Protocol of the Session on August 30, 2002

Herr Kollege Jullien, wir haben uns dann gefragt, woran das liegt. Es ging das Gerücht um, man hätte nicht so stark geprüft. Wir haben jedoch wieder einen Verdrängungswettbewerb festgestellt. Es gibt immer mehr Abiturientinnen und Abiturienten, die in den Ausbildungsberuf gehen, die natürlich mit ihren Abschlüssen besser abschneiden und dann leider Realschüler und Hauptschüler verdrängen.

(Glocke des Präsidenten)

Ich will nachher noch auf den Kollegen Wiechmann eingehen. Das nur einmal zur Sachkenntnis, Herr Dr. Weiland.

(Beifall bei FDP und SPD)

Ich erteile Herrn Staatsminister Bauckhage das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn Jugendliche aus der Schule in die Arbeitslosigkeit entlassen werden, ist das schlimm. Das gibt dann bittere Erfahrungen. Wenn man hier vor Jugendlichen, die auf der Zuschauertribüne sitzen, diskutiert, so weiß ich nicht, was sie denken sollen.

(Vereinzelt Beifall bei der FDP)

Das ist auch ein Stück Verantwortung, die man haben muss, wie man den Dialog führt und wie man miteinander umgeht.

(Böhr, CDU: Zu wem sagen Sie das?)

Herr Böhr, das kann man nicht nur technokratisch beurteilen. Gleichwohl will ich auf zwei Dinge aufmerksam machen, die mir dabei wichtig sind. Einmal kann man sagen – ich habe vorhin die Zahlen im statistischen Mittel genannt –, dass die Ausbildungsplatzsituation in Rheinland-Pfalz zwar schwierig, aber nicht dramatisch ist. Ferner – das ist eine Zahl, die stimmt – ist die Jugendarbeitslosigkeit der bis 20-Jährigen, man höre und staune, von 5,9 % im Jahr 2001 auf jetzt 5,6 % gesunken. Vor diesem Hintergrund muss man eine solche Diskussion führen.

Des Weiteren muss man sagen, dass man einmal die gemeldeten Stellen hat, die die Arbeitsverwaltung zur Verfügung hat, und des Weiteren kann man die Fakten

und Zahlen nicht wissen, weil vieles daran vorbeiläuft und andere Lehrstellen abgeschlossen werden.

(Zuruf des Abg. Kramer, CDU)

Herr Kollege Kramer, das ist so. Das kann man spätestens im September/Oktober sehen, wie viele Lehrverträge abgeschlossen worden sind. Natürlich haben wir um die 30.000; seit Anfang der 90er-Jahre hatten wir einen ständigen Anstieg.

Die Wirtschaft ist ihrer Verantwortung immer gerecht geworden und hat mit sehr viel Engagement, zum Beispiel durch Lehrstellenlotsen usw., eine ganze Menge getan.

In der Stadt Mainz wird beispielsweise von den Kammern viel getan. Es gibt dort sogenannte Lehrstellenlotsen, die dies mit großem Erfolg machen. Sie gehen in die Betriebe hinein und bitten Sie, das eine oder andere noch zu machen.

Wir haben allerdings in der beruflichen Ausbildung ein zweites Problem. Das muss man auch sehen. Wir haben das Problem, dass das Image bestimmter Berufe einfach schwierig oder schlecht ist.

Ich habe es vorhin schon einmal von meinem Beruf gesagt. Es gibt noch 200 Angebote. Im Juli 2002 gibt es 60 Nachfrager. Das gilt für das gesamte Nahrungsmittelhandwerk und ähnlich auch für das Hotel- und Gas tstättengewerbe und beispielsweise in der Metallindustrie.

Es ist eine ganze Menge offener Lehrstellen vorhanden, die nicht besetzt werden können. Es geht schon in einen Bereich hinein, der ein Datum darstellt.

Deshalb hätten wir eigentlich den Auftrag, ein besseres Klima für die berufliche Ausbildung zu schaffen.

(Beifall der FDP und der SPD – Zuruf von der FDP: Jawohl!)

Es kann nicht sein, dass die universitäre Ausbildung und die Fachhochschulausbildung in der Gesellschaft einen anderen Stellenwert haben als die berufliche Ausbildung.

(Beifall der FDP und der SPD – Creutzmann, FDP: Leider!)

Das hat natürlicherweise unterschiedliche Ursachen. Das hat seine Ursache nicht nur in der Politik, dass hat auch unterschiedliche Ursachen in der Gesamtgesellschaft. Es ist eigentlich ein Problem der Gesamtgesellschaft.

Deshalb sind wir aufgerufen, als Verantwortungsträger auch verantwortlich damit umzugehen und zu versuchen, dieses Image zu heben.

Sie konnten mit vielen Handwerksverbänden reden. Ich habe neulich ein Gespräch gehabt mit einer Gruppe, die mir sagte, also gut, wenn Sie das sagen mit dem Bäcker und dem Metzger; die Berufe haben aber keine Per

spektive. Wenn sich so etwas in den Köpfen festsetzt, darf man sich nicht wundern.

(Schmitt, CDU: So ist es!)

Deshalb sind wir aufgerufen, ein besseres Klima zu schaffen. Ich glaube, dass dann insgesamt die berufliche Ausbildung wieder von mehr Qualifizierten nachgefragt würde und insgesamt das Lehrstellenverhältnis besser wird, meine Damen und Herren.

Nun kann ich sagen, wir hatten im Durchschnitt im vorigen Jahr einen Versorgungsgrad von rund 101 %. Es ist das Problem mit dem Durchschnitt; das habe ich vorhin schon einmal erläutert.

Deshalb sollten wir alle gemeinsam die Schritte unternehmen, die wir in der Vergangenheit unternommen haben und sollten im Gespräch mit Verbänden und Akteuren versuchen, die Lehrstellensituation wieder zu verbessern.

Wir haben jetzt eine Unterversorgung – wenn man es einmal nachrechnet – so um die 700 im Juli 2002. Die Zahl wird noch um eine ganze Menge reduziert werden können, wenn die Ausbildungsverhältnisse abgeschlossen werden; das zeigt die Erfahrung.

Deshalb muss man dieses Problem natürlicherweise sehr seriös diskutieren. Man muss aber auch diskutieren dürfen – das sage ich auch einmal –, ob wir nicht module Ausbildungssysteme dual machen sollten. Ich halte am dualen Ausbildungssystem fest – das ist keine Frage – auch wegen der Qualifizierung der Menschen, um sie nachzuqualifizieren. Wir werden in der Zukunft das Problem haben, dass wir eine ständige Weiterqualifizierung brauchen.

Nun liegt dies auf der Seite der Tarifpartner. Mit denen habe ich in Berlin ein Gespräch geführt, welches schon sehr merkwürdig war. Als ich den Begriff „Modulausbildung“ nannte, wurden beide Seiten sehr nervös. Es muss also etwas Richtiges daran sein. Der eine wurde es aus den einen, der andere aus anderen Gründen. So kann man jedoch kein Problem lösen.

Ich will damit sagen, wir sollten alles dafür tun, die Rahmenbedingungen anzugehen. Natürlich hat es etwas mit Rahmenbedingungen zu tun. Natürlich hat es auch etwas mit der Konjunktur zu tun. Wenn die Konjunktur nicht läuft, dann wird auch weniger ausgebildet.

Das können wir feststellen. Wir hatten ein Minus von rund 1.000 Ausbildungsabschlüssen insgesamt im Vorjahr.

Wir sind aufgerufen, das zu machen, was man verantwortlich machen muss, um das Image zu verbessern und den Berufen wieder eine Perspektive, auch öffentlich, zu geben, die händeringend um Nachwuchs besorgt und bemüht sind.

Meine Damen und Herren, in der nächsten Runde werde ich noch etwas dazu sagen, aber ich wollte dies noch

einmal in den Vordergrund stellen, weil man das nicht einfach schwarz-weiß diskutieren kann.

(Beifall der FDP und der SPD)

Es spricht nun Herr Abgeordneter Böhr.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Wirtschaftsminister hat es gesagt, wenn auch in einer etwas versteckten Schlußbemerkung am Ende seiner Ausführungen: Ich denke, wir können über dieses Thema nicht diskutieren, wenn wir es nicht als ein Problem der Konjunkturlage und als ein Problem unserer gesamtwirtschaftlichen Lage diskutieren.

(Zuruf von der CDU: So ist es!)

Ich spreche sicher für meine ganze Fraktion, wenn ich jetzt einmal sage: Ich kenne kein Thema, das mehr Ernst verdient hätte als diese Frage nach den Sorgen junger Menschen im Hinblick auf ein Ausbildungsverhältnis, das sie anstreben, und die Sorgen von Erwachsenen, die arbeitslos werden oder Angst haben, dass Sie arbeitslos werden könnten.

Herr Kollege Nink, ich sage das deshalb, weil Ihnen dies Thema für ein paar blöde Witzchen wirklich zu ernst und zu schade sein sollte.

(Beifall der CDU)

So kann man es auch diskutieren. Sie haben das getan, das spricht für sich. Ich will es nicht weiter kommentieren.

(Zuruf des Abg. Hartloff, SPD)

Ich will das aufnehmen, was der Wirtschaftsminister vorgetragen hat; denn ich finde, dass wir in der Tat eine sehr differenzierte Betrachtung dieses Problems brauchen.

Ich glaube, zu einer differenzierten Betrachtung dieses Problems gehört, dass wir erst einmal ganz nüchtern zur Kenntnis nehmen – das können Sie nicht mit dem Argument, das ist Wahlkampfhilfe, aus der Welt schaffen: die Menschen lesen es in der Zeitung, ob Sie es leugnen oder nicht, das wird überhaupt keinen beeindrucken, verehrter Herr Kollege Nink –: Wir haben in den letzen Wochen und Monaten eine Verschärfung auf dem Arbeitsmarkt, wie wir sie mindestens seit einem Vierteljahrhundert in Deutschland zu Sommerzeiten noch nie erlebt haben. Das ist das Faktum.

(Beifall der CDU – Zuruf des Abg. Redmer)