Da Sie meine Zahlen so angezweifelt haben, habe ich folgende Frage an Sie: Bestätigen Sie die von mir vorhin genannte Ausgangszahl für das Jahr 2005? Bestätigen Sie, dass wir 26.300 zusätzliche Studienanfänger vereinbart haben? Sind Sie der Ansicht, dass 80.000 und etwas plus 26.000 insgesamt etwa 107.000 und keine 90.000 sind? Können Sie das bestätigen?
Liebe Frau Gebhard, so wie Sie es jetzt vorgetragen haben, kann ich das bestätigen. Ich will Ihnen aber noch einmal vorlesen, was in Ihrem Antrag steht.
Ich zitiere aus der Landtags-Drucksache 14/7827. Darin steht: Da es nach Köpfen geht, müssen wir also im Jahre 2010 den Wert von 117.211 Studienanfängern erreichen.
(Heike Gebhard [SPD]: Nehmen Sie doch bit- te zur Kenntnis, dass man sich auch einmal vertippen kann! Da steht aber auch die Zahl drin, was wir 2005 gehabt haben und was wir 2010 erreichen müssen! Wenn Sie das ad- dieren können, dann werden Sie bitte schön zugeben, dass das 107.000 sind und nicht Ih- re 90.000! Ob da 117 oder 107 stehen, ist im Verhältnis zu den 90.000, die Sie vorgeben, doch wohl unerheblich!)
Frau Gebhard, das geht jetzt weit über die Zwischenfrage hinaus, die Sie eigentlich stellen wollten.
Von einem kleinen Tippfehler zu sprechen, ist schon ein bisschen dreist. Die Zahl taucht in diesem Papier fünf oder sechs Mal auf. Es ist Ihnen also nicht irgendwie durchgerutscht. Es ist kein Tipp- oder Übertragungsfehler. Das haben Sie schon gerechnet.
Zum anderen muss ich noch einmal etwas sagen, wenn Sie es so ans Licht der Öffentlichkeit zerren. Sie schreiben von 117.211 Studienanfängern im Jahre 2011.
Richtig ist: Im Jahre 2010 hätten wir quasi 106.000 im System, wenn man so rechnet wie Sie. So kann man aber eben nicht rechnen. Nach dem Antrag der Grünen kommen in jedem Jahr etwa 7.000 bis 8.000 hinzu. Diese bleiben im System, weil sie ihr Studium noch nicht abgeschlossen haben. Gleichwohl kann man trotzdem nicht so rechnen, wie Sie das tun.
(Heike Gebhard [SPD]: Von Anfängern ist die Rede! – Karl Schultheis [SPD]: Dann müss- ten es noch mehr sein!)
Der Bund geht bei der Berechnung des Hochschulpakts I im Jahre 2010 von 89.000 Studienanfängern in Nordrhein-Westfalen aus, wenn ich es richtig sehe. Das sind die Zahlen des Bundes. Ich empfehle sehr, unsere kleine Diskussion jetzt abzuschließen. Ich denke, auch in Ihrem Interesse sollten wir diese Diskussion jetzt abschließen. Wir sollten uns an die Zahlen des Bundes halten. Das ist meine Empfehlung und ist mein Angebot. In dem Zusammenhang schlage ich Ihnen vor, Ihr Papier zurückzuziehen. Wir vergessen es einfach und machen mit einem anderen Tagesordnungspunkt weiter. – Schönen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Allmählich wird es eng. Und das wissen Sie auch ganz genau, Herr Lindner. Davon können Sie auch jetzt nicht mit diesem Nebenkriegsschauplatz, die SPD habe falsch gerechnet und Sie rechnen noch einmal alles vor, ablenken. Denn es wird eng, und zwar werden wir in weniger als fünf Jahren in Nordrhein-Westfalen zwei Jahrgänge haben, die gleichzeitig Abitur machen.
Doch außer schönen Reden und der Einsetzung einer Arbeitsgruppe hat diese Landesregierung bisher nichts getan, um unser Land, unsere Schulen und Hochschulen, aber auch den Arbeits- und Ausbildungsmarkt anständig darauf vorzubereiten.
Dabei können Sie nun wirklich nicht behaupten, dass Sie von nichts gewusst hätten. Sie haben es eben selber gesagt: Spätestens seit unserem Antrag „Zukunftschancen sichern – NRW braucht eine Offensive für mehr Studienplätze“, den wir im Landtag im Jahre 2006 zum ersten Mal gestellt haben, sollten Sie zur Kenntnis genommen haben, dass es ein Problem gibt, dass dringend angepackt werden muss. Aber konkrete Ergebnisse lassen bisher leider auf sich warten.
Von daher ist es gut, dass die SPD das Thema auch noch einmal angesprochen hat, obwohl Ihr Antrag, liebe Frau Gebhard, am eigentlichen Problem vorbeigeht. Denn Sie arbeiten sich hauptsächlich am Hochschulpakt I ab, mit dem der Doppeljahrgang 2013 noch gar nicht erfasst wird.
Ich möchte aber trotzdem auch etwas zum Hochschulpakt I sagen. Der Maßstab, mit dem ich Sie, Herr Pinkwart, hier und heute messen möchte, sind nicht die Zahlen im SPD-Antrag, aber es sind diejenigen, die Ihr Stufenplan zur Erfüllung des Hochschulpaktes vorsieht. Für das Jahr 2007 haben Sie mit einem Plus von 3.691 Studienanfängerinnen und Studienanfängern gerechnet. Und tatsächlich erreicht haben Sie aber ein Minus von 3.335. Das war also schon mal nichts.
Ja, das war ein Minus. Im Jahr 2008 sollte es dann ein Plus von 7.000 sein. Herr Lindner, im Jahr 2008 sollte es dann ein Plus von genau 7.048 sein. Erreicht haben Sie aber nur, wenn man Ihre vorläufigen Zahlen nimmt, ein Plus von etwa 2.000, immer gemessen an der Referenzgröße des Studienpaktes von knapp 81.000 Studienanfängerinnen und Studienanfängern im Jahr 2005. Auch im Jahr 2008 gibt es also trotz eines deutlichen Anstiegs gegenüber dem Vorjahr faktisch ein Minus von 5.000 Studienanfängerinnen gegenüber den Plänen des Ministeriums.
Nun werden Sie möglicherweise sagen, dass das nur eine beispielhafte Modellrechnung war und dass Sie es schon irgendwie schaffen werden, die 26.000 zusätzlichen Studienanfängerinnen und Studienanfänger zusammen zu bekommen, die Sie dem Bund und den anderen Ländern versprochen haben. Nur, von diesen 26.000 fehlen in diesem Jahr immer noch mehr als 24.000 Studienanfängerinnen. Das heißt doch, dass unsere Hochschulen im nächsten Jahr – Sie haben gesagt, dass schaffen wir locker –
und im übernächsten Jahr nicht 7.000 bis 8.000 mehr junge Menschen aufnehmen müssen als im Referenzjahr 2005, als Sie das geplant haben, sondern jeweils etwa 12.000. Das heißt also, wir bräuchten sowohl im Jahr 2009 als auch im Jahr 2010 jeweils etwa 93.000 Studienanfängerinnen und Studienanfänger, eine Steigerung also um noch einmal 10.000 gegenüber 2008. Ja, da frage ich Sie, Herr Minister Pinkwart: Wo sollen die denn herkommen?
Den positiven Effekt, den Sie in diesem Jahr noch ausnutzen konnten, wird es jedenfalls in den nächsten beiden Jahren nicht mehr geben. Denn Ihre zusätzlichen 5.700 Erstsemester gegenüber 2007 resultierten nicht aus einer gesteigerten Attraktivität für die Hochschulen. Sie entsprachen lediglich in etwa dem Anstieg der Zahl an Studienberechtigten in diesem Jahr. Und die – und das ist die schlechte Nachricht, Herr Minister Pinkwart – werden im Jahre 2009 und 2010 nur noch um etwa 2.000 steigen, also nicht mehr um 10.000.
Aber ich habe auch eine gute Nachricht für Sie: Wir können es noch schaffen, Herr Pinkwart, wir als Land Nordrhein-Westfalen. Ich habe sogar einen ganz konkreten Vorschlag, wie es gehen kann. Schaffen Sie diese unsozialen Studiengebühren in Nordrhein-Westfalen wieder ab!
Denn seit 2006 – da komme ich noch einmal auf das Jahr zurück, in dem der Knick war –, seit der Einführung Ihrer Studiengebühren verzichten jedes Jahr Tausende junger Menschen darauf, ein Studium aufzunehmen, weil sie es sich schlicht nicht leisten können.
Und diese jungen Menschen müssen wir zurückgewinnen. Wenn jemand noch Zweifel haben sollte, ob die Abschaffung der Studiengebühren tatsächlich zu mehr Studienanfängerinnen und Studienanfängern führt, dann lohnt sich im Augenblick mal der Blick nach Hessen. Denn wenn dort auch einiges schief gelaufen ist in letzter Zeit, so ist die Abschaffung der Studiengebühren jedoch gelungen – und das mit durchschlagendem Erfolg.
17 % mehr Studienanfängerinnen und Studienanfänger verzeichnen die Hochschulen dort im laufenden Wintersemester, verglichen mit dem Jahr zuvor. Das ist so. Auf Nordrhein-Westfalen übertragen wären das 17 % von 80.000. Das sind mehr als 14.000 Studienanfängerinnen und Studienanfänger. Also, dass ist doch die Chance, Herr Minister Pinkwart. Es geht. Wenn Sie die Studiengebühren wieder abschaffen, können wir tatsächlich den Hochschulpakt noch einhalten. Soweit jetzt zum Hochschulpakt I. Denn mit dem doppelten Abiturjahr 2013 hat dieser nur mittelbar etwas zu tun. Schließ
lich werden diejenigen, die jetzt mit dem Hochschulpakt I an die Hochschulen kommen, diese bis 2013 ganz überwiegend verlassen haben.
Für die etwa 70.000 zusätzlichen jungen Menschen, die im Jahr 2013 die Hochschulen stürmen werden, brauchen wir einen neuen Aufschlag. Wir brauchen erstens einen Hochschulpakt 2, der viel besser ausgestattet sein muss als dieser Hochschulpakt 1, und wir brauchen zweitens konkrete Vereinbarungen, die nicht nur auf dem Papier stehen. Treffen Sie also verbindliche Vereinbarungen, Herr Minister! Sorgen Sie dafür, dass auch genug Geld zur Verfügung steht und räumen Sie Hindernisse wie die Studiengebühren aus dem Weg!
Lassen Sie mich zum Abschluss noch einen zweiten Aspekt anführen, der im Antrag der SPD nicht angesprochen wird. Der doppelte Abiturjahrgang 2013 ist nicht alleine ein Problem der Hochschulen, wie viele immer noch glauben. Denn wenn Sie es tatsächlich nicht schaffen, bis 2013 genügend Kapazitäten an den Hochschulen einzurichten und Zigtausende junger Menschen vor verschlossenen Hochschultüren stehen, dann werden sich diese nicht in Luft auflösen. Sie werden Alternativen suchen auf dem Ausbildungsmarkt, auf dem Arbeitsmarkt und anderswo. Und dort werden Sie dann in Konkurrenz treten auch mit denjenigen, die 2013 die Schulen nicht mit dem Abitur, sondern mit einem mittleren Bildungsabschluss verlassen.
Deswegen sind Sie nicht nur gefordert, Herr Minister Pinkwart, sondern die gesamte Landesregierung von Herrn Laumann über Frau Sommer bis zu Frau Thoben und Herrn Linssen.
Gehen Sie die Herausforderungen mit vereinten Kräften an. Lassen Sie die betroffenen jungen Menschen und ihre Familien nicht im Regen oder vor den Hochschultüren stehen. Unser Antrag zeigt auf, was notwendig ist und wie es gehen kann. Jetzt ist es an Ihnen, endlich zu handeln. – Herzlichen Dank.
Danke schön, Frau Dr. Seidl. – Für die Landesregierung spricht nun Herr Minister Dr. Pinkwart. Bitte schön.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir erleben erneut eine Diskussion, in der Sie einen Pappkameraden aufbauen, um ihn dann selbst einreißen zu müssen, weil er jeder kritischen Hinterfragung nicht standhält.
Sie attackieren mich, ich würde eine Garantie aussprechen, und im gleichen Atemzug machen Sie Frau Kollegin Sommer und mich dafür verantwortlich, dass wir Schülerinnen und Schüler verunsicherten, weil wir ihnen keine klare Zukunftsperspektive eröffnen. Sie müssen sich schon entscheiden, was Sie wollen, meine Damen und Herren.
So kann man hier keine politische Debatte führen. So kann man allerdings eines tun: Menschen in diesem Lande verunsichern, und das tun Sie.