Protocol of the Session on September 15, 2016

Ich will am Ende noch etwas Versöhnliches sagen. Da übernehme ich den Job des immer sehr angenehm pastoral auftretenden Heiner Scholing.

(Heinrich Scholing [GRÜNE] lacht)

Ich will ein Angebot machen, das ich wirklich ernst meine, lieber Kollege Försterling - am Anfang dachte ich ja, Sie wären differenzierter unterwegs als Kollege Seefried -, nämlich eine offene und ehrliche Debatte darüber zu führen, was gute Schule ist und welche Voraussetzungen für gute Schule notwendig sind. Diese Debatte müssen wir im Kultusausschuss weiter führen - völlig unbenommen -, aber nicht anhand von ideologisch bedingten Anträgen, die nichts anderes fordern, als dass wir das zurückdrehen, was wir eben gerade beschlossen haben, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Eine ehrliche Debatte darüber, was gute Schule ist, was gute Schule ausmacht und wie wir für unsere Schülerinnen und Schüler in Niedersachsen die besten Voraussetzungen schaffen können, müssen wir weiterführen. Dazu sind wir gerne bereit.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Bratmann. - Müssen wir nach der Einschätzung den Kollegin Scholing jetzt mit „Hochwürden“ anreden? - Sei’s drum.

Jetzt hat das Wort für die Landesregierung Frau Ministerin Frauke Heiligenstadt.

(Ministerin Frauke Heiligenstadt: Herr Präsident, da gibt es eine Kurzinter- vention!)

- Entschuldigung. Wenn das während der Redezeit war, dann ist die Kurzintervention natürlich zulässig.

(Karin Bertholdes-Sandrock [CDU]: Ja!)

Bitte sehr, Frau Bertholdes-Sandrock!

Herr Kollege Bratmann, Sie haben, wie andere Redner auch, gefordert, dass wir uns Gedanken darüber machen sollten, was gute Schule ist.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Rednerin- nen und Redner! So viel Zeit muss sein!)

Dann haben Sie netterweise auch Kriterien genannt; die Kollegin Hamburg war ja vorhin nicht dazu imstande. Sie haben das Klima, die Atmosphäre genannt. Da frage ich erst einmal: Was für ein Klima? Was für eine Atmosphäre? Wie messen Sie das? - Es soll ja auch ein Gutachten sein, das wissenschaftlichen Kriterien - siehe letzter Tagesordnungspunkt - standhält.

Frau Hamburg, Sie haben gesagt - auch Sie, Herr Bratmann, haben das betont -, dass das Abitur nicht einfach nur ein Weg zum Studium ist. Aber welche Schule wenn nicht das Gymnasium soll dann nicht nur die Berechtigung zum Studium ermöglichen, sondern auch Zeugnis von der Befähigung zum Studium ablegen? - Erhalten Sie doch das, was wir in Deutschland haben! Wir haben

nämlich ein leistungsstarkes Schulwesen, und das wollen wir erhalten - nicht jede seiner Formen.

(Zustimmung bei der CDU)

Wenn das nicht mehr vorhanden ist, öffnen Sie einem Privatschulwesen Tür und Tor, bei dem die Chancen der einzelnen Kinder abhängig vom Geldbeutel der Eltern sind. Schauen Sie einmal, wie das im Ausland aussieht! Dann können Sie als SPD Ihr Klientel überhaupt nicht bedienen.

Insofern möchte ich Sie bitten, darüber nachzudenken, ob Sie das alles einfach wegwerfen wollen.

Und zur Präsentationsprüfung: Was soll eigentlich präsentiert werden? Wer legt die Kriterien dafür fest? Kann der Schüler das auch beurteilen? - Es geht doch nicht nur darum, sich irgendwo wie auf einer Bühne zu präsentieren, womöglich noch in Vertretermanier, und dann zu schauen, wer das am allerbesten kann. Sollen damit die normalen Klausurprüfungen abgelöst werden? Wie wollen wir es denn dann hinkriegen, dass es weniger Studienabbrecher gibt? - Es sind doch immer mehr geworden, und es wird noch mehr geben.

Und dann lassen Sie uns einmal auf die guten Schulen in Deutschland eingehen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Herr Bratmann, wollen Sie antworten? - Sie haben ebenfalls 90 Sekunden. Bitte sehr!

Ich mache es auch kurz.

Liebe Kollegin Bertholdes-Sandrock, ich antworte auf Ihre Kurzintervention, obwohl sie sich eigentlich gar nicht an mich gerichtet hat. Ich glaube, sie richtete sich mehr an Kollegin Hamburg. Aber kein Problem!

Ich glaube, es wäre gut, wenn sie einfach mal hospitieren würden. Gehen Sie mal in eine Gesamtschule, und hospitieren Sie dort mal! Sehen Sie sich mal Präsentationsprüfungen an! Denn es wird ja bemerkenswert deutlich, dass Sie ein fehlendes Vertrauen in die Lehrkräfte und die Schülerinnen und Schüler haben.

(Karin Bertholdes-Sandrock [CDU]: Ich war 25 Jahre im Schuldienst!)

Sie wollen Leistung ausschließlich an Klausuren bemessen. Wo werden in der Arbeitswelt Klausuren geschrieben? Wo ist das der einzige Maßstab für Leistung? - Es braucht viel mehr Kompetenzen, und ich glaube, das weiß man nicht erst seit wenigen Jahren, sondern das ist schon länger bekannt. Diese Kompetenzen werden über andere Unterrichtsformen und auch über andere Formen der Prüfungen erkannt. Ich glaube, in dieser Frage sind andere Bundesländer und andere europäische Länder schon viel, viel weiter.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Außerdem lässt sich Leistung nicht immer nur an Zahlen bemessen. Man muss auch keinen minutiös aufgelisteten Kriterienkatalog haben, um zu schauen, was gute Schule ist. Von einer guten Lernatmosphäre bekommt man keinen Eindruck, wenn Kreuze auf Listen gemacht werden und minutiös Kriterien für gute Lernatmosphäre und gutes Lernklima festgelegt werden.

Ich empfehle dringend, einmal zu hospitieren und mal wieder zu schauen, wie Unterricht heute läuft. Das wäre, glaube ich, vonnöten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Jens Nacke [CDU]: Ma- chen Sie nur so arrogant weiter, Herr Bratmann!)

Danke, Herr Kollege. - Jetzt folgt, wie eben schon angekündigt, für die Landesregierung Frau Ministerin Heiligenstadt. Bitte sehr!

(Unruhe)

- Und Ruhe, bitte!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu einigen von den von der CDU im vorgelegten Entschließungsantrag aufgelisteten Einzelpunkten möchte ich zur Verdeutlichung, aber vor allem zur Richtigstellung Folgendes festhalten:

Es wird z. B. behauptet, schulische Leistungsstandards würden in Niedersachsen abgesenkt. Das ist schlicht und ergreifend falsch. Die schulischen Leistungsanforderungen sind in Kerncurricula für alle Fächer und Schulformen festgeschrieben und basieren auf den Vorgaben in KMK-Vereinba

rungen. Niedersachsen beteiligt sich regelmäßig an länderübergreifenden Leistungsüberprüfungen und muss dabei einen Vergleich nicht scheuen.

(Zustimmung bei der SPD)

Zur nächsten Behauptung von Herrn Seefried, das sogenannte Sitzenbleiben sei abgeschafft worden: Mitnichten, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die im Mai dieses Jahres in Kraft getretene Verordnung über den Wechsel zwischen den Schuljahrgängen und Schulformen der allgemeinbildenden Schulen sieht auch weiterhin eine Versetzung, d. h. die Berechtigung zu einem Wechsel in einen nächsthöheren Schuljahrgang oder in den Sekundarbereich II, vor, und zwar aufgrund einer Entscheidung einer Klassenkonferenz. Dementsprechend gibt es natürlich auch nach wie vor Entscheidungen über Nichtversetzungen. Auch da behaupten Sie schlicht und ergreifend Falsches.

Sie haben auch gesagt, wir würden die Notenzeugnisse abschaffen. Im Gegenteil: Wir haben den Grundschulen mit dem Inkrafttreten des neuen Zeugniserlasses lediglich die Möglichkeit eröffnet, in den Schuljahrgängen 3 und 4 alternativ zu Notenzeugnissen Berichtszeugnisse zu erstellen. Im Übrigen machen die Schulen Gebrauch davon.

Oder Sie behaupten, dass das Gymnasium vernachlässigt werde. Auch das ist schlicht und ergreifend falsch. Im Sekundarbereich I der Gymnasien liegt z. B. die Wochenstundenzahl der Fächer im MINT-Bereich sowohl beim alten G 9, beim G 8 als auch beim neuen G 9 weit über den KMKAnforderungen, was die Mindeststundenzahl angeht. Zur Erinnerung, meine Damen und Herren von CDU und FDP: In Ihrem G 8, das Sie zehn Jahre lang verteidigt haben, gab es eine deutlich geringere Wochenstundenzahl in Mathematik und in den naturwissenschaftlichen Fächern als heute.

Die Anzahl der Wochenstunden für die Kernfächer haben wir auch nicht gekürzt, wie Sie immer behaupten, sondern für das Gymnasium gilt, dass die Wochenstundenzahl in Mathematik, in Deutsch und in den Fremdsprachen im Vergleich zum alten G 8 sogar jeweils um zwei Wochenstunden erhöht wurde. Das ist eine weitere Stärkung dieser basalen Fächer.

Auch für die neue Einführungsphase gilt: Wir schaffen nicht die zweite Fremdsprache ab, sondern wir geben den Schulen durchaus auch die Möglichkeit, ein alternatives Angebot zu unterbreiten, und kommen damit auch wieder den individu

ellen Schwerpunktsetzungen der Schülerinnen und Schüler näher.

Ich denke, die Punkte, die Ihrem Antrag zugrunde liegen, entspringen, wie meine Vorrednerinnen und Vorredner schon gesagt haben, eher einem antiquierten Bildungsverständnis, als dass sie tatsächlich sachlich-fachlich berechtigt sind.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Von daher fand ich in der Tat den Ansatz von Ihnen, Herr Försterling - das kann ja durchaus der Beginn einer wunderbaren Freundschaft sein, Herr Försterling -,