Protocol of the Session on May 23, 2007

Mit der Übertragung der Zuständigkeit für das Schwerbehindertenrecht auf 54 Kreise und kreisfreie Städte schaffen wir für 2,3 Millionen behinderte Menschen kurze Wege zu den Verwaltungsstellen. Gleiches gilt für junge Eltern, wenn sie Anträge auf Elterngeld stellen. Der Entwurf sichert deswegen eine bürgerorientierte und fachkundige Aufgabenerledigung.

Das von der Aufgabenverlagerung betroffene Personal geht über in den aufnehmenden Bereich mit den Aufgaben, mit denen die Kolleginnen und Kollegen bisher befasst waren. Kündigungen sind ausgeschlossen, und niemand muss um seinen Arbeitsplatz fürchten. Die Wünsche Betroffener werden erfasst und so weit wie möglich berücksichtigt.

Der Gesetzentwurf berücksichtigt zusätzlich die finanziellen Interessen der betroffenen Kommunen nach den Vorschriften des Konnexitätsausführungsgesetzes. Er sieht angemessene und ausreichende Ausgleichszahlungen für das übergehende Personal vor.

Ein derart komplexes und unterschiedlichste Interessen berührendes Gesetzeswerk erntet auch Widerspruch. So ist es verständlich, wenn die kommunalen Spitzenverbände möglichst hohe Ausgleichszahlungen für ihre Mitglieder erreichen wollen. Die vorgetragenen Befürchtungen der Verbände der Behinderten und Kriegsopfer, die Kommunen seien nicht in der Lage, die übertragenen Rechtsgebiete sachgerecht zu administrieren, entbehren jedoch angesichts der Verwaltungskraft unserer kommunalen Gebietskörperschaften jeder Grundlage. Das gilt umso mehr, als das Fachpersonal der Versorgungsverwaltung von den neuen Aufgabenträgern übernommen wird.

(Vorsitz: Vizepräsident Oliver Keymis)

Die Landesregierung hat also Lösungen gefunden, die die unterschiedlichsten Interessen ausgleichen und berechtigte Forderungen erfüllen. Es gibt keine Erstattung de luxe, sondern den neuen Aufgabenträgern wird Fachpersonal und sachliche Ausstattung so zur Verfügung gestellt, dass sie die übertragenen Aufgaben nahtlos erfüllen können.

Insgesamt freue ich mich, wenn dieses Verfahren so zügig abgewickelt wird, dass wir zum 1. Januar 2008 in die Umsetzungsphase gelangen können. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. – Für die SPD-Fraktion hat Kollege Körfges das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem wir am 3. Mai leider erfolglos versucht haben, die unsinnigen Pläne der Landesregierung zur Auflösung der Versorgungsämter zu stoppen, will ich noch

einmal versuchen, die wesentlichen Punkte unserer Kritik zusammenzufassen.

Ich glaube, Sie haben nur eines sorgfältig hinbekommen, nämlich die komplette Landschaft in der Angelegenheit strubbelig zu machen. Dem ersten Schritt in eine falsche Richtung lassen Sie jetzt in aller Konsequenz einen zweiten Schritt in die falsche Richtung folgen. Denn der vorliegende Gesetzentwurf bedient ideologische Vorurteile, indem er die Auflösung von Behördenstrukturen zum Selbstzweck erklärt. Es geht nicht um Bürokratieabbau, sondern um eine Selbstinszenierung der Landesregierung – koste es, was es wolle!

Der Sachverstand des Landesrechnungshofs wird leider in keiner Weise einbezogen. Im Beratungsbericht vom 30. März 2007 wird der Landesregierung attestiert, dass sie mit ihren Berechnungen und ihren Prognosen, bezogen auf die Kosten, falsch liegt. Der Landesrechnungshof hat angesichts der dem vorgelegten Gesetzentwurf beigefügten Kostenrechnung Zweifel – ich zitiere sinngemäß –, ob die möglichen Einsparpotenziale im Rahmen der bisherigen Organisation annähernd auch bei einer Kommunalisierung erreicht werden können. – Sie können das auf Seite 5 des Berichtes des Landesrechnungshofes nachlesen. – Insoweit ist die Frage der kostengünstigeren Erledigung geklärt, aber leider nicht im Sinne der Regierungskoalition.

Pikanterweise geben Sie dann eine rechtliche Stellungnahme – das war den Beratungsunterlagen für den Ausschuss beigefügt – bei Herrn Professor Durner in Auftrag, die die Frage klären soll, ob eine Pflicht zur Übernahme von Personalkosten ohne Übernahme des Personals bei der Kommunalisierung der Versorgungsverwaltung gegeben ist. Dann setzen Sie voraus – das hat der Innenminister eben freundlicherweise ausgeführt – voraus, dass die Kommunen das Personal jeweils übernehmen wollen, meine Damen und Herren.

Die kommunale Selbstverwaltung und das Konnexitätsausführungsgesetz werden, wohlmeinend ausgedrückt, sowohl in dem Gutachten als auch von Ihnen sehr einseitig interpretiert. Deutlich gesagt, meine Damen und Herren: Sie versuchen offensichtlich, sich auf Kosten Dritter einer Aufgabe zu entledigen; dabei sind die Dritten die Kommunen in unserem Land.

(Beifall von der SPD)

In diesen Zusammenhang fällt auch die sagenumwobene Effizienzrendite, die den Kommunen vorgehalten wird. Wenn der Landesrechnungshof und andere recht überzeugend darlegen, dass es

teurer werden wird, dann frage ich mich, woher Sie die Grundlage für eine Effizienzrendite auch nur im Ansatz nehmen wollen. Das ist nichts anderes als fachlicher Unsinn, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD)

Das ist keine berechenbare Politik, sondern ein recht durchschaubarer Taschenspielertrick. Ich gehe davon aus, dass es spannende Verhandlungen mit den Städten und Gemeinden in unserem Land geben wird, weil ich nicht glaube, dass sich unsere Kommunen das ohne Weiteres werden gefallen lassen.

(Beifall von der SPD)

Mit den Bedenken der Betroffenen gehen Sie wie üblich um, nämlich gar nicht oder Sie ignorieren sie ganz bewusst. Deshalb möchte ich noch einmal ganz deutlich hervorheben, dass dem Bündnis für den Erhalt der Versorgungsverwaltung neben Wohlfahrtsverbänden wie der Arbeiterwohlfahrt der Sozialverband Deutschland, der VdK, der Landesbehindertenrat, der Deutsche Bundeswehrverband, der Bund der Kriegsblinden, der Landesverband der Gehörlosen, die Arbeitsgemeinschaft der Schwerbehindertenvertretungen und weitere zahlreiche Vereine und Verbände, die die Interessen der Betroffenen vertreten, angehören. Meine Damen und Herren, das können Sie nicht so ohne Weiteres vom Tisch wischen. Deren Einschätzung ist absolut eindeutig. Wir fordern Sie an dieser Stelle auf: Nehmen Sie die Bedenken der Betroffenen ernst.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Das sind vielfach Menschen mit schwersten Behinderungen. Die haben Befürchtungen, die wir teilen, und zwar bezogen auf die Qualität – das hat nichts mit der Qualität und Leistungsfähigkeit der Kommunalverwaltungen, sondern mit der Differenziertheit der Aufgabe zu tun –, die Einheitlichkeit der Rechtsanwendung und die Rechtssicherheit. Diese Befürchtungen sind zum Ausdruck gebracht. Das ist ein beinahe einmaliger Fall, dass bei Einbringung eines Gesetzentwurfes bereits 65.000 Unterschriften, die sich gegen dieses Gesetzesvorhaben wenden, vorliegen. Meine Damen und Herren, auch da setzen Sie als Landesregierung neue Maßstäbe.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Bestehende Verhältnisse infrage zu stellen, das verlangt Mut. Das gebe ich zu. Strukturen zu ändern, ohne vorher Grundlagen vernünftig ermittelt zu haben, zeugt von Übermut. Wenn Sie sich aber über begründete Zweifel, verlässliche Progno

sen über Kosten, den Sachverstand des Landesrechnungshofes und die berechtigten Anliegen von betroffenen Menschen bewusst hinwegsetzen, meine Damen und Herren, dann überschreiten Sie die Grenze zur mutwilligen Politik. Weder Ihre Pläne noch Ihr Vorgehen finden unsere Zustimmung. – Vielen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Körfges. – Für die CDU-Fraktion hat jetzt der Kollege Löttgen das Wort.

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ebenso wie Sie, Herr Innenminister, freue ich mich über die Fortsetzung einer notwendigen Verwaltungsstrukturreform mit dem hier vorliegenden Gesetzentwurf zur Straffung der Behördenstruktur. Weniger erfreulich, allerdings absehbar, Herr Körfges, ist die von Ihnen gebetsmühlenartig vorgetragene Kritik.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Wie bitte?)

Beim letzten Mal sind wir so schnell fertig geworden, Herr Körfges. Dieses Mal kann ich es Ihnen nicht ersparen: In Ihrem Beitrag wird deutlich, dass die einzige strukturkonservative Partei in diesem Landtag die SPD ist.

(Beifall von der CDU)

Sie sehnen sich zurück, lieber Herr Körfges, nach den Zeiten des letzten Jahrhunderts.

(Zurufe von der SPD)

Sie wollen nicht gestalten, Sie wollen bewahren und damit sind Sie, werter Herr Körfges, so etwas wie das Ebenbild von Ärmelschonern und Strickjacken in der Verwaltung.

(Zustimmung von der CDU – Zuruf von der SPD: Sagen Sie das einmal der Verwaltung! – Weitere Zurufe von der SPD)

Im Gegensatz dazu ist die Politik der Landesregierung und der sie tragenden Fraktionen, Herr Körfges, die Grundlage für eine erfolgreiche Zukunft in unserem Land. Dabei ist es unabdingbar, dass der Staat seine Handlungsfähigkeit zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger zurückerlangt. Untrennbar mit diesem Ziel verbunden ist eine schlanke, effizient und effektiv arbeitende Verwaltung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es muss Schluss damit sein, dass die Bürger, also

unsere Kunden – denn wir verstehen doch beide Verwaltung als Dienstleistung –

(Frank Sichau [SPD]: Souverän!)

von Pontius nach Pilatus laufen müssen und sich irgendwann im Nirwana der Behördengänge verlieren. Gerade dies wird durch die vorliegende Reform grundlegend verbessert. Personifizierte Verantwortung vor Ort ist die Antwort, die viele Bürgerinnen und Bürger von uns als Gesetzgeber zu Recht einfordern.

(Beifall von der CDU)

Es kommt ein weiteres tragendes Prinzip hinzu, das mir persönlich in diesen Debatten über die Verwaltungsstrukturreform – wir haben bereits einige geführt – wichtig ist. Mit dieser Reform, auch mit dem Umbau der Versorgungsverwaltung, zeigen wir, dass wir Vertrauen haben, Vertrauen in die Verwaltungen von Kreisen und Kommunen, Vertrauen in die Verwaltungen insgesamt. Eben dieses Vertrauen werden Sie, meine Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Fraktion, mit Ihrem Gerede von der Zerschlagung einer Verwaltung nicht beeinträchtigen.

Statt die Pflege dieses destruktiven Denkansatzes weiter zu betreiben, sollten Sie Ihren Blick nach Baden-Württemberg richten. Seit zweieinhalb Jahren, seit dem 1. Januar 2005, arbeitet die badenwürttembergische Versorgungsverwaltung – vormals mit acht zentralen Versorgungsämtern – auf der Ebene der Landratsämter. Die dortige Landesregierung hat der Fraktion der SPD in der Antwort auf eine Große Anfrage Drucksache 14/964 vom 26. Februar 2007 ab Seite 27 vieles von dem bereits erläutert, was Sie populistisch als noch offene Frage und Klärungsbedarf hinstellen. Zitat:

„Bereits nach relativ kurzer Zeit waren u. a. aufgrund der hohen Motivation und des beispielhaften Einsatzes der Beschäftigten die neuen Organisationseinheiten in vollem Umfang dienstleistungsbereit. Die Erfahrungen“

mit der Kommunalisierung der Versorgungsverwaltungen –

„können insgesamt als gut bezeichnet werden.“

Ich bin sicher: Diese Bewertung wird auch den nordrhein-westfälischen Reformen in einem vergleichbaren Zeitraum zuteil werden. Gemeinsam mit dem nordrhein-westfälischen Landkreistag, dessen Pressemeldung vom 16. Mai Sie doch auch gelesen haben, sehr geehrter Herr Körfges, sind wir der Auffassung, dass eine orts- und bürgernahe Versorgungsverwaltung ganz im Sinne

derjenigen ist, die Leistungen in Anspruch nehmen wollen und nehmen müssen.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf ist dieses Ziel erreichbar. Er findet aus diesem Grund die uneingeschränkte Zustimmung der CDU-Fraktion. – Herzlichen Dank.