Protocol of the Session on June 23, 2005

Ich bin dezidiert nicht der Meinung, dass wir Personal mit langjähriger Verwaltungserfahrung in den Ruhestand schicken sollen und gleichzeitig Neueinstellungen vornehmen können. Ich finde, dass das keine redliche Forderung in diesem Antrag ist. Wenn wir von der unseligen Frühverrentungspraxis weg wollen und auch von dem Unsinn, über den wir heute geredet haben, nämlich Scharen von Beamten nach § 109 des Beamtengesetzes in den Ruhestand zu schicken, wenn wir eine gut arbeitende Justiz haben wollen und wenn wir wieder ansatzweise auf ausgeglichene Haushalte zukommen wollen, dann muss uns beides gelingen: Rekrutierung aus der Bezirksregierung, aber auch eine vernünftige Ausstattung der Justiz. Die SPD kann im Übrigen, wie ich finde, nicht einerseits die

Abschaffung der Bezirksregierung beweinen und auf der anderen Seite lauthals beklagen, dass zu viele Beamte in den Ruhestand geschickt werden, gleichzeitig aber Neueinstellungen fordern. Das passt nicht zusammen, meine ich. Uns muss beides gelingen: eine gute Ausstattung der Justiz und eine professionelle Weiterqualifizierung der Landesbeamten. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Jetzt hat Herr Lehmann von der FDP-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst eine ganz kurze Anmerkung zum Beitrag vom Kollegen Briese. Ich habe eben die Logik nicht verstanden. Wenn einerseits gesagt wird, wir müssten keine große Justizreform machen, weil in der Justiz alles gut sei, Sie aber andererseits selbst sagen, es sei nicht alles gut, dann heißt das für mich im Umkehrschluss: Dann müssen wir gerade eine große Justizreform machen. Sie wollen das aber nicht. Das passt irgendwie nicht!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zuruf von Ralf Briese [GRÜNE])

Zum Kernproblem dieses Antrages, nämlich die Weiterbeschäftigung der Justizanwärterinnen und Justizanwärter zu sichern, hat die Ministerin ausführlich dargelegt,

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

dass es gelungen ist, die Weiterbeschäftigung in der Justiz im großen Umfang zu sichern. Es ist meiner Meinung nach besonders bemerkenswert - das muss man sich vor Augen halten -, dass es gelungen ist, das Ganze in Konsens mit der Personalvertretung hinzubekommen. Wer das erreicht hat, dem muss man wirklich bestätigen: Hier sind gute Arbeit geleistet und Vertrauen in die Justiz geschaffen worden.

(Zustimmung von Dr. Harald Noack [CDU])

Der andere Bereich dieses Antrages befasst sich mit der Sicherung der Beschäftigung in der Justiz, damit sie arbeitsfähig bleibt. Hier kann man meiner Meinung nach sagen: Es wird in der Justiz das gemacht, was möglich ist. Zum einen wird überob

ligatorisch gearbeitet, zum anderen wird durch die rechtzeitige Anmeldung von Stellen und über die Vermittlung durch die Jobbörse versucht - das ist uns schon dargestellt worden - zu erreichen,

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

dass zusätzliches Personal in der Justiz arbeiten kann. Dort hat sich das Justizministerium - danach hatte ich mich erkundigt - vorbildlich verhalten und seinen Bedarf rechtzeitig angemeldet, um für diesen Bereich die besten Mitarbeiter für die Justiz gewinnen zu können.

Herr Lehmann, warten Sie bitte ein bisschen, bis es leiser wird. - Liebe Kolleginnen und Kollegen, es muss hier etwas leiser werden. - Danke schön. Herr Lehmann, Sie können fortfahren.

Danke. - Hieran sieht man, wie gut die Exekutive - in dem Fall das Justizministerium - arbeitet. Von daher müssen wir uns um die Justiz weniger Sorgen machen. Ich geben Ihnen aber in der Tendenz insofern Recht, als wir dafür sorgen müssen, dass wir die Justiz möglicherweise nicht mit Sachen überfrachten, die nichts mit der Justiz zu tun haben. Deshalb denken wir über eine Justizreform nach. Außerdem darf es nicht zu einer Ausdünnung des Personals durch die kalte Küche kommen. Da werden wir alle sicherlich aufpassen müssen. Es bleibt aber dabei: Der Finanzrahmen des Landes ist beschränkt. Deshalb müssen wir erst einmal an dem Status quo festhalten und bestrebt sein, ergänzende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem frei werdenden Personal zu bekommen. Ich meine, dass die Justiz dann noch gut aufgestellt ist. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Wir kommen deswegen zur Abstimmung.

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen! - Stimmenthaltungen? Das ist dann so beschlossen.

Wir gehen jetzt in die Mittagspause. Die Pause dauert bis 14.30 Uhr, also eine Stunde. Guten Appetit!

Unterbrechung: 13.24 Uhr.

Wiederbeginn: 14.31 Uhr.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die Sitzung nach der Mittagspause wieder und erteile Frau Helmhold das Wort zur Geschäftsordnung.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am gestrigen Tage kam es im Rahmen der Behandlung des Tagesordnungspunktes Nordhorn-Range zu einem Debattenbeitrag meiner Kollegin Frau Steiner, aus dem ich zitieren möchte, insbesondere was die Zwischenrufe angeht. Es geht hierbei um einen Bombenabwurfplatz.

„Ich“

- also Frau Steiner

„stand jedenfalls schon 1977 dort.

(Bernd Althusmann [CDU]: Schade, dass da keine Bomben gefallen sind!)

Jahrzehntelang hat die Bevölkerung der Region Grafschaft Bentheim/Emsland unter der Belastung durch die Tiefflug- und die Bombenabwurfübungen gelitten; erst durch die Royal Navy, dann durch die Bundeswehr.

(Bernd Althusmann [CDU]: Damals waren die noch nicht so treffsicher!) “ Meine Damen und Herren, dies ist eine unglaubliche Verfehlung. Ich finde, sie ist um so schwerer wiegend, als nicht irgend jemand dies gesagt hat, sondern ausgerechnet der Parlamentarische Geschäftsführer der Regierungsfraktion CDU. Noch heute Morgen hat ausgerechnet Herr Althusmann uns über das angemessene Verhalten im Parlament und das Ansehen des Parlaments belehren wollen. Ich verlange, dass dieser Vorgang im Ältestenrat behandelt wird. (Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Ebenfalls zur Geschäftsordnung Herr Althusmann. Bitte!

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In der etwas aufgeladenen Debatte des gestrigen Tages mag das mit Nordhorn-Range so gefallen sein. Ich entschuldige mich ausdrücklich dafür. Es war nicht gegen die Abgeordnete gerichtet. Es war eher scherzhaft gemeint. Aber sollte es missverstanden worden sein, nehme ich das mit Bedauern zurück. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Hans-Jürgen Klein [GRÜNE]: Wie kann man so etwas missverstehen?)

Frau Helmhold, halten Sie nach der Entschuldigung von Herrn Althusmann Ihren Antrag auf Behandlung im Ältestenrat aufrecht?

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Ja!)

- Gut. Dann lasse ich darüber abstimmen. Wer der Meinung ist, das sollte im Ältestenrat behandelt werden - -

(Zuruf von den GRÜNEN: Muss das abgestimmt werden?)

- Nicht? - Gut. Dann wird das so an den Ältestenrat weitergegeben und in der nächsten Sitzung behandelt.

Wir kommen nunmehr zu

Tagesordnungspunkt 32: Zweite Beratung: Den Bürgern den unbürokratischen Rechtsschutz zurückgeben - Das Widerspruchsverfahren wieder einführen - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/1904 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Rechtsund Verfassungsfragen Drs. 15/2036

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen. Ich erteile Frau Bockmann für die SPD-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor der Mittagspause haben wir heute von der Justizministerin gehört, dass die Beschränkung der Justiz auf die Kernaufgaben der richtige Weg sei. Hier haben wir genau das Gegenteil, weil durch die Abschaffung der Widerspruchsverfahren bei der Justiz eindeutig draufgesattelt wird. Deshalb haben wir heute erneut einen Widerspruch auf der Tagesordnung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, vom newsclick des Braunschweiger Zeitungsverlags vom 12. April 2005 zu zitieren:

„Eine Klagewelle rollt seit Jahresbeginn auf das Verwaltungsgericht in Braunschweig zu. Nach der weitestgehenden Abschaffung der Widerspruchsverfahren in Niedersachsen ist die Zahl der eingegangenen Klagen um 45 % gestiegen. Das teilte Dr. Thorsten Baumgarten, Sprecher des Verwaltungsgerichtes Braunschweig, mit.“

Die Zahl der Rechtsstreitigkeiten um BAföG hat sich annähernd verdoppelt, die Zahl der Klagen um die Befreiung von Rundfunkgebühren verdreifacht, und das noch vor dem 1. April, also vor der Änderung des Rundfunkstaatsvertrages.

Im Verkehrsrecht, worunter auch die Aufhebung der Fahrerlaubnis fällt, verzeichnen die Verwaltungsrichter eine Steigerung der Zahl der Klageund Eilverfahren um 75 %.

„Diese erhöhten Eingangszahlen“, so der Verwaltungsrichter Baumgarten, „entfallen ausnahmslos

auf Rechtsgebiete, in denen das Widerspruchsverfahren abgeschafft wurde.“

Die Justizministerin bietet für die Lösung dieses Problems in der Öffentlichkeit eine ausgesprochen kostenintensive Variante an. Im Haushaltsplan 2005, so die Justizministerin, sei die Möglichkeit vorgesehen, bei den Verwaltungsgerichten zwölf neue Richterinnen oder Richter einzustellen. So jedenfalls entnehmen wir das der NWZ vom 13. März 2005.

Diese Beruhigungspille für die interessierte Öffentlichkeit wird aber nicht in die Realität umgesetzt. Die versprochenen zwölf Richter tauchen nirgendwo an den Verwaltungsgerichten auf. Bei dieser Beruhigungspille handelt es sich aber noch nicht einmal um ein Placebo. Denn was passiert mit den Verwaltungsgerichten, bei denen die Eingangszahlen steigen und auf die eine Klagewelle zukommt? - Die Ministerin legt nicht nur die Hände in den Schoß, sondern sie zieht Richterstellen ab. Im ersten Quartal 2005 standen den Verwaltungsgerichten in Niedersachsen fünf Richter weniger zur Verfügung als im Jahresdurchschnitt 2004. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein solcher Umgang mit der Justiz ist unwürdig.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)