Protocol of the Session on February 3, 2010

Entschließungsantrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/10633

erste Lesung

Zur Einbringung des Gesetzentwurfs erteile ich für die antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herrn Kollegen Becker das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor rund drei Wochen hat die Wirtschaftsministerin ein Gutachten zur wirtschaftlichen Betätigung der Kommunen vorgestellt

(Unruhe – Glocke)

und angekündigt, noch in dieser Legislaturperiode eine Änderung der Gemeindeordnung vornehmen zu wollen, um die unhaltbare Benachteiligung der Stadtwerke auf dem Energiemarkt abzustellen. Prof. Burgi hat in einem Gutachten für das Wirtschaftsministerium zu Recht darauf hingewiesen, dass die nordrhein-westfälischen Stadtwerke im Wettbewerb benachteiligt sind, im Wettbewerb mit der oligopolhaften Struktur von E.ON und RWE nicht ordentlich bestehen können und im Übrigen auch im Wettbewerb gegenüber Stadtwerken aus anderen Bundesländern benachteiligt sind, weil wir hier das restriktivste Recht haben.

Schon in den Debatten im Jahr 2007 habe ich unter anderem auf das Beispiel der Stadtwerke Münster hingewiesen, die die Ausgründung einer Tochtergesellschaft für die Bereitstellung intelligenter Stromzähler bewusst mit den Stadtwerken in Osnabrück zusammen vorgenommen haben, um nicht unter das restriktive Recht in Nordrhein-Westfalens zu fallen, sondern dem Recht des benachbarten Bundeslandes zu unterliegen. Es wurde eine Reihe anderer Beispiele aus den Reihen des VKU vorgetragen, auch von Bürgermeisterinnen und Bürger

meistern der CDU und von allen anderen Parteien – bis auf die FDP.

Meine Damen und Herren, auch wenn uns die von der Ministerin vorgestellten Änderungswünsche nicht weit genug gehen, bieten wir Ihnen ausdrücklich an, dem nachzukommen, was Sie gefordert haben, nämlich die unhaltbare Benachteiligung der nordrhein-westfälischen Stadtwerke in diesem Teilgebiet zu beenden. Deswegen haben wir diesen Gesetzentwurf eingebracht.

Ich habe zur Kenntnis genommen, dass es in der Koalition auch ganz andere Meinungen darüber gibt; das wundert mich nicht. Nachdem Sie, Frau Ministerin, das Gutachten und Ihre Einschätzungen vorgestellt haben, ist der Kollege Papke aufgetaucht und hat ausgeführt, das sei ein Schnellschuss der Ministerin gewesen. Minister Wolf ist in der Kommunalausschusssitzung fünf Tage nach Ihrem Pressetermin aufgetreten und hat gesagt: Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit. In dieser Wahlperiode passiert gar nichts mehr. Und er hat sich sogar verstiegen, darauf hinzuweisen, dass man notfalls noch ein weiteres Gutachten in Auftrag geben könne. Es wäre nicht das erste Mal, wenn dabei dann etwas anderes als beim ersten Gutachten herauskäme.

Meine Damen und Herren, wenn Ihre Einschätzung stimmt – und sie stimmt –, dass die Stadtwerke in Nordrhein-Westfalen einen Wettbewerbsnachteil haben, und wenn Ihre Einschätzung stimmt, die Sie in der Presse geäußert haben, dass die Stromkundinnen und -kunden einen Wettbewerb auf dem Energiemarkt brauchen, weil wir oligopolhafte Strukturen haben, darf es nicht dazu kommen, dass die FDP einen Gesetzentwurf verzögert.

Ich sage das ganz bewusst vor dem Hintergrund, dass Sie schon in der letzten Plenarsitzung die Chance gehabt hätten, sich mit uns zusammen mit einem Eilantrag zu diesem Thema zu beschäftigen und diesen zu beschließen. Sie haben mit Geschäftsordnungstricks verhindert, dass er behandelt wurde – deswegen heute der Gesetzentwurf.

Meine Damen und Herren, ich will Ihnen ganz deutlich sagen: Das ist der Praxistest dafür, ob die Ministerin tatsächlich bereit ist, in Teilen umzukehren und die Wirtschaft – auch die Kommunalwirtschaft in Nordrhein-Westfalen – vor Schaden zu bewahren. Das ist übrigens auch der Praxistest dafür, ob Minister Pinkwart nur im Zusammenhang mit irrsinnigen Steuerplänen der Bundesregierung, hinter denen aber diese NRW-FDP steckt, sagt: Gute Regierung zeichnet sich dadurch aus, dass sie Unsinn korrigieren kann.

Hier ist ein Beispiel dafür, bei dem sich gute Regierung dadurch auszeichnen könnte, dass sie Unsinn, den Sie in dieser Wahlperiode gemacht haben, korrigiert. Wir reichen Ihnen dazu die Hand.

(Zuruf von Martin Börschel [SPD])

Ich bin sicher, dass es nicht an den Fraktionen von SPD und Grünen scheitert, sondern dass wir noch in dieser Woche eine Sondersitzung des Ausschusses für Kommunalpolitik und Verwaltungsstrukturreform durchführen, dort eine Anhörung beschließen, die Sachverständigen benennen und in den nächsten Wochen das von Ihnen als vernünftig bezeichnete Gesetzesvorhaben auf den Weg bringen können.

(Beifall von der SPD)

Wenn Sie von der FDP umkehren, können wir das mit allen Fraktionen zusammen machen. Wenn Sie das nicht tun, hätten wir 94 % des Hauses hinter diesem Vorschlag. Das wäre eine ausreichende Mehrheit für dieses vernünftige Vorhaben. – Schönen Dank.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Becker. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Wittke.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich kann es relativ kurz machen.

Erstens. Die CDU-Fraktion begrüßt ausdrücklich, dass die Wirtschaftsministerin ein Gutachten dieses Inhalts in Auftrag gegeben hat. Denn wir brauchen in der Tat auf dem Energiemarkt einen stärkeren Wettbewerb, als er zurzeit in Nordrhein-Westfalen und in Deutschland insgesamt stattfindet.

(Zuruf von Martin Börschel [SPD])

Für uns ist auch wichtig, dass es eine länderübergreifende Chancengleichheit bei den kommunalen Energieversorgern gibt. Es kann nicht sein, dass sich kommunale Unternehmen aus anderen Bundesländern auf dem nordrhein-westfälischen Markt tummeln, während nordrhein-westfälische kommunale Unternehmen Beschränkungen auf sich nehmen müssen, sodass Wettbewerbsfähigkeit eben nicht gegeben ist.

(Beifall von der CDU – Lebhafte Zurufe von SPD und GRÜNEN)

Zweitens. Es gibt zahlreiche offene Fragen. Das Gutachten ist eine erste Stellungnahme. Aber die Frage lautet beispielsweise, ob man losgelöst allein in energiewirtschaftlichen Fragen eine Öffnungsklausel in die Gemeindeordnung hineinschreiben kann oder ob das dann auch für andere Themen gelten muss.

(Heike Gebhard [SPD]: Wo waren Sie in den letzten zwei Jahren? – Weitere Zurufe von SPD und GRÜNEN)

Ich sage klar und deutlich: Wir wollen nicht, dass kommunale Unternehmen, dass Stadtwerke Hotels betreiben und andere Dinge tun, wie es heute noch gang und gäbe ist. Wir wollen, dass die Kommunen auf Daseinsvorsorge beschränkt bleiben.

(Vorsitz: Vizepräsidentin Angela Freimuth)

Aber wir wollen die energiewirtschaftliche Öffnung. Dazu müssen noch Fragen geklärt werden.

(Zurufe von SPD und GRÜNEN)

Herr Kollege Becker, Sie haben gerade von einem Schnellschuss gesprochen. Jetzt darf es keinen Schnellschuss geben. Vielmehr müssen diese offenen Fragen in aller Ruhe und Sachlichkeit geklärt werden.

(Zuruf von der SPD: Das mit den Hotels muss mal geklärt werden! – Weitere Zurufe)

Drittens, liebe Kolleginnen und Kollegen, möchte ich Folgendes sagen: Es ist keineswegs so, wie Sie glauben machen wollen, dass die in diesem Gutachten angesprochene Frage allein durch die Novellierung des § 107 Gemeindeordnung aufgetaucht ist.

Herr Kollege.

Ganz im Gegenteil: Das Örtlichkeitsprinzip in der kommunalwirtschaftlichen Betätigung galt immer schon. Es galt schon zu Zeiten rot-grüner Regierungsverantwortung. Grundsätzlich ist es vernünftig, am Örtlichkeitsprinzip festzuhalten.

Herr Kollege.

Also erwecken Sie nicht den Eindruck, als sei eine Verschärfung durch die Änderung von § 107 in dieser Frage eingetreten.

(Zuruf von Thomas Eiskirch [SPD])

Die gleiche Frage hätte sich gestellt, wenn wir die alte Gemeindeordnung genommen hätten.

(Zuruf von Martin Börschel [SPD])

Darum sage ich noch einmal: Wir kommen zu dem Schluss, dass die richtigen Fragen gestellt worden sind. Viele Fragen sind noch zu beantworten. Die Zeit dafür werden wir uns in den kommenden Wochen nehmen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Herr Kollege Wittke, zum Thema Fragen: Der Kollege Becker wollte Ihnen eine Zwischenfrage stellen.

Herr Kollege Becker, bitte.

Vielen Dank, Herr Kollege und Frau Präsidentin. Ich möchte den Kollegen, da er eben das Wort Schnellschuss zitiert hat, gern fragen, ob er mit der Ministerin der Meinung ist, dass es noch in dieser Legislaturperiode auf den Weg gebracht werden sollte – die Zitate kann ich Ihnen gleich im Original zeigen –, oder ob er mit dem Kollegen Papke der Meinung ist, dass es sich bei dem Vorstoß der Ministerin um einen Schnellschuss handele.

Ich teile nicht die Auffassung, dass es sich bei dem Vorstoß der Ministerin um einen Schnellschuss handelt, ganz im Gegenteil: Ich habe für meine Fraktion deutlich erklärt, dass wir die Beauftragung dieses Gutachtens ausdrücklich begrüßen.

(Zustimmung von der SPD)

Aber ich warne vor einem Schnellschuss in der Konsequenz dieses Gutachtens. Denn zu glauben, dass jetzt schon alle Fragen beantwortet seien, geht an der Sache völlig vorbei. Darum plädieren wir dafür, die offenen Fragen in einem breiten Prozess zu diskutieren. Denn wir wollen nicht, dass plötzlich neue Sachverhalte auftreten, bei denen wir eine andere Auffassung über die Änderung der Gemeindeordnung haben.

Die Antwort auf die Frage, wann das Ganze in Gesetzesform gegossen werden kann, hängt davon ab, wann unsere Fragen beantwortet sind. Sie wissen, dass die Legislaturperiode noch drei Monate dauert.

(Lachen von Hans-Willi Körfges [SPD])