Protocol of the Session on December 13, 2000

(Frau Harms [GRÜNE]: Südolden- burg, was ist das denn?)

Dass es Probleme in Niedersachsen in bestimmten Verdichtungsregionen gibt, ist unbestritten. Dafür haben wir entsprechende Untersuchungen eingeleitet. Wir haben auch entsprechende Gegenmaßnahmen eingeleitet, um diese Strukturen in Ordnung zu bringen.

Eine andere Frage ist: Wie bewältigen wir diese aktuelle BSE-Krise? Da warne ich auch meine Kollegen von der CDU, jetzt nicht das zu vergessen, was sie in den letzten Monaten und Jahren zu diesem Thema gesagt haben. Sie sollten sich in Erinnerung rufen, was Sie zu Tiermehl, zu Risikomaterial alles gesagt haben. Ich glaube, dann werden die Vorwürfe von Ihnen an dem, was aktuell gemacht wurde, weniger werden.

Ich meine, dass wir mit dem, was jetzt im Zusammenhang mit dem Auftreten eines BSE-Rindes in Deutschland auf den Weg gebracht worden ist, die schärfsten Regelungen haben, die es zur Zeit in Europa im Zusammenhang mit diesem Thema gibt. Das lässt sich unbestritten feststellen.

(Frau Harms [GRÜNE]: Nachdem der Fall aufgetreten ist, Herr Minister! Sie haben verhindert, dass es früher gere- gelt wurde!)

Ich darf weiterhin sagen, dass es unser gemeinsames Anliegen sein müsste, dass diese Maßnahmen, wie sie hier in Deutschland praktiziert werden, auch in Europa punktgenau umgesetzt werden, dass europäische Regelungen nicht von den deutschen Regelungen abweichen dürfen; denn sonst werden die Verbraucherschutzinteressen und -ziele von Europa unterlaufen. Daran sollten wir gemeinsam arbeiten. - Herzlichen Dank.

(Eveslage [CDU]: Das müssen sie vorher bedenken und nicht hinterher!)

Meine Damen und Herren, wir kommen damit zu

c) BSE-Krise in Europa - Vertrauen in die niedersächsische Ernährungs- und Landwirtschaft zurückgewinnen - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 14/2087

Das Wort hat der Kollege Beckmann.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Diskussion geht lückenlos weiter. Aber ich halte es doch für richtig - auch angesichts der Diskussion, für die wir ja am Freitag bei vier Anträgen zu dem Thema noch sehr viel Zeit haben -, auch unter dieser Überschrift und nicht nur unter der, die die Grünen geliefert haben, noch zwei, drei Sätze hinzuzufügen, von denen ich meine, dass wir am Freitag in dieser Richtung stärker diskutieren müssen.

Gerade wir in Niedersachsen - es wird immer vom Agrarland Nummer 1 gesprochen - sind doch in besonderem Maße betroffen. Auch wenn ich nicht aus diesem Beruf komme - der Herr Präsident betont zwar immer, dass ich Flugzeugbauer sei, was ja auch korrekt ist -, so weiß ich doch um die Situation der Landwirte gerade in meinem Wahlkreis: 150.000 Rinder, größtenteils Familienbetriebe nebenbei gesagt, nirgendwo industrialisiert, alles auf der Wiese draußen. Von daher sollten wir in dieser Frage das eine nicht zu sehr mit dem anderen vermischen, sondern sollten uns wirklich intensiv mit der BSE-Situation auseinander setzen.

Es gibt eine große Verunsicherung, und es nützt uns im Moment herzlich wenig, wenn wir uns gegenseitig die Schuld dafür zuweisen. Wir müssen vielmehr gemeinsam überlegen, wo die Politik helfen kann und wie wir Einfluss nehmen können das scheint mir das Entscheidende zu sein - auf diejenigen, die weitestgehend die Landwirtschaftspolitik bestimmen. Das ist Brüssel. Da haben wir gemeinsam, alle, die politische Verantwortung tragen - -

(Frau Harms [GRÜNE]: Ein gottge- gebenes System offensichtlich!)

- Nein, es ist nicht gottgegeben, sondern die Frage ist, wie wir darauf einwirken können. Das hängt schon damit zusammen, wie viel wir dem Parlament zutrauen. Darüber sind wir doch auch nicht so ganz einig.

Wir haben eine Leitlinie in Brüssel, die ich nicht für gut halte, die aber das ganze Handeln bestimmt,

nämlich alles wird unter die Prämisse des Wettbewerbs gestellt. Dafür haben wir sogar einen eigenen Kommissar. Wir haben leider keinen Kommissar für guten Verbraucherschutz, sondern wir haben einen Kommissar für Wettbewerb. Alles, was wir in Europa machen - das müssen wir gemeinsam infrage stellen -, steht unter der Maxime: immer größer, immer schneller und immer billiger. Das reicht vom Laptop bis zum Steak in alle Wirtschaftszweige hinein. Die Maxime der Wirtschaftspolitik wird in Brüssel bestimmt. Herr Klein, da haben Sie uns doch auf Ihrer Seite.

(Zuruf von Klein [GRÜNE])

Das können wir nur gemeinsam verändern. Ich weiß gar nicht, wo da der Widerspruch zwischen uns beiden liegt. Das ist die Aufgabenstellung, die wir gemeinsam haben, diese Politik zu verändern. Zu glauben, das können wir auf der Insel Niedersachsen alleine machen, hieße, dass wir unseren Landwirten sagen: Es ist zu Ende mit euch, ihr seid nicht mehr dabei.

Deshalb kann es in Zukunft nur funktionieren, wenn wir von „immer schneller“, „immer größer“ und „immer billiger“ vielleicht zu „schmackhaft“, „genießbar“ und „gesund“ hinkommen. Wenn das die oberste Maxime werden soll, dann müssen wir die Brüssler Politik verändern. Darüber sind wir uns hier im Hause wohl alle einig. Darüber brauchen wir uns gar nicht zu streiten. Das scheint mir ein wichtiger Punkt zu sein. Wir müssen aber wissen, dass dies alles seinen Preis hat. Wir haben allerdings auch jetzt schon erfahren, dass auch das andere seinen Preis hat und viel, viel teurer wird.

Von daher stehen wir hier vor einer gemeinsamen Aufgabe, und wir sind hier meiner Meinung inhaltlich nach gar nicht so weit auseinander. Wir brauchen zunächst einmal eine lückenlose Aufklärung. Wir brauchen mehr Information. Wir brauchen mehr Mittel für Forschung, um zu erfahren, auf welchen Wegen die Krankheit zu uns gekommen ist. Wir müssen wissen, wie wir sie behandeln können, wie wir verhindern können, dass sie in Zukunft wieder auftritt. Diesbezüglich sind Bund, Land und EU gefordert, um hier für Aufklärung und entsprechende Wege zu sorgen. Wir müssen mehr Kapazitäten aufbauen, damit wir schon heute wissen, welches Rind krank ist und welches nicht. Wir brauchen eine intensive Ursachenforschung. Wir brauchen starke Kontrollen insbesondere im Bereich der Futtermittelherstellung. Wir brauchen eine verbesserte Kennzeichnungspflicht. Wir brau

chen eine erhöhte Produktsicherheit. Das sind Punkte, über die wir uns in Zukunft unterhalten müssen.

Wir müssen auch - diesbezüglich stimme ich Ihnen zu - von der Industrialisierung der Viehhaltung - das ist nicht allein eine Frage der Massentierhaltung - Abkehr nehmen. Wir sollten gleichzeitig aber nicht all das, was heute läuft, verteufeln.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es war richtig, dass man sofort reagiert hat, um so auszuschließen, dass durch eine mögliche Verfütterung von Fleischmehl weitere Fälle auftreten. Es war falsch, was Brüssel beschlossen hat. Dieser Beschluss, die Maßnahmen auf ein halbes Jahr zu begrenzen, bedeutet in beide Richtungen nur Unsicherheit. Mit Blick auf die Entsorgung weiß niemand, wie es in Zukunft weitergehen soll. Kein Mensch wird investieren, wenn er nicht weiß, ob das in einem halben Jahr wieder vorbei ist. Im Übrigen müssen wir bedenken, dass wir uns in einem europäischen Rechtsraum befinden. Von daher ist dieser Beschluss, der in Brüssel gefasst worden ist, falsch gewesen. Wir müssen auch darüber nachdenken, ob ein genereller Stopp in dieser Art und Weise, wie wir das beschlossen haben, der richtige Weg ist. Auch darüber müssen wir gemeinsam nachdenken. Es macht wenig Sinn, zu sagen: Du, Mensch, darfst das essen. Ansonsten ist das für niemanden genießbar. - Diese These wird auf Dauer nicht haltbar sein.

Mit den Punkten, die ich angesprochen habe, habe ich deutlich gemacht, dass es noch eine ganze Reihe von Fragen gibt, über die wir gemeinsam sprechen müssen. Oberste Maxime muss ein erhöhter Verbraucherschutz sein. Wir dürfen hier nicht den Eindruck erwecken, Frau Harms, als wäre der Verbraucher der Schuldige an dieser Situation. Umgekehrt muss es sein. Der Verbraucher steht an oberster Stelle.

(Frau Harms [GRÜNE]: Das darf man aber auch den Bauern nicht so sagen! Darüber müssen Sie einmal mit Ihrem Ministerpräsidenten reden!)

- Darüber muss man auch mit den Bauern reden. Die Bauern in diesem Zusammenhang aber zu verunglimpfen macht aber nur wenig Sinn und ist auch nur wenig hilfreich. Wenn wir etwas verändern wollen, dann können wir das nur mit allen gesellschaftlichen Gruppen gemeinsam tun. Das müssen wir mit den Landwirten, mit den Bauern,

tun. Lassen Sie uns die Diskussion am kommenden Freitag in diesem Sinne fortführen. - Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat der Abgeordnete Schwarzenholz für bis zu drei Minuten.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als wir vor einem Monat anlässlich einer Aktuellen Stunde eine BSE-Debatte geführt haben, haben wir auch über das Problem diskutiert, die deutschen Grenzen gegen falsch deklariertes Rindfleisch aus dem Ausland abzuschotten. Jetzt stehen wir vor der Situation, dass alles das, was wir befürchtet haben und in der letzten Debatte auch schon analysiert worden ist, noch viel, viel schlimmer eingetreten ist. So ist inzwischen nachgewiesen worden, dass Deutschland kein BSE-freier Bereich ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn ich mir den Kern angucke, frage ich mich, vor welcher Situation die Menschen in unserem Land stehen, die Fleisch kaufen wollen. Wir müssen feststellen, dass es keine wirksamen Tests gibt, die Sicherheit dafür bieten, dass das Rindfleisch, das ich am Tresen angeboten bekomme, tatsächlich BSE-frei ist. Die Tests, die vorgenommen werden, sind notwendig, sie schaffen aber keine ausreichende Sicherheit, denn es gibt sie schlichtweg nicht.

Ein Weiteres: Wir haben Rinderaltbestände, bei denen insgesamt keine Sicherheit dafür besteht, dass sie, wenn sie geschlachtet werden, tatsächlich BSE-frei sind. Das heißt, wer heute sichergehen will, dass er sich diese Krankheit nicht einfängt, der muss entweder vollständig auf Rindfleisch verzichten, oder er muss Rindfleisch dort kaufen, wo es in einer Art und Weise produziert wird, die Sicherheit dafür gewährleistet, dass man nicht erkrankt.

(Ehlen [CDU]: Wo ist das?)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt Aufzuchtsweisen, bei denen kein Tiermehl verfüttert worden ist. Es gibt eine artgerechte Tierproduktion, bei der die Quellen für die Verbreitung der Krankheitswege unterbrochen worden sind.

(Beckmann [SPD]: Könnte es sein, dass die Mutter vor 15 Jahren damit gefüttert worden ist?)

- Herr Kollege Beckmann, Sie sollten über diese Frage vielleicht einmal mit Ihrem Kollegen Stolze diskutieren. Ich begreife sowieso nicht, warum der nicht schon längst niedersächsischer Landwirtschaftsminister ist. Wenn das, was Minister Jüttner und andere gesagt haben, ernst gemeint wäre und man wirklich eine andere Agrarpolitik haben wollte, dann kann ich nur sagen: Fragen Sie ihn danach, wie er es macht. Ich als Verbraucher kann nur sagen: Wenn ich bei ihm Rindfleisch kaufe, bekomme ich tatsächlich ein Höchstmaß an Sicherheit geboten.

(Beckmann [SPD]: Das hört sich schon anders an!)

Aber nur bei ihm, bei keinem anderen. Wenn Sie solche Anforderungen formulieren und ich mir Ihre Reden aus der letzten Parlamentsdebatte ansehe, dann frage ich mich ernsthaft: Welches sind Ihre Konsequenzen? - Die CDU ist aus der Debatte schon völlig raus. Diesbezüglich stimme ich Ihnen zu. Bei der CDU soll ja alles so weitergehen. Ich möchte wieder verantwortbar Rindfleisch kaufen können. Dazu brauchen wir aber eine Politik, wie sie z. B. von Ihrem Kollegen Stolze vertreten wird. Verstecken Sie ihn hier gefälligst nicht, sondern nehmen Sie sich an seiner Politik ein Beispiel.

Frau Harms, Sie haben noch bis zu zwei Minuten Redezeit.

Herr Kollege Beckmann, ich muss Ihnen ausdrücklich Recht geben. Wir hatten mit dieser Aktuellen Stunde überhaupt nicht die Absicht, das Thema zu versachlichen. Immer wenn wir hier in Niedersachsen über Skandale in der Landwirtschaft und in der Nahrungsmittelproduktion geredet haben, ist viel zu schnell versachlicht worden. Im Grunde genommen ist zu einem verantwortungslosen Alltag übergegangen worden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Alle Initiativen zu einem verbraucherorientierten Umbau der Landwirtschaft und zu einer ökologisch orientierten Landwirtschaft sind in den letzten Jahren an dieser Landesregierung abgeprallt. Uns

geht es darum - dazu bekenne ich mich -, diese falsche Versachlichung, das Verstecken hinter Brüssel, hinter GATT und WTO überhaupt nicht mehr zuzulassen. Ich glaube, es geht im Gegenteil wirklich um Emotionen. Ganz berechtigt geht es zum einen um die Wut der bäuerlichen Landwirte, die zu Unrecht betroffen sind, die mit in den Strudel gerissen werden. Denn Herr Bartels, auch das ist von Ihnen zu verantworten. Getroffen werden am Ende die kleinen und nicht die großen Strukturen. Die überleben immer. Ganz zu Recht geht es auch darum, dass bei den Verbrauchern angesichts dessen, was immer wieder auch auf die deutschen Tische kommt, Angst und grenzenloser Ekel angesagt sind. Es ist doch nicht mehr feierlich und geht auf keine Kuhhaut mehr, was anlässlich solcher Skandale en passant immer wieder bekannt wird. Hühnerkot wird dem Rinderfutter beigemischt. Ja, mein Gott! Wo lebe ich denn? Ich will diesen Dreck nicht mehr essen. Ich glaube, dass es nur mit einer emotionalen Debatte geht, die die Empfindungen der Verbraucher, der Eltern deutlich macht, die nicht mehr wissen, was sie ihren Kindern geben sollen, und die auch gegen Brüssel gerichtet ist, Herr Beckmann.

(Kethorn [CDU]: Das ist doch Schwachsinn, was Sie da sagen! Völ- liger Schwachsinn! - Oestmann [CDU]: Das ist ein hilfreicher Beitrag, den Sie hier liefern!)

Ich widersetze mich an dieser Stelle im Namen meiner Fraktion ausdrücklich einer Versachlichung der Debatte.

(Frau Zachow [CDU]: Sie? - Kethorn [CDU]: Dann sollten Sie einmal dazu beitragen!)

Wo wir mit dieser sachlichen Landwirtschaftspolitik angekommen sind, können Sie seit 14 Tagen in den Zeitungen lesen. Landwirte sind ruiniert. Das habe ich schon gesagt. Schlachthöfe sind ruiniert. Niemand will dafür die Verantwortung übernehmen.

(Beifall bei den GRÜNEN - Oestmann [CDU]: Das ist Ihr Beitrag dazu?)

Meine Damen und Herren, damit ist die Beratung des Tagesordnungspunktes 2 c beendet.

Zur Information der Mitglieder dieses Hauses: Wir haben uns darauf verständigt, die Tagesordnungspunkte, die noch vor der Mittagspause abgehandelt werden sollen, jetzt noch abzuhandeln, allerdings mit der Erlaubnis, dass die Landesregierung, die aus Zeitgründen in der Mittagspause bestimmte Sachen erledigen muss - z. B. die Übergabe der Häuser -, bei diesen Punkten, über die in den Ausschüssen Einstimmigkeit geherrscht hat, nicht dabei sein muss. Ich sage das nur vorsichtshalber, damit keine falschen Eindrücke entstehen.