Protocol of the Session on February 12, 2009

(Beifall von Marc Jan Eumann [SPD])

Doch was tun Sie? – Sowohl die Beantwortung der Kleinen Anfrage meiner Kollegin Frau Dr. Boos als auch Ihre Einlassungen im Wissenschaftsausschuss belegen, dass Sie es sich verdammt einfach machen. Sie schleichen sich aus der Verantwortung, indem Sie mit dem Finger auf die Hochschulen zeigen. Sie, die Hochschulen, könnten das Problem doch selbst lösen. Doch die Hochschulen sehen dafür keine ausreichende Möglichkeit. Nehmen Sie das zur Kenntnis! Ich hoffe, Sie haben ausreichende Kontakte, um das wahrzunehmen.

Dass die Hochschulen keine Möglichkeit sehen, ist nachvollziehbar. Wenn man selbst ins Gesetz schaut, ist dort beispielsweise in § 8 Abs. 1 mit dem schönen Verb „sind“ – das heißt, es ist eine abschließende Aufzählung – festgelegt, welche aus dem Studium sich ergebenden Situationen zur Befreiung führen. Praktika, die kein ganzes Semester in Anspruch nehmen, sind dort nicht vorgesehen.

In § 8 Abs. 3 sind weitere Tatbestände aufgelistet, nach denen eine Befreiung oder eine Ermäßigung infrage kommen kann. Die sind aber alle nicht studienbezogen, sondern hochschulpolitischer oder sozialpolitischer Art. Es geht um familiäres Engagement. Auch hier würden also die Praktika von wenigen Wochen systematisch nicht hineinpassen.

Stattdessen, Herr Minister, steht in dem Gesetz, das Sie verfasst und hier zur Abstimmung gebracht haben, in § 19 Abs. 1 Satz 2 – das ist sehr wichtig, dass es der zweite Satz ist –, Ihr Haus ist ermächtigt, durch Rechtsverordnung weitere Bestimmungen zu erlassen über die Erhebung, Stundung, Ermäßigung oder den Erlass der Studienbeiträge und Hochschulabgaben.

Für diesen Satz 2 gibt es in eben diesem Paragrafen des Gesetzes keine Übertragung der Entscheidung auf die Hochschulen – weder ganz noch teilweise. Mit anderen Worten: Ihr Hinweis, das könnten die Hochschulen selbst lösen, und das Gesetz würde nur ein Minimum von dem, was möglich ist, vorschreiben, die Hochschulen könnten darüber hinausgehen, trifft nicht zu. Diese Ermächtigung haben Sie den Hochschulen an der Stelle ausdrücklich nicht gegeben, sondern nur sich selbst im Rahmen einer Rechtsverordnung vorbehalten. Deshalb gibt es keine andere Lösung: Sie müssen handeln. Sie sollten Ihr eigenes Gesetz besser kennen und entsprechend tätig werden.

Ich finde jedenfalls, dass Ihr Hinweis an die Hochschulen, das selbst zu regeln, einfach nur schäbig ist und offensichtlich davon ablenken soll, dass Ihnen der Personenkreis, der betroffen ist, keiner Mühe wert ist. Ansonsten würden Sie die Anstrengungen investieren und eine entsprechende Rechtsverordnung vorlegen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Gebhard. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der CDU Herr Kollege Dr. Hachen das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Gebhard, der SPDAntrag vom Oktober vergangenen Jahres startet schon verräterisch mit der Forderung nach Abschaffung der Studienbeiträge.

(Beifall von Manfred Kuhmichel [CDU])

Dies ist erkennbar der eigentliche Grund für diesen Antrag. Die Praxisphasen sind willkommener Anlass für eine Neuauflage Ihres Kreuzzuges gegen die Studienbeiträge. Das verwischt auch die detaillierte Auseinandersetzung mit dem Thema nicht, die Sie eben geboten haben.

(Manfred Kuhmichel [CDU]: Sehr richtig!)

Nehmen Sie deshalb noch einmal zur Kenntnis: Studienbeiträge verbessern die Rahmenbedingungen für die Lehre an unseren Hochschulen und tragen so zu den verbesserten Lebensperspektiven der Studierenden bei.

(Beifall von der CDU – Zuruf von Heike Geb- hard [SPD])

Sie sind mittlerweile weitgehend akzeptiert und

(Heike Gebhard [SPD]: Das hätten Sie gern!)

in Nordrhein-Westfalen so sozial wie in keinem anderen Bundesland ausgestaltet.

(Beifall von CDU und FDP)

Deshalb sind sie nicht nur vertretbar, sondern vor allem für die Betroffenen sinnvoll.

Sie beklagen in Ihrem Antrag die mangelnde Vereinbarkeit mit Praxisphasen und erwecken den Eindruck, als müssten die Studierenden neben dem dichter werdenden Studium auch noch das Geld für die Studienbeiträge zusätzlich erarbeiten, obwohl sie dafür eigentlich während der Praxisphasen eher Geld bekommen sollten.

(Heike Gebhard [SPD]: Wo wird denn ein Praktikum bezahlt?)

Darauf aufbauend bezeichnen Sie die momentanen Verhältnisse als unhaltbar.

Was fordern Sie aber konkret und was leiten Sie daraus ab? Damit müssen wir uns auseinandersetzen. – Sie fordern eine Gesetzesnovelle, die eine generelle Studienbeitragsermäßigung für Praktika unterhalb der Länge eines Semesters bis ins Detail regelt. Ich sage Ihnen deshalb für meine Fraktion: Es bedarf einer solchen Regelung nicht.

(Beifall von der CDU – Zuruf von Heike Geb- hard [SPD])

Erstens kann jede Hochschule die Höhe der Studienbeiträge selbst festlegen. Das ist mittlerweile eine Binsenweisheit, die wir alle kennen.

Zweitens werden in vielen Fällen natürlich universitäre Dienstleistungen und Einrichtungen von Studierenden auch im Verlauf von Praxisphasen in Anspruch genommen. Eine Detailregelung, die nur auf das Kriterium der Länge der Praxisphase im Verhältnis zum gesamten Semester abstellt, wie Sie sie fordern, greift eindeutig zu kurz und verbietet sich deshalb von selbst.

Drittens. § 8 des Studienbeitragsgesetzes regelt nur, was zentral geregelt werden muss. Zusätzlicher Aufwand an den einzelnen Hochschulen, der den Verbesserungsumfang für die Lehre wieder beschneiden würde, wird bewusst und aus gutem Grund vermieden.

Viertens. Wir glauben, dass die Entscheidungen über die Beitragsbefreiungen sinnvoll und mit vertretbarem Aufwand nur vor Ort getroffen werden können. Ihren erneuten zentralistisch ausgerichteten, zusätzlichen Aufwand und Mehrkosten produzierenden Antrag lehnen wir deshalb nach wie vor ab. – Ich danke Ihnen fürs Zuhören.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Hachen. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP der Kollege Lindner das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Danke schön, Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich kann an die letzten Worte des Kollegen Dr. Hachen anknüpfen. Auch wir lehnen den Antrag der SPD-Fraktion ab. Ich will das wie folgt ergänzend begründen.

Mit dem Hochschulfreiheitsgesetz haben wir unsere Universitäten und Fachhochschulen in den Status verselbstständigter Körperschaften entlassen. Sie haben neue Eigenständigkeit erhalten und können Hochschulautonomie leben.

Zudem wurde ihnen ermöglicht, Studienbeiträge zu erheben, deren Umfang, wie Sie wissen, von der Hochschule festgelegt wird. Wir haben lediglich einige wenige Ausnahmen im Gesetz festgeschrieben und die Höhe von 500 € als Begrenzung vorgesehen.

Das Studienbeitragsgesetz stellt ferner sicher, dass Studierende, die ein Praxissemester beispielsweise im Rahmen einer Lehramtsausbildung leisten, keine Studienbeiträge entrichten müssen. Dafür gibt es zwei praktische Gründe: Die Studierenden nehmen zum einen keine Leistungen der Hochschule in Anspruch. Da es sich zum anderen um ein ganzes Semester handelt, ist mit der Befreiung der Aufwand an Bürokratie an der Hochschule gering.

Im Fall der Praxisphasen treffen diese beiden Punkte jedoch nicht zu. Die Studierenden nehmen Leistungen der Hochschule durchaus weiterhin in Anspruch; sie besuchen also Veranstaltungen. Eine Anrechnung dieser häufig recht kurzen Praxisphasen und damit eine prozentuale Absenkung des Studienbeitrages wären nicht ohne einen erheblichen bürokratischen Mehraufwand zu leisten. Die Koalition hat deshalb dafür Sorge getragen, dass die Hochschulen in der Lage sind, wenn sie es als sinnvoll erachten, hierfür Lösungen zu finden.

Wir werden keinen Antrag unterstützen, der versucht, genau diese Hochschulautonomie wieder einzuschränken und neue Bürokratie in die Hochschulen hineinzutragen, zumal die Hochschulen – mit diesem Hinweis komme ich zum Schluss – durchaus dazu befugt sind, Praxisphasen im eigenen Ermessen zu gestalten.

Sollten die Hochschulvertreter zur Auffassung gelangen, dass der Verwaltungsaufwand, der mit der Anrechnung von Praxisphasen auf die Studienbeiträge zweifelsohne verbunden wäre, vertretbar ist, steht es ihnen frei, eine entsprechende Regelung in ihren eigenen Satzungen zu verankern. – Schönen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Lindner. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Kollegin Dr. Seidl das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir sehen, dass die Studienabbrecherquote gerade in den MINTFächern besonders hoch ist, und wenn wir sehen, dass Studiengebühren für Studierende, die sich in Fächern mit besonders großem Praxisanteil spezialisieren möchten, gerade keine Anreize setzen, kann man nur sagen: Was Sie machen, ist kontraproduktiv, liebe Kolleginnen und Kollegen von Schwarz-Gelb.

Praxisphasen sind sinnvoll. Deshalb dürfen Studierenden bei der Wahrnehmung und Gestaltung von Praxisphasen keine Hindernisse in den Weg gelegt werden. Vor diesem Hintergrund unterstützten wir das Ziel der SPD-Fraktion, Studienzeiten für Praktika von Studierenden, die kürzer als ein Semester sind, generell nicht mit Gebühren zu belegen.

Wir dürfen allerdings nicht aus dem Auge verlieren, wo die eigentlichen Probleme liegen.

Liebe Frau Gebhard, führt man sich die meisten Ihrer Anträge zu Studiengebühren vor Augen, fällt auf, dass Sie das schwarz-gelbe Studiengebührensystem in der Tat transparent machen wollen und in erster Linie Ausnahmen für alle möglichen Wechselfälle des Lebens einbauen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lieber Herr Hachen, an diesem Punkt sind wir ganz bei Ihnen: Das reicht uns Grünen in der Tat nicht aus. Denn es gibt eine viel einfachere Lösung, die übrigens auch ein Beitrag zum Bürokratieabbau, den Sie alle gefordert haben, beinhaltet. Für all die Probleme, die Sie in diesem Antrag, aber auch in anderen Anträgen weitgehend richtig beschreiben, gilt: Die Studiengebühren müssen weg,

(Beifall von der SPD)

und zwar nicht nur für die Praxisphasen, sondern komplett, möglichst schnell und für alle.

Studiengebühren sind Studienhürden, lieber Herr Hachen und lieber Herr Lindner, gerade für Studierende aus sozial und finanziell benachteiligten Familien. Der Antrag stellt es noch einmal sauber dar.

(Christian Lindner [FDP]: Das ist falsch!)

Studiengebühren sind für diese jungen Menschen Hürden für die Aufnahme eines Studiums und Hürden für die effiziente Durchführung.

(Christian Lindner [FDP]: Falsch!)