Protocol of the Session on November 16, 2006

Meine Damen und Herren, wir halten Wort: Alle zusätzlichen Einnahmen werden für die Verringerung der Neuverschuldung verwendet. Für unsere Entschlossenheit bekommen wir inzwischen auch überall Unterstützung. Der Bundesrechnungshof unterstützt diesen Weg; Kollege Klein hat das vorhin zitiert. Auch an der Stelle werden die großen Unterschiede zwischen Regierung und Opposition deutlich: Wir konsolidieren, Sie wollen das Geld sofort wieder ausgeben. Wir aber sagen: Damit sichern wir die Zukunft.

Konsolidierung, Realismus und Entschlossenheit kennzeichnen unsere Politik. Wir gewinnen Zukunft durch Schuldenabbau und nicht durch zusätzliche Ausgaben, Herr Sagel. Die Trendumkehr ist geschafft, und mit uns und mit diesem Finanzminister fängt jetzt die Zukunft an. – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Dr. Petersen. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Sagel.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Man muss sich schon sehr wundern, was man von den Koalitionsfraktionen zu hören bekommt. Ich würde Herrn Linssen nicht als vorsichtigen, sondern als irrenden Kaufmann bezeichnen.

(Zuruf von Dr. Jens Petersen [CDU])

Herr Dr. Petersen, auch Sie sind doch nur ein Irrender.

(Lachen von CDU und FDP)

Sie haben sich wie im Übrigen auch die Steuerschätzer völlig geirrt, die sich um 2 Milliarden € – diesmal nach unten – verschätzt haben.

(Ralf Witzel [FDP]: Aber Sie haben es richtig gewusst!)

Nein, ich wusste es nicht. Ich habe gesagt: Ich bin sehr skeptisch. – Zum Zeitpunkt der damaligen Steuerschätzung war nicht abzusehen, wie sich die Wirtschaft und die Steuern tatsächlich entwickeln würden. Das wusste niemand genau. Deswegen war ich sehr vorsichtig. Aus diesem Grunde haben die Grünen auch einen Haushaltsentwurf vorgelegt, der unter Ihrer Neuverschul

dung lag. Unser Haushaltsentwurf lag, wenn ich die Zahl richtig im Kopf habe, um 100 Millionen € unter Ihrer Neuverschuldung. Wir haben anders umgeschichtet, wir haben andere Prioritäten gesetzt: sozialer, ökologischer und gerechter. Während Sie bei Kindern gekürzt und bei der Landwirtschaftskammer draufgepackt haben, haben wir es genau umgekehrt gemacht: weg mit Landwirtschaftskammer und Bürokratismus, um dafür etwa Kindertagesstätten zu fördern. – Das waren unsere Vorschläge.

Frau Freimuth, Sie waren vorhin nicht bereit, mich zu Wort kommen zu lassen. Ich wollte Sie fragen: Sind Sie bereit, das, was Frau Staatssekretärin Marienfeld in der letzten Haushalts- und Finanzausschusssitzung gesagt hat, zur Kenntnis zu nehmen? Sie hat nach der Steuerschätzungsdebatte gesagt: Auch die Vorgängerregierungen hätten sich genau wie die jetzige Regierung und das jetzige Ministerium an dem orientiert, was die Steuerschätzer vorgelegt hätten. Und sie hat gesagt, das hätten sie seriös gemacht. Im Finanzministerium von Herrn Linssen sitzen dieselben Leute wie vor einigen Jahren: Herr Dr. Berg, Frau Marienfeld und andere. Sie orientieren sich genau wie der Finanzminister an den Steuerschätzungen.

Sie haben wirklich großes Glück gehabt: Diesmal ist es nach oben gegangen. Ich weiß nicht, was Herr Dr. Petersen, der Schlaukopf, hier erzählt hätte, wenn es nach unten gegangen wäre. Er wusste es nämlich nicht; er hat völlig danebengelegen. Deswegen: Erzählen Sie hier nicht einen solchen Unsinn! Das Finanzministerium verlässt sich wie jede Vorgängerregierung auf die Zahlen der Steuerschätzer. Leider haben wir 2001 und 2002 drastische Steuereinbrüche gehabt. Auch das haben Sie damals nicht abgesehen, auch da haben Sie völlig danebengelegen. Das ist doch die Realität.

Ein Letztes – danach will ich aufhören, denn ich glaube, wenn ich mich hier umgucke, ein wirklich großes Interesse findet diese Debatte nicht! Herr Linssen, an einer Stelle sind wir uns einig – dabei bleibe ich auch –: Die Grünen werden an Ihrer Seite stehen, wenn es um die Senkung der Nettoneuverschuldung geht. Das ist auch für uns ein entscheidender Punkt. Es geht uns aber auch um eine soziale und ökologische Politik – das ist der andere entscheidende Punkt. Das wollen wir Hand in Hand.

(Beifall von Sigrid Beer [GRÜNE])

Wir finden also richtig, dass Steuermehreinnahmen zur Senkung der Nettoneuverschuldung ein

gesetzt werden und werden das weiterhin mittragen. Die politischen Schwerpunkte, die Sie in Ihrem Haushalt setzen, finden wir aber nicht richtig. Er bleibt unsozial und ist weiterhin unökologisch.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Danke schön, Herr Sagel. – Für die FDP spricht nun Frau Freimuth.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Noch zwei kurze Anmerkungen:

Zum einen, lieber Herr Kollege Sagel, bin ich Ihnen dankbar für die letzte Feststellung, dass Sie diesen Konsolidierungskurs der Koalitionsfraktionen mit der Absenkung der Nettokreditaufnahme und nach Möglichkeit – ich glaube, auch da sind die Regierungsfraktionen mit Ihnen und Ihrer Fraktion einer Meinung – der Vermeidung von Schuldenaufnahme mittragen, sodass wir diesen Weg gemeinsam gehen können. – Über die Schwerpunktsetzung müssen wir in diesem Parlament in der Tat diskutieren. Da wird es vielleicht ein bisschen schwieriger, Gemeinsamkeiten zwischen uns zu finden.

Zum anderen will ich noch auf die andere Anmerkung eingehen, die Sie gerade zu den Äußerungen der Staatssekretärin Marienfeld in der letzten Haushalts- und Finanzausschusssitzung gemacht haben, auch weil wir in den vergangenen Wochen und Monaten immer wieder darüber gestritten haben, die Steuerschätzungen bewegten sich in einem Prognoserahmen. Die entscheidende Frage, die wir in der Tat unterschiedlich beantwortet haben, ist, ob man sich eher an den vorsichtigen, zurückhaltenden Prognosedaten orientiert oder an den positiven. Bei einer Schwankungsbreite kann man sich entweder an den oberen oder den unteren Werten orientieren. Die Landesregierung hat die Entscheidung mit Unterstützung der Fraktionen von CDU und FDP anders als ihre Vorgänger getroffen. Das ist aus meiner Sicht auch der richtigere Weg, Einnahmen eher zurückhaltend zu schätzen. Mit etwas Sachlichkeit können wir das auch differenziert diskutieren.

Lassen Sie mich noch etwas zu den Gegenfinanzierungsvorschlägen der Grünen sagen. Wir haben schon häufiger über den subventionierten Steinkohlebergbau diskutiert. Ich sage noch einmal ganz klar: Mir ist es seit vielen Jahren ein Dorn im Auge, dass wir erhebliche Mittel aus dem Landeshaushalt für die Subvention des Steinkohlebergbaus ausgeben. Diese Gelder könnten wir viel besser in die Absenkung der Schulden oder in

Bildung und Ausbildung unserer Kinder investieren. Ich muss mir an dieser Stelle aber schon den vorsichtigen Hinweis gestatten dürfen, dass auch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, und zwar sowohl hier im Landtag als auch im Deutschen Bundestag, ihr Plazet zu der Verlängerung der Subventionen bis zum Jahr 2009 gegeben hat.

(Beifall von der FDP)

Es war auch die von Ihnen unterstützte Landesregierung, die die Bewilligungsbescheide bis zum Jahr 2009 erlassen hat, die uns eben immer noch binden.

(Beifall von der FDP)

Das muss man der Lauterkeit halber bei aller Seriosität sagen.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Ich bin ge- spannt, ob Sie unserem Sperrvermerk zu- stimmen!)

Ich will noch eine Anmerkung machen, die mir der Kollege Körfges fast aufgedrängt hat. Herr Kollege Körfges, wir können uns wirklich stundenlang über die Prognose von Steuereinnahmen unterhalten. Das ist immer sehr ergiebig. Das haben wir in diesem Hause auch schon oft gemacht. Ich weiß nicht, wie viel Zeit zusammenkommt, wenn man einmal die Dauer der Debattenbeiträge addieren würde, die sich mit der Prognose der Steuereinnahmen auseinandersetzen. Ich will keiner Debatte ausweichen. Sie kennen die FDP und mich dafür lange genug. Ich glaube nur, dass wir unser Augenmerk stärker, als wir das bisher gemacht haben, auch auf die Ausgabeseite des Landeshaushalts konzentrieren müssen.

Neben von uns selbst zu verantwortenden Entscheidungen müssen wir uns auch über den nicht von uns zu verantwortenden Ausgabenanstieg im Land unterhalten. Wir haben regelmäßig notwendige Mehrausgaben, ohne dass wir als Haushaltsgesetzgeber Gestaltungsmöglichkeiten hätten, zum Beispiel die von mir genannten Zahlen zur Prozesskostenhilfe.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Wo sind denn die Initiativen aus NRW?)

Damit müssen wir uns stärker auseinandersetzen.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Frau Müller- Piepenkötter hat im Augenblick weiß Gott andere Probleme! Aber wo sind deren Initia- tiven in dem Bereich?)

Die Justizministerin Frau Müller-Piepenkötter und die Landesregierung haben dazu bereits eine Initiative gestartet, die – wenn ich richtig informiert

bin – Mitte Mai 2007 im Bundesrat auf der Tagesordnung stehen soll.

Man muss nicht immer künstlich streiten. Ich möchte, dass wir als Parlament unsere Landesregierung an solchen Punkten auch einmal gemeinsam unterstützen. Ihre Partei, Herr Körfges, trägt auch in Berlin Verantwortung. Eine Ihrer Kolleginnen und Parteifreundinnen ist Bundesjustizministerin. Ich appelliere an dieser Stelle an Sie: Wenn Sie meine Einschätzung zur Prozesskostenhilfe teilen, dann lassen Sie uns diesen Weg miteinander beschreiten. Denn wir wollen gemeinsam für die Bürgerinnen und Bürger arbeiten. Dieses Ziel dürfen wir bei allem Streit über Prioritäten und Prognosen nicht aus den Augen verlieren. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Danke schön, Frau Freimuth. – Meine Damen und Herren, gibt es weitere Wortmeldungen? – Frau Walsken. Bitte.

Herzlichen Dank, Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich kann mir zwei oder drei Bemerkungen nicht verkneifen.

Herr Finanzminister, ich möchte nicht, dass hier der Eindruck bestehen bleibt, wir wollten nicht sparen, sondern das Geld mit beiden Händen hinauswerfen. – Darum geht es nicht. Es geht darum, klarzumachen, was für eine Politik Sie machen. Sie haben, ohne dass Sie etwas dafür können, deutliche Steuermehreinnahmen in diesem Land – im Oktober 2 Milliarden €. Sie aber versuchen, den Menschen klarzumachen, Sie müssten an vielen Ecken Sozialprojekte und Netzwerke zerstören, weil das Land zu viele Schulden habe. Sie streichen 238.000 € für die Straffälligenhilfe und geben der Landwirtschaftskammer über 20 Millionen € mehr. Darum geht es! Es geht darum, klarzumachen, dass Sie eine Politik des sozialen Kahlschlags betreiben, was Sie mit der schlechten Einnahmenseite des Landes begründen. Darum geht es nicht. Das ist mir wichtig klarzumachen.

Als die Steuerquellen noch nicht so sprudelten, war es das Konzept der Regierung, dass Steuermehreinnahmen in den Abbau der Verschuldung gehören. Das ist überhaupt keine Frage. Unser Kritikpunkt ist, dass Sie mit dem vordergründigen Argument, Sie hätten eine ganz problematische Einnahmesituation, Umschichtungen im Haushalt vornehmen und deshalb die Einnahmen dauernd herunterrechnen.

(Beifall von der SPD)

Das lassen wir Ihnen an dieser Stelle nicht durchgehen. Es ist mir wichtig, dass an dieser Stelle noch einmal klarzustellen. Sie setzen systematisch die Einnahmenseite herunter, damit dieses Parlament, damit auch die Kollegen von CDU und FDP keine Spielräume haben, etwas zu verändern. Oder Sie wollen es gar nicht. Das ist der Politikwechsel, der hier stattfindet – zulasten der Schwachen und derjenigen in diesem Land, die kein Geld haben. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Danke schön, Frau Walsken. – Gibt es weitere Wortmeldungen? – Herr Witzel.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte eine Reflexion zu dem geben, was Rüdiger Sagel zu den Politikschwerpunkten vorgetragen hat.

Wir können in der Sache trefflich streiten. Jede Fraktion gibt sich logischerweise dadurch Profil, wo sie im Haushalt die Schwerpunkte setzt.

Ich möchte Sie bitten, auch in der Gesamtbewertung fair zu sein und keinen falschen Eindruck zu hinterlassen. Sie haben sich selektiv einzelne Bereiche des Jugendsektors herausgesucht,

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Für Selektion sind doch sonst Sie zuständig!)