Protocol of the Session on August 23, 2007

Das ist das, was Sie ein paar Tage vor der Landtagswahl den Menschen in diesem Land weismachen wollten. Und heute ist die Katze aus dem Sack. Heute kennen die Menschen die Wahrheit, und sie sind froh, dass wir das damals so klar demaskiert haben. Wir stehen als Koalition der Erneuerung zu dem, was wir vor der Wahl gesagt haben, auch nach der Wahl. Darauf ist Verlass in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der FDP – Widerspruch von der SPD – Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Die Erde ist eine Scheibe!)

Frau Schäfer, Sie haben gesagt: „Wir haben in Nordrhein-Westfalen verschiedene Bildungsgänge, und dabei wird es auch bleiben.“ – „Westfälische Nachrichten“, 30. April 2005, drei Wochen vor Ihrer Abwahl. Sie haben gesagt – „Westfälische Rund

schau“ vom 15. April 2005; etwas über einen Monat vor Ihrer Abwahl –: „Wir wollen das bestehende Schulsystem verbessern, und zwar durch eine Stärkung jeder einzelnen Schule in NordrheinWestfalen.“ Am 8. Dezember 2004 in der „Westfälischen Rundschau“: „Eine Einheitsschule ist nicht der zentrale Baustein, um zu besseren Ergebnissen zu kommen.“ „NRZ“ vom 8. Dezember 2004: „Selbst bei Veränderungen in diesem Bereich,“ – gemeint war die Schulstruktur – „die es nur in einem breiten gesellschaftlichen Konsens geben könnte, sind unsere Probleme nicht automatisch gelöst.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.

Wir werden es Ihnen nicht durchgehen lassen, dass Sie hier falsche Versprechungen machen. Wir werden die Folgen dessen, was Ihre Beschlüsse in der Praxis für die Schullandschaft vor Ort und für die Gefährdung des Schulfriedens in ganz Nordrhein-Westfalen bedeuten, allen Menschen mitteilen. Wir werden die Gelegenheit dazu nutzen. Und die Bildungsergebnisse, die Sie bei dem Politikwechsel hinterlassen haben, sind der beste Beleg dafür, dass Ihre Vorstellungen von Bildungspolitik in der Praxis gescheitert sind. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Witzel. – Für die SPD-Fraktion erhält der Abgeordnete Große Brömer das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Witzel, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie gerade noch einmal deutlich gemacht haben, was Rückwärtsgewandtheit bedeutet.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Eingangs will ich mich bei den Kollegen Solf und Kaiser – ich greife sie einmal heraus – ausdrücklich dafür bedanken, dass sie sich nicht bereit erklärt haben, hier als Begründer für diese seltsame Aktuelle Stunde aufzutreten.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Herzlichen Dank, Herr Kaiser! Das gibt Hoffnung, dass vielleicht doch noch ein vernünftiger Dialog mit Ihnen möglich ist.

Denn die Begründung für diese Aktuelle Stunde – Herr Wüst hat zu Recht den Saal verlassen; nach dieser Rede hätte ich das an seiner Stelle auch getan –

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

ist nun wirklich hanebüchen: Die von der SPD initiierte rückwärtsgewandte Schuldebatte sei wegen der damit verbundenen allgemeinen Beunruhigung und Störung des Schulfriedens von hoher landespolitischer Bedeutung. Deswegen müsse sich der Landtag in einer Aktuellen Stunde mit dieser Thematik befassen.

Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, selbst wenn es so wäre, dass durch einen Landesparteitagsantrag, der am kommenden Samstag behandelt werden soll, der Schulfrieden in diesem Lande massiv gestört würde: Was wollen Sie denn mit dieser Aktuellen Stunde erreichen? Sollen wir unseren Landesparteitag verschieben,

(Ralf Witzel [FDP]: Absagen!)

und zwar so lange, bis Sie den Antrag gelesen haben, Herr Witzel – oder noch länger, bis Sie ihn verstanden haben? Sollen wir das tun?

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Diese Denkweise ist irgendwie seltsam.

Im Übrigen fällt einem zu dem in Bezug auf die bildungspolitische Debatte gebrauchten Begriff Rückwärtsgewandtheit wirklich nur noch der uralte Witz von dem Geisterfahrer ein, der sich wundert, wie viele Autos ihm entgegenkommen.

(Heiterkeit von der SPD – Beifall von Ralf Jäger [SPD])

Das ist Ihre Situation. Sie gucken ständig zurück und merken gar nicht, dass der Rest der Welt längst nach vorne schaut. Das ist Ihr Problem.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Sie wollen in der Tat eine grundsätzlich notwendige bildungspolitische Debatte verhindern. Sie verschließen die Augen und Ohren und zitieren die Argumente aus dem letzten Jahrhundert.

(Ralf Witzel [FDP]: Von 2005!)

Dabei merken Sie überhaupt nicht, dass der Zug längst abgefahren ist. Die Menschen in diesem Lande wünschen längst ein längeres gemeinsames Lernen ihrer Kinder. Sie wollen mehr Unterrichtsqualität und keine Selektion.

(Ingrid Pieper-von Heiden [FDP]: Sie sind doch abgewählt worden!)

Das ist der augenblickliche Wille der Menschen in diesem Land. Sie merken gar nicht, dass der Zug längst abgefahren ist. Sie stehen einsam und verlassen auf dem Bahnsteig und wundern sich, dass

Ihnen niemand mehr Gesellschaft leistet. Das ist doch die Situation.

Die Qualität dieser Diskussion ist ebenso erschreckend. Das ist mir noch gestern bei der Rede des Ministerpräsidenten zum Haushalt aufgefallen. Dabei hat er – wie viele Redner von Ihrer Seite – zum wiederholten Male die real existierende Gesamtschule in Nordrhein-Westfalen als vierte Regelschulform mit einem integrativen – integrierten Schulsystem gleichgesetzt.

Wann ist endlich jemand von Ihnen bereit, einmal den grundlegenden Unterschied zwischen diesen beiden Polen in der Diskussion klarzumachen? Ich wundere mich nur, dass das nicht geschieht; denn Sie haben ja eine pädagogische Ausbildung, Frau Sommer. Sie müssten das eigentlich auch im Kabinett erklären können.

Ich würde das gerne tun – wenn der Ministerpräsident denn öfter hier wäre. Heute ist er da. Vielleicht haben wir heute eine Chance, den Unterschied zu erklären.

Meine Damen und Herren, Frau Löhrmann hat eben daran erinnert, dass es notwendig ist, aus den Gräben herauszukommen. Ich will Ihnen in diesem Zusammenhang eine Hilfestellung geben. Herr Kollege Solf, das Gymnasion des klassischen Griechenlands vor 2.000, 2.500 Jahren war ursprünglich eine Sportübungsstätte.

(Michael Solf [CDU]: Ja!)

Sie stimmen mir zu. Dann stimmen Sie sicherlich auch meiner Aussage zu, dass sich die Bildungsinhalte des Gymnasiums in den letzten 2.000, 2.500 Jahren etwas verbessert haben,

(Heiterkeit von der SPD)

dass sie jetzt etwas breiter gefächert sind und dass sich auch die Qualität gesteigert hat.

(Michael Solf [CDU]: Natürlich!)

Es wäre schön, wenn Sie mir auch in Folgendem zustimmen würden: Lassen Sie nicht noch einmal 2.000 Jahre verstreichen,

(Beifall von der SPD)

bis wir eine Schule für alle hinbekommen, die die Bildungschancen gerecht und gleich verteilt und jedem Kind entsprechend seiner Fähigkeiten und Neigungen die beste Ausbildung ermöglicht.

Meinetwegen kann das Ganze dann auch ruhig Gemeinschaftsgymnasium heißen. Wir sollten aber gemeinsam daran arbeiten. Verlassen Sie Ihre ideologische Wagenburg! Kommen Sie heraus, und Sie werden merken: Die Roten, die Sie um

zingelt haben, sind gar nicht so schlimm, wie sie sich manchmal anhören. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Große Brömer. – Für die CDU-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Klaus Kaiser das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Große Brömer, eingangs haben Sie den Kollegen Solf und mich ein bisschen irritiert. Trotzdem müssen wir jetzt zur Sache selber reden, denke ich.

Frau Hendricks hat anfangs gesagt: Wir wollen keinen Schulkrieg. – Frau Hendricks, wie naiv sind Sie eigentlich, wenn Sie auf einem Landesparteitag der SPD die Abschaffung der erfolgreichsten Schulform in Nordrhein-Westfalen, nämlich des Gymnasiums, beschließen wollen und erwarten, dass das friedlich hingenommen wird?

(Beifall von der CDU – Zurufe von der SPD)

Frau Schäfer hat davon gesprochen, dass man sich neu orientieren wolle.

(Anhaltende Zurufe von der SPD)