Protocol of the Session on June 3, 2005

Ob damit Kostenvorteile oder Kostensteigerungen verbunden sind, ist schwer zu beurteilen. Ich denke nicht, dass es zu Kostensteigerungen führen wird. Auf jeden Fall ist der Service für die Beteiligten erheblich besser. Sie können als Anwalt rund um die Uhr ohne einen Richter oder Mitarbeiter der Geschäftsstelle erreichen zu müssen, den Verfahrensstand abfragen.

(Hartloff, SPD: Man kann dann aber nicht mehr sagen, man habe die Akte nicht!)

Das ist zum Beispiel ein Problem, das Sie dann haben. Natürlich lässt sich dann der Zugang der gerichtlichen Mitteilung bei Ihnen als Rechtsanwalt genauer nachvollziehen. Gewisse Vorteile der Praxis, die es bisher gab, gibt es dann natürlich nicht mehr.

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Creutzmann.

Herr Minister, können Sie mir zustimmen, dass die Zeit- und Flexibilitätsvorteile für die Anwälte auch zu einem Kostenvorteil führen, weil sie nun auch Leerzeiten ausnutzen können, um mit den Gerichtsbarkeiten zu kommunizieren, und sie dadurch eine höhere Effizienz und Auslastung in ihren Kanzleien erreichen?

Es ist uns seitens der Anwaltschaft nicht mitgeteilt worden, ob sie Kostenvorteile in dieser Form erwartet. Die Anwälte sind jedenfalls insoweit von einem Vorteil überzeugt, als dass sie zum Beispiel kurz vor Ablauf einer Frist immer noch eine Klage elektronisch einreichen können und ihnen automatisiert der Eingang dieser Klage bestätigt wird. Damit kann eine gewisse Unsicherheit, ob das Rechtsmittel noch rechtzeitig eingelegt worden ist, unmittelbar und sofort beseitigt werden. Das ist einer der Vorteile, die die Anwälte darin sehen. Dass dies mit erheblichen Kostenvorteilen für sie verbunden wäre, ist im Rahmen dieser Gespräche in dieser Form nicht thematisiert worden.

Mir liegen keine weiteren Fragen mehr vor. Damit ist die Mündliche Anfrage beantwortet.

Vielen Dank, Herr Minister.

(Beifall bei FDP und SPD)

Meine Damen und Herren, ich begrüße Gäste im Landtag, und zwar Mitglieder des Sportschützenvereins Otterstadt sowie Jugendliche des Christlichen Jugenddorfes Kaiserslautern. Herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Ich rufe nun die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Reiner Marz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), Probleme beim Vollzug der Hartz-IV-Reformen in Rheinland-Pfalz – Nummer 6 der Drucksache 14/4190 – betreffend, auf.

Ich frage die Landesregierung:

1. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über die Fehlerquote bei der Erstellung von Bescheiden zum Arbeitslosengeld II in Rheinland-Pfalz?

2. Wie viele Widersprüche wurden gegen Bescheide zum ALG II in Rheinland-Pfalz eingelegt, und wie ist der Stand deren Bearbeitung?

3. Welche Maßstäbe werden nach Erkenntnis der Landesregierung bei der Bemessung des angemessenen Wohnraums angelegt, und wie viele Aufforderungen zum Umzug hat es in den einzelnen Kreisen bislang gegeben?

4. Sind der Landesregierung über den Kreis Bad Kreuznach hinaus Fälle in Rheinland-Pfalz bekannt, wo es infolge eines kürzeren Bewilligungszeitraums als den gesetzlich vorgesehenen sechs Monaten zu Schwierigkeiten bei der Auszahlung des Arbeitslosengeldes II kam?

Es antwortet Frau Staatsministerin Dreyer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Mündliche Anfrage des Herrn Abgeordneten Reiner Marz beantworte ich namens der Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: Die Landesregierung führt keine eigenen Erhebungen bezüglich des Arbeitslosengeldes II durch. Sie ist daher auf die Datenerhebungen der Bundesagentur für Arbeit angewiesen. Nach Auskunft der Regionaldirektion Rheinland-Pfalz/Saarland liegen Erkenntnisse zur Fehlerquote von ALG-II-Bescheiden nicht vor. Laut Aussage der Regionaldirektion lassen sich gegebenenfalls Rückschlüsse anhand der Abarbeitung aller Widersprüche ziehen. Dazu müssten die entsprechenden Abhilfen konkret auf eine fehlerhafte Bearbeitung zurückgeführt werden können. Dies ist aber nicht immer möglich, da sich viele Abhilfen auch aus der mangelnden Vorlage von Unterlagen oder fehlenden Informationen seitens der Antragsteller ergeben können. Zudem mündet nicht jeder fehlerhafte Bescheid in ein Widerspruchsverfahren ein. In vielen Fällen werden offensichtliche Unrichtigkeiten unbürokratisch von den Leistungssachbearbeiterinnen und Leistungssachbearbeitern in den Arbeitsgemeinschaften vor Ort beseitigt.

Zu Frage 2: Ende Mai betrug die Zahl der bei den Arbeitsgemeinschaften in Rheinland-Pfalz eingelegten

Widersprüche 8.557. Davon waren zum gleichen Zeitpunkt 5.327 Widersprüche bearbeitet. Bei etwa 115.000 rheinland-pfälzischen Bedarfsgemeinschaften wurde also ein sehr geringer Anteil der Bescheide beanstandet. Eine Widerspruchsquote lässt sich nicht darstellen, da der Landesregierung nicht bekannt ist, wie viele Bescheide abgelehnt wurden und bereits Neubewilligungen erfolgt sind. Sowohl die Neubewilligungen als auch die Ablehnungen müssen für die Berechnung einer Quote zu der Anzahl der Bedarfsgemeinschaften hinzuaddiert werden.

Zu Frage 3: Mit der Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zur neuen Leistung Arbeitslosengeld II werden künftig Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Dabei ist der Begriff der Angemessenheit an die bisherige Sozialhilfepraxis angelehnt. Die Angemessenheit der Kosten der Unterkunft richtet sich nach den individuellen Verhältnissen im Einzelfall – man nennt das Lebensumstände –, insbesondere nach der Zahl der Familienangehörigen, nach ihrem Alter, Geschlecht und ihrem Gesundheitszustand. Neben den individuellen Verhältnissen des Arbeitssuchenden und seiner Angehörigen sind darüber hinaus die Zahl der vorhandenen Räume, das örtliche Mietniveau und die Möglichkeiten des örtlichen Wohnungsmarkts zu berücksichtigen. Der angemessene Preis je Quadratmeter bestimmt sich nach dem Preis vergleichbarer Wohnungen im unteren Bereich am Wohnort und lässt sich insbesondere den örtlichen Mietspiegeln entnehmen.

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit beabsichtigt derzeit nicht, die Angemessenheit der Unterkunfts- und Heizungskosten im Wege einer Verordnung zu regeln, weil die individuelle Situation vor Ort sehr viel besser bewertet werden kann. Die zuständigen kommunalen Träger verfügen in diesem Bereich aufgrund der bisherigen Sozialhilfepraxis über langjährige Kompetenz und Erfahrung. Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnis hat auch die Bundesagentur für Arbeit darauf verzichtet, Durchführungshinweise zu den Leistungen für Unterkunft und Heizung zu verfassen.

Das Ministerium für Arbeit, Soziales, Familie und Gesundheit hat die wichtigsten Erkenntnisse und Regelungen der bisherigen Sozialhilfepraxis unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung in einem umfangreichen Rundschreiben zusammengefasst und den betroffenen Stellen im April 2005 zur Verfügung gestellt. Ich gehe davon aus, dass sich die Träger der Grundsicherung an diesen Vorgaben orientieren. Zumindest liegen mir keine gegenteiligen Erkenntnisse vor. Damit ist eine einheitliche Praxis bei der Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen sichergestellt. Informationen darüber, wie viele Aufforderungen zum Umzug es bisher in den einzelnen Kreisen gegeben hat, liegen der Landesregierung nicht vor.

Zu Frage 4: Der Landesregierung sind keine weiteren Fälle bekannt, bei denen ein kürzerer Bewilligungszeitraum zu Schwierigkeiten bei der Zahlbarmachung geführt hat. Auch die Regionaldirektion hat diesbezüglich keine weiteren Erkenntnisse.

In Bad Kreuznach hat sich auch aufgrund des Einschreitens des Landrats und der Landesregierung die Situation zwischenzeitlich entspannt. Es wurden Maßnahmen getroffen, um eine Wiederholung der Zahlungsschwierigkeiten im Mai zu verhindern. Die Bundesagentur für Arbeit hat die Verlängerungsanträge der Grundsicherung für Arbeitsuchende frühzeitiger als im Vormonat versandt. Zusätzlich hat die Arbeitsgemeinschaft in ihren Geschäftsräumen gezielt darauf hingewiesen, wie wichtig eine pünktliche Antragsabgabe ist, und um eine möglichst frühzeitige Abgabe gebeten. Bereits zum 1. Mai 2005 wurde zusätzliches Personal eingestellt. Eine weitere Personalaufstockung ist zum 1. Juni 2005 erfolgt.

Diese Maßnahmen haben dazu geführt, dass alle, die bis zum Stichtag 20. Mai ihren Antrag vollständig abgegeben haben, pünktlich ihre Leistungen erhielten. Diejenigen, die diesen Stichtag nicht eingehalten haben, müssen mit einigen Tagen Verzögerung rechnen, bis die Leistung auf ihrem Konto eingeht.

Mein Anliegen, das ich dem Vorstand der Bundesagentur für Arbeit vorgetragen habe, eine generelle Lösung dafür zu finden, dass die Arbeitsgemeinschaften nicht alle sechs Monate zwangsläufig mit der Massenbearbeitung von Leistungsbescheiden belastet werden, hat beim Vorstand bisher leider noch keine Früchte getragen. Dort herrscht diesbezüglich leider eine andere Philosophie.

So weit die Antwort der Landesregierung.

Ich erteile Herrn Abgeordneten Marz für eine Zusatzfrage das Wort.

Frau Ministerin, Sie haben in der Antwort auf die vierte Frage, die sich auf Bad Kreuznach bezieht, unter anderem gesagt, auch durch das Einschreiten Ihres Ministeriums sei da Abhilfe geschaffen worden.

(Pörksen, SPD: Und des Landrats!)

Ich sagte unter anderem.

Wenn ich mir dann ansehe, dass Sie zu der Fehlerquote unter Frage 1 keine Erkenntnisse haben und Sie zum Wohnraum im Hinblick auf das Umzugsbegehren keine konkreten Erkenntnisse haben, frage ich Sie: Wenn Sie Eingriffsmöglichkeiten haben, wäre es da nicht wichtig, dass Sie über solche Vorgänge Bescheid wissen?

Herr Abgeordneter Marz, sicherlich wäre das wichtig, aber meine Eingriffsmöglichkeiten sind wirklich nur sehr bescheiden. Wir haben keine formalen Eingriffsmöglichkeiten. Im Fall Bad Kreuznach sind wir so vorgegangen, wie wir das immer tun, nämlich wir nehmen ein Problem

zur Kenntnis und tun, was wir können. Das bedeutet, wir nehmen sofort Kontakt mit der Regionaldirektion auf. Ich persönlich telefoniere mit dem Vorstandsvorsitzenden, Herrn Weise, aus Nürnberg und danach mit Herrn Alt aus Nürnberg. Dann läuft sozusagen die Maschinerie manchmal langsam, aber sicher an. In Bad Kreuznach war das glücklicherweise der Fall.

Da auch der Landrat in diesem Fall sehr unkonventionell unter anderem auch mit Barauszahlungen und Ähnlichem agiert hat, konnte diese Situation abgewendet werden.

Ich erteile Herrn Abgeordneten Marz für eine weitere Zusatzfrage das Wort.

Ich frage das unter anderem vor dem Hintergrund des von Ihnen erwähnten Rundschreibens zur Angemessenheit des Wohnraums und vor dem Hintergrund, dass aus anderen Bundesländern bekannt ist, dass es gerade bezüglich des Wohnraums zu unschönen Vorgängen gekommen ist. Wie können Sie sicherstellen, dass das, was Sie in Ihrem Rundschreiben dargestellt haben, vor Ort auch tatsächlich eingehalten wird?

Wir können das gar nicht sicherstellen, Herr Abgeordneter Marz. Im Übrigen konnten wir das früher auch nicht wirklich. Wir haben auch im Rahmen der Sozialhilfe im Grunde genommen immer nur Empfehlungen an die kommunalen Träger gegeben. Wir wissen aber, dass in Rheinland-Pfalz – zumindest ist uns kein Fall bekannt – die Richtlinien relativ moderat angewendet werden, obwohl sie eigentlich großzügiger sind als früher bei der Sozialhilfe, was von den ehemaligen Sozialhilfeträgern total bedauert wird. Umgekehrt sind sie enger als früher bei der Arbeitslosenhilfe. Meiner Meinung nach hat man da einen moderaten Weg gefunden. Wir befinden uns permanent im Gespräch auch mit den Geschäftsführern der Arbeitsgemeinschaften. Das ist für uns der einzige Weg, tatsächlich Einfluss darauf zu nehmen, dass es zu einer einigermaßen landeseinheitlichen Anwendung von bestimmten Richtlinien kommt.

Ich erteile Frau Abgeordneter Grosse für eine Zusatzfrage das Wort.

Frau Ministerin, liegen der Landesregierung Erkenntnisse darüber vor, wie sich die Bearbeitungszeiten in Bezug auf Leistungen, Neuanträge oder sonstige Veränderungen seit In-Kraft-Treten der Hartz-IV-Reform verändert haben?

Wir wissen das natürlich nicht statistisch, aber aus vielen Gesprächen. Es ist inzwischen bei mir Usus, dass ich dann, wenn ich unterwegs bin, eine Stunde mit dem Geschäftsführer und dem Dezernenten nicht öffentlich über dieses Thema spreche. Daher wissen wir, dass die Situation der Neubearbeitung der Leistungsanträge, die alle sechs Monate zu tätigen ist, die Arbeitsgemeinschaften und die optierenden Gemeinschaften – platt ausgedrückt – fast umbringt. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind unentwegt damit beschäftigt, Leistungsbescheide zu überprüfen, obwohl sich die Situation im Privathaushalt überhaupt nicht verändert hat.

(Schweitzer, SPD: So ist es!)

Das ist ein ganz großes Ärgernis. Es ist eine Illusion des Vorstands der Bundesagentur zu glauben, dass das alles gar kein Problem sei, weil der Leistungsbereich vom Eingliederungsbereich abgekoppelt ist. Wenn man aber weiß, wie die Menschen vor Ort arbeiten – sie bekriegen sich nämlich nicht, sondern sie arbeiten wirklich kollegial miteinander –, ist klar, dass natürlich die im Eingliederungsbereich Tätigen ganz klar den im Leistungsbereich Untergehenden helfen. Mein großes Bestreben ist es deshalb – da ich mit meinem Bestreben beim Vorstand bisher noch nicht durchgedrungen bin, werde ich am Montag in einer Woche auch ein Gespräch mit dem Bundesminister darüber führen –, dass wir eine veränderte Regelung für die Wiederbearbeitung dieser sechsmonatigen Rückmeldungen finden müssen.

(Beifall der SPD)

Im Übrigen sehe ich den größten Haken darin – Herr Präsident, wenn ich das noch anfügen darf –, dass die Menschen, die eine Eingliederungsvereinbarung haben, ohnehin alle drei Monate bei der ARGE sind. Deshalb ist es total verrückt, dass die Abteilung Leistungsbescheide alle sechs Monate eine Überprüfung vornehmen muss, während dieselben Kunden alle drei Monate im Rahmen der Eingliederungsvereinbarung ohnehin bei der ARGE oder der Agentur vorsprechen müssen.

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Rösch.

Frau Ministerin, sind Ihnen unterschiedliche Schwierigkeiten bezüglich der Widersprüche und bezüglich des Wohnraums zwischen den Arbeitsgemeinschaften und den Kreisen, die optiert haben, bekannt?