Protocol of the Session on July 12, 2013

Die Piraten schreiben in ihrem Antrag, der Gesetzgeber sei verpflichtet, „ein Klima der gesellschaftlichen Akzeptanz für Whistleblowing herzustellen“. So weit, so gut. Ich warne aber davor, jetzt aus politischem Aktionismus heraus eine Entwicklung anzustoßen, die zu einer Atmosphäre von Denunziantentum führt. Sie widersprechen diesem Argument in Ihrem Antrag zwar, fordern aber gleichzeitig auch die Möglichkeit anonymen Whistleblowings.

(Dr. Joachim Paul [PIRATEN]: Das ist in der Tat eine schwierige Frage!)

Ist es Zivilcourage, wenn man nicht bereit ist, mit dem eigenen Namen einzustehen? In einer Welt des Anschwärzens möchte ich jedenfalls nicht leben.

(Beifall von der CDU)

Ein weiterer Aspekt Ihres Antrags ist nicht zielführend. Ihr Hinweis auf die Nichtratifizierung des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen Korruption durch die Bundesrepublik Deutschland ist leider nicht besonders wertvoll, weil auch hochgradig korrupte Staaten wie Usbekistan, Venezuela und Angola diese Konvention unterzeichnet haben.

Ihrem Hinweis, die deutsche Rechtslage sei für den Schutz von Hinweisgebern nicht ausreichend, treten wir ebenfalls entgegen. Wir halten diesen Schutz sehr wohl für ausreichend verankert, zum Beispiel im Arbeitsschutzgesetz, im Betriebsverfassungsgesetz und in anderen Gesetzen.

Der Überweisung an die Ausschüsse stimmen wir natürlich zu. Tun Sie allen Beteiligten aber bitte einen Gefallen: Konzentrieren Sie Ihre weiteren Argumentationen auf die Belange Nordrhein

Westfalens, und lassen Sie uns die Diskussion versachlichen.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU] und Dr. Joachim Stamp [FDP])

Meine Damen und Herren, hinter uns liegen anstrengende Wochen und anstrengende Plenartage. Wer in den nächsten Tagen und Wochen etwas Schönes genießen möchte, den lade ich nach Paderborn ein – entweder an diesem Wochenende zu unserem großen Schützenfest und in die grandiose Kämper-Kompanie oder im August zum Libori-Fest. Herzlich willkommen! – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU)

Danke schön, Herr Kollege Sieveke. Bleiben Sie bitte hier vorne. Aller guten Dinge sind drei, hatten Sie selbst bemerkt. Das Dritte wäre dann die Kurzintervention, angemeldet von Herrn Dr. Paul.

Verehrter Herr Sieveke, ich nehme an, Sie stimmen mit mir überein, wenn ich sage, dass sich die Bundesrepublik Deutschland in einer besonderen historischen Verantwortung befindet – als Nachfolgeorganisation von zwei Unrechtsregimen, die durch Bespitzelung massivst Bürgerrechte verletzt haben. Vor diesem Hintergrund und vor der neuen Tatsache, dass 55 % der US-amerikanischen Wahlbürger Herrn Snowden für einen Whistleblower und nicht für einen Verräter halten, ist Ihre Kennzeichnung unserer Forderung nach dem Bundesverdienstkreuz, gelinde gesagt, eine Frechheit.

Ich glaube, dass Sie es immer noch nicht verstanden haben. Ich halte diese Diskussion, ob er ein Held ist oder nicht, überhaupt nicht für zielführend und eine Ordensverleihung – ich habe das eben schon gesagt – damit für populistischen Unsinn.

Sie erwecken hier wiederum den Eindruck, die Bundesrepublik Deutschland würde ihrer Verantwortung nach zwei Unrechtsregimen nicht gerecht werden. Genau deswegen erübrigen sich Vergleiche mit der DDR-Stasi, um das hier zu verharmlosen. Die DDR-Stasi war keine normale Organisation, sondern sie hat Menschen zu Opfern gemacht. Die DDR-Stasi muss letztlich auch verantworten, dass Menschen zu Tode gekommen sind.

Diese Diskussion und diese Vergleiche, um die DDR-Stasi zu verharmlosen, möchte ich in einem deutschen Parlament eigentlich nicht haben.

(Beifall von der CDU)

Das tun Sie aber jedes Mal mit diesen Vergleichen.

Ich habe eben gesagt, ich spreche bei Whistleblowern von Mut. Ich glaube, Herrn Snowden geht es nicht um einen Orden, sondern – wenn er es ernst gemeint hat – darum, für eine ehrliche und gerechte Sache einzustehen. – Danke schön.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Sieveke. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht der Kollege Bolte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es fällt mir jetzt ein bisschen schwer, vom Paderborner Schützenfest zum Whistleblowing zurückzukommen.

(Zurufe: Oh!)

Ich versuche es aber mal. Es gibt übrigens in Bielefeld in der Sommerpause auch wunderbare Stadtfeste, zum Beispiel das Sparrenburgfest. Sie sind herzlich eingeladen, wenn Sie dorthin kommen möchten.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir debattieren in dieser Woche intensiv über den Spionageskandal der NSA und alles, was damit zu tun hat. Das ist der Hintergrund, vor dem die Piratenfraktion ihren Antrag gestellt hat.

Am Anfang dieser Enthüllungen stand der Whistleblower Edward Snowden, der in dieser Debatte mehrfach genannt worden ist. Er hat festgestellt, dass in seinem Tätigkeitsbereich Dinge geschehen, die nicht geschehen sollten: massive Eingriffe in Grundrechte auf teilweise zweifelhafter rechtlicher Grundlage.

Vor diesem Hintergrund hat Herr Snowden den Weg in die Öffentlichkeit gesucht, und zwar – Herr Herrmann hat es angesprochen – auch in Kenntnis aller Folgen, die das für ihn persönlich, für seine Lebensumstände haben kann.

Edward Snowden hat damit der Demokratie einen Dienst erwiesen. Das verdient Anerkennung. Diese Feststellung ist, auch wenn der Bundesinnenminister das anders sehen mag, kein Ausdruck unamerikanischer

Umtriebe, sondern es ist eine demokratische Feststellung.

(Beifall von den GRÜNEN und den PIRATEN)

Meine Damen und Herren, Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber sind engagierte und mutige Menschen. Sie alle und eben nicht nur die prominenten Fälle – ich finde ganz wichtig, dass man sich das in dieser Debatte immer wieder vergegenwärtigt – sind ein wichtiger Bestandteil des demokratischen Miteinanders und verdienen Respekt und Anerkennung.

In dieser Debatte ist es, glaube ich, wichtig, immer wieder auch die Gewissenskonflikte zu sehen, die sich für Whistleblowerinnen und Whistleblower ergeben, nämlich dass ihre Loyalität möglicherweise infrage gestellt wird, wenn sie Missstände öffentlich machen. Das ist, glaube ich, ein Gewissenskonflikt, der berücksichtigt werden muss.

Ich fand es durchaus beeindruckend, dass Edward Snowden in Interviews auch gesagt hat, er habe in seiner Tätigkeit ursprünglich eine gute Absicht erkannt. Erst nach und nach sei ihm bewusst geworden, was dort eigentlich passiere und dass das eigentlich so nicht passieren dürfe.

Von daher finde ich die Feststellung wichtig, dass Whistleblower keine Verräter sind, sondern Mut und Zivilcourage zeigen, die Nachteile in Kauf nehmen, weil sie Verantwortung für die Gemeinschaft, für die Gesellschaft übernehmen.

(Beifall von den GRÜNEN und den PIRATEN)

Meine Damen und Herren, es müssen aber nicht nur die großen Skandale sein, wie es bei der derzeitigen beispiellosen Spionageaffäre der Fall ist. Es gibt genügend andere Bereiche, die in dieser Debatte auch schon thematisiert wurden, in denen es wichtig ist, dass es Menschen gibt, die dafür sorgen, dass Missstände ans Licht kommen, bei denen es gut ist, dass sie ans Licht kommen, und in denen es im gesellschaftlichen Interesse liegt, dass sie ans Licht kommen.

Und dafür braucht es tatsächlich Rahmenbedingungen. Diese Rahmenbedingungen müssen insbesondere für Vertraulichkeit und für Sicherheit der Whistleblowerinnen und Whistleblower sorgen.

Ich finde aber auch, dass wir darüber diskutieren müssen – es liegt ja ein Beratungsverfahren vor uns –, welche Möglichkeiten es bisher gibt und wie zielführend diese Möglichkeiten sind.

Herr Herrmann, Sie haben angesprochen, dass wir in NRW nicht bei null anfangen. Es gibt beispielsweise die von Ihnen genannte Hotline beim LKA gegen Korruption. Ich finde, es ist in der Aus

schussbefassung durchaus legitim, zu fragen: Was gibt es? Wie wirkt das? Welche konkreten Möglichkeiten gibt es, das zu verbessern? Denn wir sind uns im Ziel, glaube ich, durchaus einig, dass es eines besseren Schutzes der Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber bedarf.

Es ist zu klären, wie wir das umsetzen, was man gesetzlich und was man untergesetzlich regeln sollte. Auch die Abgrenzung – ich fand den Hinweis des Kollegen Marquardt dazu durchaus wichtig –, was der Bund und was das Land machen sollte, wo das systematisch hineinpasst, ist zu klären. Sie haben in Ihrem Antrag das Korruptionsbekämpfungsgesetz angesprochen. Es ist zu überlegen, ob Verbesserungen für Whistleblowerinnen und Whistleblower dort systematisch hineinpassen. Das sind Fragen, die man in diesem Zusammenhang diskutieren kann.

Sehr wichtig finde ich – vielleicht ist das ein positives Ergebnis der Affäre, die wir im Moment erleben – das öffentliche Bewusstsein für die Relevanz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern, von Whistleblowing. Denn das öffentliche Bewusstsein steigt durch solche öffentlichen Debatten, wie wir sie im Moment erleben. Es ist sicherlich ganz wichtig, dass wir dieses öffentliche Bewusstsein stärken.

In diesem Sinne, liebe Kolleginnen und Kollegen aus der Piratenfraktion, glaube ich, haben Sie es mit Ihrem Antrag einigen Kolleginnen und Kollegen ermöglicht, Neuland zu betreten.

(Heiterkeit von den PIRATEN)

Lassen Sie uns diese Expedition im Ausschuss fortsetzen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Bolte. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Dr. Orth.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema beschäftigt uns hier ja wirklich die ganze Woche. Wir haben heute Morgen einen weiteren Ausschnitt. Ich glaube, wenn wir jeden einzelnen Ausschnitt beleuchten, machen wir die Sache insgesamt nicht besser.

So, wie Sie Ihren Antrag formuliert haben, erwecken Sie den Eindruck, dass wir ein Land sind, in dem man nicht sagen darf, was eigentlich Sache ist, meine Damen und Herren.

Ich bin der Ansicht: Wir leben hier in einer sehr gefestigten Demokratie, in der jeder erst einmal all das, was er meint, äußern darf.