Protocol of the Session on November 30, 2005

Ich frage Sie, Herr Minister Breuer: Was gedenkt die Landesregierung zu tun, um eine solch drastische Mittelreduzierung zu verhindern? Gibt es auf der Europaministerkonferenz den Ansatz eines bundeseinheitlichen Vorgehens der Länder, oder ist es an dieser Stelle Ihrer Politik genau so wie an allen anderen Stellen der Politik der Landesregierung, nämlich: „Still und starr ruht der See, weihnachtlich glänzet der Wald, freut euch, das Christkind kommt bald“?

Aber das Christkind, Herr Breuer, bringt nicht die erwarteten Mittel aus Brüssel mit. Hierfür muss sich die Landesregierung in Brüssel und Berlin einsetzen. Falls Sie es noch nicht wissen: Das Motto „Wer nichts macht, macht auch nichts falsch“ führt in der Europapolitik mit Sicherheit nicht dazu, dass wir in Nordrhein-Westfalen in diesem Bereich weiterkommen. Die Menschen hier haben das Nachsehen.

(Beifall von der SPD)

Meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, unterstützen Sie unseren Eilantrag. Stellen Sie sich endlich hinter die Kofinanzierung des Landes. Stellen Sie sicher, dass sich in Brüssel umgehend für den Fortbestand des InterregProgramms eingesetzt wird. Tragen Sie Sorge für ein bundeseinheitliches Vorgehen auf der Europaministerkonferenz. Zeit verschenkt haben Sie genug. - Glück auf!

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Danke schön, Herr Töns. - Für die CDU spricht nun Frau Keller.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Herr Töns, Getöse um nichts! Um was geht es eigentlich in diesem Eilantrag? Ich kann keine Eilbedürftigkeit erkennen. Wo sehen Sie eine Eilbedürftigkeit?

(Zurufe von der SPD)

Sie führen eine Phantomdebatte. Sie haben schon einmal versucht, uns eine Diskussion aufzudrängen, und zwar zu den Ziel-2-Mitteln. Das lassen wir nicht zu. Es steht ja überhaupt noch nichts an. Sie wissen genauso gut wie ich, dass die britische Regierung für die Haushaltsdebatte bisher nur einige wenige Ziele vorgegeben hat und dass erst im Jahre 2006 unter der österreichischen Regentschaft

(Zuruf von Marc Jan Eumann [SPD])

- halten Sie doch einmal den Mund, Herr Eumann, und hören Sie zu - über die Mittelzuweisung für die Periode 2007 bis 2013 entschieden wird.

(Beifall von CDU und FDP)

Um diese Mittelzuweisung für die Jahre 2007 bis 2013 geht es in Ihrem Antrag. Wie wollen Sie denn schon jetzt festgestellt haben, dass wir uns aus der Finanzierung zurückziehen? Es ist ja noch gar nichts klar. Wir wissen noch gar nicht, ob die EU-Gelder für die Jahre ab 2007 gewährt werden und, wenn ja, in welcher Höhe wir sie bekommen werden.

Frau Abgeordnete, erlauben Sie eine Zwischenfrage?

Nein, das erlaube ich überhaupt nicht! - Es tut mir Leid, dass ich Ihnen das heute in dieser Deutlichkeit sagen muss. Mir kommt es so vor, als ob Ihnen die Themen ausgehen.

Wir alle wissen sehr wohl um die Bedeutung des europäischen Interreg-Programms für NordrheinWestfalen und der Förderung der grenzübergreifenden transnationalen und interregionalen Zusammenarbeit. Wir werden - das wird Ihnen gleich der zuständige Minister Breuer sagen - uns keiner Verantwortung entziehen. Bei den Haushaltsberatungen werden Sie sehen, wie das für das Jahr 2006 aussehen wird.

Es ist geradezu heuchlerisch, mit welcher Vehemenz Sie das hier vortragen, und das angesichts der Finanzsituation, die Sie verursacht und uns hinterlassen haben. Sie behaupten, wir, die wir erst seit dem 22. Mai die Regierungsverantwortung tragen, wären schuld; die Niederlande, Belgien und die Beneluxländer zögen sich jetzt aus jeglicher Verantwortung zurück, wollten ihre Mittel kürzen und seien sehr besorgt über die Situation in Nordrhein-Westfalen.

Ich frage mich: Wie kommen Sie dazu, überhaupt einen solchen Antrag zu stellen?

(Beifall von der CDU)

Dass Sie eine solche Diskussion überhaupt anstoßen, ist sehr bedauerlich.

Klar ist, dass wir die Interreg-Förderung auf eine gute Basis stellen werden. Das ist selbstverständlich. Machen Sie sich gar keine Sorgen.

(Heiterkeit von SPD und GRÜNEN - Carina Gödecke [SPD]: Doch, genau deshalb haben wir den Antrag gestellt!)

Sie werden sicherlich erleben, dass Sie mit diesen Anträgen in Zukunft nicht sehr weit kommen werden. Sie sollten sich wirklich an Fakten orientieren und nicht irgendetwas aufbauen, was völlig aus der Luft gegriffen ist und niemanden in diesem Parlament weiterbringen wird. - Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Frau Keller. - Frau Löhrmann von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt das Wort.

Schönen Dank, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ausgangspunkt des von der SPD vorgelegten Antrags - Eilanträge werden vom Präsidium beziehungsweise von der Präsidentin genehmigt -

(Beifall von der SPD)

ist eine Reise des Hauptausschusses nach Brüssel. Sie fand erst in der letzten Woche statt. Es war eine Reise mit wichtigen Erkenntnissen. Diese Reise hat wieder einmal den großen Unterschied zwischen den Ankündigungen der Landesregierung und ihrem konkreten Handeln deutlich gemacht.

(Beifall von der SPD)

Frau Keller hat dafür gerade das beste Beispiel gegeben.

Im Koalitionsvertrag von FDP und CDU heißt es:

„Wir setzen uns ein für die Intensivierung der europäischen Zusammenarbeit im Rahmen der bestehenden Euregios, der europäischen Partnerregionen sowie der kommunalen Städtepartnerschaften. … Gerade in den vier grenzüberschreitenden Euregios wird Europa vor Ort gelebt.“

So weit die Theorie. Die Praxis sieht leider ganz anders aus. Das konnten alle Teilnehmer der Reise nach Brüssel feststellen, als wir uns anhören mussten, wie der Vorsitzende der Euregio Gronau, Herr Frans Willeme, fast schon flehentlich an die Landesregierung appellierte, doch endlich den Landesbeitrag zur nationalen Kofinanzierung für Interreg A sicherzustellen.

(Beifall von der SPD)

Wohl gemerkt: Es geht nicht um Mittel für die neue Förderperiode 2007 bis 2013. Nein, es geht um Mittel für einen Programmabschnitt, der in vier Wochen beginnen wird. Ich hatte bei diesem netten Abendessen den Eindruck, wir wären uns interfraktionell einig - die FDP war nicht dabei -,

dass wir das positiv begleiten wollen, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und Horst Becker [GRÜNE])

Liebe Regierung, liebe Koalitionsfraktionen, Sie haben heute Gelegenheit, „Butter bei die Fische“ zu tun. Stimmen Sie zu, dass der Kofinanzierungsanteil des Landes NRW im Rahmen von Interreg III A für das Land 2006 nicht länger infrage steht. Schaffen Sie die Klarheit, die die Niederlande und Niedersachsen offenbar längst geschaffen haben.

Ich hoffe - Herr Breuer, ich bin gespannt auf Ihren Beitrag -, dass Ihre zögerliche Haltung möglicherweise nur dem Haushaltsrecht und dem in NRW geltenden Prinzip der Jährlichkeit geschuldet ist. Das Land Niedersachsen, für das dieses Prinzip auch gilt, hat offenbar einen praktikableren Ansatz gefunden. Das muss aus unserer Sicht auch für NRW möglich sein.

Meine Damen und Herren, wir erwarten zudem, dass sich die Landesregierung mit dem gesamten Gewicht von NRW in Berlin und Brüssel für eine substanzielle Fortführung der Strukturförderung einsetzt - hinsichtlich der Ziel-2-Mittel, aber auch hinsichtlich der Interreg-Mittel. Denn stärker als die meisten anderen Projekte stehen die Euregios mit ihren kleinteiligen, grenzüberschreitenden Verflechtungen und dem hierbei praktizierten Bottomup-Ansatz für ein erfolgreiches europäisches Miteinander. Sie geben dem europäischen Integrationsgedanken ein konkretes Gesicht, und sie schaffen ein Europa zum Anfassen. Sie tragen dadurch dazu bei, dass Europa aus der aktuellen Vertrauenskrise, die wir alle beklagen, herausfinden kann.

(Beifall von den GRÜNEN)

Deswegen sind diese Programme so wichtig. Insofern ist es aus Sicht meiner Fraktion unverzichtbar, dass die Interreg-Förderung gerade auch in NRW über 2006 hinaus fortgeführt wird. Dabei sollte sie mit einem Fördervolumen ausgestattet sein, das eine zielgerichtete Weiterentwicklung und Verstetigung der Euregio-Strukturen ermöglicht.

Genannt seien Projekte sozialer Zusammenarbeit, zum Beispiel „Halt und Integration in komplexen Stadtgesellschaften“, durch das neue Wege zur gesellschaftlichen und sozialen Teilhabe von Migrantinnen erprobt werden sollen. Oder das Internet-Kompetenznetzwerk NRW–Niederlande, durch das - durch Bezug auf Sprachangebot und zeitliche Verfügbarkeit - ein neuartiges Bera

tungsangebot speziell für kleine und mittlere Handwerksunternehmen aufgebaut werden soll.

Wir begrüßen daher, dass der im Juli 2004 von der Kommission vorgelegte Entwurf einer Strukturfonds-Verordnung nicht nur diese Fortführung vorsieht, sondern diesen Förderkontext deutlich aufwertet, indem die bisherige Gemeinschaftsinitiative Interreg unter das eigentliche Programmdach geholt und als eine eigenständige Förderpriorität, die sogenannte Priorität 3 ausgewiesen wird.

Meine Damen und Herren, in Übereinstimmung mit dem Antrag der SPD-Fraktion wenden wir uns entschieden gegen alle Überlegungen, die Förderung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit auf die Außengrenzen und die - gemessen an der aktuellen Erweiterung - neuen Binnengrenzen zu beschränken. Die vielfältigen Formen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit müssen auch weiterhin an allen Binnengrenzen - auch an den Grenzen zwischen NRW und den Niederlanden beziehungsweise zwischen NRW und Belgien - förderungsfähig bleiben. Entsprechende Gedankenspiele, das nicht mehr zu tun, waren und sind für uns nicht akzeptabel.

Ich möchte Folgendes noch einmal deutlich machen und damit zum Schluss kommen: Dieser Antrag wurde nicht einfach just for fun beziehungsweise just for show gestellt, Frau Keller. Wir haben vielmehr Informationen bekommen, dass es fünf vor zwölf ist. Im Sinne der gemeinsamen europäischen Zielsetzung wäre sehr wichtig, dass wir heute in Nordrhein-Westfalen ein klares Signal geben. Die Nachbarländer warten darauf. Nicht auf Lippenbekenntnisse kommt es an, sondern auf das richtige Heben der Hände. Deswegen hoffe ich, dass Sie zustimmen. Sonst erweisen Sie dem europäischen Gedanken wirklich einen Bärendienst. - Herzlichen Dank.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Danke schön, Frau Löhrmann. - Herr Brockes von der FDPFraktion hat nun das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Deutschland und NordrheinWestfalen liegen im Zentrum Europas. Deshalb ist gerade für uns als FDP die grenzüberschreitende Zusammenarbeit wirklich ein Herzensanliegen. Denn gerade in den Grenzregionen wird tagtäglich Europa gelebt. Insofern könnten wir eigentlich über den Antrag der SPD froh sein. Gerade in der Vergangenheit konnte man den Eindruck gewinnen, dass bei Ihnen nur das Ziel-2-Programm und

die Ziel-2-Förderregionen zählen. Insofern ist es eine gewisse Verbesserung, dass bei Ihnen über das Interreg-Programm gesprochen wird.