Protocol of the Session on May 23, 2007

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf ist dieses Ziel erreichbar. Er findet aus diesem Grund die uneingeschränkte Zustimmung der CDU-Fraktion. – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Löttgen. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erteile ich Herrn Kollegen Becker das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zerschlagung der Versorgungsverwaltung gegen alle Vernunft und ohne Rücksicht auf Verluste – so müsste der Gesetzestitel eigentlich heißen. Das ganze Verfahren belegt einmal mehr, dass die Landesregierung unbelehrbar ihren bürgerfeindlichen und kommunalfeindlichen Streifen durchzieht, und zwar selbst dann, wenn das ganze Land dafür einen hohen Preis zahlen und uns das teuer zu stehen kommen wird.

Spätestens seitdem sich der Landesrechnungshof im letzten Monat genötigt sah, uns Parlamentariern seinen Alternativvorschlag entgegen sonst üblicher Gepflogenheiten direkt zur Kenntnis zu geben, war uns allen klar und hätte uns allen klar sein müssen, Herr Kollege Löttgen: Die Koalition zockt ihr Vorhaben durch.

Sie zocken durch gegen die Interessen der betroffenen Bürgerinnen und Bürger, die die Leistungen der Versorgungsverwaltung nachweislich mit hoher Zufriedenheit in Anspruch genommen haben. Die 65.000 Unterschriften gegen die geplante Auflösung der Versorgungsverwaltung sprechen eine deutliche Sprache. Um Ihnen das deutlich zu sagen: Das sind keine 65.000 mit Ärmelschonern bewaffnete oder strukturkonservative Leute, sondern das sind Leute, die genau wissen, welche sachgerechte Beratung sie von der Versorgungsverwaltung bisher bekommen haben, was in Zukunft bei dem Konstrukt, das Sie wählen, schwierig sein wird.

(Beifall von der SPD)

Sie zocken durch gegen die Interessen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die hochmotiviert und fachkompetent um die Aufgaben bemüht waren und die im Übrigen zu einem hohen Anteil selbst schwerbehindert sind.

Sie zocken durch gegen die Interessen der Kommunen. Denn die Kommunen sollen eine Leistung

übernehmen, die gleich beim ersten ernsthaften Fall von Konnexität aus unserer Sicht und aus Sicht unter anderem des Städtetages so nicht zu erbringen ist zu dem Preis, den Sie vorsehen.

Schaue ich mir die Unterschiede zwischen dem Referentenentwurf und dem Gesetzentwurf an, so ist festzustellen, dass die Landesregierung nach der massiven Kritik des Landesrechnungshofs und der kommunalen Spitzenverbände lediglich einige formale Korrekturen vorgenommen hat, aber materiell im Wesentlichen die Vorgabe zur Stelleneinsparung bis zum Jahr 2014 gestreckt hat.

An dieser Stelle sei noch einmal deutlich gesagt: Wir halten die Zerschlagung der Versorgungsverwaltung für eine grandiose Fehlentscheidung, deren Folgen wieder einmal den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern in NRW und den Kommunen überlassen werden.

Der Landkreistag im Übrigen, Herr Kollege Lorth, der in dieser Frage doch sehr stark von dem Motiv einer Ausweitung seiner Aufgaben angetrieben wird, kann nicht darüber hinwegtäuschen: Die kommunale Familie steht der Übertragung der Aufgaben mindestens mit großer Skepsis, der Städtetag mit offener Ablehnung gegenüber. Dazu haben die Spitzenverbände, Herr Palmen, auch allen Grund.

Erstens. Eine so kurzfristige und in vielen technischen Details nicht geklärte Zerschlagung der bestehenden Versorgungsämter und Aufgabenübertragung auf die 54 Kreise und kreisfreien Städte sowie auf die Landschaftsverbände wird zum 1. Januar 2008 ein Chaos produzieren. Am Ende werden sich die Betroffenen aber an die Kommunen wenden, wenn etwas nicht klappt oder Bewilligungsbescheide auf sich warten lassen. Das befürchtet auch zu Recht ein Oberbürgermeister hier aus der Nähe, wenn er in einem Schreiben darauf drängt, das Gesetzesvorhaben in der jetzigen Form abzulehnen und umfassend zu überarbeiten.

Die Kommunen und die Landschaftsverbände wissen es sehr gut. Es hat bislang gut geklappt in der Versorgungsverwaltung. Es gab hohe fachliche Kompetenz, eine gute Kundenzufriedenheit, eine zügige Sachbearbeitung und ein kluges System von Orts- und Kundennähe, Herr Kollege. Genau daran werden die Bürgerinnen und Bürger die neuen Träger zu Recht messen.

Zweitens. Von einer nach transparenten Kriterien und mit betriebswirtschaftlichen Daten begründeten Kostenfolgeabschätzung – auch das haben wir Ihnen immer wieder vorgehalten – fehlt jede

Spur. Damit werden wesentliche Anforderungen der Vorschriften zum Konnexitätsausführungsgesetz nicht erfüllt. Weder die Fragen der Spitzenverbände noch die des Landesrechnungshofs zum Referentenentwurf sind mit dem vorliegenden Gesetzentwurf bearbeitet worden. Die kreisfreien Städte, die Kreise und die Landschaftsverbände müssen zu Recht fürchten, auf Folgekosten sitzen zu bleiben oder aber Qualitätsabstriche machen zu müssen.

Drittens. Es bleiben viele, viele praktische Fragen offen. Mit diesen Fragen werden Sie und wir uns in den kommenden Beratungen quälen. Das verspreche ich Ihnen an dieser Stelle. Aber ich sage Ihnen auch voraus: Wenn Sie dieses Gesetz zum 1. Januar 2008,

(Zuruf von Theo Kruse [CDU])

Herr Kollege, umsetzen werden, dann stoßen Sie nicht nur auf den Widerstand der Betroffenenverbände und der jetzigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sondern Sie haben auch einen großen Teil der Kommunen gegen sich. Wenn Sie das quält, dann müssten Sie sich einmal damit auseinandersetzen, dass die Ursache dieser Qual links von mir sitzt und nicht bei der Opposition zu suchen ist. – Schönen Dank.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Becker. – Für die FDP-Fraktion hat Herr Engel das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Becker, es hätte uns auch gewundert, wenn Sie nicht wieder – wie immer mit großer Regelmäßigkeit – hier aufgetreten wären wie der personifizierte Totalverriss. Das ist offensichtlich Ihre selbst gewählte Rolle.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Das ist die Quali- tät Ihrer Vorgabe!)

Sie müssen sich aber irgendwann auch einmal fragen, ob Sie Landespolitik nicht auch konstruktiv begleiten wollen. Aber gut, das ist Ihre Sache. Ich sehe das naturgemäß völlig anders. Immer wenn ich in den Rednerblöcken als Letzter sprechen darf, dann weiß ich für die Bereiche Innen, Verwaltungsstrukturreform und Kommunalpolitik: Der Innenminister hat einen Gesetzentwurf eingebracht. Ich freue mich, heute zu diesem Gesetzentwurf reden zu dürfen.

(Zuruf von der SPD)

Bereits mit dem zweiten Modernisierungsgesetz aus dem Jahre 2001 ist die Mittelinstanz der Versorgungsverwaltung, das damalige Landesversorgungsamt, richtigerweise aufgelöst worden.

Es ist nur zu konsequent, dass auch der Rest, also die untere staatliche Verwaltungsbehörde mit 11 Versorgungsämtern, aufgelöst wird. So fällt ein kompletter Verwaltungszweig weg.

Mit Blick auf die Zuschauer und Zuhörer erinnere ich noch einmal an Folgendes: Wir haben vor zwei Jahren 667 Landesbehörden mit 200 Landeseinrichtungen übernommen. Nach einem Jahr stehen wir schon mit 116 Behörden weniger da. – Das ist ein Beleg für unser Reformtempo. Das hat es in den vielen Jahren zuvor nicht gegeben. Diesen Weg werden wir unbeirrt fortsetzen.

Die staatliche Versorgungsverwaltung hat sich als untere staatliche Sonderverwaltung selbst überlebt. Sie ist absolut nicht mehr zeitgemäß und auch nicht mehr notwendig. Der eigentliche Aufgabenbereich, die Kriegsopferversorgung, verringert sich durch die abnehmenden Fallzahlen stetig. In der Vergangenheit ist die Versorgungsverwaltung mit den Aufgabenfeldern Schwerbehindertenrecht, soziales Entschädigungsrecht, Erziehungsgeld und Elterngeld sowie mit arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Förderprogrammen regelrecht künstlich „aufgebläht“ worden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Auflösung der staatlich eingerichteten Versorgungsverwaltung mit einer weitgehenden Kommunalisierung der Aufgabenbereiche ist der richtige Schritt. Ich möchte das noch einmal kurz erläutern.

Die sogenannten Massendienstleistungen nach dem Schwerbehindertenrecht sowie nach dem Bundeselterngeld- und Erziehungszeitgesetz werden auf die 54 Kreise und kreisfreien Städte übertragen und damit bürgernäher organisiert. Damit können die Aufgaben für junge Familien und schwerbehinderte Menschen ortsnah effektiv und kostengünstig erledigt werden. Wer will die bürgernahe Verwaltung eigentlich kritisieren?

Beispielhaft erwähne ich die Aufgaben des Schwerbehindertenrechts, wo hohe Synergieeffekte bei den Gesundheitsämtern und deren medizinischem Sachverstand bestehen und genutzt werden können. Darüber hinaus verfügen die kommunalen Verwaltungseinrichtungen häufig über Schnittstellen zu Sozial- und Wohlfahrtsverbänden. Eine ortsferne Sonderbehörde ist hier überfordert und überhaupt nicht in der Lage, ein solches Netzwerk aufzubauen.

Die Aufgabenerledigung nach dem sozialen Entschädigungsrecht durch die Landschaftsverbände ist aus Sicht der FDP-Fraktion sinnvoll, da es hier zu einer Aufgabenzusammenführung kommt. Bereits heute nehmen die Landschaftsverbände Teilaufgaben des Entschädigungsrechts wahr. Das Entschädigungsrecht betrifft zwar nur wenige Menschen, der Anspruch an Fachwissen ist aber gleichwohl sehr hoch. Deshalb begrüße ich es, dass das Entschädigungsrecht zentral bei den oberen Kommunalverbänden kommunalisiert wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir Abgeordneten sind von den Sorgen und Ängsten der Betroffenen bei den Versorgungsämtern durch zahlreiche Zuschriften informiert worden. Davon ist schon gesprochen worden. Es gilt jedoch: Das Personal muss der Aufgabe folgen. – Ich begrüße und unterstütze es aber außerordentlich, dass der Gesetzentwurf bei der Dienstortverlagerung der Beschäftigten ausdrücklich die Beachtung der sozialen Belange vorschreibt. Das ist die Binnenwirkung. Mit dieser Regelung wird den Sorgen und Nöten der Betroffenen gebührend Rechnung getragen.

Der Gesetzentwurf verdeutlicht im Gegensatz zu den Gerüchten, die im Vorfeld landesweit über die Medien gestreut wurden, dass erhebliche Kosten eingespart werden. Wir können alleine nach dem Wegfall der Mietzahlungen beziehungsweise nach dem Verkauf der Liegenschaften der Versorgungsämter jährlich Ausgaben in Höhe von 10 Millionen € im Landeshaushalt einsparen beziehungsweise dieses Geld für andere sinnvolle Zwecke verwenden. Darüber hinaus sind dauerhaft erhebliche Minderausgaben durch die Personalreduzierung von derzeit 1.800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern um 450 auf 1.350 Stellen zu erwarten.

Meine Redezeit ist zu Ende. Lassen Sie mich abschließend noch ein Wort zur Kostenfolgeabschätzung verlieren. Das Konnexitätsprinzip greift. Der Gesetzentwurf schafft die Basis für die Erstattung der tatsächlich entstehenden Kosten an die Kommunen. Der Gesetzentwurf sieht ausdrücklich Nachjustierungen vor. Das begrüße ich sehr. Ich freue mich auf die Debatte in den Fachausschüssen. Wir stimmen der Überweisung zu. – Vielen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Engel. – Für die Landesregierung hat jetzt noch einmal Herr Minister Dr. Wolf das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident! Mit Blick auf die ritualisierten Gegenre

den wollte ich nur noch einen Punkt klarstellen. Er geht auf den Landesrechnungshof zurück. Herr Körfges, Sie haben sicherlich nicht übersehen, dass der Landesrechnungshof Einsparpotenziale angemahnt hat. Wir setzen diese um.

(Zuruf von Hans-Willi Körfges [SPD])

Sie wissen: In einem ersten Bericht ist von mehreren hundert Stellen die Rede. Wir versuchen, das umzusetzen. Deswegen müssen wir eine Effizienzrendite erwirtschaften. Das ist doch völlig klar. Sonst kommt man am Ende nicht zu Kostenvorteilen für die Aufgabenerledigung.

Von Herrn Löttgen wurde schon gesagt: BadenWürttemberg hat gezeigt, dass es funktioniert. Und es funktioniert auch qualitativ gut. Das ist auch auf die Tatsache zurückzuführen, dass das Personal übergeht. Das ist doch gar keine Frage.

Als letzten Punkt möchte ich die Konnexität ansprechen. Das ist der erste Fall des Konnexitätsausführungsgesetzes. Wir sind natürlich sehr sorgfältig mit den Dingen umgegangen. Sie waren bei den Verhandlungen leider nicht dabei. Sie sind sehr intensiv geführt worden. Ich glaube, wir haben einen guten Kompromiss erreicht. Das Ganze wird weiterhin diskutiert. Ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuss. – Vielen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. – Für die CDU-Fraktion hat Herr Kollegen Löttgen noch einmal das Wort.

Herr Kollege Becker, die verbleibenden 45 Sekunden will ich noch nutzen, um Ihnen zu sagen, dass jemand, der hier steht und wider besseren Wissens von Zerschlagung und Angstmacherei spricht – Sie kennen die Ergebnisse aus Baden-Württemberg – …

(Horst Becker [GRÜNE]: Ich habe nicht von Angst gesprochen! Ich habe davon gespro- chen, dass Sie Angst machen!)

Die Behinderten und die Anspruchsfälle sind genau diejenigen, die Sie schützen wollen. Wenn Sie so weitermachen, behandeln Sie diese unanständig. Das ist nicht fair.

(Horst Becker [GRÜNE]: Nein! Das weise ich scharf zurück! Das wissen Sie auch!)