Die gemeinsame Unterbrechung der Arbeit dient den Menschen und hilft, das Leben vor der ausschließlich ökonomischen Logik zu bewahren. Der Mensch lebt nicht allein vom Kaufen und Verkaufen und vom Produzieren und Konsumieren.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich freue mich für die FDP-Landtagsfraktion über das Zustandekommen dieser Volksinitiative. Wir haben uns bereits in der Vergangenheit glaubwürdig und konsequent in diesem Bereich und auch in anderen Bereichen, auf die meine Vorredner hingewiesen haben, für mehr Freiheit für die Bürger unseres Landes und damit auch mehr Wettbewerb, mehr Konsumgelegenheiten und mehr eigenverantwortliche Entscheidungen ausgesprochen.
Ich glaube aber, dass es einen Punkt gibt, an dem alle Fraktionen hier im Hause gemeinsam starten - jenseits der abschließenden inhaltlichen Bewertung -, nämlich bei der großen Freude über den fast historischen Einzelfall des Zustandekommens eines solchen Verfahrens der Volksinitiative. Mehr als doppelt so viele Menschen haben sich in diesem Land auf den Weg gemacht, sich eingebracht und beteiligt. Sie zeigen, dass in Zeiten zurückgehender Wahlbeteiligung trotzdem noch Aktivität in der Bevölkerung ist, dass man sich politisch artikuliert. Demokratie lebt vom Mitmachen. Das an sich ist schon einmal ein gutes Zeichen.
Wir sind aber nicht nur erfreut über das Verfahren, sondern wir stehen auch vom Inhalt her hinter der Volksinitiative. Nicht ohne Grund ist unser heutiger Innenminister, Ingo Wolf, einer der Erstunterzeichner dieser Volksinitiative für die Videothekenöffnung am Wochenende.
Insofern liegt uns auch etwas an dem inhaltlichen Anliegen, und zwar nicht deshalb, weil es hier um die Frage geht,
ob wir mehr oder weniger Video wollen, sondern die entscheidende Frage lautet: Wie ist der Zugang zu Medien in der Freizeit zu gestalten? Uns liegt sehr viel an Bildung, sehr viel an Kultur, an kultureller Kompetenz, an der Lektüre eines guten
Buches. Wir bedauern es ausdrücklich, dass es in vielen Kinderzimmern mehr Fernbedienungen als gute Bücher gibt.
Die Frage ist: Auf welchem Wege werden von den Menschen, die konsumieren wollen, die Güter bezogen? Da muss man sich realistisch anschauen, wie die Alternativen aussehen.
Bei einer dreistelligen Anzahl von Fernsehprogrammen, auf die mein Kollege Peter Biesenbach hingewiesen hat, bei dem zunehmenden Trend von immer mehr Raubkopien über das Internet, die von Filmen gezogen werden, bei immer mehr Automatenbeschaffungen, die an Wochenenden und an Sonntagen auch erfolgen, sagen wir: Bei all dem, was Sie an Zielen proklamieren, auch mit Blick auf diejenigen, die sehr kritisch sind, was die Volksinitiative angeht, müsste Ihnen doch der persönliche Kontakt in der Videothek, verbunden mit Beratung, Sozialkontrolle usw. sehr viel lieber sein als der anonyme Beschaffungsweg über Automaten oder das Internet.
Wir haben heute eine Reihe von Selbstverpflichtungen, auch vonseiten der Videowirtschaft, wobei sie bei allen anderen Beschaffungskanälen mit den Instrumenten nicht in gleicher Weise rechnen können.
Deshalb sagen wir: Es macht selbstverständlich Sinn, dem Wunsch der Bevölkerung nachzukommen, für sich selber Konsumentscheidungen treffen zu können. In diesem Fall diskutieren wir über die Frage der Öffnungszeiten für Videotheken.
Meine Vorredner haben darauf hingewiesen, dass es in diesem Land noch in vielen anderen Bereichen einen Liberalisierungsrückstau gibt, wo sich ähnliche Debatten sicherlich auch lohnen würden. Insofern sind wir europäisch und international in Bezug auf unsere Handlungsmöglichkeiten am Wochenende sicherlich hinter den Regelungen zurück, die andere Länder bieten.
Wir als FDP-Landtagsfraktion wünschen uns, dass angesichts der Bedeutung dieser Volksinitiative alle Fraktionen mit großem Interesse und Aufmerksamkeit in die Expertenanhörung im Hauptausschuss gehen. Wir als FDP sind der Auffassung, dass es in der Marktwirtschaft erlaubt sein muss, wenn ein Produkt oder eine Ware an sich erlaubt ist, dafür werben zu dürfen und den Weg zum Konsum zu öffnen.
Wir freuen uns auf die Debatte, die vor uns liegt. Ein bisschen Zeit bis zur Verabschiedung Anfang nächsten Jahres haben wir noch. Wir würden uns freuen, wenn auch die anderen Fraktionen, in denen noch keine klare Mehrheit der Mitglieder hin
ter dieser Volksinitiative steht, noch einmal gedanklich in sich gehen und die Argumente prüfen würden.
Sie sollten sich vor allem die Frage stellen: Wie sehen die Alternativen aus, wenn wir zukünftig den Videomarkt allein den Automaten oder den Beschaffungswegen des Internets überlassen?
Ich glaube - das als letzte Bemerkung zur SPD -, der Hauptgesichtspunkt, der uns hier bewegt, sind nicht ausschließlich die Arbeitsplätze in Videotheken. All das, was die persönliche Freiheit unserer Bürger angeht, ist hierbei mindestens gleichgewichtig. An einer Stelle, Herr Kuschke, wäre ich aber sehr vorsichtig, nämlich politisch zu definieren, was gewollte und nicht gewollte Arbeitsplätze sind. Wir haben in diesem Land auch dank Ihrer Politik der letzten Jahre viel zu viele Arbeitsplätze verloren und viel zu wenige behalten. Wenn es seriöse Erkenntnisse gibt, dass mehrere Hundert Arbeitsplätze erhalten und geschaffen werden können, erlaube ich mir in einem solchen Fall nicht die politische Deutungshoheit, welche Wertigkeit diese Arbeitsplätze unter moralischen Gesichtspunkten haben.
Vielen Dank, Herr Kollege Witzel. - Als nächster Redner hat nun für die Landesregierung Herr Minister Dr. Wolf das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sprechen heute über eine Beratungsgrundlage, die einen nicht gewöhnlichen Weg in dieses Haus genommen hat. Eine Volksinitiative ist für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes ein bedeutendes demokratisches Element, um unmittelbar auf den demokratischen Willensbildungsprozess einwirken zu können. Diese Möglichkeit der direkten Einflussnahme ist ein hohes Gut unserer Demokratie.
Der Interessenverband des Video- und Medienfachhandels in Deutschland hat für sein Anliegen, die Öffnung von Videotheken auch an Sonn- und Feiertagen zu ermöglichen, von diesem in der Verfassung vorgesehenen Mittel der direkten Demokratie Gebrauch gemacht. Es ist zu begrüßen, wenn dieses basisdemokratische Instrument genutzt wird und damit die plebiszitären Elemente unserer Verfassung mit Leben erfüllt werden.
Die vorliegende Volksinitiative ist die erste, die unter den vereinfachten Bedingungen der Neufassung des Gesetzes über das Verfahren bei Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid im letzten Jahr zustande gekommen ist. Inhaltlich sollte die Landesregierung den anstehenden Beratungen heute und an dieser Stelle nicht vorgreifen. Vielmehr sind zunächst die Beratungen in den verschiedenen Ausschüssen, insbesondere dem federführenden Hauptausschuss abzuwarten; denn das Instrument der Volksinitiative zielt gerade auf eine parlamentarische Befassung. Das hat auch Herr Biesenbach schon sehr deutlich zum Ausdruck gebracht.
Einige grundsätzliche Anmerkungen erlaube ich mir heute dennoch: Mit seinen Beratungen über den vorliegenden Antrag betritt dieses Haus kein Neuland. Wie ein Blick über die Grenzen unseres Landes zeigt, wird und wurde die Frage der Videothekenöffnung an Sonn- und Feiertagen auch in anderen Bundesländern bereits in den Parlamenten diskutiert, und zwar mit durchaus unterschiedlichen Ergebnissen. So erlauben zum jetzigen Zeitpunkt neun Bundesländer eine Öffnung an Sonn- und Feiertagen ab 12 beziehungsweise ab 13 Uhr.
Auch hier in Nordrhein-Westfalen ist diese Diskussion nicht unbekannt. Zuletzt haben wir im Jahre 2002 ausführlich über die Frage der Sonn- und Feiertagsöffnung von Videotheken gesprochen. Damals hat sich der Landtag mehrheitlich gegen die Öffnung der Videotheken an Sonn- und Feiertagen ausgesprochen. Dennoch sehe ich durch die seit diesen Beratungen erfolgten Entwicklungen in anderen Bundesländern und die dort in der Zwischenzeit gewonnenen Erfahrungen gute Gründe dafür, sich mit dem Thema nochmals auseinander zu setzen.
Der Koalitionsvertrag weist aus, dass die Koalitionäre über Umfang und Reichweite von Ausnahmeregelungen im Sonn- und Feiertagsgesetz unterschiedlicher Auffassung sind - auch wenn beide Seiten keine totale Ökonomisierung des Lebens wollen; ich glaube, da sind wir uns einig, Herr Biesenbach. Allerdings erreichen das Innenministerium und auch andere Ressorts jährlich wiederkehrend insbesondere kurz vor und nach bestimmten Feiertagen zahlreiche Eingaben und Beschwerden. Dies ist aus meiner Sicht ein Indiz für die Überlegung, ob die bestehenden Vorschriften vor dem Hintergrund des gesellschaftlichen Wandels, aber auch in ihrer Praktikabilität, Rechtsklarheit und Transparenz und der damit verbundenen Rechtssicherheit optimiert werden können. Damit könnte nämlich im Endeffekt dem verfassungs
Ich bin davon überzeugt, meine Damen und Herren, dass die durch die Volksinitiative initiierten parlamentarischen Beratungen, insbesondere die vorgesehene Sachverständigenanhörung im Hauptausschuss, zusätzliche Erkenntnisse zur Frage des Sonn- und Feiertagsschutzes bringen wird. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Minister Wolf. - Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor, sodass wir am Schluss der Beratung sind und zur Abstimmung kommen.
Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 14/612 an den Hauptausschuss - federführend -, den Ausschuss für Wirtschaft, Mittelstand und Energie, den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales, den Innenausschuss sowie an den Ausschuss für Generationen, Familie und Integration. Wer dieser Überweisungsempfehlung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen! - Enthaltungen? - Damit ist die Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.
Die Fraktion der SPD hat diesen Eilantrag mit Schreiben vom 28. November 2005 fristgerecht eingebracht.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich eröffne die Beratung und erteile dem Kollegen Töns von der Fraktion der SPD das Wort.
Mit unserem Eilantrag „INTERREG: Die Landesregierung muss die Zukunft der Euregios sichern!“ betonen wir unsere große Sorge um die Euregios in NRW.
Die SPD-Fraktion befürchtet, dass ähnlich wie bei der Entwicklung der Ziel-2-Förderung auch hier erhebliche Mittel zur Strukturentwicklung grenznaher Gebiete durch das Handeln der Landesregierung verloren gehen.
Meine Damen und Herren, wir sind uns wohl einig in der Frage, wie effektiv und sinnvoll die Zusammenarbeit der Euregios in grenznahen Gebieten zu den Niederlanden und Belgien sind. Umso unverständlicher ist die Haltung der Landesregierung, immer noch keine Mittelzusage für die Kofinanzierung des Landes zu geben. Dies ist ein Affront gegenüber den Niederlanden und Belgien, und es ist zu befürchten, dass sich unter anderem die Niederlande aus der Finanzierung zurückziehen oder die Mittel von niederländischer und belgischer Seite erheblich gekürzt werden. Hier werden Chancen und die gute Arbeit der Euregios der vergangenen Jahre durch die Handlungsunfähigkeit der Landesregierung zunichte gemacht.
Herr Willeme, Bürgermeister der Gemeinde Dinkelland, Präsident des Euregio-Rates und sicherlich nicht im Verdacht, ein Sozialdemokrat zu sein, zeigte sich in einem Gespräch anlässlich der Reise des Hauptausschusses nach Brüssel sehr besorgt über den Stand der Dinge in NRW und deutete einen Rückzug der Niederlande an, wenn die Kofinanzierung des Landes Nordrhein-Westfalen wegfiele.
Meine Damen und Herren von der Landesregierung, wie wollen Sie den Menschen in den betroffenen Regionen erklären, dass Europa in Festtagsreden groß geschrieben, aber konkret vor Ort durch die Landesregierung blockiert wird?
Wieder einmal besteht die Gefahr, dass die jetzige Landesregierung wichtige Mittel, die dem Land NRW zugute kommen könnten, fahrlässig preisgibt; Geld, das mit großer Sicherheit dann nach Bayern an die bayerisch-tschechische Grenze gehen wird. Sie, meine Damen und Herren von der Landesregierung, haben die Interessen des Landes zu vertreten und nicht zu gefährden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein weiterer Aspekt, der meiner Fraktion große Sorgen macht, ist die Möglichkeit, dass für die Förderphase 2007 bis 2013 der Mittelansatz für Kohäsionspolitik der EU halbiert wird. Über diesen Vorschlag der EUKommission wurde der Hauptausschuss am vergangenen Donnerstag durch Herrn MdEP Pieper unterrichtet. Herr Pieper von der CDU steht auch nicht im Verdacht, ein Sozialdemokrat zu sein.
Ich frage Sie, Herr Minister Breuer: Was gedenkt die Landesregierung zu tun, um eine solch drastische Mittelreduzierung zu verhindern? Gibt es auf der Europaministerkonferenz den Ansatz eines bundeseinheitlichen Vorgehens der Länder, oder ist es an dieser Stelle Ihrer Politik genau so wie an allen anderen Stellen der Politik der Landesregierung, nämlich: „Still und starr ruht der See, weihnachtlich glänzet der Wald, freut euch, das Christkind kommt bald“?