Protocol of the Session on July 12, 2013

Deshalb hat die SPD-Bundestagsfraktion mit der Drucksache 17/8567 einen eigenen Gesetzentwurf zum Schutz von Hinweisgebern, Whistleblowern, im Bundestag eingebracht, der jedoch von CDU und FDP abgelehnt worden ist. Die SPD-Landtagsfraktion nimmt die heutige Debatte deshalb zum Anlass, die Bundesregierung aufzufordern, hier endlich im Sinne der im Jahr 2010 eingegangenen internationalen Verpflichtungen tätig zu werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, eines muss uns dabei immer klar sein: Beim Whistleblowing befinden wir uns im Konflikt zwischen schützenswerten Informationen und der Verschwiegenheitspflicht der Arbeitnehmer auf der einen Seite und dem Aufdecken von Missständen auf der anderen Seite. Es ist auch klar, dass viele Missstände ohne die Aufdeckung durch couragierte Mitarbeiter im Verborgenen bleiben.

Wir müssen deshalb dahin kommen, dass niemand Repressalien befürchten muss, wenn er sich um die Aufdeckung von Missständen bemüht.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Der institutionelle Schutz von Whistleblowern darf aber nicht in ein Denunziantentum führen, indem ein Klima gefördert wird, in dem haltlose Beschuldigungen ausgesprochen werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es macht aus Sicht der SPD-Fraktion grundsätzlich keinen Sinn, ein Gesetz auf Landesebene einzubringen und zu verabschieden, bevor nicht die bisher tatenlose Bundesregierung endlich ihre Hausaufgaben gemacht hat.

(Beifall von der SPD)

Wir werden jedenfalls in den zuständigen Ausschüssen intensiv beraten, welche Möglichkeiten der Unterstützung wir außerhalb der Gesetzgebung Whistleblowern zukommen lassen. Wir werden deshalb einer Überweisung in die Ausschüsse zustimmen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Marquardt. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Sieveke.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben in dieser Plenarwoche sehr viel über die Geheimdienste der USA und Großbritanniens gehört. Als CDU-Fraktion haben wir betont, dass das Ausforschen befreundeter Länder nicht akzeptabel ist. Wir haben auch erklärt, dass Maßnahmen zur Terrorbekämpfung unsere Zustimmung finden. Eine uneingeschränkte Datenüberwachung entspricht

aber eben nicht unserem Verständnis von Datenschutz und Rechtsstaatlichkeit.

Wir sollten allerdings nicht den Fehler machen, Whistleblower ausschließlich im Zusammenhang mit Geheimdiensten oder Militärs zu sehen, sondern das Thema grundsätzlich beraten. Dazu müssen wir uns zunächst vom Fall des Edward Snowden lösen; denn die Verquickung dieses Falls mit der grundsätzlichen Rolle von Whistleblowern hilft uns nicht, die Debatte zu versachlichen. Schon allein die Diskussion, ob Herr Snowden nun ein Held ist oder nicht, oder die Frage nach der Aufenthaltsgenehmigung ist nicht zielführend. Eine Auszeichnung mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland – lieber Herr Dr. Paul, verzeihen Sie mir – ist nun wirklich populistischer Blödsinn.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Warum sollten wir die Debatte versachlichen? Wir haben gerade erst erlebt, dass nach dem ZDF

Interview unseres Bundespräsidenten, Joachim Gauck, durch falsches, unvollständiges Zitieren ein völlig unsachlicher Shitstorm inszeniert wurde, der jetzt schon wieder Geschichte ist.

Vorgestern haben wir dann erlebt, wie einen medialen Moment lang, leider dann auch hier im Parlament, versucht worden ist, das Thema des Vergleich westlicher Geheimdienste mit der DDR-Stasi hochzupushen. Die Geheimdienste der westlichen Demokratien sind nicht mit der Stasi zu vergleichen.

(Beifall von der CDU)

Gegen jegliche Vergleiche mit der ehemaligen DDR haben sich vorgestern sowohl die Bundeskanzlerin als auch Sie, Herr Minister Jäger, klar ausgesprochen.

(Lukas Lamla [PIRATEN]: Super Maßstab!)

Ich danke Ihnen dafür, dass auch Sie einem solchen, das DDR-Regime verharmlosenden Ansinnen entgegengetreten sind.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Herr Kollege Sieveke, ich unterbreche Sie nur ungern. Aber Herr Kollege Olejak würde Ihnen gerne eine Frage stellen.

Ja, bitte.

Vielen Dank, Herr Kollege. – Ist Ihnen der Name Daniel Ellsberg bekannt? Das ist der Mensch, der 1971 in den Vereinigten Staaten die Vietnam-Papiere veröffentlicht hat. Er erklärte vor sage und schreibe fünf Tagen, also vor der Aussage unserer Kanzlerin, dass er die Vereinigten Staaten von Amerika in der Gefahr sieht, die Vereinigte Stasi von Amerika zu werden.

Ich habe schon Ihre Frage nicht verstanden, Herr Kollege. Wenn jemand so etwas sagt, macht es das ja nicht besser.

(Marc Olejak [PIRATEN]: Kennen Sie Daniel Ellsberg?)

Noch einmal: Es macht es ja nicht besser, wenn Sie diesen Vergleich mit der Stasi immer wieder herüberbringen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wissen Sie eigentlich, wie viele Menschen unter der Stasi gelitten haben, zu Tode gekommen sind und ihrer Freiheit beraubt wurden? Wenn Sie sich immer als Partei der Freiheit hierhin stellen, sollten Sie doch jeglichen Vergleich mit der Stasi unterlassen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ich komme jetzt noch einmal zu unserem Bundespräsidenten zurück. Der Bundespräsident hat gesagt – ich zitiere –:

„Ich würde dann Sympathie haben, wenn eine Regierung dabei ist, das Recht zu beugen, und derjenige, der sich aufgerufen fühlt, diese Rechtsbeugung öffentlich zu machen, wenn der auch bereit ist, dafür die Verantwortung zu tragen. Ja, dann habe ich Respekt. Für puren Verrat oder für die Überschreitung von Verpflichtungen, die man selber eingegangen ist, … dafür habe ich kein Verständnis. Denn der öffentliche Dienst muss auf Vertrauenswürdigkeit setzen.“

(Beifall von der CDU)

Wir sprechen aber beim Thema „Whistleblowing“ nicht nur über den öffentlichen Dienst, über den Staat, sondern auch über die private Wirtschaft, über private Organisationen, über den gesamten Non-Profit-Sektor. Ich will das einmal anhand einiger Beispiele, vielleicht auch provozierend, illustrieren.

Der nordrhein-westfälische Finanzbeamte, der dem schweizerischen Bank-Whistleblower für eine Daten-CD ein paar Millionen Euro überreicht, könnte sich seinerseits ebenfalls bewegt fühlen, zum Whistleblower zu werden; denn er muss hier für seinen Arbeitgeber Nordrhein-Westfalen im Sinne des Rechtsstaats handeln.

Der Greenpeace-Mitarbeiter, der die medienwirksame Blockade zum Beispiel eines Öltankers planen soll, könnte ebenfalls das Gefühl haben, seine Organisation verlasse dabei die Basis von Recht und Gesetz.

Natürlich gehört zu den potenziellen Whistleblowern auch der Buchhalter, der sich weigert, Bilanzfälschungen vorzunehmen, oder der Leiharbeiter, der sich traut, auf Missstände in seinem Betrieb öffentlich hinzuweisen.

Herr Kollege Sieveke, entschuldigen Sie bitte, dass ich Sie ein zweites Mal unterbreche.

Kein Problem. Aller guten Dinge sind drei.

Diesmal ist es der Kollege Schatz, der Ihnen eine Frage stellen möchte. Möchten Sie sie auch zulassen?

Sehr gerne.

Vielen Dank, Herr Kollege Sieveke. – Ich habe folgende Frage: Sie sagten gerade, dass man das mit der Stasi nicht vergleichen

könne, und zwar aufgrund des Unrechts, das unter der Stasi damals passiert ist. Das ist zweifellos richtig; keine Frage. Können Sie mir aber vielleicht einmal den genauen Unterschied zwischen dem Unrecht der Stasi und zum Beispiel dem Unrecht, das in Guantanamo passiert, erklären?

(Minister Ralf Jäger: Sie können doch nicht Unrecht mit Unrecht entschuldigen! – Dr. Stefan Berger [CDU]: Wenn er das nicht selber weiß!)

Ich danke Ihnen für die Frage. Die Antwort haben Sie sich eigentlich selbst gegeben. Sie haben keine Ahnung; denn man kann doch nicht Unrecht mit Unrecht aufwiegen und dann Unterschiede machen. Das zeigt Ihr Geschichtsvergessen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Deswegen gilt das, was ich eben schon ausgeführt habe: Jegliche Vergleiche mit der DDR-Stasi haben zu unterbleiben und sollten auch nicht angewandt werden.

Vielleicht kommen wir aber einmal zum Punkt. Wir sprechen hier über Whistleblowing. Whistleblowern kann man in der Praxis wohl großen Mut unterstellen. Man muss von ihnen aber auch erwarten, dass sie sich ihrer Sache sicher sind. Wenn man einfach aus einem schlechten Gefühl heraus vielleicht in nicht vollständiger Kenntnis der Sachlage den Arbeitgeber damit an den Pranger stellt, kann das in unserer schnelllebigen Medienwelt zu einem

Imageschaden einer Organisation führen, der nicht ohne Weiteres reparabel ist oder sogar zum Ende einer Organisation führt. Wenn auf Grundlage einer Falschmeldung auf einmal Kundenaufträge oder Spendenzahlungen ausbleiben, dann hat jemand massiven Schaden angerichtet, für den er oder sie auch Verantwortung zu tragen hat. Behörden, Unternehmen und Organisationen müssen zunächst von der Loyalität ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausgehen können.

Die Piraten schreiben in ihrem Antrag, der Gesetzgeber sei verpflichtet, „ein Klima der gesellschaftlichen Akzeptanz für Whistleblowing herzustellen“. So weit, so gut. Ich warne aber davor, jetzt aus politischem Aktionismus heraus eine Entwicklung anzustoßen, die zu einer Atmosphäre von Denunziantentum führt. Sie widersprechen diesem Argument in Ihrem Antrag zwar, fordern aber gleichzeitig auch die Möglichkeit anonymen Whistleblowings.