Protocol of the Session on March 18, 2009

Damit sind wir am Ende dieses Tagesordnungspunktes.

Wir kommen zu:

10 CO2-Abtrennung und -Speicherung – nur 20 Jahre Haftung der Energiekonzerne?

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/8711

Ich eröffne die Debatte und gebe Herrn Priggen das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Im Bundeskabinett wird zurzeit ein Referentenentwurf behandelt, der sich mit der sicheren Abtrennung und langfristig sicheren unterirdischen Abspeicherung von CO2 befasst. In diesem Zusammenhang geht es um Sicherheitszeiträume von bis zu 1 Million Jahren. Daher müsste ein solches Gesetz außerordentlich gründlich und in seinen Eckpunkten nachvollziehbar sein. Vor dem Hintergrund der Probleme, die wir in Bezug auf den Atommüll gerade mit dem Endlager Asse und dem Endlager Morsleben haben, müsste bei weiteren Reststoffen der Stromerzeugung, die praktisch auf Ewigkeiten abzulagern sind, die Sorgfalt außerordentlich groß sein.

Wenn man sich diesen Gesetzentwurf anschaut, stellt man mit Erstaunen fest, wie dünn die Begründung für ein Gesetz ausfällt, das über so lange Zeiträume sichere Zustände herstellen soll. Es gibt so gut wie keine Begründung zu diesem Gesetz. Alle hier eingebrachten Gesetze enthalten auch Ausführungen zu ihren Auswirkungen auf öffentliche Haushalte. Hierzu findet sich in diesem Gesetzentwurf überhaupt keine Darstellung, obwohl ein solches Gesetz massive finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte haben kann. Denken Sie nur daran, welche Kostenrisiken in diesem Zusammenhang auf die Haushalte der Länder zukommen.

(Vorsitz: Vizepräsident Edgar Moron)

Zur Umsetzung der EU-Effizienzrichtlinie aus dem Jahr 2006 war eine bindende zweijährige Frist bis Mai 2008 festgelegt worden. Diese Frist hat die Bundesregierung ohne Handeln untätig verstreichen lassen.

Hingegen hat die zweijährige Frist für die Umsetzung der CCS-Richtlinie noch gar nicht begonnen. Hier geht es also sehr schnell. Es gibt einen Gesetzentwurf, obwohl die Frist noch nicht läuft. Bei der Energieeinsparung, bei der Effizienz, wird die Umsetzung verschlafen und verzögert, während man bei der CO2-Sequestrierung mit einer ganz heißen Nadel arbeitet.

Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass bestimmte Interessengruppen sehr stark an diesem Gesetzentwurf gearbeitet haben; denn wichtige Punkte sind vernachlässigt worden. Es fehlt jede Aussage zu konkurrierenden Nutzungen. Das müssen wir ganz nüchtern sehen. Ich spreche nicht grundsätzlich gegen CCS.

Man muss aber abwägen: Was ist in diesen Bereichen mit Tiefengeothermie? Beides schließt sich ja zum Teil gegenseitig aus. Was ist mit der Druckluftspeicherung, die auch RWE jetzt interessanterweise vorantreiben will, um erneuerbare Energien konstanter nutzen zu können? Was ist mit der Speiche

rung und Lagerung anderer Stoffe wie zum Beispiel Gas, die in bestimmten Regionen auch gelagert werden? – Diesbezüglich müssten vernünftige Abwägungen stattfinden. Im Gesetzentwurf ist aber eine eindeutige Priorisierung der CO2-Ablagerung vorgesehen.

Damit komme ich zu einem wichtigen und spannenden Punkt. In diesem Gesetzentwurf ist nicht, wie wir das ansonsten kennen, der Stand von Wissenschaft und Technik als Maßstab vorgeschrieben, sondern – ich zitiere – „der Stand der Technik unter Berücksichtigung aktueller Erkenntnisse“. Das ist eine eindeutig schwächere Aussage, wie die Anhörung zu dem Referentenentwurf ergeben hat. Überlegen Sie sich einmal, dass das Produkthaftungsgesetz dem Hersteller einer Mikrowelle vorschreibt, den Stand von Wissenschaft und Technik zu gewährleisten, wie das im Übrigen auch in Atom- und Gentechnik gilt, aber bei der CO2-Lagerung nur „der Stand der Technik unter Berücksichtigung aktueller Erkenntnisse“ gelten soll. Diese eindeutige Abschwächung sollten wir so nicht akzeptieren.

Der aus meiner Sicht schwierigste Punkt ist aber die Übertragung der Verantwortung auf das Bundesland, in dem das CO2 gelagert werden soll, nach nur 20 Jahren. Das ablagernde Unternehmen hat einen Anspruch darauf, dann eine Freistellung zu bekommen. Nach 20 Jahren geht die Haftung auf das Bundesland über – obwohl das CO2 für einen Zeitraum von 1 Million Jahre sicher gelagert werden soll. Das ist für mich nicht nachvollziehbar.

Die Kosten, die in den folgenden 30 Jahren für die Überwachung entstehen, werden noch getragen. Danach gehen aber auch noch die Kosten für die Überwachung auf mögliche Leckagen und Schäden zulasten des Bundeslandes, das nach den ersten 20 Jahren schon die Kosten für Leckagen und Schäden zu tragen hat. Das ist so nicht zu akzeptieren.

Wir können dem betroffenen Bundesland nicht diese Verantwortung aufbürden. Wir wissen, dass es in Nordrhein-Westfalen nur eine ganz kleine Stelle im Kreis Minden-Lübbecke gibt, an der CO2 gelagert werden könnte. Alles, was in Nordrhein-Westfalen erzeugt wird, muss über 500 km nach SchleswigHolstein geschafft werden. Dass die SchleswigHolsteiner akzeptieren, für lange Zeiträume die Haftung zu übernehmen, kann ich mir vernünftigerweise nicht vorstellen. Ich würde mich als Landesvertreter jedenfalls dagegen wehren.

Wir werden dieses Thema ja weiter im Ausschuss beraten. Ich freue mich auf die Debatten dort. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Vielen Dank, Kollege Priggen. – Nun hat Herr Hovenjürgen für die CDUFraktion das Wort. Bitte sehr.

Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Der vorliegende Antrag „CO2-Abtrennung und Speicherung – nur 20 Jahre Haftung der Energiekonzerne?“ von Bündnis 90/Die Grünen vermittelt den Eindruck, es würde bei Realisierung der Technik zur Abtrennung und Speicherung von Kohlendioxid ein Automatismus in Gang gesetzt, der am Ende der 20 Jahre Betriebszeit die Haftungsrisiken automatisch vom Betreiber in Richtung öffentliche Hand verschiebt.

Wenn man sich ausreichend mit dem Gesetzentwurf und den diesem Gesetzentwurf zugrunde liegenden Richtlinien der EU befasst, so stellt man fest, dass die Details zur Betreiberhaftung, Sicherheitsleitung und Deckungsvorsorge im vorliegenden Entwurf hinreichend geregelt sind. Unabhängig von Art, Beibringung und Nachweis der Deckungsvorsorge, deren Umfang die zuständige Behörde nach sachlichen und nachvollziehbaren Kriterien unter Berücksichtigung des Gefahrenpotenzials festzusetzen hat, ist der Anlagenbetreiber zum Nachweis verpflichtet, dass die finanziellen Mittel der Deckungsvorsorge erforderlichenfalls unverzüglich zur Abwehr von Gefahren oder Schäden herangezogen werden können. Dies ist aus Sicht der CDU-Fraktion nicht zu kritisieren.

Auch die Kritik an der Übertragung der Verantwortung von Speicherbetreibern auf den Staat geht ins Leere. Der von Bündnis 90/Die Grünen unterstellte Automatismus des Verantwortungsübergangs nach 20 Jahren ist gerade nicht gegeben. Vielmehr ist vorgesehen, dass die Betreiber frühestens 20 Jahre nach Abschluss der Stilllegung eines Speichers die Übertragung der Verantwortung auf den Staat beantragen können. Dazu hat er in einem umfassenden Langzeitsicherheitsnachweis detailliert darzulegen, dass die in der CCS-Richtlinie der EU und im nationalen CO2-ATSG genannten Anforderungen erfüllt sind.

Ist dies gegeben, setzt die Übertragung der Verantwortung weiterhin voraus, dass der Betreiber einen sogenannten Nachsorgebeitrag an die zuständige Behörde leistet, aus dem die Behörde während eines 30 Jahre umfassenden Zeitraums ihre Aufwendungen zur Überwachung des Speichers deckt.

Die dargestellten Fristen finden ihre Entsprechung in der CCS-Richtlinie der EU. Insofern geht das in Kritik stehende Gesetz nicht über die Anforderungen der EU hinaus, und gleichzeitig fällt es nicht hinter die Anforderungen zurück. Insofern entspricht es auch unserer tiefen Überzeugung, dass wir Auflagen der EU 1:1 auch hier im Land umsetzten.

Korrekt ist im Antrag der Grünen, dass es bis zur großtechnischen Realisierung von CCS bei der Kohleverstromung noch viele Herausforderungen zu meistern gilt. Dies wurde auch in der kritischen Debatte mit der RWE AG im Ausschuss für Wirtschaft, Mittelstand und Energie deutlich. Beispielsweise wurden vonseiten der RWE zuvor kommunizierte

Zeitpläne bei kritischer Nachfrage relativiert. Hier gilt es, Verlässlichkeit aufseiten der Unternehmen herzustellen.

Richtig ist auch, dass CCS einen zentralen Beitrag zu einer wettbewerbsfähigen Energieversorgung in Nordrhein-Westfalen leisten kann, sofern man gleichzeitig die Klimaziele ernst nimmt.

Auf die Braunkohle als einzigen heimischen – gemessen am Weltmarkt – wettbewerbsfähigen Primärenergieträger wollen wir als Beitrag zu einem breiten Energiemix nicht verzichten. Wer also Verlässlichkeit von Unternehmen fordert, der muss als Politik auch bereit sein, frühzeitig die notwendigen Rahmenbedingungen zu setzen.

Dies ist auf europäischer Ebene geschehen. Nun ist es an den einzelnen Mitgliedsländern, die Richtlinien in nationales Recht umzuwandeln und zu ratifizieren. Wir sind daher ausgesprochen dankbar dafür, dass es gelungen ist, zwischen den beteiligten Bundesministerien für Wirtschaft und Technologie sowie für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu vermitteln, um einen gemeinsamen Entwurf vorzulegen, mit dem sich der Bundesrat Ende April in den Fachausschüssen und Mitte Mai plenar befasst.

Es bleibt, zusammenfassend festzustellen: Aus unserer Sicht sind die notwendigen Hausaufgaben gemacht. Der öffentlichen Hand wächst kein unkalkulierbares Risiko zu. Die Betreiber können sich nicht stillschweigend aus der Verantwortung verabschieden. Die Anforderungen an die Betreiber und die gesetzlichen Rahmenbedingungen richten sich nach den Vorgaben der EU; sie überschreiten und unterschreiten sie nicht.

Insofern halten wir die Sorge von Bündnis 90/Die Grünen für unangebracht. Nichtsdestotrotz stimmen wir der Überweisung an den Ausschuss für Wirtschaft, Mittelstand und Energie sowie den Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zu. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Hovenjürgen. – Jetzt hat Herr Römer für die SPD-Fraktion das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Ich will gleich einen richtigen und wichtigen Punkt aus dem Antrag der Grünen hervorheben; dieser findet sich unter IV. Herr Kollege Priggen, dieser Punkt gehört angesichts seiner Bedeutung eigentlich ganz nach oben.

IV. Weltweiter Klimaschutz lässt keine leichtfertige Ablehnung von CCS zu.

Angesichts der Vorhersagen über die Auswirkungen des Klimawandels wäre es leichtfertig, eine Technologie zur CO2-Reduzierung von vornherein auszuschließen …

Dem stimme ich ausdrücklich zu und füge hinzu: Wir, die SPD, setzen uns aktiv dafür ein, dass Abscheidung, Transport und Lagerung von CO2 rechtlich ermöglicht und auch finanziell gefördert werden. Das heißt, wir wollen neben Investitionen in neue hocheffiziente Kohlekraftwerke auch CCS aus den Erlösen des Emissionshandels – Sie wissen das – finanziell gefördert wissen.

Wir machen das aus einem guten Grund – den Kollegen Hovenjürgen schließe ich automatisch in unsere Reihen mit ein –, weil wir die einzige politische Kraft in Nordrhein-Westfalen sind, die sowohl zur heimischen Braunkohle als auch zur heimischen Steinkohle steht. Das Ganze begreifen wir als einen wichtigen Beitrag zur Stärkung unseres Industrie- und Energiestandortes hier in Nordrhein-Westfalen.

(Oliver Wittke [CDU]: Dazu hat Herr Bischoff das Notwendige gesagt!)

Wir alle, Herr Kollege, wissen doch: Staaten wie China und Indien – aber auch andere – werden ihre Energieversorgung noch viele Jahrzehnte ganz stark auf Kohle stützen und auch stützen müssen. Die Welt wird noch für lange Jahre mehr als 5 Milliarden t Kohle jährlich verbrauchen. Deshalb müssen wir weltweit dafür sorgen, dass Kohle, Kohleveredelung und Klimaschutz miteinander vereinbart werden können. Dafür brauchen wir – das ist unsere feste Überzeugung – langfristig auch CCS.

Und wir in Deutschland mit unserem technischen und ingenieurmäßigen Know-how sind in der Lage – da bin ich ganz zuversichtlich –, eine solche Technik zu erproben, zu ermöglichen und vor allen Dingen dann auch – Herr Kollege Priggen, das ist ja ein gemeinsames Anliegen – weltweit vermarkten zu können.

Deshalb ist eines klar – und da stimmen wir mit Ihrem Antrag völlig überein –: Die Sicherheitsanforderungen genießen in diesem Prozess höchste Priorität. Da darf es keine Abstriche geben.

Nun möchte ich etwas zum Gesetz sagen. – Da wir diesen Beitrag zum Klimaschutz leisten wollen, brauchen wir ein Gesetz, das CCS ermöglicht, aber keines, das CCS verhindert. Daher brauchen wir ein Gesetz, mit dem wir Erkenntnisgewinn – das wird in den ersten Jahren der Fall sein müssen – auch in die Erprobung einer solchen Technik einfließen lassen können. Insofern brauchen wir die nötige Flexibilität.

Ich finde schon, dass Ihr Antrag – Sie müssen ihn noch einmal genau lesen – in den Verdacht geraten kann, damit ein Verhinderungsgesetz für CCS zu wollen, statt das zu favorisieren, was wir wollen, nämlich CCS zu ermöglichen. Wir sehen da – ich

gebe das gerne zu – große Chancen für den weltweiten Klimaschutz und auch – ich wiederhole das noch einmal – für die Wirtschaft in NordrheinWestfalen.

Wir wissen aber auch – das füge ich hinzu; das gilt für uns alle, die wir Verantwortung haben –: Wenn wir das ermöglichen wollen, werden wir auch gemeinsam für die nötige Akzeptanz bei den Bürgerinnen und Bürgern sorgen müssen. Wir kennen die Ängste, wir kennen die Sorgen auch in diesem Zusammenhang. Das muss dann ganz konkret vor Ort erfolgen.

An die Adresse der Landesregierung und der regierungstragenden Fraktionen gerichtet sage ich: Da reicht es eben nicht, nur wie der Ministerpräsident festzustellen, das sei ein ganz interessantes Projekt. – Da muss dann mehr passieren. Ich bin zuversichtlich, dass wir es gemeinsam hinbekommen können, wenn wir es gemeinsam ermöglichen wollen.

Zum Gesetzgebungsverfahren selbst, das im Deutschen Bundestag stattfinden wird: Ich gehe auch davon aus, dass der Gesetzentwurf in den nächsten Tagen im Bundeskabinett verabschiedet, in den Bundestag eingebracht und natürlich – Herr Kollege Priggen, wie auch bei einem Gesetzgebungsverfahren in diesem Parlament – die eine oder andere Veränderung erfahren wird. Ich bin aber ganz zuversichtlich, dass dieses Gesetzgebungsverfahren beim Bundesumweltminister, bei Sigmar Gabriel, bei der SPD-Bundestagsfraktion – darauf können Sie sich verlassen – in guten Händen ist. Insofern lassen Sie uns das gemeinsam begleiten. Wir stimmen der Überweisung zu. Ich freue mich auf die Diskussion im Ausschuss. – Vielen Dank fürs Zuhören.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Römer. – Jetzt hat für die FDP-Fraktion Herr Brockes das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Römer, es war nicht fair, den Kollegen Hovenjürgen so zu vereinnahmen. Denn schließlich wollte er nicht auf der Verliererseite sein.