So muss ich Ihnen aus umweltpolitischer Sicht leider sagen: Ihr Antrag ist wie immer zu kurz gesprungen, um dem Klimaschutz langfristig zu dienen. Es geht nämlich nicht darum, dass alle immer nur auf den jeweils Nächsten zeigen – die Energiewirtschaft auf die Automobilindustrie, die Automobilindustrie auf die Hausbesitzer, die Hausbesitzer auf den Flug- und den Straßenverkehr, oder – global ausgedrückt – NordrheinWestfalen beschuldigt Deutschland, Deutschland beschuldigt die Amerikaner, und alle beschuldigen die Chinesen.
Dabei muss doch im Gesamtkonzept gedacht und gehandelt werden, wenn man wirklich etwas erreichen will. Denn der Geist der Rio-Deklaration der Vereinten Nationen für eine nachhaltige Entwicklung „Think global, act local“ – oder zu Deutsch: „Global denken, lokal handeln“ – aus dem Jahre 1992 gilt gerade auch für den Klima
schutz. Aber darauf haben Herr Römer und Herr Stinka von der SPD im vorangegangenen Tagesordnungspunkt sowie Herr Wißen gerade bereits hingewiesen.
Kürzlich haben wir über Feinstaub im Straßenverkehr debattiert, heute über CO2 im Straßenverkehr und demnächst höchstwahrscheinlich über NOx im Straßenverkehr – ganz zu schweigen von der Lärmbelastung durch unsere Kraftfahrzeuge.
Jeder dieser Themenbereiche für sich ist wichtig und richtig, aber wir können uns doch nicht immer tagesaktuell einen einzigen Aspekt davon herausgreifen, wenn wir etwas für das Klima und die Menschen im Land erreichen wollen.
Wir von der SPD wollen den Menschen nicht vorschreiben, ob und wohin sie in den Urlaub fahren, aber wir wollen sie dabei unterstützen, ihre Mobilitätsbedürfnisse so ökologisch wie möglich zu gestalten. Schließlich darf man Klimaschutz nicht gegen die Menschen machen.
Sie machen dem Menschen den Vorwurf, dass ihnen der Geldbeutel näher ist als die Klimaschutzpolitik. Aber wir von der SPD wollen möglichst viele Menschen für den Klimaschutz begeistern und auf unserem Weg mitnehmen. Wir machen Klimaschutz gemeinsam mit den Menschen, denn sonst erreichen wir nichts für den Klimaschutz, sondern treten als die Spaßbremsen der Nation auf.
Dafür brauchen wir eine Klimaschutzpolitik und -strategie, die alle Emittenten und nicht nur isoliert den Straßenverkehr einbezieht. Wenn man schon einen einzelnen Aspekt aus dem Gesamtkonzept herausgreift, liebe Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen, dann doch bitte diesen kleinen Teilbereich wenigstens komplett.
Sehr geehrte Damen und Herren, ich komme noch einmal auf die Energiestrategie der Landesregierung zurück, über die heute schon einmal gesprochen wurde. Was dort, wie auch in diesem Antrag, völlig fehlt, ist der ÖPNV. Herr Wißen hat bereits darauf hingewiesen. Dabei kann und sollte doch gerade der ÖPNV einer der verkehrspolitischen Schlüssel zum Klimaschutz sein.
Zu unserem Projekt „Güter auf die Schiene“ – Herr Wittke ist leider nicht da –: Auch hier gilt für die Landesregierung: Vom Klima reden – gegenteilig handeln. Sie führen unsere Vorrangpolitik der Mittelverteilung nicht weiter. Sie beschneiden
den Schienenverkehr und fördern stattdessen den Güterverkehr auf der Straße. Damit sind zukünftig noch mehr Lkw auf den Straßen unterwegs. Mehr Straßenverkehr heißt aber auch mehr Stau auf unseren Straßen. Schon jetzt verursachen Staus auf den deutschen Straßen jährlich einen Mehraufwand von 12 Milliarden Litern Kraftstoff. Das entspricht ungefähr 30 Millionen Tonnen CO2.
Zum Gesamtkonzept eines vernünftigen Klimaschutzes gehören aber selbstverständlich auch, wie mein Vorredner Herr Wißen bereits ausführlich erläutert hat, sozialverträgliche und damit bezahlbare Alternativangebote für die Menschen.
Dazu brauchen wir einen vernünftigen Instrumentenkasten und nicht die Verurteilung einzelner Teilaspekte. Zusammenfassend möchte ich für die Fraktion der SPD darstellen: Wir nehmen die Menschen mit und stellen nicht Klimaschutzanforderungen gegen sie auf. Wir in NordrheinWestfalen müssen heute die Umwelttechnologie entwickeln, die die Welt morgen braucht. Das gilt selbstverständlich auch für die Befriedigung der Mobilitätsbedürfnisse der Menschen vor Ort. Schon deshalb müssen wir spritsparende und klimaschonende Kraftfahrzeuge hier entwickeln.
Ich möchte noch einmal an die Debatte des vorangegangenen Tagesordnungspunktes anknüpfen. Der Klimaschutz muss sektorübergreifend sein. Jeder Bereich muss und kann dabei seinen eigenen Beitrag leisten. Das gilt für die Industrie genauso wie für die Energiewirtschaft, für den Energiegebäudebereich und den gesamten Verkehrssektor gleichermaßen. Es ist bezeichnend für diese Landesregierung, dass das Thema Verkehr in Bezug auf Klimaschutz in der sogenannten Energieoffensive der Landesregierung gar nicht erst auftaucht. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Kollegin Wiegand. – Als nächster Redner hat für die CDU der Kollege Kress das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die CDU-Landtagsfraktion – ich denke, das ist beim vorherigen Tagesordnungspunkt deutlich geworden – begleitet und unterstützt die vielfältigen Initiativen der Landesregierung zur Minderung der Kohlendioxidemission auf allen Ebenen sehr aktiv, und das – damit haben
Das Thema CO2-Reduzierung ist nicht vorrangig ein verkehrspolitisches Thema, sondern begleitet uns in sehr vielen Lebensbereichen, in denen Kohlendioxid oder gleichermaßen schädigende Äquivalenzgase entstehen.
In der Tat dürfen wir den Fokus nicht nur auf die Verkehrspolitik richten, sondern müssen, um nachhaltig entgegenzuwirken, einen Gesamtansatz finden. Das spüren Sie im Moment in jeder Diskussion. So haben es die Koalitionsfraktionen mit dem Antrag zum vorherigen Tagesordnungspunkt auch detailliert gefordert, und so hat die Landesregierung das mit ihrem ressortübergreifenden energiepolitischen Konzept vom 13. Februar 2007 überzeugend vorgestellt und hier begründet.
Unsere Landesregierung hat mit diesem umfangreichen Programm Akzente gesetzt und weitgehende Ziele formuliert. Das ist gut so. Insbesondere begrüßen wir, dass weitergehende Forschungsprojekte zur Biostrategie, zur Gewinnung von Treibstoffen wie Biodiesel, Ethanol oder Wasserstoff über verschiedene chemisch-technische Verfahren gefordert und auch gefördert werden. Dass Bündnis 90/Die Grünen nach diesen umfangreichen Aktivitäten der Landesregierung und nach dem CDU/FDP-Initiativantrag auch einen eigenen Antrag hier behandeln wollen, verstehe ich. Das ist ja auch für das Protokoll und die eigene Klientel wichtig.
Was ich nicht verstehe, ist, dass der Antragsteller aus diesem vom Kabinett beschlossenen energiepolitischen Konzept einen einzigen Baustein herausgenommen hat. Frau Wiegand hat an dieser Stelle Frau Höhn zitiert. Das kann ich nur unterstreichen.
So machen Sie, meine Damen und Herren von Bündnis 90/Die Grünen, auf die Steigerung des CO2-Ausstoßes durch den Automobilverkehr aufmerksam – garniert mit dem allgemeinen Hinweis, dass die Automobilindustrie ihrer Verantwortung nicht gerecht wird. Damit werden Sie, Herr Remmel, Ihrer Verantwortung als Politiker gegenüber dieser Schlüsselindustrie in Deutschland nicht gerecht. Sie vergessen dabei, dass der Motorisierungsgrad, die Fahrzeugdichte pro 1.000 Einwohner, in den letzten Jahren um fast 12 % bei gleichzeitiger Steigerung der Jahreslaufzeit der PKW deutlich zugenommen hat.
Tatsächlich sind die spezifischen Kohlendioxidemissionen pro gefahrenem Kilometer vor allem bei PKW mit Ottomotoren spürbar gesunken.
Mein Kollege Oskar Burkert hat das mit Zahlen unterlegt und detailliert vorgetragen. Ich finde es gut, wenn man solche Zahlen nennt, die man in der Literatur findet. Es ist auch gut, Frau Wiegand, dass Sie die gleichen Zahlen gefunden haben. Damit haben Sie seine Aussage bestätigt.
Richtig ist, dass der Spritverbrauch durch Nebenaggregate, zum Beispiel durch Klimaanlagen, um ca. 1 l pro 100 km gestiegen ist. Wenn man bedenkt, dass 90 % aller Neufahrzeuge eine Klimaanlage haben, dann liegen in der Optimierung der Nebenaggregate hohe Minderungspotenziale.
Das Fraunhofer-Institut – das habe ich auch der Literatur entnommen – hat diese Bereiche weitgehend analysiert und Handlungsvorschläge entwickelt. Dazu zählt natürlich auch der verstärke Einsatz von Erdgasfahrzeugen und die technische Optimierung der Fahrzeuge durch Leichtbauweise, ständige Verbesserung der Aerodynamik und der Einsatz von Leichtlaufölen. Die entsprechenden Forschungsprojekte werden alle gemeinsam von den Forschungsinstituten und der Automobilindustrie forciert.
Es ist doch auch richtig, dass die technische Innovationsstrategie für leisere, saubere und sparsamere Fahrzeuge nur gemeinsam mit der Automobilindustrie weiterentwickelt werden kann.
Die Politik setzt Eckdaten und fördert alternative Kraftstoffe, zum Beispiel CHOREN-Dieselkraftstoffe, Rapsmethylester und Autoschnaps. Darüber hinaus können wir vor Ort durch eine intelligente Verkehrslenkung und Maßnahmen zur Verkehrsoptimierung mit weniger Abbrems- und Beschleunigungsvorgängen und zum Beispiel durch intelligente Ampelschaltungen, wie man es in Leverkusen gemacht hat, spritfahrende Fahrweisen unterstützen.
McKinsey hat die energetischen Potenziale analysiert und im Abschlussbericht einen großen NRWPolitiker mit dem Satz zitiert: „Alles ist mit allem verbunden“. Den Fokus auf ein Segment zu legen, bringt uns nicht weiter.
Das gilt insbesondere für den hier eingebrachten Antrag, der viel zu kurz greift und weit hinter den Vorschlägen von CDU und FDP sowie der Handlungsoffensive der Landesregierung liegt. Aber das werden wir ja im Ausschuss noch vertiefend diskutieren. Auf die Diskussion freue ich mich. Wir stimmen selbstverständlich der Überweisung des Antrags in den Fachausschuss zu. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Kress. – Als nächster Redner hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen der Kollege Becker das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, ich habe Sie nicht verstanden, weil in unserem Antrag eigentlich sehr konkrete Maßnahmen genannt werden. Ich verstehe auch die Kollegen der SPD nicht, weil in dem Antrag nichts Verwerfliches steht, nichts steht, was Menschen quält. So stellen Sie das ja quasi dar. Wenn auf der einen Seite das Dienstwagenprivileg, das Sie eben in Anführungsstriche gesetzt haben, wegfällt und wir möglicherweise bundesweit wieder Steuern in Höhe von bis zu 5 Milliarden € – davon gehen diejenigen aus, die das geschätzt haben – einnehmen würden und man auf der anderen Seite kritisiert, dass in dem Antrag nichts zum ÖPNV gesagt werde – der ÖPNV gehört auch nicht unbedingt in den Antrag –, und gleichzeitig nicht einsehen will, dass der Wegfall dieses Privilegs eine vernünftige Maßnahme wäre vor dem Hintergrund, dass das auch mithilfe Ihres Bundesverkehrsministers und Finanzministers eingesparte Geld bei den Regionalisierungsmitteln, beim ÖPNV, 3,5 Milliarden € ausmacht,
also weniger, als das Dienstwagenprivileg an Steuereinnahmen im Bundesdurchschnitt kostet, dann kann ich nicht verstehen, wie Sie ernsthaft sagen können, dass Sie in unserem Vorschlag keine vernünftige Maßnahme entdecken können oder dass wir den Leuten als Spaßbremse entgegengetreten wollen. Das Gegenteil ist der Fall.
Meine Damen und Herren, wer davon spricht, dass die Autoindustrie alle erforderlichen Maßnahmen selber ergreifen würde und dass es nur eine Frage der Nachfrage sei, der hat offensichtlich die Geschichte des Dieselfilters übersehen.
Die deutsche Automobilindustrie hat in den letzten Jahren im Umweltbereich, wo sie vor zehn bis 15 Jahren noch führend gewesen war, ihren Führungsanspruch völlig aufgegeben und auf ganz andere Dinge gesetzt. Ich weiß es aus meinem Bekanntenkreis und von mir selber: Ich habe sehr lange gewartet, bis ich mir einen neuen VW gekauft habe, und zwar deshalb, weil es extrem lange gedauert hat, bis dieser einen Dieselfilter hatte. Ich habe sehr lange mit mir gekämpft, ob ich nicht deswegen auf ein anderes Produkt umsteige. Deswegen, Frau Ministerin Thoben, geht Ihre Kri
tik in unsere Richtung fehl. Sie hätten stattdessen mit uns zusammen die Kritik an der Automobilindustrie aufrechterhalten und verstärken sollen.
Wer Industriepolitik in positivem Sinne in diesem Land machen will, der muss doch aus den letzten Jahren mit uns zusammen die Lehre ziehen, dass Klimapolitik und Industriepolitik nur dann in Verbindung zu bringen sind, wenn wir die Automobilindustrie ein Stück weit dazu treiben. Denn dass das alles von alleine geschieht, das entspricht nicht der Wahrheit. – Schönen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Becker. – Als nächster Redner hat der Kollege Ellerbrock für die FDP das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In den mir nachfolgenden Debattenbeiträgen ist immer wieder auf den ÖPNV hingewiesen worden. Wir müssen zur Kenntnis nehmen: Nordrhein-Westfalen ist ein vielfältiges Land, das nicht nur aus Verdichtungsgebieten besteht. Wir haben den ländlichen Raum als eigenständigen Lebens-, Wirtschafts- und Entwicklungsraum zum Glück in der Koalitionsvereinbarung definiert. Dort ist der öffentliche Personennahverkehr hinsichtlich der Mobilität zwangsweise eingeschränkt. Da brauchen wir den Individualverkehr. Diesen zu verdammen, lohnt sich wirklich nicht.