Meine Damen und Herren, es geht um die Frage, ob die europäische Politik umgestaltet und umstrukturiert werden kann.
Es geht um die Frage, ob wir uns mit der europäischen Politik auf das konzentrieren, was die europäischen Regierungschefs als einen wichtigen Meilenstein zur Fortentwicklung in Lissabon diskutiert waren. Keiner von Ihnen war bereit, darüber zu reden.
Sie wollen offensichtlich, dass es in Europa so weiter geht, und das geschieht zulasten Niedersachsens. Es geschieht zulasten strukturschwacher Regionen, und dazu gehört Niedersachsen, meine Damen und Herren.
Wir sind als attraktive europäische Region von industriepolitischen Entscheidungen der Europäischen Kommission stark betroffen. Europäische Industriepolitik wird im Wesentlichen unter Marktgesichtspunkten diskutiert, sie würde im Wesentlichen von Herrn Bolkestein formuliert, und über die regionalwirtschaftliche Bedeutung von Industriepolitik als Wirtschaftsfaktor würde nicht diskutiert. Das macht deutlich, was ich meine. Wir müssen den Europäern z. B. deutlich sagen, dass unser Volkswagengesetz und unsere regionale Wirtschaftspolitik nicht gegen Wettbewerb gerichtet sind, sondern dass unsere Anstrengungen darauf gerichtet sind, die Wettbewerbssituation zu stärken und damit schwache Regionen nach vorne zu bringen. Das wäre Aufgabe von Politik, aber nicht Verweigerung der Diskussion, meine Damen und Herren.
Es gibt eine ganze Reihe von Punkten, über die wir uns meines Erachtens viel intensiver hätten unterhalten müssen. Die Redezeit reicht leider nicht aus, alle Punkte aufzuzählen.
- Ja, das mag sein. Sie sind erwischt worden und haben Angst davor, dass das publik wird. Sie sind als Europäer gescheitert und wollen dieses Scheitern hier nicht eingestehen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD - Lachen bei der CDU - David McAllister [CDU]: Jeder öffentliche Auftritt von Ihnen hat uns 30 000 Stimmen gebracht!)
Wir werden nicht müde werden, Herr Zwischenrufer, Sie zu dieser Diskussion zu zwingen. Wenn Sie sie im Ausschuss verweigern, werden wir Sie in öffentlicher Diskussion dazu zwingen. Dazu gibt es viele Gelegenheiten. Packen Sie sich warm ein, Herr Kollege.
Meine Damen und Herren, von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich Frau Kollegin Langhans zu Wort gemeldet. Bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Plaue, „gut gebrüllt, Löwe!“, kann man dazu nur sagen.
Es ist in der Tat so, dass der Antrag, über den wir heute sprechen, aus dem Mai stammt. Die zeitliche Nähe zur Europawahl lässt sich nun wahrhaftig nicht leugnen, genauso wenig wie die Vermutung, der Zeitpunkt sei bewusst gewählt worden. Unter diesem Gesichtspunkt hat Ihr Antrag eigentlich seine Aktualität im Wesentlichen verloren.
Überdies ist der Antrag mit einem wunderschönen Blumenstrauß zu vergleichen. Ich glaube, so habe ich mich auch im Ausschuss dazu geäußert. Viele der Blumen sind bereits verblüht - Stichworte „Verfassung“ und „Superkommissar“ -, andere sind bereits geknickt, weil sie sich durch andere Anträge erledigt haben - Stichwort „Strukturförderantrag“.
Übrig bleiben ein paar Blumen, die uns länger erhalten bleiben; das ist in der Tat richtig. Ich nenne die Stichworte „Daseinsvorsorge“, „Forschung und Entwicklung“ und „Beitritt der Türkei“. Alle diese Themenbereiche sind jedoch viel zu bedeutsam, um sie mit einem Spiegelstrich abzuarbeiten.
Insgesamt ist der Strauß so gut wie verblüht. Die verbliebenen Blumen haben ganz eindeutig mehr Beachtung verdient, als sie sie in Ihrem Antrag finden. So wie in diesem Antrag können Sie mit derart wesentlichen und wichtigen Themenbereichen nicht umgehen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Plaue, Frau Langhans hat ja schon deutlich gemacht, dass es hier um einen völlig veralteten Antrag geht. Glauben Sie wirklich, dass der Ministerpräsident wegen dieses Antrags auf die Aufsichtsratssitzung bei VW, die für Niedersachsen so im
Meine Damen und Herren, dieser Antrag ist vor der Europawahl gestellt worden, und in diesem Zusammenhang müssen wir hier doch einmal feststellen: Die Wählerinnen und Wähler in Niedersachsen haben den Koalitionsparteien von CDU und FDP in großem Maße ihr Vertrauen geschenkt. Und das ist gut so.
Diese Regierungskoalition ist jetzt mit sechs hoch qualifizierten Abgeordneten in Brüssel vertreten, an der Spitze Professor Dr. Hans-Gert Pöttering, der zu den absoluten Top Ten in Brüssel überhaupt gehört.
Herr Plaue, in einem Punkt gebe ich Ihnen selbstverständlich Recht: Der Ministerpräsident hat sich wirklich in die Europapolitik reingekniet, und er hat in diesem Bereich Erfolge vorzuweisen. Das wissen wir. Die Wählerinnen und Wähler sehen das auch so. In deren Augen ist die CDU mit ihrem Ministerpräsidenten Christian Wulff die Europapartei in Niedersachsen.
Meine Damen und Herren, wir brauchen wirklich nicht die Nachhilfe der Opposition und schon gar nicht den Inhalt Ihres Antrages. Ich werde an drei Beispielen erläutern, wie falsch Sie mit Ihrem Antrag liegen.
Beispiel Nr. 1: Die SPD möchte, dass wir die Position der Bundesregierung hinsichtlich der künftigen EU-Förderprogramme unterstützen. So steht es in Ihrem Antrag. Zu diesem Thema hat uns unsere Landtagsverwaltung vor drei Wochen in einem schriftlichen Bericht Folgendes mitgeteilt: Der Bund nimmt in Kauf, dass die strukturschwachen Regionen in den westdeutschen Ländern als jetzige ZielII-Empfänger weitgehend aus der künftigen Förderung herausfallen werden. Dies hat dem gesamten Ausschuss am 31. August dieses Jahres schriftlich vorgelegen. Sie haben das nicht moniert, obwohl es sich diametral zu Ihrem Antrag verhält. Auch dies zeigt, dass Sie eigentlich gar nicht wissen, was Sie wollen, und dass Sie uns falsche Ratschläge geben.
Meine Damen und Herren, Beispiel Nr. 2: Sie als SPD-Fraktion fordern in Ihrem Antrag, Beitrittsverhandlungen mit der Türkei zu führen. Dabei müsste Ihnen doch klar sein, dass in der Vergangenheit ein Staat bislang immer der EU beigetreten ist, wenn erst einmal mit ihm Beitrittsverhandlungen aufgenommen worden waren. Es ist nie zu einem anderen Ergebnis gekommen. Deshalb, meine Damen und Herren, müssen wir uns damit auseinander setzen, was denn ein Beitritt der Türkei für uns in Deutschland und für uns in Niedersachsen bedeuten würde. Dazu zitiere ich zunächst einmal die EU-Kommissare Bolkestein und Fischler, die sich in der letzten Woche sehr kompetent dazu geäußert haben. Frits Bolkestein sagte: Nach dem Beitritt der Türkei kann die EU die bisherige Agrar- und Regionalpolitik nicht einfach fortsetzen wie gehabt. Europa würde implodieren. - Frits Bolkestein muss es wissen.
Agrarkommissar Franz Fischler hat zu diesem Thema vor zehn Tagen gesagt: Mit jährlichen Zahlungen von über 11 Milliarden Euro, die dem Beitrittsland Türkei dann jährlich zustehen würden, würde die Mitgliedschaft der Türkei den EUHaushalt mehr belasten als alle zehn neuen Beitrittsländer zusammen. - Meine Damen und Herren, das sind die harten ökonomischen Fakten, mit denen Sie sich einmal auseinander setzen sollten.
Dann kommt ein Aspekt, der für Sie wahrscheinlich neu ist, der aber eigentlich noch viel gravierender ist. Meine Damen und Herren, schauen Sie einmal in die türkische Verfassung. Eine Vollmitgliedschaft der Türkei würde bedeuten, dass wir uns mit dem Thema auseinander setzen müssten, dass alle sunnitischen Angehörigen von Türkvölkern in Mittelasien nach der türkischen Verfassung ein Aufnahmerecht in der Türkei und damit auch in der EU haben.
Was bei uns die Russlanddeutschen sind, sind also für die Türken die Türkvölker. Es geht dabei um über 10 Millionen Menschen aus dem mittelasiatischen Raum, meine Damen und Herren. Das ist ein Argument, das wirklich nicht wegzudiskutieren ist. Diese Menschen hätten das Recht, irgendwann auch hier bei uns aufzutauchen.
2,5 Millionen Türken aus der jetzigen Türkei nach Deutschland einwandern würden. Dies würde eine Verdopplung der jetzt schon vorhandenen türkischen Bevölkerung in Deutschland bedeuten.
Meine Damen und Herren, damit übernehmen wir uns. Deshalb finden wir es goldrichtig, dass Angela Merkel in diesen Tagen die Regierungen in Europa bittet, das gesamte Thema tief gehend zu eruieren und die Entscheidung über mögliche Beitrittsverhandlungen zu überdenken. Das Thema „privilegierte Partnerschaft“ wäre hier genau richtig.
Drittens. Warum sagt die SPD in ihrem Antrag eigentlich gar nichts zu dem Bereich, der für Niedersachsen besonders wichtig ist, nämlich zu dem Bereich der Agrarwirtschaft und der Ernährungsindustrie?