wir die Interessen der deutschen Exportwirtschaft und ihrer Investitionen im Ausland schützen. Das hatte eine gewisse Berechtigung, weil Enteignungsverfahren und Ähnliches stattgefunden haben.

Heute ist es stattdessen umgekehrt, dass hier ausländische Investoren in einer Art und Weise ihre Rechte geltend machen, die damit ganz massiv über das hinausgehen, was einmal mit dem Investitionsschutz intendiert war. Ich glaube, das geht ganz massiv zulasten der mittelständischen Wirtschaft; denn dieser Investitionsschutz gilt, wie ich schon gesagt habe, nur für die ausländischen Investoren mit außergerichtlichen Institutionen, was im Prinzip meines Erachtens inkompatibel mit unserem Rechtssystem ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Hartenfels, die letzte Zusatzfrage haben Sie.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Ministerin, einmal positiv gefragt: Wie müssten die Leitlinien eines Abkommens und der Weg zu einem solchen Abkommen aussehen, damit Sie als Umwelt- und Landwirtschaftsministerin das unterstützen könnten?

Ich habe naturgemäß eine beschränkte Sichtweise aus Agrar- und Umweltsicht. Ganz klar muss es aber so sein, wie es die Umweltminister formuliert haben, dass es nämlich keinen Abbau beim Vorsorgeprinzip geben darf – auch nicht in der Zukunft. Es darf nicht dazu kommen, dass es eine regulatorische Kohärenz gibt, bei der die Interessen – so sage ich einmal – auch von Lobbyisten direkt bei der Gesetzgebung schon berücksichtigt werden müssen, um damit entsprechende Weiterentwicklungen bei der Umweltgesetzgebung zu verhindern. Es muss dazu kommen, dass die Standards – jetzt und in der Zukunft – gewahrt werden.

Ich würde sogar noch einen Schritt darüber hinausgehen. Wir hatten gestern Professor Dr. Stoll von der Universität Göttingen da. Er hat gesagt, eigentlich steht es uns doch an, heute nicht den Investitionsschutz, sondern die Menschenrechte und die ökologischen Entwicklungen zum Maßstab zu machen. – Ich glaube, man sollte dazu kommen, dass man eine solche Basis findet.

(Unruhe im Hause)

Ich will noch einen Satz sagen.

(Zuruf der Abg. Frau Klöckner, CDU)

Wir haben immer wieder über die bilateralen Abkommen geredet. Ich will darauf verweisen, dass die WTO eine faktisch arbeitende und mit verbindlichen Regeln ausgestattete Institution ist.

Es sollte nicht dazu kommen, dass wir in Zukunft die Entwicklungsländer ausschließen. Die WTO sieht die Meistbegünstigungsklausel vor. Das heißt, wenn ich einem ein Recht gewähre, muss ich das für alle tun.

(Unruhe im Hause)

Ich glaube, es steht uns gut an, den Welthandel als Ganzes im Blick zu haben und an einem fairen Welthandel zu arbeiten und nicht bilaterale Abkommen zu schließen, die letztendlich diese Entwicklung, eine faire Welthandelsentwicklung auf unserem Globus, ausschließen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Frau Klöckner, CDU: War das die Haltung der Landesregierung oder von den GRÜNEN?)

Damit ist die Mündliche Anfrage beantwortet.