Herr Minister, ist es richtig, dass in Ihrem Erlass die Jugendlichen, die in Ausbildungsberufen stecken, herausfallen? Ist es richtig, dass in Ihrem Erlass auch Familien herausfallen, die nur vorübergehend von Sozialleistungen abhängig sind?
Wir haben geregelt, dass ergänzende Sozialhilfe möglich ist. Das ist auch so in der IMKEntschließung umgesetzt worden. Ich habe bis
zum Schluss ganz vehement dafür gekämpft, dass gerade Jugendliche - 15-, 16-Jährige -, die einen Ausbildungsplatz haben, unabhängig von den Eltern die Möglichkeit bekommen, hier zu bleiben, also ein Bleiberecht haben. Dagegen haben Sie hier opponiert, und dagegen haben auch andere opponiert. Ich bin froh, dass das jetzt mit unserer Anordnung auch umgesetzt worden ist. Für diesen Personenkreis habe ich mich persönlich eingesetzt. - Vielen Dank.
d) Niedersächsische Initiative gegen Spätabtreibung auf den Weg bringen - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 15/3393
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Spätabtreibung ist ein für alle Beteiligten belastender Vorgang; denn nicht selten werden Kinder abgetrieben, die außerhalb des Mutterleibes bereits lebensfähig sind, die den Vorgang der sogenannten Abtreibung überleben und Eltern, Mediziner, Staatsanwälte und Richter - nicht zuletzt auch Politiker - in unlösbare menschliche Konflikte stürzen.
Vergessen wir auch nicht die Frauen mit ihren Konflikten vor der Entscheidung und den Belastungen nach der Entscheidung!
Hier einige Fakten: Seit 1995 sind Abtreibungen unter bestimmten Voraussetzungen theoretisch bis zur Geburt möglich. Für die medizinische Indikation sollte es nach dem Willen des Gesetzgebers keine zeitliche Begrenzung mehr geben, da ja mit einer Gefährdung des Lebens der Mutter während der gesamten Dauer der Schwangerschaft gerechnet werden muss.
Ein wesentlicher Grund für Spätabtreibungen ist die Erwartung, dass das Kind behindert sein wird. Der medizinische Fortschritt ermöglicht anderer
seits, dass Frühgeburten ab der 25. Schwangerschaftswoche eine Überlebenswahrscheinlichkeit von rund 80 % haben.
Man denke nur an die Gewissenskonflikte, in die Frauen und Ärzte geraten, wenn - wie oft belegt die Kinder trotz Liegenlassens, also ohne ärztliche Versorgung, nach dem vermeintlichen Abbruch nicht sterben.
Diese Konflikte enden oftmals in menschlichen Tragödien. Schwere Behinderungen sind die Folge, denen sich Eltern und Gesellschaft dann am Ende doch stellen müssen.
Auf der einen Seite also die moderne Medizin, die Frühchen rettet und am Leben erhält und vielen Behinderten heute besser hilft als je zuvor - und das ist gut so -, und auf der anderen Seite die Gleichaltrigen, die aus Gründen, die ich hier weder bewerten, geschweige denn kritisieren will, abgetrieben werden und überleben, aber noch schwerer behindert sind, als zuvor erwartet. Dazwischen die Frauen mit ihren Konflikten, mit ihren Ängsten, die mit der Last leben müssen, dazwischen die Ärzte, die einerseits den Frauen und andererseits dem werdenden Leben helfen wollen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, hier ist die Gesellschaft gefordert zu prüfen, ob die jetzige Regelung wirklich geeignet ist, Leben zu schützen und den in Bedrängnis geratenen Eltern und ihren Kindern zu helfen.
Es geht hier nicht darum, die Debatte über den § 218 a StGB aufzumachen oder Frauen für ihre Entscheidung zu kritisieren. Aber sollte nicht wieder eine psychosoziale und medizinische Beratungspflicht als Hilfestellung eingeführt werden? Wäre eine Bedenkzeit von drei Tagen zwischen Feststellung einer Behinderung des Embryos und Spätabtreibung als Schutzfunktion für Kind und Mutter nicht doch sinnvoller?
Wohlgemerkt, es geht nicht darum - ich betone das noch einmal -, Frauen zu bevormunden. Es geht um verbesserte Hilfestellung bei der Entscheidungsfindung und beim Sichtbarmachen von Alternativen. Es muss uns allen klar sein: Wir sind es allen Ungeborenen und uns schuldig, uns generell für den Schutz ungeborenen Lebens einzusetzen, wir sind es den Frauen und ihren Kindern schuldig, zu helfen, und wir sind es uns und allen Behinderten schuldig, die Voraussetzungen dafür zu schaf
Deshalb bitte ich unsere Ministerin, ihre Aktivitäten zu diesem Thema in dem vorgetragenen Sinne mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln voranzutreiben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen sie mich abschließend noch eines sagen: Die Ministerin befindet sich dabei in sehr guter Gesellschaft. Bundeskanzlerin Merkel, EKD-Ratsvorsitzender Bischof Huber, die Bundesärztekammer, Kardinal Lehmann und - bitte hören Sie! - SPD-Vorsitzender Kurt Beck - alle unterstützen dies.
Das heißt mit anderen Worten: Wenn wir es hinkriegen, eine breite Allianz für Frauen in Not, für den Schutz des ungeborenen Lebens zu leisten, dann wäre das ein Signal der Menschlichkeit. Ich finde, das sollten wir hier und heute durchaus signalisieren.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Mundlos, vieles von dem, was Sie hier vorgetragen haben, kann ich getrost unterschreiben. Ich freue mich, dass Sie hier im Gegensatz zu manchen Ihrer Kolleginnen und Kollegen im Bund betonen, dass Sie nicht den § 218 a StGB angreifen wollen. Ich finde, das ist ein schönes Signal.
Aber es gibt aus meiner Sicht doch einen gravierenden Fehler in Ihrer Argumentation: Sie unterstellen nämlich, dass die mögliche Behinderung
Das ist nicht der Fall. Mit dieser falschen Behauptung hat leider auch der Katholische Deutsche Frauenbund Unterschriften gesammelt. Es ist falsch. Die Rechtslage ist eindeutig. Die medizinische Indikation gilt nur bei einer schwerwiegenden Gefährdung von Leben und Gesundheit der Mutter. Die embryopathische Indikation ist ja 1995 ausdrücklich aus dem Gesetz gestrichen worden. Das ist auch richtig so.
Eines möchte ich hier noch einmal festhalten - ich glaube aber, wir haben da einen Konsens -: Keine Frau unterbricht leichtfertig eine Schwangerschaft,
schon gar nicht in einem späten Stadium. Denn diese Kinder, um die es da geht, sind Wunschkinder. Jedes einzelne dieser Schicksale ist eine große menschliche Tragödie. Tatsächlich kommt es glücklicherweise relativ selten vor. Nur 3 % der Abbrüche sind Spätabbrüche; nach der 23. Schwangerschaftswoche sind es nur noch 0,1 %. Die Tendenz ist übrigens sinkend.
Ich gehe mit Ihnen sehr einig darin, Frau Mundlos, dass es Veränderungsbedarf in der Beratung von Frauen gibt. Aus meiner Sicht betrifft dies insbesondere den Bereich der pränatalen Diagnostik. Es hat in diesem Bereich eine immense Ausweitung gegeben. Mittlerweile werden die meisten Schwangerschaften als Risikoschwangerschaften geführt. Den Frauen werden diese Untersuchungsleistungen teilweise als zubezahlbare IGEL-Leistungen angeboten. Sie sind häufig mit diesem Angebotsspektrum konfrontiert, ohne dass sie ausreichende Informationen darüber haben, welche Implikationen mit diesen Untersuchungen verbunden sind, z. B. dass zwar nach Auffälligkeiten gesucht wird, aber dass dann keine Therapie angeboten werden kann, oder dass zwar Auffälligkeiten festgestellt werden können, aber keine Angabe über das Ausmaß der Schädigungen gemacht werden kann, oder dass bei einigen Untersuchungen das Risiko einer Fehlgeburt deutlich höher ist als die Wahrscheinlichkeit, dass eine Schädigung des Kindes festgestellt wird.
Meinung muss im Prinzip mit der Einwilligung in pränatale Diagnostik eine Auseinandersetzung erfolgt sein, wie man mit den möglichen Folgen umgeht.
Sie betonen, dass das Leben mit einem behinderten Kind - die Ministerin hat das in ihren Einlassungen zu diesem Thema auch betont - erleichtert werden muss. Aus meiner Sicht wäre es in diesem Zusammenhang sehr gut, wenn wir möglichst schnell endlich ein Gleichstellungsgesetz hätten.
Meine Damen und Herren, mehr Beratung ist in Ordnung. Eine generelle Pflichtberatung lehnen wir ab. Es hat dazu 2005 im Bundestag eine Anhörung gegeben. Sämtliche Expertinnen haben dies abgelehnt - selbst der Sozialdienst katholischer Frauen, der nicht unbedingt verdächtig ist, unserer Partei anzugehören.
Auch eine Pflichtbedenkzeit halte ich nicht für zielführend. In einer solchen existenziellen Krisensituation wird sich die Frau exakt die Zeit nehmen, die sie braucht. Keine Frau handelt an dieser Stelle leichtfertig. Deswegen braucht sie auch keine Pflichtbedenkzeit.
Stärkung und Unterstützung - ja. Ausbau der Beratung - ja. Bessere Information - ja. Dabei haben Sie uns auf Ihrer Seite. Aber bei mehr Zwang und Druck auf die Frauen sind wir nicht dabei. Das möchten wir den Frauen nicht zumuten. - Vielen Dank.
Meine Damen und Herren, bevor ich die nächste Rednerin aufrufe, möchte ich Folgendes mitteilen: Wir werden die Vormittagstagesordnung abarbeiten. Das wird bis ca. 14 Uhr dauern. Um 15 Uhr werden wir mit der Nachmittagssitzung beginnen.