Protocol of the Session on April 6, 2017

Deswegen haben wir uns heute explizit dafür eingesetzt, dass wir namentlich abstimmen. Ich möchte Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, die Gelegenheit geben, die wenigen Stimmen beizutragen, die dieser wichtige Verfassungsgesetzentwurf noch braucht. Das dürften zwölf, 13 Stimmen sein, die aus Ihren Reihen noch benötigt werden. Geben Sie sich selber einen Ruck, stimmen Sie für diesen Gesetzentwurf! Machen Sie einfach das, was viele von Ihnen draußen bei Podiumsdiskussionen mit jungen Menschen sagen. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN, der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Düngel. – Nun spricht Herr Schulz, fraktionslos.

Danke schön. – Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Zuschauerinnen und Zuschauer, insbesondere die ganz jungen hier im Saal! Die Öffnung durch dieses Verfassungsänderungsgesetz ist zugleich eine Öffnung als Gegengewicht zum demografischen Wandel. Es ist nicht für oder gegen Altersfragen. Das sollte hier, zumindest was die älteren Semester angeht, überhaupt kein Thema sein. Es geht hier ja um die jungen Menschen.

Die Grundüberlegung des Verfassungsänderungsentwurfs ist begrüßenswert. Der Vorstoß – Herr Kollege Körfges hat das eben schon gesagt – wagt aber nichts. Das hat einen Grund, denn er soll ja mit der einfachgesetzlichen Regelung später einmal auf das Wahlalter 16 heruntergebrochen werden, sodass hier nur unterstützenswert sein kann, die Verfassung in der Form zu ändern, wie es hier vorgesehen ist.

Dazu bedarf es keines Mutes, aber es bedarf vielleicht des politischen Mutes oder des parlamentarischen Mutes Einiger hier im Hause, einfach mal den Weg nach vorne zu beschreiten, der gerade auch durch die jungen Menschen im Lande beschritten wird. Ich erinnere nur an die Brexit-Geschichte, bei der wir alle wissen, dass die jungen Menschen für Europa waren und die älteren dagegen. Nehmen Sie das nur einmal als Beispiel.

Herr Kollege Jostmeier, ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Ich bin erstaunt über die Argumentation, die Sie hier angebracht haben, insbesondere zwei Punkte betreffend. Erstens. Es sei ein geringes Politikinteresse bei den jungen Menschen, insbesondere bei denen zwischen 16 Jahren und 17 Jahren und elf Monaten, vorhanden. Alle, die wir hier sitzen, kennen den Jugendlandtag. Er wird bejubelt und bestaunt, und alle äußern sich voll des Lobes über die jungen Menschen zwischen 16 und 18 Jahren, die aktiv am politischen Leben in diesem Hause teilnehmen, und zwar in der Rolle von Abgeordneten. Das wäre die Frage des passiven Wahlrechts. Sie haben darüber hinaus unterschieden und gesagt, das gehe ja nicht, ein aktives Wahlrecht mit 16, aber dann kein passives Wahlrecht mit. Schauen Sie doch einmal in die Kommunen, in denen Sie alle in den Räten sitzen. Sie lassen sich doch alle in den Kommunen von 16Jährigen mit in die Räte wählen!

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Warum sollte auf Landesebene etwas anderes gelten als das, was in den Kommunen von Ihnen sehr wohl begrüßt wird. Ich bin da ganz bei der Werbung des Kollegen Daniel Düngel: Vielleicht sollte der eine oder andere von Ihnen einmal über den eigenen Schatten springen und das Auseinanderfallen von aktivem und passivem Wahlrecht durchaus vor dem Hintergrund Ihrer kommunalen Verankerung ins Kalkül nehmen.

Wir wissen doch alle: Landtag und Kommunen arbeiten verschränkt miteinander – zusammen, nicht gegeneinander. Es spricht doch alles dafür, dieselben Menschen, die in den Kommunen wählen, auch auf Landesebene wählen zu lassen.

Abgesehen davon, als letztes Wort: Ja, die jungen Menschen mit 16 und 17 wählen zu lassen, wäre auch – und das zeigen zahlreiche Erhebungen – ein deutliches Signal gegen Rechts! Das sollten Sie bitte

auch bei Ihren Überlegungen berücksichtigen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Wir haben keine Meldung mehr, Herr Dr. Wolf. Sie wollen noch einmal sprechen? Die Gelegenheit hätten Sie jetzt.

(Dr. Ingo Wolf [FDP]: Nach dem Minister!)

Nach dem Minister möchten Sie reden? Dann wären Sie am Schluss dran. Wenn Sie das wollen, können wir das gerne machen.

Zunächst spricht für die Landesregierung der Innenminister Ralf Jäger. Dann hat sich Herr Dr. Wolf für die FDP-Fraktion noch einmal zu Wort gemeldet. – Bitte schön, Herr Minister, Sie haben das Wort.

Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Argumente sind ausgetauscht. Das Parlament hat heute eine sehr seltene Gelegenheit: Politik zu machen – mal nicht abstrakt, mal nicht verklausuliert, mal nicht kompliziert, mal nicht unverständlich, sondern ganz konkret und ganz unmittelbar, und zwar zur Frage: Erlauben wir Menschen ab 16 Jahren, bei der Landtagswahl wählen zu gehen, oder erlauben wir es ihnen nicht?

Die Fraktionen von SPD, Grünen und Piraten sagen: Ja. Ich finde, aus gutem Grund! Der beste Grund lautet: Die Absenkung ist der ausdrückliche und nachdrückliche Wunsch der Mehrheit der Menschen in Nordrhein-Westfalen. Es gibt für dieses Vorhaben eine breite Unterstützung; das hat auch der Bericht der Verfassungskommission festgestellt.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Ein weiterer Grund ist: Junge Menschen sind heute einfach weiter als die meisten von uns in unserer eigenen Jugend,

(Zurufe von der CDU)

gerade dann, wenn es darum geht, Verantwortung zu übernehmen, sich eine Meinung zu bilden und diese Meinung auch selbstbewusst zu vertreten. Aus eigener familiärer Erfahrung kann ich berichten, meine Damen und Herren: Das ist so. Das kann auch sehr anstrengend sein.

Weitere Gründe, meine Damen und Herren, sind, dass wir die Grenze von 16 Jahren bereits bei den Kommunalwahlen haben und damit gute Erfahrungen in Nordrhein-Westfalen gemacht haben, oder aber, dass andere Bundesländer bei Landtagswahlen bereits weiter sind als wir hier in Nordrhein-Westfalen.

Ich weiß, dass in der Verfassungskommission von Kritikern die Auffassung vertreten wurde, das Interesse der Altersgruppe sei nur gering. Diese Auffassung kann man haben. Aber genauso gut, meine Damen und Herren, kann man sich fragen: Woran liegt das eigentlich? Vielleicht daran, dass diese Personengruppe überhaupt keinen Grund hat, sich mit den Themen der Landespolitik zu beschäftigen, weil sie faktisch ausgeschlossen ist, daran aktiv teilzunehmen?

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Meine Damen und Herren, Sie haben heute die Chance, diesen Menschen eine aktive Teilhabe an der Demokratie in Nordrhein-Westfalen zu ermöglichen. Deshalb sollten Sie diesem Gesetzentwurf zustimmen.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Minister Jäger. – Nun spricht für die FDP noch einmal Herr Dr. Wolf.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hatte zunächst die Hoffnung, dass wir das in einem etwas kürzeren Verfahren durchkriegen, weil die Abstimmungsmehrheiten ja von vorneherein klar waren. Es ist aber noch einmal zu einer intensiveren Debatte gekommen. Deswegen will ich noch einmal sagen: Es ist nicht so, dass man nicht hätte zu einer Einigung kommen können auch noch einmal in den letzten Wochen und Monaten, und zwar über das Gesamtpaket. Dann wären, glaube ich, alle Beteiligten in der Lage gewesen, auch an dieser Stelle über die Hürde zu springen, weil ja jeder an irgendeinem Punkte auch etwas noch im Skat hatte. Das ist nun leider nicht geschehen.

(Jochen Ott [SPD]: Das ist doch genau die Art der Politik, die die Leute nervt, Herr Wolf!)

Als ob Sie nicht seit vielen Jahren wüssten, wie das Geschäft läuft, dass man natürlich Mehrheiten haben muss und dass das eben auch aus Geben und Nehmen besteht. Insofern ist es traurig.

(Jochen Ott [SPD]: Es geht doch um junge Leute und nicht um Geben und Nehmen!)

Wenn Sie noch Redezeit hätten, könnten Sie auch sprechen.

In der Sache selber will ich einfach nur noch einmal sagen – ich habe es ja klargemacht –: Man kann dem politisch nähertreten. Es gibt aber auch gute Gründe, den Gleichklang von Pflichten und Rechten, so wie er vorgesehen ist, beizubehalten, dass derjenige, der

18 Jahre alt ist und erst dann entsprechende Pflichten hat, auch dann erst Rechte bekommt. Wenn man das trennen will, dann muss das politisch eben mehrheitsfähig sein. Das ist hier nicht der Fall.

Lassen Sie uns an dieser Stelle sagen, dass wir trotzdem in der Verfassungskommission ein beachtliches Ergebnis hinbekommen haben. Es hätte natürlich noch ein bisschen schöner werden können. Aber hierfür sind die Mehrheiten eben jetzt nicht zu bekommen. Dann muss das auch so abgestimmt werden. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Wolf. Das parlamentarische Leben ist bunt. Es gibt zwei angemeldete Kurzinterventionen, Herr Dr. Wolf, zu Ihrem Redebeitrag. Sie sehen, so ist das auch nach 17 Jahren noch. Es ist immer was los.

Herr Sommer von den Piraten hat für seine Kurzintervention das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Um das noch einmal etwas deutlicher zu sagen, was Sie gerade sehr verklausuliert gesagt haben, Herr Dr. Wolf: „Das Eine geht nur mit dem Anderen“ meint, Sie würden einer Absenkung des Wahlalters nur dann zustimmen, wenn hier die anderen Fraktionen einer besonderen Stellung der Schuldenbremse in der Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen und weiterer gesetzlicher Ausgestaltung zustimmen würden. Mit anderen Worten: Wir tauschen hier die Schuldenbremse mit dem Wahlrecht, was eigentlich jeder ab 16 hier haben dürfte. Das ist unsäglich! Das ist keine Politik, wie wir sie hier in diesem Land machen wollen! – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN, der SPD und den GRÜNEN)

Auch wenn ich nur schwerlich eine Frage darin entdecken kann, will ich gerne trotzdem dazu Stellung nehmen.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Das ist eine Kurzintervention! Da muss man keine Frage stellen!)

Wir haben über mehrere Jahre in der Verfassungskommission gearbeitet. Mit dem gleichen Impetus, mit dem Sie jetzt beklagen, dass es nicht zum Wahlrecht mit 16 kommt, könnte ich hier auch sagen, dass das rechtsstaatliche Instrument der Individualverfassungsbeschwerde auch nicht kommen wird,

(Torsten Sommer [PIRATEN]: Wir stimmen zu!)

weil eben mit den gleichen Argumenten SPD und Grüne dies ablehnen, weil es nicht im Korb vereinbart

ist. So ist das Leben. Ich sehe die Zustimmung vom Kollegen Lienenkämper. Ich weiß, wir haben alle in stundenlangen Verhandlungen gesagt: Wir haben einen politischen Korb mit im Wesentlichen vier großen Punkten, die im Übrigen, Herr Sommer,

(Michele Marsching [PIRATEN]: Aber den ha- ben wir jetzt nicht mehr! Es gibt keinen Korb mehr!)

alle auch etwas mit Rechtsstaatlichkeit zu tun haben. Wie die Frage mit dem Wahlrecht mit Demokratie zusammenhängt, hängen auch die anderen Dinge mit Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zusammen. Alle vier Sachen gemeinsam, nicht isoliert die Schuldenbremse, nicht isoliert die Quorenveränderung, sondern alles zusammen sollte in einen Korb. Es ist letztendlich an der Frage gescheitert, wann die einfachgesetzliche Regelung Wahlalter 16 denn möglicherweise zu einer Umsetzung kommen könnte. Das ist letztendlich von Ihnen, Herr Körfges, und auch von den Grünen so entschieden worden. Das respektiere ich, dass Sie das damals so nicht wollten. Damit ist es nicht gekommen. Ein politischer Korb aus vier Punkten

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])