Protocol of the Session on May 6, 2009

Denn jeder weiß, dass der Gruppentyp III – das haben Sie immer wieder gesagt, auch bei der Verabschiedung des Gesetzes –

(Chris Bollenbach [CDU]: Wer hat das ge- sagt?)

ein auslaufender Gruppentyp ist. Von jetzt 425.000 Plätzen wird er auf 385.000 Plätze im nächsten Kindergartenjahr zurückgehen; das können Sie an den Planungen sehen. Er verliert massiv an Bedeutung. Das ist umgerechnet ein Verlust an 1.600 Stellen für die Ergänzungskräfte innerhalb eines Jahres. Das haben Sie mit dem KiBiz beschlossen und mit der Personalvereinbarung umgesetzt.

Dazu kommt, dass viele Ergänzungskräfte diese Ausbildung zwar gerne machen wollen, dass ihre Suche nach einem Ausbildungsplatz aber erschwert wird, weil es nicht genügend davon gibt. Solche Ausbildungsplätze sind in den Berufskollegs nicht ausreichend vorhanden. Das heißt, in der Praxis sind gar nicht die Voraussetzungen für diese zusätzliche Ausbildung geschaffen.

Eine andere Personengruppe sind die auszubildenden Kinderpflegerinnen und Kinderpfleger. Sie stoßen jetzt auf einen Arbeitsmarkt, der für sie völlig verschlossen ist. Die, die sich jetzt in der Ausbildung befinden, wissen, dass sie in den Kitas keine berufliche Perspektive haben werden.

Nicht zuletzt gibt es 3.000 Ergänzungskräfte ohne abgeschlossene Berufsausbildung, die keine fünfjährige Berufspraxis vorweisen können. Diese Gruppe ist besonders betroffen, weil sie im Weiterbildungskonzept der Landesregierung vollkommen unberücksichtigt bleibt. Die landen ab 2011 sofort in der Arbeitslosigkeit.

Eben wurde schon richtig gesagt – wir haben das an den letzten Plenartagen mit einem GrünenAntrag auch noch einmal sehr deutlich gemacht –: Wenn irgendwo in der Industrie 3.000 Arbeitsplätze verloren gehen, dann steht der Ministerpräsident auf der Straße, dann gibt es Konferenzen mit Gewerkschaften und Berufsverbänden. Aber jetzt sorgt die Landesregierung selber dafür, dass 3.000 Menschen in den Einrichtungen ihren Arbeitsplatz verlieren.

(Zurufe von der CDU: Das stimmt doch gar nicht!)

Notwendig ist – das haben wir in unserem Antrag beschrieben, das fehlt im SPD-Antrag –, dass wir im KiBiz zusätzliche Personalstunden für Ergänzungs

kräfte in der U3-Betreuung ausweisen, dass wir wieder den gleichen Personalstandard für die kleine altersgemischte Gruppe herstellen, wie das vor KiBiz der Fall war.

(Britta Altenkamp [SPD]: Das war ein ganz anderer Vorgang! Das ist eine völlige Verän- derung der Finanzierungsgrundlage!)

Wir brauchen zwei Fachkräfte in der kleinen altersgemischten Gruppe. Aber wir brauchen auch die verlorengegangenen Ergänzungskräfte zurück. Das, meine Damen und Herren, ist auch das beste Instrument, die berufliche Perspektive für Kinderpflegerinnen und Kinderpfleger ein für alle Mal zu klären. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Asch. – Für die FDP-Fraktion spricht nun Herr Kollege Lindner.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass ich noch die Gelegenheit habe, in dieser Debatte das Wort zu nehmen – nachdem ich so freundlich in einer Obleuterunde ungestört geblieben bin und die Debatte hier schneller vorangeschritten ist als gedacht. Ich will mich auf einige wenige Bemerkungen beschränken, um nicht zu wiederholen, was möglicherweise schon von anderen gesagt worden ist.

Ich will mich insbesondere auf das beziehen, was ich zuletzt von Frau Kollegin Asch gehört habe. Sie hat, wie ich finde, in infamer Weise behauptet,

(Zuruf von der SPD: Na, na!)

es würden 3.000 Ergänzungskraftstellen in den Einrichtungen wegfallen. Genau das haben Sie, Frau Asch, gerade im Plenum gesagt. Ich finde das deshalb infam, weil Sie durch solche Behauptungen dazu beitragen, dass Menschen, insbesondere Frauen, in Nordrhein-Westfalen in Sorge geraten, ihr Arbeitsplatz könne möglicherweise nicht mehr sicher sein.

(Beifall von der CDU – Rüdiger Sagel [frakti- onslos]: So ist es! – Zuruf von Andrea Asch [GRÜNE])

Das ist genau das, was Sie bezwecken: Sie bezwecken Verunsicherung – so wie Sie auch im Vorfeld der Verabschiedung des Kinderbildungsgesetzes eine Verunsicherungsstrategie gefahren sind. Damals sind Sie durchs Land gegangen und haben gesagt, es würden jetzt reihenweise nur noch befristete Beschäftigungsverhältnisse von den Trägern mit den Beschäftigten eingegangen werden. Die große Studie, die Umfrage vom SPI, die erst in diesen Tagen veröffentlicht worden ist, hat belegt, dass genau das nicht eingetreten ist. Die Zahl der befris

teten Beschäftigungsverhältnisse ist ausweislich dieser Studie nicht gestiegen.

Man könnte weitere Beispiele für Ihre Dämonisierungsstrategie beibringen. Ich will mich aber auf die Ergänzungskräfte konzentrieren.

Der Gruppentyp, der in der Praxis dominiert, ist der Gruppentyp III. Er entspricht der Kindergartengruppe, die wir bereits in der Vergangenheit hatten: drei bis sechs Jahre alte Kinder, 25 Kinder, eine Fachkraft, eine Ergänzungskraft. Dieser Gruppentyp dominiert in der Praxis.

Es gibt zwei neue Gruppentypen, bei denen wir das Fachkräfteprinzip gestärkt haben, insbesondere bei der Gruppe: zwei bis sechs Jahre alte Kinder, 20 Kinder, zwei Fachkräfte. Wir setzen auf diesen Gruppentyp zum Ausbau der Plätze für unter Dreijährige. Frau Asch hat gesagt, sie wolle, die Grünen wollten zurück zur sogenannten kleinen altersgemischten Gruppe mit zwei Fachkräften und einer Ergänzungskraft.

Liebe Frau Asch, die kleine altersgemischte Gruppe hat gerade dazu geführt – weil es nicht genug davon gab, weil nicht genug davon eingerichtet worden sind –, dass wir im Vergleich der Bundesländer so weit ins Hintertreffen geraten sind. Deshalb hat die Vorgängerregierung bereits mit der sogenannten Budgetvereinbarung einen Gruppentyp eingeführt – er ist im Bereich des LVR, wo Sie in der Praxis eigentlich Verantwortung tragen, mehrere hundert Mal unter Rot-Grün eingerichtet worden –, der exakt dem entspricht, was wir jetzt für die Zwei- bis Sechsjährigen haben. Da gibt es keine Veränderung am fachlichen Standard. Ganz im Gegenteil: Damals war das bei 20 Kindern von zwei bis sechs Jahren mit einer Fachkraft und einer Ergänzungskraft möglich. Jetzt sehen wir sogar zwei Fachkräfte vor. Insofern ist das eine Steigerung der Betreuungsqualität gegenüber dem, was wir vorher hatten.

(Beifall von FDP und CDU)

Nehmen wir nun die Berufsperspektiven der Kinderpfleger/-innen und anderer Kräfte in den Blick, die als Ergänzungskräfte tätig sind. Wir wollen eine Steigerung der Fachlichkeit. Wir nehmen zur Kenntnis, dass in einigen Jahren der Gruppentyp III möglicherweise nicht mehr der dominierende Gruppentyp ist.

Wenn wir diese Entwicklungen sehen, dann wollen wir allen, die willens und in der Lage sind, ermöglichen, sich weiterzuqualifizieren und Fachkraft zu werden – das ist unser Ziel –, und Sorge dafür tragen, dass dieses Angebot angenommen werden kann, dass auch die entsprechenden Ausbildungskapazitäten zur Verfügung stehen.

Aber möglicherweise brauchen wir mehr Zeit für dieses Ziel. Möglicherweise brauchen die Betroffenen mehr Zeit, um sich auf diese Veränderung des

Berufsfeldes einzustellen. Deshalb wollen wir die Übergangsfristen verlängern.

(Britta Altenkamp [SPD]: Da haben Sie schon etwas gelernt innerhalb eines Jahres! Immer- hin!)

Wir wollen die Übergangsfristen auch mit Entscheidungen, die der Bundesgesetzgeber getroffen hat, synchronisieren. Also eine längere Frist zum einen.

Zum anderen mag es Lebenssachverhalte geben, wo eine sehr langjährige Berufspraxis und eine noch kurze Verweildauer im Berufsleben es eher nicht als adäquat und opportun erscheinen lassen, diese – zumeist – Frauen noch einer Weiterqualifikationsmaßnahme zu unterziehen.

Deshalb sind wir als Koalitionsfraktionen der Auffassung, dass im Einvernehmen mit den Trägern vor Ort und dem öffentlichen Träger der Jugendhilfe auch Härte- und Einzelfallklauseln geschaffen werden müssen, damit speziellen Gerechtigkeitsproblemen entsprochen werden kann.

Alles in allem: Das Problem, das Sie wortreich hier beklagen, gibt es in dieser Dramatik nicht, Frau Asch. Dort, wo es im Einzelfall Probleme gibt, sind wir bereit, zusätzliche Spielräume zu schaffen, um allen Chancen zu ermöglichen und um allen Einzelfällen gerecht zu werden. – Schönen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Lindner. – Für den fraktionslosen Abgeordneten Sagel spricht der fraktionslose Abgeordnete Sagel.

(Heiterkeit)

Bitte schön, Herr Sagel.

Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Präsident, demnächst werden Sie schon noch sagen, dass für die Linke der Abgeordnete Sagel spricht.

Ich möchte zunächst zum KiBiz und zu den Auswirkungen, die damit zusammenhängen, reden.

(Zuruf von Ewald Groth [GRÜNE])

Ich glaube, man muss grundsätzlich feststellen, dass wir natürlich eine bessere Situation in den Kindertagesstätten und besonders für die Menschen, die dort arbeiten, brauchen. KiBiz ist und bleibt Vogelmist. Das ist die reale Situation, die wir hier vorfinden. Das hört man landauf, landab von den Eltern und auch von den Menschen, die in den Kindertagesstätten arbeiten.

Wenn ich höre, dass das eine Zeitfrage ist, dann kann ich Ihnen nur sagen: Auch die Zeit wird nicht über die Probleme, die damit verbunden sind, hinweghelfen. Die Probleme liegen sehr tief. Mit dem

KiBiz werden diese Probleme nicht gelöst, sondern sie werden weiter verschärft. Die Situation wird immer schlechter, vor allem auch die finanzielle Situation der Menschen, die dort arbeiten.

Ich erinnere zum Beispiel an das, was in Münster gelaufen ist. Die pädagogischen Kräfte sind erst einmal entlassen und dann vonseiten der Stadt zu niedrigeren Löhnen wieder eingestellt worden. Das ist die reale Situation, die wir dort erleben.

(Zuruf von Marie-Theres Kastner [CDU])

Ja, Frau Kastner, für diese miserable Politik, die in dem Bereich Kindertagesstätten gemacht wird, sind auch Sie als Münstersche Abgeordnete verantwortlich. Das ist Ihre Lohndumpingpolitik, und das erleben wir in vielen Bereichen und eben auch in den Kindertagesstätten.

(Marie-Theres Kastner [CDU]: Das hat mit KiBiz nichts zu tun!)

Wir müssen feststellen, dass wir natürlich eine grundsätzlich bessere Ausbildung für die Pädagoginnen und Pädagogen brauchen. Wir brauchen eine bessere Situation in den Kitas insgesamt. Dazu müssen wir aber erst einmal entsprechend Geld für eine bessere Betreuungssituation bereitstellen. Das Beispiel ist immer wieder in den skandinavischen Ländern zu finden, wo es kleinere Gruppen, besser bezahlte Kräfte gibt und wo Bildung von Anfang an tatsächlich ernst genommen wird und sich auch in den Situationen in den Kindertagesstätten widerspiegelt. Das ist die reale Situation.

Wenn man dieses Lohndumping hier in NordrheinWestfalen erlebt und auch die Perspektiven, die sich für die Menschen bieten, die eine solche Ausbildung machen, sieht, dann kann ich nur sagen: Das sind keine guten Perspektiven, das sind Armutsperspektiven. Denn die Leute, die in den Kindertagesstätten arbeiten, sind sowieso schon am unteren Rand der Einkommensskala.