Wenn man einen solchen Antrag diskutiert, muss man auch noch einmal einen Moment innehalten und sich ins Gedächtnis rufen, was es für Diskussionen in der eigenen Partei, insbesondere in der CDU, gab. Diese hat sich per Parteitagsbeschluss sehr rasch auf eine Mehrwertsteuererhöhung festgelegt: Steuererhöhungspartei. – Sie hat aber bis heute einen Dissens in den eigenen Reihen über die Frage, was man mit dem Geld machen soll. Die einen haben damit Lohnnebenkosten senken wollen. Das haben wir im Juli diskutiert. Die anderen aus Hagen sagten, das wollen und brauchen wir gar nicht. Heute sagt die dritte Partei in Person des saarländischen Ministerpräsidenten, wir wollen den Anteil der Mehrwertsteuererhöhung für die Länder, um die Haushaltslöcher zu stopfen. Das können Sie heute in der Presse nachlesen.
Ich werde nicht müde, diesen Dissens zu benennen, was auch immer Sie dazwischen rufen. Sie können gern eine Zwischenfrage stellen.
Danke schön. – Frau Kollegin Walsken, bevor Ihre Redezeit gleich vorbei ist und Sie das Wort Mehrwertsteuer nur einmal in den Mund genommen haben, darf ich Ihnen jetzt schon die Frage zurufen, ob die SPD nun der Mehrwertsteuererhöhung zustimmen wird, die Sie persönlich vor wenigen Wochen noch massiv kritisiert und bekämpft haben.
Herr Kollege, ich werde die restlichen Minuten nutzen, um Ihre Frage exklusiv und nur für Sie zu beantworten.
Das ist nämlich Gegenstand meines Redebeitrags. Ich weiß noch nicht, wie viel Minuten Zeit ich dafür habe – die Zeit ist gerade ausgeblendet, Herr Präsident –, aber ich denke, zwei Minuten und 57 Sekunden dürften reichen, Herr Kollege Papke.
Meine Damen und Herren, es geht sehr wohl darum, dass die SPD mit ihrem Antrag vom 5. Juli und in der Debatte 14 Tage später eine Mehrwertsteuererhöhung deutlich abgelehnt hat.
Sie hat sie abgelehnt, weil die Mehrwertsteuererhöhung bei der derzeitigen Situation ein großes Problem für die Binnennachfrage bedeutet. Sie wurde auch deshalb abgelehnt, weil sie einen Ungerechtigkeitsfaktor für Familien und die Bezieher niedriger Einkommen bedeutet. An dieser Position ist nichts, aber auch gar nichts zu verändern, Herr Kollege Papke. Ganz im Gegenteil.
Ich will noch einmal mit Hilfe des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung ganz deutlich in Erinnerung rufen, warum wir in der Debatte im Juli erklärt haben, auch eine Verbindung mit der Absenkung der Lohnnebenkosten kommt für uns nicht infrage. Das Deutsche Institut hat damals berechet: Unterstellt eine zweiprozentige Belastung, führt dies zu einem Prozent Belastung aller Bruttoeinkommen. Bei Familien fallen diese Belastungen noch höher aus; denn die Mehr
Wenn ich die Erhöhung an die Lohnnebenkosten kopple, wie von weiten Teilen der CDU und CSU vorgeschlagen, dann wären von vornherein alle von einer Belastung betroffen, Herr Kollege. Diejenigen, die keine Sozialversicherungsbeiträge bezahlen, wären benachteiligt. Das habe ich damals schon gesagt. Das sind immerhin 53 % der Haushalte. Das hat das Institut festgestellt. Das entspricht fast 40 Millionen Personen in diesem Land.
Das bedeutet einen Entzug von Kaufkraft. Dazu stehen wir. Es schadet der Binnenwirtschaft und ist deshalb Gift.
Unsere Position hat sich nicht verändert. Gleichwohl ist der Gerechtigkeitsaspekt für uns wichtig, Herr Kollege – sehr wichtig. Deshalb schlucken wir eine große Kröte, was für uns außerordentlich schwierig ist. Das gebe ich unumwunden zu. Wir befinden uns aber auf dem Verhandlungsweg zu einer großen Koalition. Wir sind nur in der Lage, diese Kröte zu schlucken, wenn in diesem Land gleichzeitig eine weitere Belastung derjenigen stattfindet, die man als reich und als gut verdienend bezeichnen kann.
Dieser Kontext wird von uns hergestellt, meine Damen und Herren. Es ist egal, ob Sie es hören wollen oder nicht.
Wir werden nur diesem Paket zustimmen und keiner isolierten Erhöhung der Mehrwertsteuer; wir werden nicht zustimmen, solange nicht klar ist, dass die Menschen, die deutlich große Einkommen haben – wir brauchen über die Summe nicht zu streiten – zusätzlich belastet werden.
Ob das in Form einer Reichensteuer mit einer Belastung von 3 % zusätzlich ab einer gewissen Grenze passiert oder ob wir den Spitzensteuersatz auf 45 % anheben: An dieser Stelle sind wir gesprächs- und diskussionsbereit.
Ich sage abschließend: Es ist mit uns nicht machbar, isoliert eine Erhöhung der Mehrwertsteuer vorzunehmen. Sie ist nur in einem Paket machbar. Das bedeutet den Abbau von Subventionen – insbesondere der Eigenheimzulage – und eine zusätzliche Belastung der großen und stark verdienenden Schultern in diesem Land. Das ist un
(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Der Antrag hät- te auch von Ihnen sein können! Sie durften ihn nur nicht stellen!)
Ja, Frau Kollegin Löhrmann. Der Antrag hätte auch von uns sein können, wenn er denn richtig gestellt wäre.
Das habe ich auch schon im Juli in diesem Hause erklärt. Es ist also für jemanden in diesem Hause keinesfalls eine Überraschung.
In dem Antrag der Kolleginnen und Kollegen der Grünen allerdings steht: Die Grünen lehnen eine Erhöhung der Mehrwertsteuer zum Stopfen von Haushaltslöchern ab. – Das impliziert die Möglichkeit, dass die Grünen bei anderen Verwendungszwecken sehr wohl für eine Erhöhung der Mehrwertsteuer sind.
Wir haben in diesem Parlament schon an verschiedenen Stellen diese Diskussion um die Erhöhung der Mehrwertsteuer erlebt. Die Argumente, insbesondere dass damit das Konsumverhalten und die Binnennachfrage ganz erheblich beeinträchtigt würden und dass das Gift für die Konjunktur sei, sind schon verschiedentlich vorgetragen worden. Ich kann für die FDP-Fraktion auch nur noch einmal nachdrücklich betonen, dass das genau unserer Auffassung entspricht.
Wenn wir uns die Situation im Land NordrheinWestfalen und in der Bundesrepublik Deutschland angucken, dann stellen wir fest: Wir haben eine Rekordverschuldung. Immerhin ist das mittlerweile auch anerkannt. Wir haben nach wie vor eine Rekordarbeitslosigkeit. Wir haben eine viel zu hohe Steuer- und Abgabenlast. Und wir haben – das ist mittlerweile auch unstreitig – eine viel zu geringe Binnennachfrage, da die Menschen das Geld, das Wenige, was sie haben, einfach sparen, weil sie Angst haben, es auszugeben, es zu konsumieren. Die Menschen in diesem Land haben Existenzängste. Das muss man hier gelegentlich auch einmal an die Adresse all derer gerichtet, die es angeht, aussprechen.
Wenn Sie jetzt in einer solchen Situation auch noch die Verabredung treffen, die Mehrwertsteuer anzuheben, und zwar deutlich, was sich ja im Augenblick in der Diskussion befindet, dann machen Sie gerade die ganz kleinen Ansätze der Binnennachfrage, die wir dringend und zwingend brauchen, kaputt. Sie legen damit die Axt an die Chance, im Land Nordrhein-Westfalen und in der Bundesrepublik Deutschland eine höhere Beschäftigungsquote und mehr Arbeitsplätze zu bekommen. Das, meine Damen und Herren, findet nicht unsere Zustimmung.
Frau Kollegin Walsken, Sie haben hier ja immerhin noch im Juli mit Leidenschaft und Inbrunst vertreten, warum denn eine Mehrwertsteuererhöhung Gift sei, und zwar mit guten Argumenten, wie ich bereits im Juli zugestanden habe.