Protocol of the Session on December 9, 2005

Ansonsten verweise ich auf den Vorschlag von Herrn Schünemann, der diesem Personenkreis, nämlich jungen ausländischen, in Deutschland lebenden Menschen und jungen Erwachsenen, diese Möglichkeit eröffnet. Ich weiß nicht, ob dieser Vorschlag von Herrn Schünemann konsensfähig ist. Ich habe auch die Ergebnisse noch nicht. Das ist aber eine Regelung, die eine solche Möglichkeit tatsächlich eröffnen würde. Die jetzige gesetzliche Regelung und die angedachten Bleiberechtsregelungen sehen das nicht vor.

Herr Kollege Bartling, bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung, ob sie die Verpflichtung, die aus Artikel 6 des Grundgesetzes - Schutz der Familie - herrührt, bei unterschiedlichen Zuwanderungsgruppen gleich anwendet. Ich frage dies vor dem Hintergrund der Zuwanderung durch Spätaussiedler, bei denen aufgrund des Artikel 6 viele Familienangehörige zuwandern, man hier aber anscheinend nicht bereit ist, Familien zusammen zu lassen. Es gibt bei unterschiedlichen Zuwanderungsgruppen also eine unterschiedliche Bewertung des Artikel 6. Oder geht die Landesregierung davon aus, dass der Grundgesetzartikel in diesen Fällen gleich bewertet wird?

Frau Heister-Neumann, Sie haben das Wort.

Der Unterschied besteht schlicht und ergreifend in den Eingangsvoraussetzungen. Wenn Spätaussiedler hier aufgenommen worden sind, dann gilt das, was Sie gesagt haben. Bei der Regelung für ausländische Asylbewerber gilt das erst bei der Feststellung der Berechtigung dieser Asylanträge bzw. ihres Aufenthaltsrechts. Dann allerdings ist alles gleich. Vorher haben wir rechtsstaatlich tatsächlich andere Ausgangsvoraussetzungen. Herr Bartling, erster Schritt: unterschiedliche Eingangsvoraussetzungen und deshalb auch unterschiedliche Behandlung. Zweiter Schritt: alle gleich.

(Zustimmung bei der CDU - Dr. Ha- rald Noack [CDU]: War Herr Bartling nicht einmal Innenminister?)

Frau Langhans, Ihre zweite Zusatzfrage, bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung: Hält sie es in einem Rechtsstaat für gerechtfertigt, dass den Familien, die eine Lebensperspektive für sich und ihre Kinder suchen, die Inanspruchnahme aller Rechtswege vorgehalten bzw. vorgeworfen wird?

Frau Heister-Neumann!

Unser Rechtssystem steht allen in dem Umfang zur Verfügung, wie wir es bieten, und kann auch in Anspruch genommen werden. Das ist ganz klar.

Wir haben heute eine etwas andere Situation als vor - sagen wir einmal - zehn Jahren. Frau Langhans, vor zehn Jahren musste man sich auf diese Verfahren erst einstellen. Damals gab es ein sehr großes Volumen an diesen Verfahren, und deshalb habe sie sehr lange gedauert. Das war vom Verfahrensweg her sehr problematisch.

(Zuruf von Filiz Polat [GRÜNE])

- Eben nicht. - Wenn man das mit den Rechtsmitteln ausgeschöpft hatte, dann war eben der Weg

von A bis Z so lang. Deshalb gab es diese allgemeinen Bleiberechtsregelungen - das war genau der Grund. Man hat gesagt: Man kann diesen Menschen, die diesen Weg beschritten haben, nicht vorwerfen, dass dieser Weg so lange dauert, sondern die Verfahren waren so schwierig.

(Zuruf von Filiz Polat [GRÜNE])

- Liebe Frau Polat, ich habe eben gesagt: Das war zu einem Zeitpunkt von vor zehn Jahren. In der Zwischenzeit hat sich die Situation geändert. Es ist nachweisbar, dass die Verfahren sehr viel kürzer geworden sind. Wir haben im Durchschnitt einen Zeitraum von einem halben Jahr bis zu 21 Monaten, in dem quasi in letzter Instanz feststeht, wie das Ergebnis aussieht. Das ist ein Zeitraum, der nicht mehr diese Folgen nach sich zieht, also viele Jahre Eingewöhnung, und dann tritt quasi der Härtefall ein, und man weist die Menschen wieder zurück. In den letzten zehn Jahren hat sich Grundlegendes geändert. Deshalb ist die Situation nicht vergleichbar.

Frau Kollegin Merk, zu Ihrer zweiten Zusatzfrage!

Frau Ministerin, der Vorschlag des Innenministers, den Sie vorgetragen haben, lautet: ab 15 Jahren aufwärts bis zum 21. Lebensjahr die Option, 15bis 18-Jährige benötigen einen Vormund, und 15bis 18-Jährige können nicht alleine leben. - Wer soll die Vormundschaften, die dann in dieser Zahl anfallen werden, übernehmen, und inwieweit fallen für die Kommunen oder für wen auch immer Kosten an, weil nicht alle Verwandte hier leben haben?

Frau Ministerin, bitte!

Es ist richtig, dass Minderjährige eine gesetzliche Vertretung benötigen, und das muss geregelt werden. Das gehört mit zu diesem Abstimmungsprozess innerhalb der Familien, der vor dieser Möglichkeit steht.

Ich möchte Ihnen zur Klarheit etwas vorlesen, nämlich § 37 des Aufenthaltsgesetzes. Ich habe darauf hingewiesen, seit wie vielen Jahren diese

Regelung Bestand hat und dass sie sich - sonst wäre sie mit Sicherheit abgeschafft worden, meine Damen und Herren - auch bewährt hat. In § 37 steht:

„... der Antrag auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach Vollendung des 15. und vor Vollendung des 21. Lebensjahres sowie vor Ablauf von fünf Jahren seit der Ausreise gestellt wird.“

Ich will Ihnen nicht den ganzen Paragrafen vorlesen. Ich wollte Ihnen nur sagen, dass es diese Regelung gibt, dass sich diese Regelung bewährt hat und dass im Rahmen dieses Antrages all die Dinge geklärt worden sind, von denen Sie gesprochen haben. Das müssen und werden auch nicht die Behörden sein, sondern es geht darum, ob im weiteren Umfeld dieser Familien andere Angehörige vorhanden sind, auf die zurückgegriffen werden kann.

(Heidrun Merk [SPD]: Wenn keine Angehörigen da sind, habe ich ge- fragt!)

Herr Kollege Wenzel, zu Ihrer zweiten Zusatzfrage!

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Ich ziehe zurück!)

- Die Wortmeldung wird zurückgezogen. - Frau Kollegin Steiner, bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Ministerpräsident hat eben angeregt - wir hatten in den letzten Monaten hier im Parlament Fälle diskutiert, in denen Kinder, die 14, 15, 16 oder 17 Jahre alt waren, die hier geboren wurden, die hier sozialisiert sind und hier ihre Heimat haben -, verantwortungsvolle Eltern hätten ja, wahrscheinlich vorausschauend im Hinblick auf eine mögliche Abschiebung - -

Frau Steiner, Sie müssen eine Frage stellen!

Er hat angeregt, dass die Eltern in verantwortungsvoller Weise den Kontakt zu der Kultur des Heimatlandes halten könnten. Ich frage Sie: Wie habe ich mir das vorzustellen? Wie soll so etwas funktionieren? - Nehmen wir als Beispiel den Tschad, wo Bürgerkrieg herrscht. Wie sollen Eltern, die von dort geflohen sind, zusammen mit ihren Kindern über 15 Jahre hinweg eine kulturelle Verbindung zu einem solchen Bürgerkriegsland aufrechterhalten, damit sie, wenn sie abgeschoben werden, gleich wieder Kontakt aufnehmen können? - Das ist doch absurd!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der Ministerpräsident ist nicht da. Deswegen haben Sie, Frau Heister-Neumann, das Wort.

Frau Steiner, ich glaube, das ist nicht absurd. Man kann erwarten und durchaus verlangen - auch im Interesse des Kindes -, dass Eltern mit den Kindern z. B. die Sprache am Leben erhalten. Dies muss möglich sein. Wir haben oft vorgetragen bekommen, dass diese Kinder und Jugendlichen auch deshalb nicht nach Hause gehen können, weil sie nicht einmal mehr die Sprache beherrschen. Ich muss Ihnen sagen: Ich würde mit meinem Kind im Ausland immer wieder meine Muttersprache sprechen, um die Möglichkeit zu haben, die kulturelle Verbindung nach Hause aufrechtzuerhalten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Kollege Albers, bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung: Wie vereinbaren sich der Vorschlag des Innenministers, dass integrierte Kinder und Jugendliche hier zu belassen sind, und die Äußerung des Ministerpräsidenten, dass der Schutz der Kinder und Jugendlichen vorgeht, mit der aktuellen Realität, dass nämlich die Landesregierung derzeit darauf besteht, dass Kinder und

Jugendliche, die hier in Niedersachsen zu Waisen geworden sind, abgeschoben werden sollen?

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Was war die Frage?)

Herr Albers, vielleicht bringen Sie Ihre Frage etwas knapper zusammengefasst auf den Kernpunkt!

Selbstverständlich, Frau Präsidentin. - Auf der einen Seite gibt es die Aussage, der Schutz der Kinder gehe vor, und den Vorschlag des Innenministers, Kinder und Jugendliche, die hier integriert seien, hier zu behalten.

(Zuruf von Hans-Christian Biallas [CDU])

- Ich soll das wiederholen, und zwar ausführlich, Herr Biallas. - Auf der anderen Seite haben wir derzeit die Situation, dass Kinder und Jugendliche, die in Niedersachen zu Vollwaisen geworden sind, laut Aussage des Ministeriums abgeschoben werden sollen, obwohl sie hier gut integriert sind und zum Teil Schulabschlüsse haben. Wie vereinbart sich das miteinander?

Jetzt haben wir das verstanden. - Frau Ministerin Heister-Neumann, bitte!

Herr Albers, die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat eine Dringliche Anfrage vor dem Hintergrund der allgemeinen Bleiberechtsregelung, der Stichtagsregelung und des Umgangs in diesem Bereich eingebracht. Ich sage einmal: Das sind generelle Regelungen auf der Grundlage der jetzigen Rechtslage. Was Sie angesprochen haben, sind Einzelfälle vor dem Hintergrund der geltenden Rechtslage. Vor dem Hintergrund der geltenden Rechtslage haben wir mit diesen Einzelfällen umzugehen. Das ist dann im Rahmen der Härtefallregelung zu bearbeiten und letztendlich zu entscheiden. So sieht das aus. Wir haben eine allgemeine Bleiberechtsregelung nach Stichtagen für die Vergangenheit, wir haben Bleiberechtsregelungen für besondere Personengruppen, und wir haben Härtefallregelungen. Die Fälle, die Sie angesprochen

haben, sind nach der geltenden Rechtslage nur unter diesem Gesichtspunkt zu prüfen. Das tut mir furchtbar Leid. Wenn Sie Herrn Schünemann bei seinem Vorgehen unterstützen würden, dann könnten wir vielleicht in diesem Fall zu anderen Regelungen kommen.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Bachmann!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nachdem der Herr Ministerpräsident - gestatten Sie mir vorweg diese Feststellung - die Debatte mit der Feststellung bereichert hat, wie er damit umgehen würde, wenn er mit seinen Kindern im Ausland wäre und nicht wüsste, ob er auf Dauer bleiben kann, hat er es vorgezogen, an der weiteren Behandlung der Dringlichen Anfrage nicht mehr teilzunehmen. Ich finde das schon sehr merkwürdig. Ich darf das vorweg einfach so feststellen.

Das ist eine Feststellung und keine Frage. Vielleicht kommen Sie jetzt zu Ihrer Frage.

Ich komme jetzt zu meiner Frage: Aufgrund der Aussagen des Ministerpräsidenten hat die Kollegin Steiner eine sehr konkrete Nachfrage gestellt, nämlich wie er es sich vorstellen kann, Kontakt in das Heimatland der Eltern aufrechtzuerhalten - im Regelfall kennen es die Kinder und Jugendlichen gar nicht, weil sie es kurz nach der Geburt verlassen haben oder hier in Deutschland geboren worden sind -, wenn dort Verfolgung und Bürgerkrieg herrschen, sodass keine Möglichkeit besteht, Kontakte in dieses Land zu halten. Das soll bisher die Grundlage der Erörterung in der Landesregierung gewesen sein.