Protocol of the Session on February 11, 2004

Es spricht Frau Abgeordnete Brede-Hoffmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Keller, das Beste an Ihrer Feststellung war, dass es schon archäologisch lange her ist, dass die CDU in diesem Bundesland das Sagen hatte.

(Beifall bei der SPD)

Wir werden dem noch einige Jahre hinzufügen, damit die Archäologie etwas länger zurückliegend arbeiten kann.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU)

Herr Kollege, Sie haben es eben wiederholt, wir haben angeblich diese Lehrerinnen und Lehrer in die anderen Bundesländer gescheucht, gejagt oder was immer Sie für Begriffe hatten. Wo sind sie denn da? Diese Bundesländer haben mindestens so große Probleme wie wir. Schauen Sie sich das Land Baden-Württemberg an. Vergleichen Sie die Zahlen mit denen aus dem Land Rheinland-Pfalz. Dann werden Sie feststellen, dass das Land Baden-Württemberg in den Mangelfächern mindestens so große Probleme aufzuweisen hat wie das Bundesland Rheinland-Pfalz und die dort Tätigen und politisch Verantwortlichen bei der Befragung durch die SPD in einer Landtagsdebatte darauf hingewiesen haben, sie könnten leider Gottes diese Lehrerinnen und Lehrer auch nicht backen.

(Zuruf von der CDU: Ablenkung! – Itzek, SPD: Wieso ist das Ablenkung? Das ist alles Realität!)

Das ist in Rheinland-Pfalz übrigens ähnlich. Ich möchte Ihnen einmal aus der Studie der Kultusministerkonferenz vorlesen, die sich mit dem Lehrämterbedarf bis 2015 beschäftigt hat und versucht hat, prognostisch zu berechnen, wie sich in Anbetracht der auf uns zukommenden Pensionierungswelle die Rekrutierung von Lehrerinnen und Lehrern in den verschiedenen Schularten gestalten könnte. Die Studie stellt fest, dass in den Jahren 2002 bis 2015 voraussichtlich im Durchschnitt jährlich knapp 3.200 Lehrkräfte zu wenig da sein werden und sich dieses bundesweit auf die Lehrämter für den Sekundarbereich II (berufliche Fächer) oder für die restlichen beruflichen Schulen konzentrieren wird.

Herr Kollege Keller, in dieser Kultusministerkonferenz sind meines Wissens eine ganze Menge Kultusministerinnen und Kultusminister von CDU-regierten Ländern vertreten,

(Hartloff, SPD: Viel zu viele!)

die gemeinsam feststellen, dass auch sie nicht wissen, wo sie diese junge Menschen herbekommen sollen. Aber in unserem Bundesland haben wir zurzeit immerhin 365 junge Menschen mit dem Ziel „Lehramt an berufsbildenden Schulen“ in der Ausbildung.

Herr Kollege Wiechmann, wir haben die Studienseminare voll. Wir haben die Seiteneinsteigerprogramme und die Quereinsteigerprogramme ohne Ende ausgeweitet.

(Beifall der SPD und bei der FDP)

Wir haben die Zahl der Lehrer für Fachpraxis ausgeweitet. Wir versuchen, wo immer es geht, Qualifikation aus der Wirtschaft in diese Schulen zu holen, um genau dort, wo es mangelt – vor allem im gewerblichtechnischen und hauswirtschaftlichen Bereich – Kapazitäten in die Schulen zu bekommen.

(Glocke des Präsidenten)

Wenn diese Menschen dann tatsächlich auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr zu finden sind, können auch wir

diese Stellen nicht besetzen. Es ist zu konstatieren, dass dann dort tatsächlich Unterrichtsausfall stattfindet.

(Beifall der SPD und der FDP – Zuruf von der CDU: So, so!)

Es spricht Herr Abgeordneter Wiechmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin Morsblech, auf Zahlen von vor 20 Jahren hinzuweisen, ist ganz deutlich ein Eingeständnis von schlechtem Gewissen, weil Sie wissen, dass die Situation im Moment – über diese Situation reden wir – eine Katastrophe ist, weil Sie wissen, dass die Unterrichtsversorgung tatsächlich nicht so ist, wie Sie sich das gern wünschen würden. Dann frage ich Sie: Wenn wir alle der Meinung sind, wir haben einen zu hohen strukturellen Unterrichtsausfall an den berufsbildenden Schulen des Landes – da habe ich noch nichts anderes gehört, auch nicht von der Landesregierung und auch nicht von Ihnen, Frau Kollegin –,

(Schweitzer, SPD: Sie hören nicht zu!)

warum sind Sie dann nicht ein einziges Mal konsequent und folgen unseren Änderungsanträgen zum Haushalt?

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben alle Bereiche, die wir eben gerade besprochen haben, gegenfinanziert und in der letzten Sitzung dieses Plenums darüber abgestimmt.

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Aber wie denn? Mit Bonn-Berlin-Mitteln haben Sie es finanziert!)

Sie haben alle Anträge abgelehnt. Frau Kollegin BredeHoffmann, das ist scheinheilig.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Frau Brede-Hoffmann, SPD: Wir müssen es umsetzen, Sie nicht!)

Meine Damen und Herren, das Problem – das hat Herr Kollege Keller auch gesagt – ist nicht über Nacht gekommen, sondern in den letzten Jahren sehr deutlich geworden, dass es schlicht und ergreifend versäumt worden ist, insbesondere bei den berufsbildenden Schulen die Attraktivität des Lehrerberufs zu steigern.

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Waren die GRÜNEN nicht gegen die Einsparstunde?)

Unseren Lehrerinnen und Lehrern – das müssen Sie sich einmal vorstellen – wurden immer wieder neue Aufgaben aufgebürdet, Arbeitsbedingungen wurden verschlechtert usw. Da ist es kein Wunder, dass die

Attraktivität des Lehramtsstudiums im Bereich der berufsbildenden Schulen wirklich nicht gerade hoch ist.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der offensichtlich große Mangel an Ausbildungsplätzen und damit natürlich auch der Run auf die beruflichen Wahlschulen, die geburtenstarken Schülerjahrgänge und natürlich auch ein Mangel an ausgebildeten Lehrkräften erfordern – das sage ich Ihnen hier noch einmal ganz deutlich – auch in durchaus schwierigen finanziellen Zeiten zusätzliche Investitionen in die berufsbildenden Schulen. Sparkonzepte sind hier mehr als fehl am Platz.

(Pörksen, SPD: Was sagten Sie? Sie sind dort fehl am Platz!)

Wir GRÜNEN haben Ihnen hierzu Vorschläge gemacht. Jetzt sind Sie endlich einmal an der Reihe, nicht nur immer zu reden, wie schlimm die berufsbildenden Schulen dran sind, sondern endlich einmal konkret zu sagen, wir wollen etwas tun, und dann tatsächlich auch zu sagen, wir nehmen dafür auch zusätzliche Mittel in die Hand.

Ich danke Ihnen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Frau Brede-Hoffmann, SPD: Waren Sie nicht auch noch gegen die Einsparstunde, Herr Kollege?)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen nun zum zweiten Thema der:

AKTUELLEN STUNDE

„Start des elektronischen Rechtsverkehrs als weiterer Schritt bei der Modernisierung der rheinland-pfälzischen Justiz“ auf Antrag der Fraktion der FDP – Drucksache 14/2908 –

Für die Antrag stellende Fraktion spricht Herr Abgeordneter Creutzmann.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die rheinland-pfälzische Justiz startet mit neuem Schwung in das Jahr 2004. Vergangene Woche wurde in Koblenz beim dortigen Oberverwaltungsgericht das Pilotprojekt „Elektronischer Rechtsverkehr“ gestartet. Es ist Teil der Multimediapolitik des Landes Rheinland-Pfalz und knüpft nahtlos an Projekte wie die elektronische Beauskunftung aus dem Grundbuch oder die Bereitstellung von umfangreichen und barrierefreien Informationen zu allen Verfahrensbereichen, die Veröffentlichung von Insolvenzen bis hin zu Serviceangeboten wie „Landesrecht online“, im Rahmen dessen rund 200 der wich

tigsten Gesetze und Verordnungen online von jedem interessierten Bürger kostenfrei über das Internet abgerufen werden können, an.

Diese Serviceleistungen der Justiz zielen im Wesentlichen auf eine schnelle, aktuelle und fachkundige Information ab. So stehen beim Pilotprojekt „Elektronischer Rechtsverkehr“ neben diesen Aspekten auch eine Vereinfachung und Beschleunigung des gerichtlichen Verfahrens sowie eine Verkürzung der Verfahrensdauer im Vordergrund. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, die Vorteile der elektronischen Kommunikation und Information auch im gerichtlichen Verfahren nutzbar zu machen. So können nunmehr im Rahmen des Pilotprojekts Klagen und Anträge ebenso per E-Mail eingereicht werden wie umfangreiche Schriftsätze und deren Anlagen. Für die Verfahrensbeteiligten ist damit der elektronische Rechtsverkehr eine moderne und attraktive Alternative zu den bislang zulässigen Kommunikationswegen wie Post und Telefax. Rechtsanwälte, Behörden und Unternehmen werden unabhängiger von Post und Botendiensten. Nächtliche Fahrten zum gerichtlichen Nachtbriefkasten zur Einhaltung einer Frist werden den Rechtsanwälten künftig ebenso erspart bleiben wie der Gang der Sekretärin zum Briefkasten oder zur Postfiliale.

(Frau Kiltz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sekretärin!)

Frau Kollegin, ich komme nachher noch zu dem Mehrwert. Sie lächeln. Was wir hier in Rheinland-Pfalz gemacht haben, ist, einen Mehrwert zu schaffen nicht nur für die Justiz, die sich dann anderen Dingen zuwenden kann, sondern auch für die freien und selbstständigen Berufe. Dies ist ein Standortvorteil für das Land Rheinland-Pfalz. Das nehme ich gern mit dem Lächeln entgegen, Frau Kollegin. Von Wirtschaft muss man etwas verstehen. Das sind volkswirtschaftliche und betriebswirtschaftliche Potenziale, die wir hier freisetzen.

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aha! Vielen Dank! – Zuruf der Abg. Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sehen Sie, deswegen haben wir die Aktuelle Stunde beantragt, weil es notwendig ist, dass auch diejenigen das kennenlernen, die sich nicht tagtäglich, wie der Kollege Gölter, mit rechtspolitischen Dingen befassen.

(Beifall der FDP und vereinzelt bei der SPD)