Protocol of the Session on November 12, 2008

Innovation durch Investition

Antrag von Rüdiger Sagel (fraktionslos) Drucksache 14/7842

Für die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen erteile ich Herrn Kollegen Priggen das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! In den letzten Wochen haben zwei Fragen die Menschen mit Sorge erfüllt.

(Anhaltende Unruhe – Glocke)

Das waren nicht die Achsen der Deutschen Bahn oder Obamas Wahlsieg in den USA. Die beiden Probleme, um die sich die Diskussion gedreht hat, waren die Finanzmarktkrise sowie die Frage, ob ein Konjunktureinbruch drohe.

(Ralf Witzel [FDP]: Sie haben Frau Ypsilanti vergessen!)

Darum haben Sie sich auch keine Sorgen gemacht.

(Zuruf von der FDP: Die Glaubwürdigkeit der Politik war ein Thema!)

Wir haben viele Themen. Lassen Sie uns über die Bankenkrise und über den Konjunktureinbruch reden sowie über die Rolle der FDP in der Landesregierung, Herr Witzel. Das ist ein lohnendes Thema.

Wir hatten eine Sondersitzung des Plenums am 15. Oktober, beantragt von Grünen und Sozialdemokraten, um über die Finanzkrise zu reden. Wir hatten eine Woche später eine Aktuelle Stunde zu der Frage, was möglicherweise geeignete Maßnahmen sind, um bei einer einbrechenden Konjunktur gegenzusteuern. Wir haben in beiden Sitzungen

nicht herausbekommen, was die Position der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen ist. Wir haben auch nicht im Detail herausbekommen, was die Positionierung der beiden Fraktionen ist, die die Landesregierung tragen.

(Dietmar Brockes [FDP]: Sie haben nicht zu- gehört!)

Doch, wir haben sehr sorgfältig zugehört. Wir haben die Sitzung ja beantragt. Wir haben Sie zur Debatte zwingen müssen. Sie selber hätten sie gar nicht beantragt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die Bundesregierung hat ein Beschäftigungsprogramm aufgelegt, das 16 Punkte umfasst. Dabei geht es um folgende Fragen: Wie bewertet die Landesregierung dieses Programm? Welche Veränderungen möchte die Landesregierung an dem Programm? Wie stellt sich Nordrhein-Westfalen auf die positiven Elemente des Programms ein? In dem Programm der Bundesregierung sind eine Reihe positiver Elemente, die auch in Nordrhein-Westfalen Wirkung entfalten sollten. Wie macht man das im Einzelnen, und was will Nordrhein-Westfalen dazu tun? Was kostet das Programm der Bundesregierung Nordrhein-Westfalen? Die Bundesregierung hat ja die fatale Angewohnheit, die Programme, die sie verspricht, nicht selber zu finanzieren, sondern durch die Länder oder durch die Kommunen finanzieren zu lassen. All diese Frage sind nicht beantwortet worden. Auch wenn man die Presse aufmerksam verfolgt, findet man dort keine Positionierung dieser Landesregierung, auch nicht der Fraktionen von CDU und FDP.

Ich komme zu dem sehr umstrittenen Programm der Steuerbefreiung für zwei Jahre oder wie auch immer beim Neukauf eines Kraftfahrzeuges. Dieser Punkt wurde offensichtlich, wenn man den Zeitungen glauben darf, gestern durch die SPD-Fraktion in Berlin gestoppt. Die Steuerbefreiung soll nun statt für zwei Jahre zunächst einmal nur für ein halbes Jahr gelten. Dann will sich die Regierung weiter verständigen. Allein dies würde, wenn es so umgesetzt würde, wie das Kabinett es beschlossen hat, Nordrhein-Westfalen rund 300 Millionen € kosten. Wie stellt sich diese Landesregierung dazu auf? Während sich der baden-württembergische Ministerpräsident Oettinger in dieser Frage ganz klar geäußert hat, dass es nicht sein kann, dass das von seinem Land bezahlt werden soll, haben wir von der hiesigen Landesregierung nichts dazu gehört.

Die fünf Wirtschaftsweisen haben heute ein vernichtendes Urteil zum Konjunkturprogramm der Bundesregierung veröffentlicht.

(Beifall von den GRÜNEN – Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Hört, hört!)

Der schlimmste Punkt auch aus Sicht der Wirtschaftsweisen ist das Vorhaben bei der Kraftfahr

zeugsteuer. Natürlich deckt sich das, was jetzt von der Bundesregierung gemacht werden soll, also eine Steuererleichterung für kleine Fahrzeuge von 100 € und zum Beispiel für den Audi A8 oder große Geländewagen von bis zu 2.000 €, aus meiner Sicht mit der fatalen Politik, die die Landesregierung in dieser Frage immer vertreten hat. Diese Landesregierung war Schutzmacht auch für großvolumige Autohersteller in Süddeutschland. Sie war nicht Schutzmacht für die Interessen von Ford und Opel in NRW. Das müsste sie aber sein, weil, wenn überhaupt, diese es sind, die kleinere Wagen bauen als die in Ingolstadt, in Untertürkheim oder sonst wo. Das war aber nicht Politik der Landesregierung.

(Beifall von den GRÜNEN –Ralf Witzel [FDP]: Blanker Populismus!)

Wie verhält sich die Landesregierung in dieser Frage? Was möchte sie als Reaktion im Bereich der Autoindustrie? – Herr Witzel, Sie können ja mal für Ihre Fraktion klare Worte zum Konjunkturprogramm sprechen. Ich habe von der FDP nichts dazu gehört.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie sind nicht in der Landesregierung, um hier immer die Komikernummer zu geben und eine Art „Bonsai-Ökonomie“ zu erklären, sondern Sie sind in der Landesregierung, um in diesem Land Verantwortung zu tragen.

(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

Vor dem Hintergrund – das ist die ernste Frage, um die es geht –, dass viele Menschen Angst haben, arbeitslos zu werden, dass viele Menschen Angst haben, die Wirtschaft könnte einbrechen, sind Sie natürlich auch als Fraktion gefragt. Dazu habe ich aber nichts gehört. Und ich habe sehr aufmerksam alles gelesen, was veröffentlicht worden ist.

(Ralf Witzel [FDP]: Wer macht denn ständig Politik gegen die Autofahrer?)

Sie können gleich nach mir gerne reden, Herr Witzel. Ich bin wirklich gespannt, was Sie sagen werden. Ich lasse mir auch noch ein paar Minuten über, damit ich auf Sie reagieren kann.

Sie haben immer gesagt: 39 Jahre hat die SPD regiert. Und 39 Jahre haben Sie gekämpft, um sie abzulösen. Das haben Sie geschafft. Im September waren sie 39 Monate in der Regierung – und Sie sind so was von ausgeblutet, Sie sind erschöpfter, als die Sozialdemokraten es nach 39 Jahren waren.

(Beifall von den GRÜNEN)

Zu dieser für das Land und die Menschen existenziellen Frage ist nichts von Ihnen gekommen. Deswegen bin ich jetzt gespannt. Sie haben jetzt Zeit zu einer Antwort. Bitte reagieren Sie!

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Priggen. – Seinen Antrag begründet als Nächster der fraktionslose Abgeordnete Sagel.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Auswirkungen der Finanzkrise sind gigantisch. Es ist klar, dass wir in einen wirtschaftlichen und konjunkturellen Abschwung auch hier in Europa, in Deutschland und in Nordrhein-Westfalen kommen. Deswegen ist es dringend notwendig gegenzusteuern.

In den USA zum Beispiel wird ein gigantisches Investitionsprogramm aufgelegt. Auch der Nobelpreisträger Krugman sagt: Man braucht ein Innovationsprogramm, ein technologisches Programm, um die Wirtschaft anzukurbeln. – Alle Experten sind sich einig. Selbst aus der Wirtschaft kommt mittlerweile die Forderung, so etwas zu machen.

Vonseiten der Landesregierung ist in der Richtung überhaupt nichts zu erkennen. Auch das, was die Bundesregierung bisher gemacht hat, wird als unzureichend eingestuft.

Ich selber habe einen fünfseitigen Antrag „Zukunftsprogramm für soziale Gerechtigkeit und ökologische Nachhaltigkeit – Innovation durch Investition“ eingebracht. Mir geht es darum, dass wir hier in Nordrhein-Westfalen verstärkt mit Bundesmitteln einiges auf den Weg bringen, was wir bisher nicht gemacht haben.

Die linke Bundestagsfraktion hat einen Antrag für ein Investitions- und Konjunkturprogramm von 50 Milliarden € jährlich gestellt. Wenn man das auf Nordrhein-Westfalen herunterbricht, wäre das eine Größenordnung von ungefähr 12 Milliarden €. Ich denke, dass es sinnvoll ist, mindestens 3 Milliarden € auch in Nordrhein-Westfalen in diese Richtung zu bewegen.

Es wird eine Menge Selbstfinanzierungseffekte geben. Unser Ziel ist unter anderem, Menschen in Arbeit zu bringen. Das würde auch die öffentlichen Kassen entlasten, aber es würde vor allem den Menschen eine Perspektive geben, die in Nordrhein-Westfalen im Moment keine Perspektive haben.

Wir müssen in viele Bereiche investieren, die Infrastruktur erneuern, öffentliche Daseinsvorsorge stärken, soziale Dienstleistungen ausbauen, Bildung und Forschung ausbauen und den ökologischen Umbau vorantreiben. Wir können in NordrheinWestfalen eine Menge tun. Gerade im Ruhrgebiet ist großer Innovationsbedarf vorhanden. Aber natürlich – das ist schon in der vorangegangenen Debatte gesagt worden – fehlt es zum Beispiel mit Blick auf das KiBiz auch in der Kinderbildung, in der Kindererziehung nach wie vor an finanziellen Mitteln. Die Kommunen in Nordrhein-Westfalen sind ziemlich ausgeblutet. Weit über 100 sind nach wie vor in der Haushaltssicherung. Das macht deutlich: Wir

müssen hier in Nordrhein-Westfalen eine Menge mehr machen.

Wenn Sie vonseiten der Landesregierung Milliarden in die WestLB stopfen können und wenn von der Bundesregierung ein 480-Milliarden-€-Paket geschnürt wird, um Banken zu sichern, dann ist es aus meiner Sicht noch viel dringender und notwendiger, hier nachhaltig die Wirtschaft zu stärken und tatsächlich zukunftsfähige Chancen zu sichern. Von daher plädiere ich dafür, dieses Programm auch in Nordrhein-Westfalen umzusetzen.

Vielen Dank, Herr Kollege Sagel. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Weisbrich.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Priggen, der Untertitel Ihres Antrags macht schon deutlich, dass es den Grünen mehr um Klamauk geht als um einen echten Beitrag zur Stabilisierung der Wirtschaft.

(Thomas Eiskirch [SPD]: Ganz im Gegenteil!)

Was soll der Untertitel: „Alle reden von einem Investitionsprogramm und der Kfz-Steuer, nur Ministerpräsident Rüttgers redet von der Schönheit des Zuckerhuts“? Das ist absolut lächerlich. Damit wird man dem Ernst der Situation nicht gerecht.

Der Antrag zeigt aus meiner Sicht aber auch, dass sich die Grünen mit der Problematik wenig befasst haben, nicht zugehört haben oder die Problematik schlicht und ergreifend nicht verstehen.

Aus diesem Antrag ergeben sich drei Diskussionsebenen.

Erstens: die eigenen Vorschläge der Grünen, die immer wieder herausgestrichen werden, Stichwort – so will ich es einmal nennen –: staatliches Lenkungsprogramm zur zwangsweisen Volksbeglückung.