Protocol of the Session on October 7, 2009

Eilantrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/9940

Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/9954

Die Fraktion der SPD hat mit Schreiben vom 5. Oktober 2009 fristgerecht den Eilantrag zu dem Thema eingebracht.

Ich eröffne die Beratung und gebe Herrn Stinka von der SPD-Fraktion das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! NordrheinWestfalen war in Deutschland oft Vorreiter. So sind wir schon seit Jahrzehnten aus der Atomenergie ausgestiegen. Das Risiko ist zu groß, eine Endlagerung des dabei entstehenden Mülls ist nahezu unmöglich. Weitere Gründe haben wir hier häufig ausgetauscht. Aber eines ist uns Sozialdemokraten ganz wichtig: NRW ist gerade wegen des Atomausstiegs das führende Energie- und Industrieland in Deutschland geworden und über viele Jahrzehnte geblieben.

Es war gut, dass wir uns bei diesen Fragen auf heimische Energieträger konzentriert haben, auf Braunkohle, Steinkohle und auf einen immer stärker werdenden Anteil erneuerbarer Energien. Öl, Gas und auch Uran sind dagegen nicht heimisch und sind endlich, wie wir nicht zuletzt in der Enquetekommission feststellen konnten.

Wir müssen nun zusehen, dass wir auch in Zukunft mit den Energieträgern richtig umgehen. Das Allerletzte, was wir in dieser Diskussion brauchen können, ist eine Verlängerung der Laufzeiten von Kernkraftwerken. Eine Laufzeitverlängerung von Atommeilern außerhalb Nordrhein-Westfalens sichert hier in Nordrhein-Westfalen – darüber haben wir heute Morgen ausgiebig gesprochen; ich erinnere an Herrn Wittke – keinen einzigen Arbeitsplatz. Allerdings würde der Wettbewerb in der Energiewirtschaft massiv verzerrt. Neue Marktteilnehmer wie zum Beispiel kleine Stadtwerke würden in ihrer Existenz bedroht. Der weitere Ausbau erneuerbarer Energien würde massiv behindert, wie es das Beispiel England zeigt, wo die Kraftwerksbetreiber Sorge haben, wenn zu viel Windkraft eingespeist wird.

Kolleginnen und Kollegen, erneuerbare Energien und Spartechniken, über die wir viel gesprochen haben, haben in Nordrhein-Westfalen in den letzten Jahren für viele tausend Arbeitsplätze gesorgt. Die Umsätze der Unternehmen sind in diesen Branchen stark gestiegen. Das ist eine unverzichtbare Stütze des Mittelstandes und sichert Arbeitsplätze, über die heute Morgen von der Regierungsseite viel lamentiert wurde. Hier agieren Mittelständlern, keine Großkonzerne.

Statt also Atomkraft außerhalb NordrheinWestfalens zu fördern, brauchen wir ein Investitionsprogramm aus den Einnahmen des Emissionshandels. Das fordern wir bekanntlich nicht zum ersten Mal ein. Es ist aber aktueller denn je, denn aufgrund der stark gestiegenen Kraftwerkskosten werden derzeit viele Investitionen in neue Kraftwerke ausgesetzt und verschoben. Eine Vielzahl völlig veralteter, ineffizienter Kraftwerke bleibt nun länger am Netz.

Herr Brockes hat heute Morgen deutlich gemacht, dass wir Erneuerung brauchen. Wir brauchen sie gerade dadurch, dass wir nicht den Markt stärken, indem wir weiter Atomstrom einbringen. Wer angesichts dessen noch an unserer industriepolitischen Kompetenz zweifelt, wird sehen, dass wir den Ausbau tatsächlich wollen, statt nur darüber zu schwadronieren, Herr Brockes. Das sei ganz klar gesagt.

(Beifall von der SPD)

Besonders wichtig ist es, jetzt dafür zu sorgen, dass es keine Laufzeitverlängerung gibt. Der Ministerpräsident, der an den Koalitionsverhandlungen in Berlin teilnimmt, muss sich dafür einsetzen und unmissverständlich klarstellen, dass das Energieland Nord

rhein-Westfalen einem Ausstieg aus dem Ausstieg nicht zustimmen kann, weil das gegen Landesinteressen steht.

(Beifall von der SPD)

Er muss sich auch dafür einsetzen, dass die Erlöse aus der Vollversteigerung des Emissionshandels für einen Investitionszuschuss in Höhe von bis zu 15 % für hocheffiziente Kraftwerke – das ist unser industriepolitisches Ziel, Kolleginnen und Kollegen – verwendet werden, wie wir es bereits im letzten Jahr gefordert haben und Sigmar Gabriel es zugesagt hat. Die neue Bundesregierung darf sich diesem Plan nicht entgegenstellen.

Die Erlöse aus dem Emissionshandel, die zu 44 % aus Nordrhein-Westfalen stammen, dürfen eben nicht in Neubausanierungen und Wärmesanierungen bei Herrn Oettinger in Baden-Württemberg verwandt werden, sondern hier. Das hilft den Menschen hier bei den Nebenkosten und in der mittelständischen Politik.

Geld aus NRW muss auch in NRW genutzt werden, um der Industrie und unserer Energieversorgung eine zukunftsweisende Option aufzuzeigen. Das ist im Interesse des Mittelstandes und im Interesse von Nordrhein-Westfalen. Keine Laufzeitverlängerung! Das ist auch der Unterschied zu Ihrer heißen Luft, die Sie hier ablassen.

(Dietmar Brockes [FDP]: Keine Ahnung vom Mittelstand!)

Nein, Herr Brockes, Sie sind geradezu prädestiniert dafür, mir keine Ahnung vorzuwerfen. Ihr lichter Faden in der Energiepolitik sollte bei den Koalitionsverhandlungen besser nicht einfließen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Weil es um Landesinteressen geht, bitte ich um die Unterstützung unseres Eilantrags. Das dient dem Interesse Nordrhein-Westfalens, stärkt die Stadtwerke, ist gut für den Klimaschutz und tut tatsächlich etwas für Arbeitsplätze im Mittelstand und in der Großindustrie. – Schönen Dank.

(Beifall von der SPD)

Schönen Dank, Herr Stinka. – Für die CDU spricht nun Herr Weisbrich.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieser Eilantrag ist an tumber Schlichtheit nicht zu überbieten: Kernkraftwerke in Nord- und Süddeutschland abschalten und freie Stromversorgungskapazitäten mit hoch subventionierten Kohlekraftwerken in Nordrhein-Westfalen kapern, das nennt die SPD „Klare Kante für eine engagierte Klimaschutzpolitik!“

Keine weitgehend CO2-freien Kernkraftwerke, dafür aber Verbrennung hoch subventionierter heimischer Kohle in hoch subventionierten Kondensationskraftwerken: Meine Damen und Herren, das ist keine zeitgemäße Energiepolitik, sondern das ist Energiepolitik aus der Römer-Zeit, die auch nicht dadurch besser wird, dass in der Klimaschutzpolitik der NRW-SPD neue Feindbilder gegenüber Unternehmen und Gewerkschaften aufgebaut werden. Ich halte es für überhaupt keine gute Idee, jetzt auf die Unternehmensvorstände und Gewerkschaften zu schimpfen.

Ihr Ex-Kollege Werner Bischoff, früher einmal wirtschaftspolitischer Sprecher Ihrer Fraktion, hat Ihnen dazu aus IGBCE-Sicht das Notwendige bereits ins Stammbuch geschrieben. Das brauche ich nicht zu wiederholen, obgleich es mir Spaß machen würde, das zu zitieren. Das hat Ihnen aber auch so wehgetan, war es doch eine schallende Ohrfeige für Ihre im wörtlichen Sinne einzigartige Konzeption, mit der Sie neue Zielgruppen – von den Kirchen bis hin zur Klima-Allianz – beeindrucken wollen.

Apropos Klima-Allianz! In einem Positionspapier zur Neuorientierung Ihrer Energiepolitik haben Sie die Allianz ausdrücklich als Zielgruppe angesprochen. Nach einer Veranstaltung, die ich gemeinsam mit Herrn Stinka in Marl besucht habe, frage ich Sie, ob Sie überhaupt wissen, mit wem Sie sich da eingelassen haben. Das sind Leute, die mit dem „Kohlosaurus“, einem Riesentrumm, vor allem aber mit anscheinend unbegrenzten Geldmitteln aus spekulierenden Hedgefonds und anderen trüben Quellen auf Straßen, Plätzen und in allen Medien gegen moderne Kohlekraftwerke polemisieren. Die können Sie doch nicht als Partner für Ihre Überlegungen heranziehen.

Diese Klima-Allianz, deren Freundschaft Sie in Ihrem Positionspapier „Ökologische Industriepolitik für Nordrhein-Westfalen“ heischen, rühmt sich damit, dass sie bereits sieben Kohlekraftwerke verhindert hat und noch möglichst viele der geplanten 29 weiteren Kraftwerke verhindern will. Herr Stinka, da kann ich nur sagen: Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr.

Alles, was Sie in Ihrem Eilantrag vortragen, ist im Übrigen ein Wiederaufguss der Vorstellungen, die Sie dem staunenden Publikum schon vor mehr als einem Jahr mit Ihrem „Investitionsprogramm Emissionshandel für NRW“ unterbreitet haben.

Herr Kollege Römer, Ihre größte Lust ist es offensichtlich, möglichst viel Staatsknete einzukassieren und sie dann als Subventionen umzuverteilen. Das war damals Mist und bleibt auch künftig Mist. Mit ihrem heutigen Entschließungsantrag bestätigen Ihnen das sogar Ihre alten Koalitionspartner, die Grünen, im Hinblick auf den Landesentwicklungsplan und das Kraftwerkprogramm.

Abschließend möchte ich Ihnen aber gerne auch etwas bestätigen. Die Koalition aus CDU und FDP strebt keine Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke in Nordrhein-Westfalen an. – Schönen Dank.

(Heiterkeit und Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Weisbrich. – Herr Brockes für die FDPFraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wie wir bereits heute Morgen bei der Debatte zum Kohlekraftwerk in Datteln festgestellt haben, ist es der Energiepreis, der einen großen Teil der Attraktivität von Standorten im globalen Wettbewerb ausmacht. Deshalb braucht ein Industrieland wie Deutschland einen ausgewogenen Energiemix, der einen wettbewerbsfähigen Energiepreis garantiert. Dazu gehören nach unserer Auffassung erneuerbare Energieträger genauso wie Kohlekraftwerke und Kernenergie.

Das Argument, Kernenergie trage nicht zur Preisstabilität bei, weil sich der Preis nach dem letzten zugeschalteten Kraftwerk bemesse, ist falsch, Herr Kollege Stinka; denn logischerweise müsste im Fall des Ausstiegs das eine Drittel des Stroms, das bisher von Kernkraftwerken produziert wird, ersetzt werden. Die Folge wäre, dass das letzte zugeschaltete Kraftwerk deutlich teurer würde. Aus diesem Grund und weil nur ein sehr kleiner Teil des Stroms tatsächlich über die Strombörse gehandelt wird, wirkt Strom aus Kernkraftwerken preisdämpfend.

Ein zweiter wichtiger Punkt ist die CO2-Ersparnis. Kernkraftwerke produzieren weitgehend frei von CO2-Emissionen. Derzeit sparen die deutschen Kernkraftwerke pro Jahr so viel CO2 ein, wie der gesamte deutsche Straßenverkehr jährlich emittiert. Die Opposition muss uns schon erklären, wie sie die Klimaschutzziele, zu denen wir uns ja verpflichtet haben, ohne Kernkraftwerke überhaupt erreichen will. Nach unserer Überzeugung ist dies nicht möglich.

Ferner ist es keinem vernünftigen Menschen zu vermitteln, warum wir in Deutschland die sichersten Kernkraftwerke der Welt abschalten, um am Tag danach Kernenergiestrom aus polnischen, tschechischen oder slowakischen Anlagen direkt hinter der deutschen Grenze einzukaufen. Gestern meldete die dpa, dass der BUND den Bau zweier slowakischer Kernkraftblöcke nur 300 km entfernt von der deutschen Grenze verhindern will. Auch Polen plant Kernkraftwerke direkt an der deutschen Grenze. Das alles deutet doch auf die Positionierung unserer Nachbarn auf unseren Markt hin.

Meine Damen und Herren, demnächst werden Kernkraftwerke sowjetischer Bauart, die den deutschen Sicherheitsanforderungen nicht genügen, unseren Strombedarf decken. Zusätzlich werden wir

dann mit russischem Gas betriebene Kraftwerkskapazitäten aufbauen müssen. Damit geben wir einen wichtigen unabhängigen Energieträger ohne Not auf. Das ist volkswirtschaftlich und energiepolitisch nicht zu rechtfertigen.

(Beifall von FDP und CDU)

Herr Kollege Stinka, Ihre immer wieder aufgestellte Behauptung, die Laufzeitverlängerung bringe uns in Nordrhein-Westfalen nichts, weil wir in NordrheinWestfalen keine Kernkraftwerke haben, stimmt natürlich nicht. Der Strompreis bildet sich nun einmal nicht in Nordrhein-Westfalen, sondern bundesweit. Selbstverständlich profitieren auch unsere Industrieunternehmen von billigem Strom.

Herr Stinka, wenn Sie meinen, hier für den Mittelstand reden zu müssen, müssen Sie sich vorher auch einmal schlaumachen. Zum Beispiel hat noch am Montag Herr Manfred Panitz, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Bundesverbands der Energie-Abnehmer – VEA –, in einer Pressemitteilung erklärt:

Wir verlangen, die Pläne zum Atomausstieg zurückzustellen, solange es keine ökonomisch sinnvollen Alternativen gibt.

Herr Kollege Stinka, dieser Verband vertritt mehrere Tausend mittelständische Unternehmen in Deutschland und daher auch die mittelständische Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen. Hören Sie also auf, hier so zu tun, als würden Sie den Mittelstand vertreten.

(Beifall von der FDP)

Meine Damen und Herren, Ihre Forderung nach einer Förderung von CCS-Projekten und hoch effizienten, sauberen Kohlekraftwerken aus den Geldern des Emissionshandels wurde von unserer Seite nie abgelehnt. Allerdings können Sie uns immer noch nicht erklären, warum Sie für eine Vollauktionierung eintreten. Damit entziehen Sie den Unternehmen zunächst die Gelder über den Emissionshandel und geben ihnen dann, nachdem das Ganze durch einige bürokratische Verwaltungsapparate geflossen ist, wieder einen Teil, aber eben nur einen Teil dieser Gelder zurück,

(Beifall von Ralf Witzel [FDP])

um dann anschließend Kohlekraftwerke zu bauen. Damit werden der Wirtschaft natürlich wichtige Mittel entzogen.

(Beifall von Ralf Witzel [FDP])

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Abschluss kommen.

(Horst Becker [GRÜNE]: Gerne!)