Ich glaube, wir müssen deutlich darüber reden, welche Schulen in den letzten Jahren bei Schulpreisen etc. eigentlich erfolgreich abgeschnitten haben. Wenn man sich die Liste der Schulpreisträger in Deutschland anschaut, kann man das übrigens nicht am Türschild ausmachen, sondern man muss in die Klassenzimmer schauen. Dort haben wir oftmals Teamteaching, wir haben deutlich kleinere Klassen, als wir sie in Niedersachsen gerade an den Gymnasien finden. Dort sind alle Schulformen vertreten.
Das ist doch die spannende Frage: Wann kommt - auch von dieser Landesregierung - endlich mal der Plan, wirklich gute Schule zu machen und alle Schulformen gleichzubehandeln? Wann kommt also der Plan, die Klassenfrequenzen deutlich abzusenken?
Herr Kollege, ich darf Sie kurz unterbrechen. - Herr Strümpel möchte Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen. - Ja!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ihre Anregungen sind ja bislang recht gut. Sind Sie mit mir einig, dass 80 % der Schulen, die den Deutschen Schulpreis gewonnen haben, integrative Ansätze fahren? Sind Sie des Weiteren mit mir einig, dass die Gesamtschulen, die gewonnen haben, auch große Klassen hatten?
Ich bin mit Ihnen einig, dass beispielsweise die IGS Göttingen-Geismar den Schulpreis gewonnen hat. Schauen Sie sich dort um! Ja, die nominelle Klassenfrequenz ist dort entsprechend hoch. Aber wenn Sie sich die Lehrerstundenzuweisung an der
IGS Göttingen-Geismar anschauen, die insbesondere dadurch vervielfacht wird, dass sie ein Konzept der Binnendifferenzierung fährt, diese aber nicht durch die Verkleinerung der Klassen erreicht, sondern durch Doppelsteckung in den Stunden, dann müssten Sie erkennen, dass ich genau darüber gerade geredet habe, nämlich kleinere Klassen in Kombination mit der Doppelbesetzung, mit Teamteching, auch in Kombination mit der Frage der Schulsozialarbeit. Wir sagen: Schulsozialarbeit ist an allen Schulformen notwendig, während Sie Gymnasien kategorisch von Schulsozialarbeit ausschließen.
Das zeigt nämlich ein Dilemma - ebenso wie Ihre Fragestellung -: Sie machen das alles am Türschild der Schule fest. - Ich sage Ihnen: Das muss endlich überwunden werden! Wir müssen darüber reden: Wie groß sind die Klassen? Gibt es Schulsozialarbeit vor Ort, ja oder nein? Wird jungen Menschen, die mit einem riesigen Ballast aus dem Familienhaus in die Schule kommen, in der Schule erst einmal zur Ruhe kommen, ihre Probleme dort erst einmal verarbeiten und sich in der Folge nicht auf den Unterricht konzentrieren können, geholfen? Wie können wir diese jungen Menschen durch Schulsozialarbeit entlasten, sodass sie alle beispielsweise die Chance haben, sich auf den Unterricht zu konzentrieren und zu lernen? - Auch das ist im Übrigen eine Frage von Bildungsgerechtigkeit! Da geht es nicht um den finanziellen Hintergrund des Elternhauses, sondern es geht um diese Frage: Wie schaffen wir Rahmenbedingungen, dass sich alle jungen Menschen auf den Unterricht konzentrieren können? - Das sind die Fragestellungen, die wir beantworten müssen.
Dazu hätte ich mir erwünscht, dass SPD und Grüne den Antrag der CDU als Grundlage verwendet hätten, in diese qualitative Diskussion einzusteigen. Das haben Sie leider versäumt - ebenso wie Sie es versäumt haben, gemeinsam mit uns einen Schulfrieden zu suchen, als wir Ihnen im Frühjahr des vergangenen Jahres das Angebot unterbreitet haben, zu sagen, was genau die Fragen sind, die für einen Schulfrieden in Niedersachsen beantwortet werden sollen. Auch dieses Angebot haben Sie nicht angenommen.
Das zeigt eben, dass es Ihnen nicht um gute Schule geht, dass es Ihnen nicht um die Frage der qualitativ hochwertigen Schulbildung geht, sondern es geht Ihnen darum, durch eine Absenkung des
Leistungsniveaus statistisch dafür zu sorgen, dass Abschlussquoten gesteigert werden, ohne dass das Niveau beibehalten oder gesteigert wird. Es geht Ihnen darum, so viele Türschilder „Gesamtschule“ wie möglich zu montieren. Es geht Ihnen aber nicht um die Frage, wie wir in den Schulen gute Voraussetzungen schaffen. Es geht Ihnen nach wie vor auch darum, mit kleinen Stichen gegen das Gymnasium vorzugehen; denn ansonsten hätten Sie von vornherein die Schulsozialarbeit auch für die Gymnasien ermöglicht.
Was also die FDP getan hat, was also die CDU getan hat, war der Versuch, Ihnen das Angebot zu machen, gemeinsam darüber zu reden: Wie können wir die Bildungsqualität in Niedersachsen verbessern? - Aber ich stelle auch heute fest: Sie haben kein Interesse daran, die Bildungsqualität in Niedersachsen zu verbessern. Ihr Interesse ist einfach, Ihr Wahlprogramm, Ihren Koalitionsvertrag durchzusetzen,
Vielen Dank, Herr Kollege Försterling. - Es folgt für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Julia Willie Hamburg. Frau Hamburg, bitte sehr!
Sehr verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eben schrie Herr Försterling noch über die Bänke: Sie wollten doch nicht den Schulfrieden! - Ich möchte hier mal sagen: Wenn man zuerst zehn Jahre lang dogmatische Bildungspolitik durchgesetzt hat, dann für eben diese Bildungspolitik abgewählt wurde und jetzt sagt: „Jetzt verändert mal nichts, und dann kommen wir zu einem Schulfrieden!“ - das ist doch wirklich absurd! Das können Sie doch nicht ernst meinen.
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Jörg Hillmer [CDU]: Sie bestä- tigen damit, dass Sie keinen Schul- frieden wollen!)
Sie haben natürlich vollkommen recht. Schulen wollen Ruhe. Das ist auch das, was uns die Onlinebefragung gezeigt hat. Das ist das, was uns alle Menschen in diesem Land sagen, wenn wir durch die Schulen reisen: Lasst die Reformen doch bitte einmal wirken! Lasst uns bitte mal unsere Arbeit machen!
Genau das tun wir jetzt. Wir haben 2014 ein wegweisendes Schulgesetz verabschiedet, und das lassen wir jetzt wirken.
Ich stimme ja mit Ihnen überein, Herr Försterling - auch, wenn Sie jetzt weggehen -, dass wir darüber reden müssen, was gute Schulen eigentlich brauchen. Genau das ist die Frage! Alle Ihre einleitenden Aussagen, die Sie hier getroffen haben, kann ich genau 1 : 1 unterschreiben. Lassen Sie uns in die Schulen gehen, die die Schulpreise gewonnen haben! Dann werden Sie sehr schnell merken, dass wir mit unserer Schulgesetznovelle sehr viele Rahmenbedingungen ermöglichen - ich möchte das in Ihre Richtung sagen, Herr Seefried: ermöglichen -, die gerade diese Schulpreisträgerschulen auszeichnen. Genau die Abschaffung der Schullaufbahnempfehlung, genau der Verzicht auf Noten in bestimmten Klassen!
Frau Kollegin, Sie sprachen wiederum die mit dem Deutschen Schulpreis ausgezeichneten Schulen an. Wären Sie bereit, einmal zu erklären, welche Kriterien mit welcher Gewichtung in die Preisvergabe einfließen, und zu sagen, ob auch die Leistungsbewertung und auch die Fähigkeit, ein akademisches Studium aufzunehmen, zu den Kriterien zählen?
Ehrlich gesagt, kann ich das ad hoc nicht. Ich glaube aber auch nicht, dass ich das brauche. Ich weiß nicht, ob Sie dabei waren. Haben Sie die
Schule, die den Schulpreis zuletzt gewonnen hat, besichtigt? - Ich kann Ihnen zumindest von der IGS in Göttingen berichten, die Schulpreisträgerin ist. Dort werden hervorragende Abschlüsse und eine hervorragende Leistungsfähigkeit erreicht; viele der dortigen Schulabgänger nehmen auch ein Studium auf. Aber wissen Sie was? Der Studienzugang ist nicht die einzige Aufgabe für eine Schule. Es gibt diverse Schulen, die gar nicht den Anspruch haben, dass man studieren muss. Meiner Meinung nach müssen Menschen auch nicht studieren wollen und können, sondern sie können auch anders ihre Wege finden. Aber das ist vielleicht eine andere Debatte.
Zurück zu der Frage: Was braucht gute Schule? - Unsere Landesregierung macht genau das! Sie bringt das auf den Weg. Mit dem Schulgesetz hat sie den ersten Schritt getan. Sie hat jetzt den Einstieg in die flächendeckende, landesweite Schulsozialarbeit in Landesverantwortung gebracht. Und sie hat mit der Rückkehr zum G 9 und damit mit der Abschaffung des Turboabiturs genau diese Zeit in die Schulen gebracht, die diese neuen und guten pädagogischen Konzepte überhaupt erst wirken lassen. Also haben wir hier eine qualitative Verbesserung unserer Schulen, die sich sehen lassen kann und die im Übrigen von den Verbänden während der Schulgesetzberatungen ausgiebig begrüßt worden ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit muss es weitergehen. Da kann man auch nicht sagen, der Antrag der CDU sei hierfür eine gute Grundlage. Der Antrag der CDU ist mehr als antiquiert. Ihr Leistungsbegriff ist antiquiert.
Wenn doch schon die Grundlage nicht stimmt, liebe Kolleginnen und Kollegen, wie soll man dann auf dieser Grundlage diskutieren? - Wie Sie Leistung definieren, das ist so etwas von vorgestern! Die Frage der Studienbefähigung hat doch überhaupt nichts mit der Frage zu tun, ob man in der dritten oder vierten Klasse Noten gibt, sondern sie hat etwas mit der Frage zu tun, ob Schülerinnen und Schüler befähigt werden, sich eigenständig Wissen anzueignen und es anzuwenden und damit auch in einem Studium bestehen zu können.
Gerade die Oberstufenreform, die wir auf den Weg gebracht haben, ermöglicht es, dass man sich auf ein Studium vorbereitet. Und genau das haben Sie doch gefordert, Herr Försterling. Die Präsentationsprüfung ist eine gute Möglichkeit, sich auf ein Studium vorzubereiten.
Vor diesem Hintergrund möchte ich noch einmal betonen, dass Ihr Richtungswechsel bestimmt nicht von uns mitgemacht wird - ganz im Gegenteil. Denn wir sind auf einem Weg, der Schulen und damit Schülerinnen und Schüler deutlich fitter macht. Deswegen werden wir Ihren Antrag ablehnen. Rot-grüne Bildungspolitik wirkt. Klar.
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Jörg Hillmer [CDU]: Projekt oh- ne Lehrer? - Jens Nacke [CDU]: Das lassen wir dann mal die Wähler ent- scheiden!)
Vielen Dank, Frau Kollegin. - Die nächste Wortmeldung kommt aus der Fraktion der SPD. Kollege Bratmann, Sie haben noch einmal das Wort. Sie haben noch 3:21 Minuten. Bitte sehr!
Ein kleines Beispiel aus meiner persönlichen Erfahrung als Lehrer - solange ist das noch nicht her; gut dreieinhalb Jahre -: Klasse 12, berufliches Gymnasium, Politikunterricht. Was glauben Sie, wie viele der Schülerinnen und Schüler die Ebene der Landespolitik, den Niedersächsischen Landtag kannten und wussten, wer niedersächsischer Ministerpräsident ist? - Einer wusste das - einer! Und zwei bis drei kannten die Ebene der Landespolitik.
Nun kann man sagen: Die sind alle zu blöd. - Oder: Das ist die Folge davon, dass nicht genug Stoff in den Politikunterricht gepackt wurde. - Es war aber ganz anders. Die Schüler haben das alles hinreichend gelernt und auch Klausuren darüber geschrieben. Sie haben das aber überhaupt nicht verinnerlicht. Das zeigt, dass wir heute ganz andere Lernformen und eine ganz andere Lernatmosphäre brauchen, als Sie sich das vorstellen. Schule funktioniert so nicht mehr.
Möglichst viel Stoff in eine möglichst kurze Unterrichtszeit zu packen und das dann als Bildungserfolg zu verkaufen - so funktioniert Schule nicht mehr; ich habe es schon gesagt. In der Arbeitswelt hat man das längst erkannt, da geht man ganz anders miteinander um. Da geht man auch ganz anders an Themen heran. Eine echte Vorbereitung auf die Arbeitswelt bedeutet, dass Schüler selbstständig lernen, ihren Lernstoff zum Teil mit auswählen können, zum Teil Einfluss auf die Unterrichtungsgestaltung haben und vor allem - das ist eine besondere Leistung - ihren Lernerfolg und ihre Weiterentwicklung selbst bewerten und evaluieren können. Das ist wahre Leistung, die in der Schule passiert.
Frau Bertholdes-Sandrock, um auf Sie einzugehen: Die Lernatmosphäre, die Aktivität der Schülerinnen und Schüler, das Klima, das in der Schule herrscht, und vor allem die Eigentätigkeit der Schülerinnen und Schüler - das sind Kriterien aus der Laudatio der IGS Franzsches Feld, die 2006 den Deutschen Schulpreis gewonnen hat. Die Grundschule Comeniusstraße in Braunschweig ist ebenfalls Gewinner des Deutschen Schulpreises, und in ihrer Laudatio finden sich ähnliche Begrifflichkeiten.
Das macht gute Schule aus, und das steht konträr zu Ihrem Verständnis von Lernen und von Pädagogik, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Ich will am Ende noch etwas Versöhnliches sagen. Da übernehme ich den Job des immer sehr angenehm pastoral auftretenden Heiner Scholing.