Meine sehr geehrten Damen und Herren, aber die Punkte 2 und 3 sind gar nicht so sehr neu. Sie sind vielleicht in den letzten Jahren ein wenig in Vergessenheit geraten. Das, was in Philippsburg geschehen ist, zeigt uns ganz deutlich, dass es höchste Zeit ist, darüber zu reden und erneut darauf zurückzukommen.
Wie sind die Bürgerinnen und Bürger des Landes eigentlich davor gefeit? Wie sind sie davor zu sichern, dass es in solchen Unternehmen in sehr sensiblen Bereichen Betriebsleiter gibt, die sich nicht daran halten, was sie eigentlich tun müssten, und möglicherweise der Profit über alles andere gestellt wird?
Herr Dr. Gölter hat zunächst darauf hingewiesen, dass man bezüglich der Risikoeinschätzung zunächst von der Stufe 0 geredet hat. Später wurde es auf 2 erhöht. Das spielt zu diesem Zeitpunkt überhaupt keine Rolle. Es ist völlig unerheblich, ob die Risikoeinschätzung positiv oder negativ gesehen wird. Tatsache ist, dass bei einer solchen Feststellung ein Mechanismus in Gang gesetzt werden muss, der festgeschrieben ist und eine Abschaltung des Reaktors bedeutet.
Herr Dr. Gölter, Sie haben gesagt, es sei unbemerkt weitergearbeitet worden. Nach unseren Erkenntnissen
jedoch hat man genau gewusst, dass die Füllmenge nicht vorliegt, und trotzdem den Reaktor weiterlaufen lassen. Von unbemerkt kann also keine Rede sein. Wir müssen feststellen, dass gewollt und bewusst eine Gefahr in Kauf genommen wurde, die für unsere Region bestanden hat. Sicherheitsvorschriften wurden nicht eingehalten. Das ist die Kernaussage dieses Vorfalls, der sich im August ereignet hat und wochenlang geschlummert hat.
Herr Kollege Dr. Gölter, es stellt sich die Frage, die wir einmal in Ruhe besprechen müssten: Wo endet unsere Toleranz, wenn es darum geht, dass Unternehmen, die auch ein gewisses Gefahrenpotenzial beinhalten, sich permanent selbst kontrollieren können? Wo ist der Punkt erreicht, an dem wir sagen müssen, das können wir nicht mehr akzeptieren?
Gestatten Sie mir einen letzten Satz. Ich komme aus dem Justizbereich. Dort gab es ein geflügeltes Wort. Es hieß immer: Der Angeklagte ist unschuldig, er sagt es selbst. - Eine solche Philosophie können wir in diesen Bereichen nicht tolerieren.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich meinen Respekt dafür bezeugen, dass auf Initiative von Herrn Dr. Gölter das Thema heute besprochen wird. Ich glaube, es ist wichtig und richtig, dass man um die zukünftige Nutzung der Atomkraft eine offene und, wie ich glaube, neue Aussprache startet, da sich Grundbedingungen verändert haben. Ich nenne zum einen die Ereignisse am 11. September, aber zum anderen auch neue Erfahrungen mit von uns bisher eher anders eingeschätzten Betreibern von Kernkraftwerken.
Als GRÜNE könnten wir sagen, wir haben immer vor solchen Gefahren gewarnt. Aber es hilft nicht weiter, wenn wir sagen, wir haben es schon immer gewusst. Wir sehen zum ersten Mal in dieser neuen Situation, dass es tatsächlich Bedenken gibt, die weit über die Bedenken hinausgehen, die wir bisher gehabt haben.
Meine Damen und Herren, das Atomkraftwerk Philippsburg 2 ist abgeschaltet. Aber die Gefahren, die von den Atomkraftwerken für die Bevölkerung auch in RheinlandPfalz ausgehen, sind nach wie vor vorhanden: Philippsburg 1 oder Biblis A und B. Sie wissen, gerade gestern ist der Korrosionsschutz bei Biblis B als schadhaft gemeldet worden. Auch Obrigheim, ein Kernkraftwerk, das schon sehr lange in der Diskussion ist, ist nach Aussage der Reaktorsicherheitskommission nicht ausreichend
Es geht darum, dass die Atomkraftwerke, die bis 1973 genehmigt wurden, überhaupt keine Schutzfunktion gegenüber Abstürzen von Militärmaschinen haben und dieser Schutz erst zu einem späteren Zeitpunkt angegangen worden ist. Gegen Abstürze und Attentate, wie sie in den USA in New York verübt wurden, sind alle Atomkraftwerke in Deutschland und auch weltweit nicht geschützt. Dies muss natürlich zu denken geben.
Daher muss eine neue Beurteilung der weiteren Nutzung der Atomkraftwerke nicht nur in den Parteien und Fraktionen, sondern auch in den zuständigen Stellen stattfinden. Bis diese Neubewertung geleistet ist, müssen aus Vorsorgegründen alle Atomkraftwerke abgeschaltet werden, wenn man die Vorsorge ernst nimmt, meine Damen und Herren.
Der Oberbürgermeister der Stadt Worms, Gernot Fischer, hat sich in einem Schreiben an den Bundesumweltminister dafür eingesetzt, dass die Stromproduktion in Biblis ausgesetzt wird und beide Reaktorblöcke, Biblis A und Biblis B, stillgelegt werden.
Wir fordern die Landesregierung auf, sich ebenfalls für die Abschaltung der Atomkraftwerke vor allem in Philippsburg, Biblis und Obrigheim sowie auch Cattenom, einem der gefährlichsten Kraftwerke, wie wir aus den vergangenen Diskussionen wissen, einzusetzen.
Meine Damen und Herren, nicht nur die aktuelle Sicherheitslage gibt Anlass, über die zukünftige Stromproduktion in Atomkraftwerken kritisch nachzudenken. Die Fehler, die in Philippsburg beim erneuten Anfahren des Atomreaktors Philippsburg 2 gemacht wurden, und vor allem das Verhalten der Betreiber nach Entdeckung der gravierenden Fehler müssen zwangsweise zu Kons equenzen führen. Beide Vorredner hatten bereits angesprochen, dass das Verhalten der Betreiber nicht mehr vertrauenswürdig sei und das Vertrauen zu den Betreibern erst einmal wieder hergestellt werden müsse.
Im Moment kann man nicht davon ausgehen – auch nach den Fehlern im Kernkraftwerk Isar 1, bei dem falsche Meldungen weitergegeben und gemeldet sowie vertuscht wurden –, dass die Betreiber von Atomkraftwerken glaubwürdig sind, also weder E.ON noch EnBW.
Ein Betreiber von Atomanlagen, der wie die EnBW handelt, der Schadensfälle vertuscht und verharmlost, kann nicht weiter das Vertrauen der Bevölkerung haben. Ich gehe aber davon aus, dass er auch nicht weiter das Vertrauen von Aufsichtsbehörden haben kann. Ich gehe auch davon aus, dass er nicht weiter das Vertrauen der Landesregierung von Rheinland-Pfalz hat.
Eine Aufsichtsbehörde, die wie die Atomaufsicht in Baden-Württemberg, erst von einer übergeordneten Stelle, nämlich dem Bundesumweltministerium, darauf hingewiesen werden muss, dass eine Problematik in ihrem
Deswegen fordere ich die Landesregierung von Rheinland-Pfalz und insbesondere natürlich Sie, Frau Umweltministerin Conrad, auf, aktiv in der Beschaffung von weiteren Informationen über die Meiler zu werden, die am Rhein entlang stehen. Sie sollten auch aktiv in der Diskussion der Abschaltung der Atomkraftwerke werden, die in der Nachbarschaft von Rheinland-Pfalz stehen.
Meine Damen und Herren, auf der Zuschauertribüne begrüße ich Bürgerinnen und Bürger aus dem Landkreis Trier-Saarburg. Seien Sie herzlich willkommen im Landtag!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 30. Juli dieses Jahres wurde der seit 1984 in Betrieb befindliche Block 2 des Kernkraftwerks Philippsburg – 1.400 Megawatt Druckwasserreaktor der Energie Baden-Württemberg AG – planmäßig zur Jahresrevision und zum Brennelementewechsel heruntergefahren.
Zu Beginn der Revision wurden Funktionsprüfungen an den Sicherheits- und Ablassventilen von Dampf- und Speisewasserkreislauf durchgeführt. Der Reaktor war seit der letzten Revision im Jahr 2000 mehr als elf Monate in Betrieb. Dabei konnten über 11 Milliarden Kilowattstunden Strom erzeugt werden. Dies entspricht dem jährlichen Stromverbrauch von rund 4 Millionen Durchschnittshaushalten. Während der Revision wurden 44 der 193 Brennelemente des Druckwasserreaktors ersetzt.
Daneben wurden in dieser Revision, wie üblich, umfangreiche Prüf- und Inspektionsarbeiten an Pumpen, Ventilen, Rohrleitungen und elektrischen Anlagen durchgeführt. Zu den Revisionsarbeiten gehörten ebenfalls umfangreiche Inspektionen von Turbine und Generator.
Insgesamt waren bei der Jahresrevision etwa 1.000 zusätzliche Fremdfirmenmitarbeiter zur Unterstützung des kernkraftwerkseigenen Personals mit eingesetzt. Alles in allem war die Anlage vor dem Wiederanfahren voll funktionstüchtig, dies mit der Ausnahme, dass dennoch ein nicht zu vernachlässigender Fehler unterlaufen ist.
Beim Auffüllen der Flutbehälter war aufgrund technischen Versagens zu wenig Borsäure in das Kühlwasser
gemischt worden. Die Flutbehälter sind dazu da, bei einem großen und mittleren Leck im Sicherheitsbehälter, der den Reaktor umschließt, den Kühlkreislauf mit Flüssigkeit aufzufüllen, um so eine Kernschmelze zu verhindern. Mindestens zwei Flutbehälter sind notwendig, um bei einem Leck im Primärkreislauf eine Kernschmelze zu verhindern.
Damit die Flutbehälter ihre Funktion in einem Notfall optimal erfüllen können, ist eine Borsäurekonzentration von 2.200 ppm vonnöten. Tatsächlich wurde in drei der vier Flutbehälter jedoch nur eine Borsäurekonzentration von 1.915 ppm festgestellt.
Obwohl die geschilderte Panne bereits im August dieses Jahres passierte, hat der Betreiber dem zuständigen Ministerium erst am 5. Oktober umfassend über die Vorkommnisse im Kernkraftwerk Philippsburg berichtet. Wenn man dem in der Presse dargestellten Ablauf glauben darf, so war das fehlerhafte Kühlsystem dem Betreiber seit spätestens 25. August bekannt. Demzufolge wurde über einen Zeitraum von sechs Wochen hinweg nicht der notwendigen Informationspflicht nachgekommen.
Der Vorwurf, den man dem Betreiber machen muss, lautet also, dass der Betriebsleiter die Anlage hat weiterfahren lassen, obwohl die Mängel erstens bekannt waren und zweitens bei laufendem Betrieb der Anlage behoben wurden. Dies stellt meines Erachtens ein unverhältnismäßig hohes Risiko dar.
Hätte es nach Wiederinbetriebnahme des Reaktors am 12. August durch einen Störfall ein Leck im Sicherheitsbehälter gegeben, hätte es zur Kernschmelze kommen können. Nur weil der Reaktor in dieser Zeit planmäßig gelaufen ist, kam es zu keinem schlimmeren Zwischenfall, von dem auch die Menschen in Rheinland-Pfalz hätten betroffen sein können. Meine Damen und Herren, die Versäumnisse liegen eindeutig auf der Hand. Sie liegen eindeutig auf baden-württembergischer Seite. Laut „Rheinpfalz“ vom letzten Samstag wurden auch erste Konsequenzen gezogen. So ist am letzten Freitag der technische Vorstand der Kernkraftwerksbetreiberin EnBW-Kraftwerke zurückgetreten.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte einen kurzen Hinweis zum Thema TÜV geben. Ich hoffe, dass auch dies geklärt wird. Der TÜV sagt, er hätte den Vorgang zunächst gar nicht beurteilen können, weil die Unterlagen nicht vollständig gewesen seien. Das ist ein Punkt, der öffentlicher Aufklärung bedarf.
Nicht geklärt werden muss die Tatsache, dass der Vorstandsvorsitzende der Energie Baden-Württemberg, also der Muttergesellschaft, nicht ausreichend unterrichtet war. Er hat selbst erklärt, dass er erst am zurückliegenden Wochenende, also am vorletzten Wochenende, über die Tragweite unterrichtet worden sei. Es musste dann nicht nur der Verantwortliche für den Block 2 gehen, sondern auch, wie eben gesagt, der technische Vorstand des Betreibers, der Kraftwerke BadenWürttemberg AG. Am Montag dieser Woche ist auch der technische Vorstand der Muttergesellschaft im Gesam tvorstand zurückgetreten.
Meine Damen und Herren, Herr Goll, der im Übrigen wegen seiner offenen Informationspolitik auch zurzeit vor Ort erheblicher Kritik ausgesetzt ist – dort sind intern erhebliche psychologische Probleme aufgetreten, die ich jetzt gar nicht weiter vertiefen möchte –, hat laut „FAZ“ vom vergangenen Mittwoch erklärt – ich zitiere –: „Ohne das absolute Vertrauen in die Zuverlässigkeit der handelnden Personen gibt es keine Rechtfertigung für den Betrieb solcher Anlagen.“ Er ist der Vorstandsvorsitzende der Energie Baden-Württemberg.
Meine Damen und Herren, das ist überhaupt der Punkt, warum wir uns entschlossen haben – offensichtlich zu Ihrer Überraschung; denn Sie haben ein etwas eingeschränktes Bild von uns –, dieses Thema hier anzusprechen. Ohne das absolute Vertrauen in die handelnden Personen ist ein solcher Betrieb nicht zu rechtfertigen. Das setzt jetzt sicherlich nicht nur eine bundesweite politische, sondern auch eine detaillierte Diskussion vor Ort voraus.
Hinzu kommt die Diskussion über das Zwischenlager, die auch läuft. Die Zwischenlager sollen jetzt vor dem Hintergrund des 11. September neu ausgelegt werden. Ich sage es ein bisschen ironisch und in Anführungszeichen, möglicherweise wären dann abgebrannte Brennstäbe im Castorbehälter im Zwischenlager am sichersten untergebracht. Nur sollen daraus natürlich keine verkappten Endlager werden.