Protocol of the Session on July 25, 2014

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Mich interessiert, welche Berufe, welche Branchen und welche Regionen aktuell und perspektivisch besonders vom Fachkräftemangel betroffen sind und welche dieser Branchen nach Meinung der Landesregierung für den Wirtschaftsstandort Niedersachsen von besonderer Bedeutung sind.

Danke schön. - Ich hätte fast gesagt: Das waren eineinhalb Fragen. - Das waren zwei Fragen.

Herr Minister, bitte!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Aktuell gibt es in Niedersachsen wie auch in Deutschland keinen akuten flächendeckenden Fachkräftemangel - glücklicherweise! Aber darauf können wir uns natürlich nicht ausruhen.

Es gibt jedoch Engpässe bei einzelnen Berufen und in einzelnen Sparten, z. B. bei den technischen Berufen, in Maschinenbau-, Metall- und Elektrotechnikberufen, sowie in Gesundheits- und Pflegeberufen - das ist ein Thema, das uns allen wohl jeden Tag sehr präsent ist -, z. B. bei Humanmedizinern, bei Krankenpflegekräften, aber natürlich vor allen Dingen auch bei Altenpflegekräften. Bezogen auf die genannten Berufsfelder dürften sich bei den für Niedersachsen bedeutsamen Branchen - vor allem Maschinen- und Fahrzeugbau und natürlich das Gesundheitswesen - Engpässe nicht nur abzeichnen, sondern wir haben sie in vielen Teilen schon.

Aktuell sind vor allem die Regionen von Fachkräfteengpässen betroffen, in denen es Vollbeschäftigung gibt. Das ist sozusagen ein großes Problem. Wir haben wirtschaftlich prosperierende Regionen, die sich hervorragend entwickelt haben, wo sich Unternehmen angesiedelt haben und sich erweitern wollen. Aber genau dort stellen wir fest, dass es - weil es keinen Arbeitsmarkt im Sinne von Arbeitssuchenden gibt - dort besonders schwierig wird, Menschen für diese Arbeitsplätze zu finden.

Für Niedersachsen trifft das heute besonders auf den Westen zu, gerade auf das Emsland, die Region Vechta, die Grafschaft Bentheim und die Region Osnabrück, aber auch auf die Umfelder der Ballungsräume Bremen und Hamburg, also Ammerland, Diepholz, Osterholz, Oldenburg, Rotenburg, Harburg. Das sind Bereiche, in denen es äußerst schwierig ist, weil wir dort auf der einen Seite wirtschaftlich gute Positionen haben, auf der anderen Seite aber auch das Umfeld und die Ballungsräume sehr stark anziehen. Aber auch im direkten Umfeld der Stadt Wolfsburg - Gifhorn - besteht eine sehr angespannte Situation.

Das heißt, diese Situation ist noch nicht flächendeckend in Niedersachsen festzustellen. Es besteht eine Verbindung zwischen Vollbeschäftigung und Fachkräftemangel, z. B. im Emsland, wo die Zielbranche Elektrotechnik und Metallverarbeitung vertreten ist, wo Vollbeschäftigung gegeben ist, womit an der Stelle ein erheblicher Bedarf besteht.

Deshalb habe ich vorhin den Hinweis auf die regionalen Fachkräftebündnisse gegeben, mit denen wir ganz gezielt auf diese branchenspezifischen und regionalspezifischen Probleme reagieren können.

Danke schön, Herr Minister. - Die nächste Zusatzfrage stellt der Kollege Schünemann. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sind die 10,6 Millionen Euro für das Programm „Weiterbildung für Personen mit Defiziten beim Lesen und Schreiben“ wirklich zusätzliche Mittel, oder gehen diese zulasten bereits bestehender Erwachsenenbildungseinrichtungen?

Können Sie bei der Durchführung der Maßnahmen sicherstellen, dass tatsächlich keine Parallelstrukturen aufgebaut werden, damit Geld nicht in Verwaltung, sondern tatsächlich in Bildung investiert wird?

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke schön. Auch das waren zwei Fragen. - Die Wissenschaftsministerin beginnt. Frau Dr. HeinenKljajić, bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bitte zu entschuldigen, dass ich nicht ganz von Anfang an mitgehört habe. Wenn ich den Rest der Frage richtig verstanden habe, geht es um die Finanzierung der Maßnahmen zur Grundbildung, zur Alphabetisierung, aus Erwachsenenbildungsmitteln und darum, wie wir sie finanzieren.

(Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta übernimmt den Vorsitz)

Sie werden in den kommenden Jahren aus ESFMitteln finanziert werden, die wir mit Landesmitteln gegenfinanzieren werden, die aus keinem anderen Bereich der Erwachsenenbildung weggenommen werden. - Ich hoffe, das war die Antwort auf die von Ihnen gestellte Frage.

(Zurufe von der CDU: Parallelstruktu- ren! Verwaltung!)

- Parallelstrukturen - zu was?

(Astrid Vockert [CDU]: Verwaltungs- aufbau!)

Würden Sie freundlicherweise die Frage für mich noch einmal stellen? Das wäre sehr nett.

Frau Ministerin, es geht darum, dass bei der Durchführung der Maßnahmen keine Parallelstrukturen aufgebaut werden, wofür Geld für die Verwaltung notwendig wäre. Wichtig ist ja, dass das Geld wirklich in die Bildung investiert wird. Werden jetzt also Parallelstrukturen aufgebaut, weil es sich um ein zusätzliches Programm handelt, oder nicht?

Ich verstehe nicht so recht, wo die Parallelstrukturen aufgebaut werden sollen; denn wir finanzieren zum einen die Grundbildungszentren. Sie stellen keine Parallelstruktur dar, sondern sie haben Bündelungs- und Netzwerkkompetenzen, um die Partner vor Ort zusammenzubringen, die wir brauchen, auch gerade, wenn es um die Ansprache der Klientel geht.

Die Maßnahmen selbst werden von Trägern der Erwachsenenbildung angeboten, sehr häufig z. B. von den Volkshochschulen, aber auch andere Erwachsenenbildungseinrichtungen machen hierfür Angebote. Es soll ja gerade mit den Grundbildungszentren, die die Landesregierung im letzten

Jahr zahlenmäßig aufgestockt hat, sichergestellt werden, dass es eben keine Doppelstrukturen gibt, sondern dass die Mittel, die für dieses Programm eingesetzt werden, wirklich effektiv eingesetzt werden. Vor allen Dingen kommt es darauf an, dass - wenn unterschiedliche Partner bei solchen Projekten involviert sind, z. B. die Arbeitsagenturen - die Kräfte, in dem Falle vielleicht auch die finanziellen Mittel, gebündelt eingesetzt werden, um möglichst viele Menschen mit diesen Programmen zu erreichen und sie natürlich hoffentlich erfolgreich zum Lesen und Schreiben zu führen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Die nächste Frage stellt Herr Kollege Dr. Siemer, CDU-Fraktion. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Genau bei diesem Thema möchte ich noch einmal nachhaken und die Landesregierung fragen, wie sich das neue Programm „Weiterbildung für Personen mit Defiziten beim Lesen und Schreiben“ in die Struktur der 2012 landesweit eingerichteten Grundbildungszentren einfügt, die ja ebenfalls das Ziel haben, die Lese- und Schreibfähigkeiten der in Niedersachsen lebenden Menschen mit Grundbildungsbedarf zu verbessern, und im Hinblick auf die Sie ja gerade erwähnt haben, dass sie eine Aufstockung in der Zahl der Zentren vorgenommen haben.

(Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank. - Es antwortet die Wissenschaftsministerin, Frau Dr. Heinen-Kljajić. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Siemer, wir finanzieren, wie gesagt, weiterhin die Grundbildungszentren. Die zusätzlichen ESF-Mittel - ich glaube, für den Bereich Alphabetisierung stehen 4,6 Millionen Euro zur Verfügung - sollen dann tatsächlich auch in entsprechende Maßnahmen fließen, sodass letztendlich die beiden entscheidenden Probleme gelöst werden können.

Das ist zum einen das Problem der Ansprache der Klientel. Wir haben in Niedersachsen, wenn man

die Bundeszahlen auf Niedersachsen herunterrechnet, glaube ich, mit rund 750 000 Analphabeten oder Menschen, die zumindest eine

Schreib-/Leseschwäche haben, zu rechnen. Die Maßnahmen erreichen gar nicht alle, die sie tatsächlich brauchen. Auch das wird aus diesen Mitteln finanziert werden, wieder Stichwort: Grundbildungszentren.

Es geht in erster Linie darum, die Menschen, die erstaunlicherweise zum Teil sogar eine feste Berufsanstellung haben, die wirklich arbeiten gehen können und Ausweichstrategien entwickelt haben, dass selbst Kolleginnen und Kollegen gar nicht merken, dass sie nicht schreiben und lesen können, zu identifizieren und ihnen Wege anzubieten, damit sie ohne Scham oder Versagensängste tatsächlich auch in solche Maßnahmen hineingehen können.

Das Zweite ist - das, glaube ich, wird auch bei der Zahl 750 000 sehr schön deutlich -, dass wir gar nicht ausreichend Maßnahmen haben, um die Klientel tatsächlich abzudecken. Das heißt, ein Gros der Mittel wird, wenn denn die Anwerbephase hoffentlich erfolgreich ist, auch da hineinfließen müssen, damit wir die Angebote tatsächlich ausweiten können.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Die nächste Frage stellt Herr Kollege Heineking, CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich würde gerne den Fokus auf ein weiteres Programm lenken und habe dazu zwei Fragen. Gab es das Programm „Förderung Regionaler Fachkräftebündnisse“ oder ein Programm mit ähnlichen Schwerpunkten bereits in der vergangenen Förderperiode? Wenn ja, wie war dieses Programm dotiert?

(Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank. - Es antwortet Herr Wirtschaftsminister Lies. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein Programm „Förderung Regionaler Fachkräftebündnisse“ hat es nicht gegeben.

(Karsten Heineking [CDU]: Ein ähnli- ches Programm?)

- Es gab kein Programm „Regionale Fachkräftebündnisse“.

Vielen Dank. - Die nächste Frage stellt Frau Kollegin Polat, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor dem Hintergrund, dass auch die Arbeitsgemeinschaft Migration und Flüchtlinge Teil des Fachkräftebündnisses war und daran mitgewirkt hat, und vor dem Hintergrund dessen, was Sie ausgeführt haben, Herr Minister und Frau Ministerin, dass gerade das Potenzial vieler Geduldeter, Flüchtlinge und Bleibeberechtigten noch ungenutzt ist - viele von den 10 000 Geduldeten sind unter 25; viele davon sind hier geboren -, frage ich die Landesregierung: Wird sie sicherstellen, dass die erfolgreichen Arbeitsprogramme im Rahmen des ESF-Bundesprogramms für Bleibeberechtigte und Flüchtlinge auch in der kommenden Förderperiode fortgesetzt werden?

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. - Es antwortet Herr Innenminister Pistorius. Bitte!

(Dr. Stephan Siemer [CDU]: Endlich der Innenminister!)

Jeder lernt dazu. Ich habe vorher geguckt, wer da sitzt.

(Dr. Stephan Siemer [CDU]: Bei Ihnen überrascht mich das besonders!)