Meine sehr verehrten Damen und Herren, die gestrigen Anträge zum Mittelstand und die heutige Anfrage – das belegt die etwas unorthodoxe Fragestellung, die von der Ausbildung über Insolvenzen alle Bereiche abdecken will – erinnern mich sehr an die Echternacher Springprozession.
In Echternach geht man zwei Schritte nach vorn und einen zurück. Sie gehen immer einen nach vorn und zwei zurück. Deswegen werden Sie in Mainz und in Berlin nie ankommen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion, Sie haben gestern Abend vergeblich versucht und werden auch heute wieder vergeblich versuchen, Ihre undurchdachten Vorstellungen zur Mittelstandspolitik – heute vor Publikum – klarzumachen. Dies wird Ihnen nicht gelingen.
Ich kann Ihnen das an einem Punkt deutlich machen. Genau an diesem kommen Sie nicht vorbei, wenn Sie zum Beispiel die grünrote Steuerreform sehen, die – Herr Weiner, Sie haben das angesprochen – angeblich den Mittelstand so stark belastet hätte. Der Mittelstand ist um 9 Milliarden Euro durch die grünrote Steuerreform in den letzten vier Jahren entlastet worden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Politik der Landtagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Bereich der beruflichen Ausbildung im dualen System ist seit ihrem Bestehen im Landtag geradlinig und immer konsequent gewesen. Herr Minister Bauckhage hat
damit schon leidlich Erfahrungen gemacht. Alle jungen Menschen in Rheinland-Pfalz, die das möchten, haben nach dem Abschluss der allgemein bildenden Schule ein Recht auf berufliche Ausbildung. Die Partner im dualen System der beruflichen Ausbildung, die Wirtschaft und die öffentliche Hand, sind gemäß ihrer Aufgabenteilung verpflichtet, den jungen Menschen eine ausreichende Anzahl von Ausbildungsplätzen anzubieten und den Unterricht in berufsbildenden Schulen zu gewährleisten.
Das Besondere des dualen Systems besteht darin, dass sich die Partner und – das sage ich deutlich – insbesondere die Wirtschaft verpflichtet haben, genügend Ausbildungsplätze zu gewährleisten, was sie auch noch einmal im Bündnis für Arbeit der jetzigen Bundesregierung bekräftigt und versprochen haben.
Das Bundesverfassungsgericht hat in einer Entscheidung dazu festgestellt, dass allein der zahlenmäßige Ausgleich zwischen Bewerberinnen und Bewerbern und Angeboten kein ausreichendes Ausbildungsplatzangebot darstellt. Hier ist insbesondere die Industrie gefragt. Wir wissen, dass das Handwerk und der Mittelstand mit Abstand die größte Last an der Ausbildung tragen.
Herr Kuhn, es ist keine Last. Sie haben Recht. Sie übernehmen die größte Verantwortung im Bereich der Ausbildung.
Wenn das, was ich eben gerade gesagt habe, richtig ist, dann kann und darf sich das Angebot an Ausbildungsplätzen nicht an Konjunkturzyklen orientieren. Ein System, das jährlich mehr als die Hälfte der Schulabgängerinnen und -abgänger aufnimmt, ist darauf angelegt, dass es zuverlässig jedes Jahr genügend Ausbildungsangebote anbietet. Das müssen die Partner gemeinsam gewährleisten. Darauf haben die jungen Menschen einen Anspruch.
Deshalb kommt es auch in politisch und konjunkturell schwierigen Zeiten regelmäßig und meiner Meinung nach auch berechtigt zu der Forderung, dass die Unternehmen über ihren gegenwärtigen Bedarf hinaus ausbilden sollen. Das Land kann auch nicht sagen: Die Steuereinnahmen gehen bei uns in diesem Jahr zurück, also können wir nicht alle Schülerinnen und Schüler in uns eren allgemein bildenden Schulen aufnehmen.
Meine Damen und Herren, unserer Meinung nach hat das duale System dann eine Existenzberechtigung, wenn es ihm gelingt, eine berufliche Erstausbildung zu gewährleisten. Es kann nicht angehen, dass sich einige Unternehmen zurücklehnen, ihren Verpflichtungen in diesem Zusammenhang nicht nachkommen und sich dann danach über die angeblich so schlecht ausgebildeten jungen Menschen beschweren. Die jetzige Situation auf dem Ausbildungsplatzmarkt in Rheinland-Pfalz ist allerdings – das muss ich auch dazu sagen – bereits seit Jahren vorhersehbar gewesen. Sie ist auch nicht zu beschönigen. Ohne das Zwei-Milliarden-Programm der Bundesregierung, nämlich Jump, wären die Steige
rungsleistungen bei den Ausbildungsverträgen seit 1998 gar nicht mehr möglich gewesen. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Wir als Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben schon sehr früh auf den bevorstehenden Mangel an Ausbildungsplätzen hingewiesen,
zu einem Zeitpunkt, als der Wirtschaftsminister noch meinte, einen Ausbildungsrekord melden zu müssen, nämlich Ende 2000, als es schon sehr deutlich geworden war, dass das Angebot an Ausbildungsplätzen bei gleichzeitig absehbarer Steigerung der Nachfrage nach Ausbildungsplätzen nicht mehr gewachsen war. Wir können uns jetzt nicht mehr auf gute Worte verlassen, Taten müssen folgen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestern Abend vor leerem, heute vor vollem Haus, die CDU macht Wahlkampf, aber wie sie es macht, das ist ein Graus.
Mit viel Polemik und wenig Sachverstand will sie begeistern die Leute in unserem Land. Doch ich bin sicher, das ist sonnenklar, mit bloßer Polemik gewinnt man keine neue Wählerschar.
Meine Damen und Herren, so wie die Union das hier macht, so kann man das schlicht und einfach nicht machen.
Meine Damen und Herren, es wäre einmal ganz gut, wenn man ab und zu das lesen würde, wovon Sie, Herr Kollege Jullien, denken, dass Ihre Wähler herkommen, nämlich die Handwerkszeitung vom 19./20. August. Herr Präsident, mit Ihrer Zustimmung möchte ich zitieren:
„Betriebe suchen noch Lehrlinge. In einer breiten Palette von Berufen sind noch zahlreiche Ausbildungsplätze frei.“ Meine Damen und Herren, ich zitiere das einmal, um ein bisschen Klarheit in diesem Hause zu schaffen.
„Bis Ende Juni registrierten die vier rheinlandpfälzischen Handwerkskammern knapp 10 % weniger Lehrverträge als im Vorjahr. Dabei gibt es im Handwerk landesweit noch viele freie Stellen. Insgesamt wurden bislang rund 6.300 neue Ausbildungsverhältnisse abgeschlossen, so die Arbeitsgemeinschaft der Handwerkskammern. Ein Drittel der in diesem Jahr erwarteten Lehrverträge stehen allerdings noch aus, sodass endgültige Prognosen noch verfrüht seien. Erfahrungsgemäß sei gerade im Handwerk der Ausbildungsmarkt im Schlussspurt zu Beginn des neuen Ausbildungsjahres noch stark in Bewegung. Trotz eines schwierigen wirtschaftlichen Umfelds ist die Ausbildungsbereitschaft der Betriebe weiter recht hoch. In fast allen Regionen und Branchen gibt es noch zahlreiche freie Ausbildungsplätze, sodass auch unversorgte Bewerber reelle Chancen auf eine Lehrstelle haben. In den Nahrungshandwerken und in einigen Metallberufen werden zum Teil noch händeringend“ – – –
Ihnen fehlt das Sachwissen. Das ist mein Beitrag, Ihnen endlich einmal das Sachwissen beizubringen, damit Sie nicht immer dieses Zeug hier verbreiten, das überhaupt nicht stimmt.
Herr Dr. Weiland, es geht weiter: „Nachdrücklich weisen daher die rheinland-pfälzischen Kammern Behauptungen zurück, Betriebe würden sich beim Lehrstellenangebot im Hinblick auf den Wahltermin zurückhalten. Ausbildung sei vielmehr geradezu der Lebensnerv für das Handwerk, das wie kaum ein anderer Wirtschaftsbereich auf qualifizierte Fachkräfte auch in der Zukunft angewiesen sei.“
Nun erzähle ich Ihnen einmal, wie das in der rheinlandpfälzischen Wirtschaft teilweise geht. Ich erzähle Ihnen einmal aus meiner Praxis, Herr Kollege Jullien. Wir – ich meine hiermit die BASF – haben festgestellt, dass wir immer mehr junge Menschen ausbilden, als wir theoretisch benötigen. Wir haben dann mit den Gewerkschaften gemeinsam vereinbart: Jeder, der besser als 2,49 mit den Noten im Durchschnitt abgeschlossen hat, bekommt einen Arbeitsplatz nach seiner Ausbildung. –
Jetzt waren wir völlig überrascht, dass es nicht nur ein Drittel – das ist in etwa der Bedarf –, sondern zwei Drittel waren, die besser als mit 2,49 Notendurchschnitt ihre Lehre beendet haben. Dann muss man mit den Betroffenen einmal reden. Wir bilden in meiner Abteilung auch jemanden aus.
Herr Kollege Jullien, wir haben uns dann gefragt, woran das liegt. Es ging das Gerücht um, man hätte nicht so stark geprüft. Wir haben jedoch wieder einen Verdrängungswettbewerb festgestellt. Es gibt immer mehr Abiturientinnen und Abiturienten, die in den Ausbildungsberuf gehen, die natürlich mit ihren Abschlüssen besser abschneiden und dann leider Realschüler und Hauptschüler verdrängen.