Protocol of the Session on October 17, 2001

Hinzu kommt die Diskussion über das Zwischenlager, die auch läuft. Die Zwischenlager sollen jetzt vor dem Hintergrund des 11. September neu ausgelegt werden. Ich sage es ein bisschen ironisch und in Anführungszeichen, möglicherweise wären dann abgebrannte Brennstäbe im Castorbehälter im Zwischenlager am sichersten untergebracht. Nur sollen daraus natürlich keine verkappten Endlager werden.

Frau Ministerin, ich möchte noch eine Bemerkung zu Ihnen sagen. Wir erwarten heute von Ihnen keinen detaillierten Bericht. Es ist umso besser, wenn Sie dazu einiges sagen können. Wir erwarten von der Landesregierung auch nicht, dass sie in der aktuellen Diskussion der Verantwortlichen in Bund und Ländern mit lauten Tönen öffentlich vorangeht. Da unterscheide ich mich etwas von Herrn Dr. Braun. Ich interpretiere es jetzt einmal so. Wir haben kein Kraftwerk. Der laute öffentliche Ton wäre daher unangemessen. Eine engagierte Mitarbeit in allen Bund-Länder-Gremien ist aber erforderlich. Ich nenne jetzt einige Punkte, von denen ich bitte, dass zur passenden Gelegenheit im Ausschuss für Umwelt und Forsten und im Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr eine Unterrichtung erfolgt.

1. Was bedeutet die geänderte Sicherheitslage seit dem 11. September 2001 für den Betrieb der deutschen Kernkraftwerke? Welche Maßnahmen werden im Einzelnen ergriffen?

2. Was bedeutet die geänderte Sicherheitslage für die Auslegung der Zwischenlager, in diesem Fall konkret Philippsburg?

3. Was bedeutet der Störfall in Philippsburg für die Kontrolle des Betriebs durch unabhängige, gegebenenfalls staatliche Dritte? In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob die Nachbegutachtung durch den TÜV und das zuständige Land ausreicht, oder ob wir nicht zumindest in sensiblen Phasen, beispielsweise dem Wiederanfahren nach einer Revision und nach einem Stillstand, auch eine Vor-Ort-Begleitung durch unabhängige Dritte brauchen.

4. Herr Innenminister, ich darf Ihre Aufmerksamkeit ein bisschen erbitten. Was heißt das alles vor dem Hintergrund der Katastrophenschutzplanung? Muss man hier etwas bedenken? Was heißt das für uns? In dem 25Kilometer-Radius liegen Mannheim und Ludwigshafen als Beispiel, ganz abgesehen von den gegenüberliegenden Gemeinden.

Herr Braun, ich will offen sagen, der Ruf nach einer Sofortabschaltung aller Kernkraftwerke in der Bundesrepublik wird nur von Einzelnen erhoben. Bundesumweltminister Trittin hat am vergangenen Sonntag in der Sonntagsausgabe der „FAZ“ ganz klar dagegen Stellung genommen. Man muss auch sehen, dass eine Sofortabschaltung zwar nicht zu einer fundamentalen Energieverknappung, aber zu einer dramatischen Energieverteuerung in Deutschland führen würde. Das muss man mit allen wirtschaftlichen Konsequenzen in einer konjunkturell sowieso schweren Situation sehen. Wie wir das in fünf oder zehn Jahren beurteilen werden, weiß ich nicht so recht. Ich rate hier zur Zurückhaltung.

Meine Damen und Herren, 70 % der Ölreserven der Welt liegen im Umfeld von Saudi-Arabien. Das sind nach Schätzungen der Fachleute 580 Billionen Barrel.

(Glocke des Präsidenten)

Ich denke, wir brauchen Wachsamkeit, Sorgsamkeit, auch ein Einfordern der Verantwortung in einer öffentlichen Diskussion. Wir haben die Bitte, dass sich die Landesregierung hierbei in dem gebotenen Maße beteiligt und den Landtag in der gebotenen Form unterrichtet. Dann können wir gegebenenfalls auch weiter diskutieren.

Ich bedanke mich.

(Beifall bei der CDU)

Ich erteile der Abgeordneten Frau Ebli das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Vertrauen der Bevölkerung wurde durch den Störfall bis ins Mark erschüttert und dokumentiert gleichzeitig die Gleichgültigkeit der Betreiber gegenüber der

Bevölkerung. Die Diskussion um den Atomausstieg hat durch diesen Störfall in Philippsburg ganz besonders in meiner Region im Bereich Römerberg eine völlig neue Qualität bekommen. Herr Dr. Gölter hat das schon angesprochen. Vorhandene Ängste sind nicht durch grundsätzliche Kernkraftgegner oder durch Bürgerinitiativen geschürt worden, sondern durch ein Ereignis im Kernkraftwerk Philippsburg, das den Menschen beispielsweise in Römerberg, das Luftlinie nur Rheinbreite von dem Kernkraftwerk entfernt liegt, vor Augen geführt hat, dass es mit der viel versprochenen und gepriesenen Sicherheit doch nicht so weit her ist.

Die Situation bekommt gerade für die Menschen in Römerberg noch einmal eine besondere Bedeutung, kümmern sie sich doch schon seit vielen Jahren intensiv und engagiert um die Kinder aus dem Bereich Tschernobyl. Plötzlich müssen sie sich fragen: Ist Tschernobyl bei uns möglich? Was ist mit der ständig gepriesenen Sicherheit? Was ist mit der ehrlichen Aufklärung der Bevölkerung? Was passiert mit den Verantwortlichen? Wird der Störfall von dem Unternehmen wie ein Kavaliersdelikt gehandhabt? Was passiert mit dem verantwortlichen Ingenieur, der laut Pressemeldung nur beurlaubt wird, um genügend Zeit zu haben, sich der Aufklärung des Störfalls widmen zu können? – Das sind Fragen über Fragen.

Ich meine, die richtige Antwort auf die Fragen hat der Bundesumweltminister in überraschender Übereinstimmung mit dem baden-württembergischen Umweltminister gegeben. Sie haben abgeschaltet.

Ich denke, der Störfall und der Umgang des Betreibers mit dem Störfall ist mehr als ein Eigentor. Das Vertrauen ist erschüttert. Ich denke, das ist ein eindeutiger Verstoß gegen das Grundgesetz, Artikel 2 Abs. 2, das die Unversehrtheit des Lebens garantiert.

Danke schön.

(Beifall der SPD und vereinzelt bei der FDP)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Creutzmann das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Was die beiden Kollegen bzw. was Herr Kollege Braun gesagt hat, ist so falsch nicht.

(Zurufe von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!)

Wir erwarten, dass auch Konsequenzen von denjenigen gezogen werden, die zur Rechenschaft zu ziehen sind.

Frau Kollegin Ebli hat gesagt, das Entscheidende ist, dass man solche Anlagen nur betreiben kann, wenn absolutes Vertrauen und Offenheit bestehen. Es gibt gesetzliche Regelungen. Das heißt, wir erwarten von

denjenigen, die das Recht von staatlicher Seite zu vertreten haben, dass sie prüfen, ob Verletzungen gegen Gesetze oder Verordnungen vorgenommen wurden und strafrechtliche Konsequenzen zu ziehen sind. Das eine sind zivilrechtliche Konsequenzen. Diese kann der Vorstand beschließen. Das ist eine Sache. Das andere sind strafrechtliche Konsequenzen. Diese müssen geprüft und gegebenenfalls eingefordert werden.

Es ist in der Tat richtig, dass solche Anlagen nur dann in der Betreibung gerechtfertigt werden können, wenn möglichst alle vorhandenen Sicherheitspotenziale ausgeschöpft sind. Es muss alles immer wieder auf den Prüfstand kommen, ob die Sicherheit gewährleistet werden kann. Das gilt für Chemieanlagen, für alle Großanlagen genauso wie für Atomkraftanlagen, die ein Gefahrenpotenzial beinhalten. Herr Kollege Gölter hat zu Recht gefragt, inwieweit der TÜV, der eine private Institution, ein Gütesiegel ist, noch vertrauenswürdig ist, wenn er öffentlich erklärt, eine Nachprüfung hätte nicht stattfinden können. Auch diese Frage muss offen von der Landesregierung gestellt werden.

Für die FDP-Fraktion halten wir abschließend fest, wir erwarten, dass alle rechtsstaatlichen Mittel zurate gezogen werden und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden, falls dies notwendig ist. Nur Vertrauen rechtfertigt es, dass solche Großanlagen weiter in Betrieb sind.

Vielen Dank.

(Beifall der FDP und bei der SPD)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Braun das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn wir über Gefahren der Atomkraft diskutieren, dann müssen wir das umfassend und ehrlich tun. Herr Gölter, ich dachte, Sie hätten sich dagegen ausgesprochen, dass sich der Primat der Wirtschaft gegenüber der Sicherheit durchsetzt. Das gilt für ein Atomkraftwerk auf jeden Fall, das abgeschaltet werden muss, wenn es gefährlich ist. Wenn aber bei allen anderen Atomkraftwerken Gefahr droht bzw. wenn man zu dem Schluss kommt, dass auch bei allen anderen Gefahr droht, dann gilt das natürlich auch für die anderen Atomkraftwerke. Der Strompreis ist bestimmt wichtig. Er ist bei Gefahren allerdings sekundär, und wir werden morgen noch darüber diskutieren, wie wir Strom in anderer Art und Weise erzeugen können. Da wird sich die CDU so positionieren, dass sie eine Haltung einnimmt, die nicht gerade zukunftsweisend ist, Herr Dr. Gölter.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Dr. Gölter, CDU)

Sie haben betont, die Technik muss fehlerfreundlich sein. Es kann aber nicht sein, dass ich sage, ich muss allen Betreibern absolut vertrauen können. Wir wissen,

dass so etwas nicht möglich ist. Wir versuchen, Kontrollen in allen Bereichen zu verschärfen. Dennoch können wir nicht davon ausgehen, dass es eine absolute Sicherheit gibt. Deswegen haben wir schon immer gefordert, dass technische Anlagen fehlerfreundlich sein müssen. Wenn menschliches Versagen tatsächlich eintritt, was man nie ausschließen kann, darf es nicht zu solchen Folgen kommen, dass Millionen von Menschen in ihrem Leben und ihrer Gesundheit betroffen sind. Deswegen ist die Nutzung der Atomkraft eine menschenfeindliche Technik, meine Damen und Herren.

Jede Pommes-Bude wird überwacht. Wenn sie die Überwachungskriterien nicht einhält, hat jede PommesBude mit Konsequenzen zu rechnen. Deswegen ist es unverständlich, wieso sich die Pommes-Buden nicht selbst überwachen dürfen, warum wir diese überwachen lassen, aber sich der Atomkraftwerkbetreiber weitgehend selbst überwachen darf. Besonders nachdenklich muss stimmen, dass offensichtlich nicht kontrolliert wurde, was er weitergemeldet hat und ob das stimmt.

Ich will doch klar feststellen, dass es keine Einmütigkeit zwischen dem baden-württembergischen Umweltminister Müller und dem Bundesumweltminister Jürgen Trittin gab. Müller ist am 6. Oktober nach Berlin zitiert worden. Er ist mit der Überzeugung angereist, BadenWürttemberg und das Atomkraftwerk Philippsburg haben die richtige Sicherheitsphilosophie. Er ist zwei Stunden später aus diesem Gespräch herausgegangen, entweder überzeugt worden oder in einer anderen taktischen Weise für sich zu der Überzeugung gekommen, er muss seine Meinung ändern. Das war doch erst der Anlass. Es war erst der Umweltminister Trittin. Herr Müller ist doch nicht freiwillig nach Berlin gegangen, sondern Umweltminister Trittin hat ihn hinzitiert. Daraufhin sind erst die baden-württembergischen Stellen aktiv geworden. Das muss man festhalten. Es ist richtig, dass sie dann aktiv wurden, aber man muss doch sehen, wie wichtig eine Atomaufsicht ist, die kritisch ist, die zum Beispiel im Bund im Moment installiert ist. Jede Atomaufsicht in allen Bundesländern muss so kritisch sein. Das ist in Baden-Württemberg nicht der Fall.

(Vereinzelt Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Darum muss man feststellen, Müller als Umweltminister ist natürlich auch nicht haltbar. Das ist weniger unser Problem, aber es ist doch klar, dass eine solche Atomaufsicht, die nicht existiert, auch von den Nachbarbundesländern auf die Dauer nicht akzeptiert werden kann.

Meine Damen und Herren, wenn wir darüber diskutieren, welche Fehler gemacht wurden, dann muss man auch noch einmal ehrlich sagen, es kann passieren, dass Fehler gemacht werden. Die Instrumente haben, weil sie grundsätzlich zunächst einmal falsch eingestellt waren, nach dem Wiederanfahren des Atomkraftwerks falsche Daten angezeigt. Darum wurde zwei Wochen lang nicht bemerkt, dass die Borsäurekonzentration zu gering ist. Aber spätestens ab dem Zeitpunkt, als man gemerkt hat, was los ist, hätte absolut konsequent gehandelt werden müssen. Da ist es nur richtig, dass das gesamte Personal, das solche Maßnahmen deckt, auch ausgetauscht

wird. Das gilt aber nicht nur für EnBW, das gilt genauso gut für ein Ministerium. Das gilt genauso gut für Isar 1, bei dem auch falsche Daten weitergemeldet wurden. Das gilt dann auch für die Forderungen, die in Biblis die ganze Zeit laufen, dass dort der Steuerstand gegenüber Angriffen, gegenüber Explosionen von außerhalb, erneuert und geschützt werden muss. Auch dagegen, dass im Moment in Biblis nichts gemacht wird, und gegen die RWE gelten die gleichen Forderungen, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen müssen wir als Parlament auch deutlich machen, die Sicherheit der Bevölkerung in RheinlandPfalz geht vor alle anderen Dinge, meine Damen und Herren.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es spricht nun Frau Umweltministerin Margit Conrad.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal reizt es natürlich auch mich, jetzt eine Grundsatzdebatte zur Kernenergie zu führen, erst recht vor dem Hintergrund der terroristischen Anschläge und der Befürchtungen, die – wie auch immer – leider oder auch zu Recht in der Bevölkerung mittlerweile bestehen.

Ich will zu diesem Punkt nur eines sagen. Ich habe sehr begrüßt, dass der Bundesumweltminister bereits im September – er hat sich dann später noch einmal geäußert – die Reaktorsicherheitskommission beauftragt hat, genau zu diesem Punkt, was die Frage der Sicherheit deutscher Kernkraftwerke gegen gezielten Absturz von Großflugzeugen mit vollem Tankinhalt angeht, zu beraten und entsprechende Vorschläge zu machen.

Ich habe ihn auch in einem Schreiben nachdrücklich in diesem Vorgehen unterstützt, inklusive der Frage, ob es gegebenenfalls bei veränderter Sicherheitslage notwendig ist, bestimmte Kernkraftwerke auch vorsorglich vom Netz zu nehmen. Wir werden Sie gegebenenfalls unterrichten. Ich habe ihn auch gebeten, uns ständig auf dem Laufenden zu halten und auch die Länderbehörden mit etrieben wurde, hätten alle

(Staatsminister Zuber zeigt Staatsministerin Conrad, wie das Rednerpult in der Höhe verstellt werden kann)

Vielen Dank. Ich wusste nicht, dass es hier eine so komfortable Technik gibt, Herr Kollege.