Protocol of the Session on January 26, 2007

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Nächste Rednerin ist Frau König von der FDP.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Lenz, Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen von der SPD müssen sich endlich einmal entscheiden: Wollen Sie die Rente mit 67, oder wollen Sie Altersteilzeit und Frühverrentung mit dem Effekt, dass vor allem in größeren Betrieben Menschen vorzeitig aus dem Arbeitsleben ausscheiden? - Sie können auch keine Krokodilstränen darüber vergießen, dass in den Betrieben kaum noch Mitarbeiter über 55 arbeiten, und gleichzeitig fordern, dass gerade diese Gruppe mit Milliardensubventionen aus dem Arbeitsmarkt gedrängt wird.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Eine Fortsetzung der geförderten Altersteilzeit lehnen wir daher ab. Der Weg über die Altersteilzeit ist falsch und teuer. Sie kostet jährlich Milliarden und öffnet Mitnahmeeffekten Tür und Tor. Die Niedersächsische Landesregierung hat dies seit 2003 mit ihrer Konzentrierung auf den ersten Arbeitsmarkt deutlich gemacht. Ziel ist es, einen funktionsfähigen Arbeitsmarkt zu entwickeln, auf dem Jung und Alt gleichermaßen ihren Platz finden und nicht eine Gruppe zulasten einer anderen bevorzugt behandelt wird. So ist nicht einzusehen, warum Altersteilzeit arbeitende Mitarbeiter Ersatzleistungen erhalten, Teilzeit arbeitende alleinerziehende Mütter aber nicht. Statt nach dem Gießkannenprinzip die Altersteilzeit zu fördern, könnte mit

den Mitteln wesentlich mehr bei der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit erreicht werden.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Der von Ihnen im Antrag angesprochene Effekt, dass für wegen Altersteilzeit ausscheidender Mitarbeiter Auszubildende übernommen werden, ist nicht belegbar.

(Günter Lenz [SPD]: Was ist das nicht?)

- Das ist nicht belegbar, Herr Lenz.

(Günter Lenz [SPD]: Es gibt nur 30 % Bezuschussung, wenn ein Neuer ein- gestellt wird! Sonst gibt es die gar nicht!)

Viele kleine Unternehmen und Handwerksbetriebe beklagen heute schon den Mangel an Fachkräften. Zusätzlich müssen sie sich auch noch der Sogwirkung der Frühverrentungsanreize erwehren.

Noch etwas kommt hinzu - hier stimme ich mit dem Zentralverband des Deutschen Handwerks ausdrücklich überein -: Der Hauptgrund für das Scheitern aller Instrumente zur Förderung der Beschäftigung älterer Mitarbeiter bleibt nach wie vor die Vielzahl der Frühverrentungsanreize. Solange diese fortbestehen, werden auch noch so ausgeklügelte Instrumente für die Förderung der Beschäftigung älterer Arbeitnehmer weder von den Unternehmen noch von den Arbeitslosen angenommen werden.

(Zustimmung von Gesine Meißner [FDP])

Was wir brauchen, ist eine individuelle Gestaltung des Übergangs in den Ruhestand. Diese darf nicht länger zulasten der Versichertengemeinschaft gehen. Hier sind aber zuallererst die Tarifpartner und ist nicht der Gesetzgeber gefragt.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Danke, Frau König. - Nächster Redner ist Herr Hagenah von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Lenz, Ihr Antrag ist si

cherlich populistisch und populär, aber er ist nicht sachgerecht und auch nicht der Zukunft zugewandt. Der Antrag zwingt zum Widerspruch.

Auch wenn ich von den Argumenten her ganz nah bei Ihnen bin, Herr Hillmer, muss ich doch sagen, dass auch die CDU/FDP-Landesregierung ihre Leichen im Keller hat. Ich erinnere an den Niedersachsen-Kombi, der möglicherweise gut gemeint ist, aber die Zielgruppe nun wirklich völlig verfehlt. Die Trefferquote bei den älteren Arbeitnehmern hat einen viel zu geringen Umfang.

(Jörg Hillmer [CDU]: Wir haben ver- sucht, die Älteren in Arbeit zu brin- gen!)

Wir brauchen innovative Arbeitgeber, die schon heute wissen, dass lebenslanges Lernen, Gesundheitsförderung und altersgemischte Teams der Schlüssel zum Erfolg eines Unternehmens der Zukunft sind. Geförderte und ungeförderte Altersteilzeit wurde dagegen in den Unternehmen bisher meist zum Abbau von Beschäftigungskapazitäten und zur Senkung des Altersdurchschnitts der Belegschaft benutzt. Die u. a. dadurch verstärkte Altersdiskriminierung in unserer Gesellschaft hat bisher verhindert, dass der altersadäquate Änderungsbedarf in der Gestaltung der Arbeitswelt überhaupt vorankommt.

Deutschland gehört mit seiner niedrigen Beschäftigungsquote bei den Älteren zur Gruppe der Problemländer, und zwar auch deshalb, weil versäumt wurde, frühzeitig eine neue Kultur der Altersarbeit zu etablieren. Hier geht der SPD-Antrag in die falsche Richtung.

(Zustimmung von Jörg Hillmer [CDU])

Hier fehlt Ihnen bei Ihrem Antrag die Sensibilität für demografische Zwangsläufigkeiten. Die von fast allen Parteien - auch von der SPD - getragene Anhebung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre funktioniert nur, wenn es uns parallel gelingt, neue Perspektiven in der Erwerbsarbeit zu entwickeln, die alternsgerechtes Arbeiten in allen Phasen des Lebens ermöglicht. Wir dürfen deshalb der Stigmatisierung von älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern keinesfalls mehr Nahrung geben. In der Enquete-Kommission sind wir uns darin mit allen Fraktionen - auch mit der SPD - sehr einig. Der vorliegende Antrag bewirkt aber genau das Gegenteil.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn die Rentenaltersgrenze erhöht wird, müssen ältere Beschäftigte tatsächlich die Chance erhalten, bis zur Regelaltersgrenze zu arbeiten. Wir Grüne diskutieren deshalb ein Modell der Lebensphasenteilzeit, das die Altersteilzeit in ihrer jetzigen Form ersetzen und ablösen muss. In Zukunft muss es möglich sein, das Arbeitsvolumen flexibel an die verschiedenen Zeitbedarfe im Laufe der Erwerbstätigkeit anzupassen. Es ist bei manchen vielleicht auch in Zukunft noch nötig, dass sie am Ende ihrer Erwerbsarbeit Teilzeitarbeit nutzen; für andere ist es vielleicht gerade in der Zeit der Familiengründung, in Fortbildungszeiten oder in Form eines Sabbatjahres wünschenswert. Die Fortführung der Altersteilzeit nach bisherigem Muster würde in der Debatte um mehr Beschäftigung für ältere Arbeitnehmer aber ein völlig falsches Signal setzen.

Wir sind uns darüber im Klaren, dass es immer noch Berufe gibt, die mit großen körperlichen und mentalen Belastungen verbunden sind. Die Regelaltersgrenze für eine abschlagsfreie Erwerbsminderungsrente sollte deshalb weiterhin bei 63 Jahren belassen werden, auch wenn die Rente erst mit 67 für alle kommen soll. Die Erwerbsminderungsrente muss Beschäftigten eine existenzielle Sicherheit geben, wenn diese aus gesundheitlichen Gründen bzw. wegen einer Behinderung aus dem Berufsleben ausscheiden müssen. Dabei muss die Große Koalition im Bund noch nachbessern.

Eine einfache Antwort, wie sie die SPD jetzt vorschlägt und die besagt, mit den Instrumenten von gestern die Probleme von morgen lösen zu wollen, kann nicht funktionieren. Wir brauchen zukünftig Rahmenbedingungen, die ein flexiblere Erwerbsbiografie für alle gestatten. Die fehlende Erwerbsintegration von älteren Beschäftigten erweist sich mittlerweile als Wachstumsbremse und darf nicht durch staatliche Instrumente noch verschärft werden. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustim- mung von Jörg Hillmer [CDU])

Jetzt hat sich Herr Minister Hirche zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es müsste eigentlich Einigkeit darüber zu erzielen sein, dass man auch dann, wenn man eine einzelne Gruppe im Auge hat, die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt insgesamt sehen muss. Im Vordergrund steht dabei der zweite Satz im ersten Absatz der Begründung des SPD-Antrags:

„Derzeit erreichen nur noch rund 20 % der Beschäftigten das reguläre Rentenalter.“

Deswegen muss man sich um diese Gruppe kümmern. Ich glaube nicht, dass der einfache Weg, den Sie hier vorschlagen, nämlich die Altersteilzeit so zu verlängern, wie es sie bis 2009 gibt, richtig sein kann. Debattenredner haben darauf bereits hingewiesen, dass bei diesem Thema selbst Bundesarbeitsminister Müntefering, der ja einmal Ihr Parteivorsitzender war, zu völlig anderen Einschätzungen kommt. Er sagte mit Blick auf die nächsten Jahrzehnte nämlich: Wir müssen das Renteneintrittsalter auf 67 Jahre festlegen. - Über die eine oder andere Einzelheit wird man zwar sicherlich noch streiten müssen. Der Trend jedoch ist deutlich geworden.

Herr Lenz, Sie haben an einer anderen Stelle Ihres Beitrags erfreulicherweise, wie ich finde, gesagt: Wir brauchen mehr Differenzierung beim Renteneintrittsalter. - Das ist zwar richtig, aber: jedoch nicht zulasten der Allgemeinheit. - Eine solche Differenzierung muss es geben. Frau König, Herr Hillmer und auch Herr Hagenah haben darauf hingewiesen dass wir möglicherweise deshalb scheitern werden, weil wir für Teilbereiche immer nur Systemlösungen suchen, die alles abdecken sollen. Wir müssen zwar den gesamten Bereich im Blick haben, wir müssen in das Ganze aber mehr Flexibilität und mehr Individualität hineinbringen.

Nachdem ich Ihnen, Herr Hagenah, heute schon so oft widersprochen habe, sage ich an dieser Stelle ganz ausdrücklich: Wir sind bereit, in diesem Zusammenhang Ihre Ideen völlig unvoreingenommen, positiv und konstruktiv zu diskutieren; denn die Probleme, die sich auf dem Arbeitsmarkt im Zusammenhang mit der sozialen Absicherung im Alter stellen, sind wegen ihrer Komplexität nicht so ganz einfach zu lösen. Deshalb müssen wir uns an dieser Stelle zusammensetzen.

Herr Kollege Lenz, eines geht aber nicht: Es geht nicht, dass die SPD in Berlin das Thema „Renteneintrittsalter 67“ vor sich her trägt, während die SPD in Niedersachsen die alte Altersteilzeit verlängern will. Wir müssen doch auch einmal bereit sein, uns die Auswirkungen anzusehen. Die Auswirkungen auf das Sozialsystem haben dazu geführt, dass die Betriebe, die nicht davon Gebrauch gemacht haben - im Wesentlichen die Betriebe außerhalb der Konzerne, also der deutsche Mittelstand -, zusätzliche Lohnkosten haben tragen müssen. Der deutsche Mittelstand, der zugleich Zulieferer der großen Betriebe ist und im internationalen Geschäft steht, ist stärker unter Kostendruck geraten als andere Betriebe. An dieser Stelle sage ich einfach: Bestimmte Probleme müssen die großen Betriebe für sich selbst und allein lösen. Das kann nicht zulasten der Allgemeinheit geschehen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Gleichwohl müssen wir über mehr Flexibilität nicht nur am Lebensende, sondern auch in allen anderen Altersstufen nachdenken. Somit ist Ansporn gegeben worden, weiter darüber zu diskutieren. Es darf aber nicht zu einer weiteren Belastung der Lohnnebenkosten kommen, die ihrerseits zu einer weiteren Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft und zu einer weiteren Bruttobelastung der anderen Arbeitsplätze führt. Angesichts all der im Raum stehenden Probleme müssen wir den Mut finden, aus diesem Instrument der Altersteilzeit auszusteigen und zu neuen intelligenten Lösungen zu kommen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Jetzt hat sich noch einmal Herr Lenz zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister Hirche, da Sie hier darauf hingewiesen haben, dass es zwischen Herrn Müntefering und Herrn Beck einerseits und der SPD-Landtagsfraktion andererseits unterschiedliche Auffassungen gibt, möchte ich Folgendes dagegenhalten: Es wäre viel einfacher, sich einmal innerhalb der FDPFraktion zu verständigen. Frau König, ich zitiere einmal eine Aussage Ihres geschätzten Parteikol

legen Wolfgang Hermann aus einer Aktion die IG Metall Alfeld.

(Hans-Werner Schwarz [FDP]: Der kommt von der Basis! Der weiß, wo- von er redet!)

- Herr Schwarz, ich zitiere ihn einmal. - Er sagte:

„Meines Erachtens ist es nicht zu verantworten, dass Menschen, die ihr Leben lang körperlich hart arbeiten und deshalb im Alter nicht mehr in der Lage sind weiterzuarbeiten, dazu gezwungen werden, ihre Rente erst mit 67 Jahren anzutreten.“

Klären Sie also zunächst einmal die Position in Ihrer eigenen Fraktion, bevor Sie anderen unterschiedliche Auffassungen zu diesem Thema vorwerfen.

Ich möchte noch etwas deutlich machen; denn offensichtlich sind Sie sich noch nicht klar darüber. Die Frühverrentung einerseits und die bezuschusste Altersteilzeit andererseits sind zwei verschiedene Paar Schuhe.

(Beifall bei der SPD)

Die alte Frühverrentung, also das Nutzen von staatlichen Mitteln, um Personal abzubauen, ist 1997 beendet worden. Sie ist Geschichte. Wir reden hier über etwas anderes. Bezuschusste Altersteilzeit gibt es nur dann, wenn ein Arbeitsloser unbefristet eingestellt oder ein Auszubildender übernommen wird.

Jetzt reden wir einmal über Jugendarbeitslosigkeit. Wir wissen, dass Niedersachsen mit seiner Quote von 9,3 % immer noch über dem Durchschnitt aller westdeutschen Flächenländer liegt. Was glauben Sie eigentlich, was passiert, wenn in Zukunft, weil die betreffenden Instrumente nicht mehr vorhanden sind, fünf, sechs oder sieben Jahre lang niemanden mehr ausscheidet? - Dann garantiere ich Ihnen für eine ganze Vielzahl von Unternehmen, dass fünf, sechs oder sieben Jahre lang auch niemand mehr eingestellt wird. Die Arbeitsplätze werden nicht mehr 1 : 1 zur Verfügung stehen. Dann wird es wieder zu einem Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit kommen. Wir wollen nicht, dass die Alten so lange malochen müssen, bis sie nicht mehr können, während die Jungen auf der Straße bleiben. Das kann doch nicht im Interesse dieses Landtags liegen.

(Beifall bei der SPD)