Protocol of the Session on August 27, 2008

Wir müssen natürlich auch die Stromtarife wesentlich flexibler gestalten. Die Stromtarife wesentlich flexibler zu gestalten heißt: In den verbrauchsarmen Zeiten soll es billiger sein. Dazu läuft momentan ein interessanter Versuch in Mülheim: Zu verbrauchsschwachen Zeiten werden die Strompreise niedriger. Diesen Versuch hat ein großes Energieversorgungsunternehmen eingeleitet. Das ist eine vernünftige Sache. Davon verspreche ich mir eine ganze Menge. Ich will auch nicht verhehlen, dass einzelne Stadtwerke hier Vernünftiges geleistet haben.

Aber wichtig ist: Wir brauchen mehr Wettbewerb. Nur dann können wir sicher sein, dass solche Gedanken aufgegriffen werden.

(Beifall von FDP und CDU)

Wir müssen für mehr Wettbewerb sorgen. Deswegen müssen wir den Anbieterwechsel erleichtern, denn das ist die erste Voraussetzung dafür. Sie, Herr Leuchtenberg, habe es eben so dargestellt, als wäre es eine schlimme Sache, dass der Verbraucher nun von A nach B gehen kann. Nein, nein! Das kann nicht richtig sein.

Wehret diesen sozialistischen, gleichmacherischen Vorstellungen, ob Spartarif oder Sozialtarif! Der Staat ist nicht aufgerufen, meinen Verbrauch zu bestimmen. Andere müssen das bezahlen. Mit fremder Leute Geld ist immer gut zu argumentieren. Dem widersetzen wir uns eindeutig. Nein zu solchen Spartarifen! Das ist ein anderes Gedankengut, als wir es vertreten. – Danke schön.

(Beifall von FDP und CDU)

Danke schön, Herr Ellerbrock. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun Herr Priggen.

Lieber Kollege Ellerbrock,

(Holger Ellerbrock [FDP]: Ja!)

so ein hanebüchener Quatsch – um es einmal ganz klar zu sagen –:

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

sozialistisches Gedankengut aus der DDR, sozialistische Planwirtschaft! Der Anlass für diese Aktuelle Stunde ist eine Presseerklärung des CSUBundesverbraucherschutzministers Horst Seehofer.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das hat nichts mit DDR usw. zu tun. Es ist das richtige Bemühen. Ich bin der Wirtschaftsministerin auch dankbar für den Hinweis, dass der Bundesminister prüfen lässt, ob § 39 des Energiewirtschaftsgesetzes einen Stromspartarif zulässt. Darüber müssen wir in der Sache reden und nicht über diesen ganzen Unfug.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich komme noch einmal zu dem Hintergrund, weil Sie, Herr Ellerbrock, auch gesagt haben, Sie kennen den Unterschied zwischen Sozialtarifen und Spartarifen nicht. Das mag sein; ich will es Ihnen daher noch einmal erklären.

Die Diskussion ist ausgelöst worden durch in den letzten Jahren stark gestiegene Energiepreise. Die werden in vielen Bereichen Auswirkungen haben. Ein Sozialtarif, den auch wir ablehnen – um das klar zu sagen –, würde notwendig machen, dass sich jemand meldet und sagt: Ich bin bedürftig, ich brauche das, ich komme sonst nicht klar, gebt mir das. – Das hat etwas Stigmatisierendes. Deswegen sagen Caritas, SPD, Grüne und, soweit ich das verstanden habe, auch die CDUFraktion – da gibt es einen breiten Konsens –: Keine Sozialtarife mit diesem Manko!

Der Stromspartarif hat eine andere Grundintention. Der Stromspartarif fragt danach: Haben wir Strukturen, die jemanden bestrafen, der Energie spart, und jemanden belohnen, der Energie verschwendet? – Und das ist so, denn die Grundgebühr beim Strom begünstigt hohen Verbrauch. In der Regel ist es ja auch so, dass diejenigen, die mehr verbrauchen, günstigere Tarife bekommen.

Deswegen ist der Vorstoß von Seehofer interessant. Der Kollege Kaiser hat es noch einmal gesagt, auch die Ministerin hat es zitiert: Der Grundgedanke – wenn ich das ernst nehme, was die CDU-Landtagsfraktion beschlossen und verkündet hat – ist bei Ihnen ja sogar enthalten. Nur sagen Sie: Dazu sollten die Stromanbieter neue Tarife entwickeln. – Das ist quasi ein hilfloses Appellieren. Dazu sage ich: Es ist gut, dass der sozialistische Planungswirtschaftsminister Horst Seehofer von der CSU in seinem Haus wenigstens prüfen lässt, ob das geht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das wäre das, was ich, ehrlich gesagt, auch erwarten würde:

(Rüdiger Sagel [fraktionslos]: Hey! Hey!)

dass man guckt, ob wir mit den rechtlichen Instrumentarien in der Lage sind, eine Tarifstruktur zu entwickeln, die den Unternehmen Freiheit lässt und trotzdem einen sparsameren Verbrauch belohnt und Verschwendung bestraft. Das ist der Grundgedanke.

(Vorsitz: Vizepräsidentin Angela Freimuth)

Ich hätte erwartet, dass die Ministerin das auch in ihrem Haus prüfen lässt, dass die CDU nicht nur hilflos an E.ON und an RWE appelliert, sondern vor dem richtig geschilderten Druck, der bei den Menschen besteht, auch sagt: Wir sind gewählt worden, um zu handeln. Und wir handeln, wir tun, was wir können.

Dann können wir in einen Wettbewerb eintreten, ob die Modelle richtig, gut oder besser sind. Das ist in Ordnung. Aber es ist kabarettreif, wenn man von Planwirtschaft, DDR und Ähnlichem redet.

(Beifall von GRÜNEN und SPD – Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Schlechtes Kabarett!)

Besonders schlimm war es beim Kollegen Brockes zu der Frage, wie wir mit den sozialen Problemen umgehen. Die Ministerin hat richtigerweise gesagt: Wir haben im Juni einen Antrag gestellt, es wird eine Anhörung dazu geben. Es ist ja richtig und die Mühe wert, in den verschiedenen Bereichen zu schauen, was wir machen können, um die Kosten aufzufangen. Wir werden die Folgen noch lange diskutieren. Auch der Ministerpräsident ist in seiner Pressekonferenz darauf eingegangen. Insofern ist das die Mühe wert.

In einer Debatte über die Energiespartarife, die von Horst Seehofer ausgelöst wurde, wird über die EEG-Subventionen, über den Atomausstieg und über die Abschaltung der Kohlekraftwerke schwadroniert, die keiner gefordert hat. Die Stromlücke ist das absurdeste Stück, denn wir exportieren seit Jahren Strom in wachsender Größenordnung. Gleichzeitig wird ein Gespenst aufgebaut. Das alles hat mit der Frage nichts zu tun.

Für mich geht es darum, ob wir bei steigenden Preisen und mit Blick auf die sozialen Probleme, die sie hervorrufen, und bei unserem eigentlich konsensualen Grundgedanken, bei gleichem Maß an Lebensqualität weniger Energie zu verbrauchen, in der Lage sind, ohne in die Autonomie der

Firmen für ihren Preis einzugreifen, eine Tarifstruktur herzustellen, die es ermöglicht, Energiesparen zu belohnen und Energieverschwendung stärker zu belasten. Geht das innerhalb dieses marktwirtschaftlichen Systems?

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich bin froh, dass die CSU zumindest bereit ist, das in Regierungsverantwortung zu prüfen. Ich fand es gut, dass sich die CDU positiv dazu geäußert hat; die Handlungen sind aber sehr mau. Das ist der Widerspruch zwischen dem, was man beim Jubiläum der Verbraucherzentrale erzählt, und dem, was man in der Regierungsverantwortung tut.

(Widerspruch von Minister Eckhard Uhlen- berg)

Ob das die gelbe Bremse an Ihrer Seite ist und ob Sie mehr tun würden, wenn Sie könnten, kann ich nicht beurteilen. Jedenfalls ist es so zu wenig. – Herzlichen Dank.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Priggen. – Als nächster Redner hat der fraktionslose Kollege Sagel das Wort. Bitte schön, Herr Sagel.

Sehr geehrte Damen und Herren! Am besten wäre es, CDU und FDP abzuschalten, wie es in Hessen passieren soll.

(Lachen von Peter Brakelmann [CDU] – Zu- ruf von Dietmar Brockes [FDP])

Die Aktuelle Stunde von SPD und Grünen ist zwar gut gemeint, geht aber an den tatsächlichen Problemen vorbei.

(Zuruf von Ministerin Christa Thoben)

Wir brauchen – das sagt Die Linke – endlich eine andere Energiepolitik, eine Rekommunalisierung und damit eine Demokratisierung und Vergesellschaftung der Energiekonzerne.

(Lachen von der CDU – Zuruf von Christian Weisbrich [CDU])

Hören Sie genau zu, Herr Weisbrich! Selbst die EU will jetzt die Stromkartelle zerschlagen, wie man gestern in der Zeitung lesen konnte. Zum Stichwort DDR, das eben genannt wurde: Die EU ist da schon ein deutliches Stück weiter.

(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

Herr Priggen hat eben einige Ausführungen zu Ihrem Minister Seehofer in Berlin gemacht. Macht Die Linke aber derartige Vorschläge, sieht man bei CDU und CSU die Welt untergehen und erlebt eine ungeheure Aufregung. Doch die Abzocker der vier Besatzer in Deutschland, der vier großen Energiekonzerne mit ihren Gebietsmonopolen, erhöhen die Preise, wie sie wollen. Da kommt man mit den bisher gemachten Vorschlägen nicht sehr weit.

Ein günstiger Basistarif pro Kopf kann ein erster Schritt sein – mehr nicht! Die Politik muss umgekehrt werden. Es kann nicht sein, dass, wer viel Strom verbraucht, wenig, und wer wenig Strom verbraucht, viel mehr für die Kilowattstunde bezahlt. Das ist Betrug.

Wir leben in einer ökologischen Klassengesellschaft. Dazu hat auch die Hartz-Politik massiv beigetragen. Alle – von CDU über SPD bis hin zu den Grünen – haben sich nicht davon distanziert. Diese Menschen bekommen nicht die tatsächlichen Energiekosten ersetzt, sondern erhalten Pauschalen, die vorne und hinten nicht reichen.

Vorschläge wie von Herrn Sarrazin von der SPD in Berlin, ein paar Pullover mehr anzuziehen, sind Zynismus pur. Wer kann es sich leisten, Strom zu sparen oder die Wohnung zu sanieren, wenn man kaum genug Geld zum Leben hat?

Auch SPD und Grüne produzieren Wolkenkuckucksheime. Sie hätten sich die Probleme der Empfänger/-innen von Arbeitslosengeld II im Landtag anhören können, wenn Sie mir dieses Hearing nicht verboten hätten. Da waren Sie alle in einem Boot.

Auch Normalverdiener haben immer mehr Probleme mit den Energiekosten. Ihre Vorschläge sollen lediglich beruhigen und sind Augenwischerei. Sie nehmen diese Probleme nicht wirklich ernst, sondern fürchten nur um die Stimmen von Wählerinnen und Wählern. Das ist Ihre einzige Sorge.