Protocol of the Session on September 16, 2004

(Glocke des Präsidenten)

Nahezu täglich erreichen uns besorgte Anfragen von Arbeitnehmern in der Zuckerindustrie und von Landwirten. Die Verantwortlichen sagen uns: Wenn das umgesetzt werden wird, was jetzt in Rede steht, dann geht es in Niedersachsen um über 20 000 Arbeitsplätze allein in dieser Branche, meine Damen und Herren.

Herr Kollege, ich muss Ihnen leider sagen, dass Ihre Redezeit schon lange abgelaufen ist.

Hier stehen noch 1:30 Minuten.

Wir haben zwei Minuten nicht mitgemessen. Das ist das Problem.

Ich komme zum Schluss. - Auch bei diesem Thema empfehlen Sie uns, wir sollten auf die Bundesregierung hören. Wenn wir da auf Frau Künast hören würden, was den Zuckersektor angelangt,

(Hans-Dieter Haase [SPD]: Dann wä- ren Sie gut beraten!)

dann sind wir wirklich verlassen.

Meine Damen und Herren, ich fasse zusammen: Der Antrag der SPD ist völlig veraltet, er ist kontraproduktiv, und er wird den Interessen Niedersachsens in keiner Weise gerecht. Ziehen Sie ihn zurück!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege. Ich bitte um etwas Verständnis, aber Herr Klare hat die Landtagsverwaltung vorhin derart verwirrt, dass sie vergessen hat, die Zeituhr zu schalten.

Frau Kollegin Kuhlo hat das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Plaue! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Sozialdemokratischen Partei! Schon die Überschrift entlarvt Ihren Antrag als SPD-Parteipropaganda für den Europawahlkampf.

(Amei Wiegel [SPD]: Na, na, na!)

- Frau Wiegel, ich darf das Protokoll der Ausschusssitzung zitieren, damit das einmal ausgeräumt wird.

(Heidrun Merk [SPD]: Das dürfen Sie nicht!)

- Das darf ich nicht? Gut, die Sitzung war nichtöffentlich, ich gebe es zu. - Aber man kann nachweisen, dass dies so ist.

Warum haben Sie den Antrag nicht gleich mit „Für ein sozialdemokratisches Europa“ überschrieben?

(Beifall bei der FDP)

Aber im Nachhinein können Sie doch nur froh sein, dass wir ihn nicht in erster Beratung noch vor der Europawahl hier behandelt haben; denn sonst wäre das Ergebnis für die Sozialdemokraten womöglich noch schlechter ausgefallen. Aber nicht nur die Überschrift, auch die Inhalte sind für uns Liberale völlig indiskutabel und verfälschen die Geschichte. Nicht Willy Brandt, sondern Konrad Adenauer, der vom damaligen Bundespräsidenten Theodor Heuss ausdrücklich dazu ermächtigt wurde, hat mit der Gründung der Montan-Union 1951 und der Gründung der EWG 1957 die europäische Entwicklung eingeleitet und ermöglicht.

Wir sind auch nicht der Meinung, dass die Kürzungen bei den niedersächsischen Hochschulen einfach so zurückgenommen werden können. Sie müssten uns schon konkrete Vorschläge machen, wie denn sonst jemals ein verfassungsgemäßer Haushalt in diesem Lande zustande kommen soll.

Die Überregulierung auf dem deutschen Arbeitsmarkt - Arbeitszeit und Arbeitssicherheit -, die in Deutschland mitverantwortlich für die hohe Arbeitslosigkeit ist, muss nicht auf ganz Europa übertragen werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen auf der linken Seite, Ihr Antrag ist nicht nur in keinster Weise konsensfähig, sondern die Tatsachen sind einfach über ihn hinweggegangen. Sie hätten ihn in den Ausschussberatungen zurückziehen sollen, dann wäre Ihnen wenigstens heute eine Blamage erspart geblieben.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Was den Änderungsantrag der Grünen betrifft, muss ich feststellen, dass er sich im Duktus nicht wesentlich von dem Antrag der SPD unterscheidet, auch wenn er aus verständlichen Gründen auf die Nennung Willy Brandts verzichtet. Wir werden auch diesen Änderungsantrag ablehnen müssen. Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Das Wort hat noch einmal der Kollege Plaue. Ihnen stehen der Uhr nach noch bis zu 31 Sekunden Redezeit zur Verfügung, aber wir wollen etwas großzügig sein.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kollegin, wenn Sie wenigstens im Ausschuss über den Antrag diskutiert hätten, dann hätten wir dort schon gewusst, was Sie heute der staunenden Öffentlichkeit erzählt haben: Sie sind gegen ein soziales, demokratisches und starkes Europa. Das ist das, was Sie gesagt haben, meine Damen und Herren. Dies ist die Überschrift. Was haben Sie denn dagegen?

(Beifall bei der SPD)

Jetzt möchte ich mit ein paar Sätzen auf das Thema Türkei eingehen. Das sind übrigens nicht Türkvölker, sondern Turkvölker. Herr Kollege, gele

gentlich zahlt es sich aus, wenn man sich einmal über die Dinge sachkundig macht, über die man hier spricht.

(Beifall bei der SPD)

Ich will Ihnen nur eines sagen: Was dort passiert - was Sie hier gemacht haben, muss an anderer Stelle noch einmal diskutiert werden -, ist nichts weiter als das Schüren von Vorurteilen gegen Ausländer. Das ist die klare Politik.

(Beifall bei der SPD - Heinz Rolfes [CDU]: Unverschämtheit!)

Was in Europa in Sachen Beitrittsverfahren der Türkei passiert, ist nichts weiter als die exakte Exekution dessen, was Helmut Kohl, Ihr Bundeskanzler, in Europa den Amerikanern und der türkischen Regierung zugesagt hat. Uns kommt es darauf an - es gibt in der Tat noch eine ganze Reihe von Punkten, nicht nur in der türkischen Verfassung, sondern auch in der türkischen Gesetzgebung, die es zu ändern gilt -, den Leuten zu sagen: Ihr könnt nach Europa, wenn ihr euch in den europäischen Rahmen einfügt und eure Gesetze und eure Gesellschaft ändert.

(Beifall bei der SPD)

Das hat sich bewährt, und dies wollen auch wir tun. Alle anderen Punkte, die hier stehen, haben nichts an Aktualität verloren. Wenn wir dies kurz vor der Europawahl hier im Landtag zum Thema hätten machen sollen, dann hätten wir auf einer ersten Beratung bestanden. Das haben wir aber nicht. Uns ging es um die Sache, Ihnen ging es um Polemik.

(Beifall bei der SPD)

Frau Ministerin Heister-Neumann, bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf Ihren Entschließungsantrag, meine Damen und Herren von der SPD, aber auch auf den Änderungsantrag von Bündnis 90/Die Grünen möchte ich an dieser Stelle nur sehr kurz eingehen, und zwar aus den Gründen, die Frau Langhans eben - für mich sehr überzeugend - vorgetragen hat.

Erstens. Was Ihre Feststellung, meine Damen und Herren von der SPD, zum Aufschnüren des Verfassungspaketes betrifft, hat sich dieses Thema mit dem Abschluss der Regierungskonferenz und der Verabschiedung des Entwurfs eines Verfassungsvertrages für Europa durch die Staats- und Regierungschefs der EU beim Europäischen Rat am 18. Juni 2004 inzwischen erledigt.

Zweitens. Der Verfassungstext orientiert sich, wie von uns gefordert, weitestgehend am Konventsentwurf. Auch haben die Anliegen der deutschen Länder in erfreulich großem Umfang Berücksichtigung gefunden. Die Ministerpräsidentenkonferenz wird Anfang Oktober eine erste politische Bewertung des Verfassungsvertrages vornehmen.

Drittens. Sie sprechen in Ihrem Entschließungsantrag weiter Fragen aus unterschiedlichen Politikfeldern an. Diese werden von allen im Landtag vertretenen Parteien bis auf das Thema „Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei“ - jedenfalls im Tenor - grundsätzlich übereinstimmend gesehen.

Sie haben in Ihren Anträgen darüber hinaus fünf Forderungen gegenüber der Landesregierung erhoben. Dazu ist Folgendes zu entgegnen:

Erstens. Schon in der Regierungserklärung vom 2. März letzten Jahres hat unser Ministerpräsident Christian Wulff die gezielte Förderung zukunftsfähiger Spitzenforschung, die Bedeutung der Hochschulen als Motoren der wirtschaftlichen Entwicklung sowie die Schaffung neuer Formen der Zusammenarbeit von Wirtschaft und Wissenschaft betont. Da wir aber gleichzeitig einen immensen Konsolidierungsbedarf bei den Landesfinanzen vorgefunden haben, musste ein Weg gefunden werden, wie dieser mit der Förderung der Hochschulen in Einklang zu bringen ist. Dafür hat die Landesregierung das Hochschuloptimierungskonzept entwickelt und ist dabei, es Schritt für Schritt umzusetzen. Damit werden in den Hochschulen Stärken gestärkt, und nicht so Hervorragendes wird auf den Prüfstand gestellt.

Zweitens. Mit Ihrem Vorschlag zur öffentlichen Auftragsvergabe rennt die Opposition offene Türen ein. Nach der Entsenderichtlinie ist dies bereits gängige Praxis und soll es, meine Damen und Herren, auch nach der künftigen Dienstleistungsrichtlinie so bleiben.

Drittens. Die Landesregierung wird sich auch weiterhin - ich glaube, das ist sehr wichtig, jedenfalls

nach meiner persönlichen Auffassung - für die Wahrung der Interessen der Städte und Gemeinden und das bewährte deutsche Modell der Daseinsvorsorge einsetzen.

Viertens. In allen für die niedersächsische Wirtschaft derzeit besonders wichtigen aktuellen Dossiers gibt es einen engen Schulterschluss mit der Bundesregierung. Hierzu bedarf es jedoch regelmäßig eines Anstoßes oder eines engagierten Vorangehens der Landesregierung. Insbesondere die Fachebene des Bundes muss häufig zum Jagen getragen werden. Ihr Antrag, meine Damen und Herren, vermittelt den Eindruck, als müsse man nur der Bundesregierung vorbehaltlos folgen, und dann sei schon alles wohl getan. Dem ist beileibe nicht so.

(Zustimmung von Christian Dürr [FDP])

Die Europapolitik der Bundesregierung ist leider häufig chaotisch. Dafür gibt es genügend Beispiele.