Protocol of the Session on May 12, 2000

dass wir vom Umweltausschuss mit dieser Kommission zusammengetroffen sind und dort erfahren mussten, dass die konkreten Endlagerprojekte Gorleben und Schacht Konrad von dieser Kommission nicht betrachtet werden dürfen, dass das in ihrem Arbeitsauftrag ausdrücklich ausgeschlossen ist, wissen, wie Sie erwarten können, dass diese Kommission Ergebnisse liefert, die z. B. für das laufende Konrad-Verfahren irgendwelche Bezüge herstellen können.

Herr Minister!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das ist natürlich genau einer der Zwiespalte, über die wir seit Monaten diskutieren und die in der Öffentlichkeit kaum nachvollzogen werden können, nämlich dass auf der einen Seite ein neues Entsorgungskonzept entwickelt wird, gleichzeitig die alte Rechtsgrundlage Bestand hat und die Bundesregierung durch ihren Antragsteller in den letzten Monaten schriftlich mehrmals darauf bestanden hat, dass das laufende Genehmigungsverfahren durch die Planfeststellungsbehörde auf der Basis des geltenden Rechts zügig abzuschließen sei. Das ist die Situation, mit der wir konfrontiert sind. Von daher haben Sie völlig Recht: Hier wird sich inhaltlich neu positioniert, und die Genehmigungsbehörde wird auf der Basis alten Rechts veranlasst, unabhängig davon gegebenenfalls Rechtstitel zu schaffen, wobei die Frage, was aus diesen Rechtstiteln wird, gegenwärtig augenscheinlich in den Konsensgesprächen diskutiert wird.

Herr Inselmann!

Herr Präsident! Herr Minister, ich habe eine Nachfrage zu Ihren Äußerungen zu den vermeintlichen Engpässen in anderen Bundesländern, was die Zwischenlagerung angeht. Ich kann mich erinnern, dass im Jahresbericht 1998 des Bundesamtes für Strahlenschutz darauf verwiesen wird, dass die Zwischenlagerkapazitäten in den Bundesländern insgesamt - auf das gesamte Bundesgebiet bezogen - erst zu 38 % belegt seien. Wie stellt sich diese Aussage im aktuellen Kontext dar? Gibt es in den

Bundesländern nun einen Entsorgungsengpass oder nicht?

Herr Jüttner!

Sie haben völlig Recht, Herr Inselmann: Das Bundesamt für Strahlenschutz selbst bestätigt in seinen schriftlichen Jahresberichten, dass es faktisch keinen Engpass gibt. Gleichzeitig gibt es jedoch Schreiben meiner Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Bundesländern - sowohl an Herrn Trittin als auch an mich gerichtet -, die darauf drängen, dass aufgrund bestimmter Sachverhalte bei ihnen, die möglicherweise konstruiert sind, Druck gegenüber der Planfeststellungsbehörde auszuüben sei, das Verfahren zügig abzuschließen. Diese Formulierung kann ich allerdings nicht nachvollziehen; denn eine zügige Abarbeitung eines Genehmigungsverfahrens ist für uns selbstverständlich. In der Tat ist aber eine Reihe von Sachverhalten noch nicht abschließend geklärt. Die abschließende Klärung ist aber Voraussetzung dafür, ein Genehmigungsverfahren abzuschließen. Deshalb glaube ich, dass an dieser Stelle in anderen Bundesländern landesspezifische Politik gemacht wird, weil diesen Bundesländern bewusst ist, dass die Bundesregierung ein neues Entsorgungskonzept - möglicherweise mit Debatten über andere mögliche Standorte - in Auftrag gibt. Vor diesem Hintergrund wären die anderen Bundesländer heilfroh, wenn die Problemlage in Niedersachsen bliebe. Ich glaube, das ist der politische Hintergrund der Debatte über angebliche Entsorgungsnotstände.

Herr Wenzel, Sie haben das Wort zu Ihrer zweiten Frage.

Herr Minister Jüttner, ich möchte noch einmal bitten, meine Frage zu beantworten. Ich habe Sie gefragt, was Sie zu der Aussage veranlasst hat, dass die Gasbildungsprobleme, die der Umweltrat gesehen hat, nicht relevant seien. Ich möchte also wissen, welches Ihre Informationsgrundlage für diese Bewertung ist. Nicht die Informationsgrundlage des Umweltrates war für mich von Interesse.

Herr Jüttner!

Herr Kollege, wir bewegen uns in technische Details hinein, die mitunter nicht ganz einfach darzustellen sind. Bei Schacht Konrad ist ein dichter Abschluss gewährleistet, sodass Probleme dieser Art dort nicht auftauchen. Wenn Ihnen diese Auskunft nicht reicht, reichen wir Ihnen das gern in Form einer schriftlichen Antwort nach.

Frau Harms!

Herr Minister, wie würden Sie eine andere Möglichkeit, im Konrad-Verfahren eine neue Lage zu erreichen, bewerten, nämlich auch für Konrad eine Unterbrechung des Verfahrens herbeizuführen, sodass die Endlagerkriterien, die Langzeitsicherheitskriterien, die jetzt endlich von einer Kommission erarbeitet werden, auch auf Konrad angewendet werden könnten?

(Möllring [CDU]: Trittin soll Konrad endlich genehmigen! Dann ist die Sa- che erledigt!)

Herr Minister!

Frau Harms, wir hatten im Nachgang zu einem bundesaufsichtlichen Gespräch, zu dem ich die Ehre hatte, am 1. Oktober in Berlin vorgeladen gewesen zu sein, einen Briefwechsel mit dem Antragsteller, mit dem Bundesamt für Strahlenschutz. Im Rahmen dieses Briefwechsels hatten wir u. a. die Frage gestellt, ob der Antragsteller aufgrund der veränderten Rahmenbedingungen beabsichtigt, im anhängigen Planfeststellungsverfahren das Ruhen zu beantragen oder gegebenenfalls die Voraussetzungen für eine Antragsrücknahme zu prüfen. Daraufhin hat uns der Antragsteller mitgeteilt:

„Zur Frage, das Ruhen des Verfahrens zu beantragen bzw. die Voraussetzungen einer Antragsrücknahme zu prü

fen, verweise ich auf mein Schreiben vom 17. März 1999. Es ist Aufgabe des Niedersächsischen Umweltministeriums, das Planfeststellungsverfahren im Rahmen des geltenden Rechtes ordnungsgemäß abzuschließen. Nach Auffassung des Antragstellers sind die Voraussetzung dafür gegeben.“

Das ist ein Schreiben des Bundesamtes für Strahlenschutz vom 27. Dezember 1999. Das Schreiben vom März 1999, auf das Bezug genommen worden ist, ist gleichen Inhaltes. Der Antragsteller hat uns nach Rücksprache mit dem Bundesumweltministerium mitgeteilt - in dem Schreiben steht auch „nach Rücksprache mit dem Bundesumweltministerium“ -, dass er auf einer Bescheidung des Antrages unter Einschluss des Antrages auf Sofortvollzug besteht.

Noch einmal Frau Harms!

Nachdem Sie selbst auf das Datum dieses Briefwechsels hingewiesen haben und da ich Sie sicherlich nicht daran erinnern muss, dass sich die Lage im Rahmen der Konsensverhandlungen auch zu Konrad mehrfach geändert hat, möchte ich von Ihnen jetzt noch einmal ausdrücklich wissen, ob sich die Landesregierung, wenn es denn die Möglichkeit gäbe, das Planfeststellungsverfahren zu unterbrechen, zu dieser Möglichkeit positiv stellen könnte.

Kann sie das?

Frau Harms, Sie können sicher sein, dass die Niedersächsische Landesregierung jede rechtliche und jede politische Möglichkeit nutzt, die sich bietet, damit das Projekt Schacht Konrad nicht verwirklicht wird.

(Frau Harms [GRÜNE]: Das ist nicht beantwortet! - Minister Jüttner: Doch! Was hast du denn gefragt?)

Meine Damen und Herren, es gibt keine Wortmeldungen für weitere Zusatzfragen. Wir kommen damit zu

Frage 3: Illegal Eingereiste verzichten auf Asyl

Die Frage wird von dem Kollegen Coenen gestellt. Bitte!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit steigender Tendenz verzichten immer mehr illegal in die Bundesrepublik Deutschland eingereiste Menschen auf die Stellung eines Asylantrages. Die meisten illegal Eingereisten melden sich nur bei den entsprechenden Stellen. Hintergrund dieser Praxis ist die Absicht, zu verhindern, in ein unattraktives Bundesland abgeschoben zu werden. Da diese Menschen aus bestimmten Gründen nicht abgeschoben werden können, erhalten diese dann eine Duldung.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

1. Trifft dieses auch auf das Land Niedersachsen zu, und um wie viele Personen handelte es sich in den vergangenen Jahren?

2. Um welchen nationalen Personenkreis handelt es sich, und wie hoch sind die dadurch entstehenden Kosten?

3. Sieht die Landesregierung Möglichkeiten, diese auch in den Schleuserkreisen bekannte Praxis zu unterbinden?

Die Antwort erteilt Herr Innenminister Bartling.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor ich die einzelnen Fragen beantworte, möchte ich einige grundsätzliche Vorbemerkungen machen. Es ist keine neue Erkenntnis, dass nach Deutschland - wie auch in andere westliche Staaten - außerhalb des geregelten Asylverfahrens eine illegale Zuwanderung von Personen stattfindet, deren Aufenthalt hingenommen werden muss, weil eine Rückkehr in ihre Herkunftsländer nicht

möglich ist. Die Tatsache, dass in ihren Heimatländern kriegs- oder bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen und dorthin aus tatsächlichen, humanitären und sonstigen Gründen Rückführungen nicht möglich sind, wird von einigen Flüchtlingen aus diesen Ländern genutzt, um nach einer illegalen Einreise nach Deutschland geduldet zu werden, ohne einen Asylantrag zu stellen.

Allerdings will ich darauf hinweisen, dass bei der Aufnahme der kroatischen und bosnischen Bürgerkriegsflüchtlinge in den Jahren 1991 bis 1995 diese Verfahrensweise der Duldungsgewährung durch Anordnung von Abschiebestopps zwischen Bund und Ländern abgesprochen war. Seinerzeit war eine Verständigung zur Anwendung des § 32 a des Ausländergesetzes zur vorübergehenden Schutzgewährung als Bürgerkriegsflüchtlinge nicht zustande gekommen. Es bestand jedoch Einvernehmen dahin gehend, dass das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtling und die Gerichte nicht zusätzlich mit einer Vielzahl von Asylanträgen kroatischer und bosnischer Flüchtlinge belastet werden sollten. Die Asylantragsstellung sollte auch deshalb vermieden werden, weil diese Bürgerkriegsflüchtlinge auch tatsächlich keine politische Verfolgung geltend machen konnten, sondern nur vorübergehend Schutz für die Dauer des im ehemaligen Jugoslawien tobenden Bürgerkrieges suchten. Hinzu kam, dass vielfach Familienangehörige, die sich hier rechtmäßig aufhielten, ihren geflohenen Verwandten Unterkunft und Hilfe bieten konnten.

Ich will mit diesem Hinweis deutlich machen, dass die Duldung von illegal eingereisten Flüchtlingen nicht von vornherein als missbräuchliche Aufenthaltsverlängerung abzulehnen ist, sondern unter bestimmten Voraussetzungen von Bund und Ländern sogar ausdrücklich vereinbart wurde, um in aktuellen Krisensituationen sofort reagieren zu können.

Ich komme nun zu den einzelnen Fragen, meine Damen und Herren.

Zunächst zu Frage 1: Flüchtlinge, die illegal in die Bundesrepublik Deutschland einreisen und sich bei niedersächsischen Ausländerbehörden melden und eine Duldung beantragen, ohne zuvor ein Asylverfahren zu durchlaufen, werden statistisch nicht gesondert erfasst. Ausweislich des Ausländerzentralregisters hielten sich am 31. Dezember 1999 in Niedersachsen insgesamt 14.228 geduldete Ausländerinnen und Ausländer auf, die zuvor kein

Asylverfahren betrieben haben. Ob Niedersachsen zu den attraktiven Ländern gehört, in denen überproportional viele Duldungen beantragt werden, lässt sich deshalb nur anhand der Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina und der Kosovo-Albaner beantworten, weil diese Zahlen von den Ausländerbehörden gesondert erhoben wurden.

So sind in Niedersachsen in den Jahren von 1992 bis 1995 rund 21.000 bosnischen Flüchtlingen Duldungen erteilt worden, was einem Anteil von 6,6 % entsprach. Weil damit die Landesquote von Niedersachsens von 9,3 % nicht erreicht wurde, hat Niedersachsen seinerzeit rund 1.100 bosnische Flüchtlinge von Baden-Württemberg übernommen.

Anders stellte sich die Situation bei den Menschen dar, die aus dem Kosovo geflüchtet waren. Es kamen überproportional viele Kosovo-Albaner nach Niedersachsen, sodass die niedersächsischen Ausländerbehörden diese nach der Bund-LänderVereinbarung ab dem 1. Juli 1999 an andere Länder weiterleiten konnten. Das ist auch geschehen.

Zu Frage 2: Der Aufenthalt von illegal eingereisten Personen wird nur dann geduldet, wenn rechtliche oder tatsächlich Abschiebungshindernisse vorliegen. Dafür kamen in den vergangenen Jahren überwiegend die Staatsangehörigen aus Jugoslawien in Betracht. Derzeit werden rund 8.000 albanische Volkszugehörige aus dem Kosovo und 2.000 Staatsangehörige aus Bosnien und Herzegowina in Niedersachsen geduldet, die zuvor kein Asylverfahren betrieben haben.

Eine weitere größere Gruppe, die erwähnenswert ist, stellen die Staatsangehörigen aus Afghanistan mit rund 800 Personen dar. Die Gründe, weshalb der Aufenthalt insbesondere der großen Gruppe der jugoslawischen Staatsangehörigen bisher nicht beendet werden konnte, sind Ihnen bekannt. Wir haben gestern eine Debatte darüber geführt. Neben der Kriegssituation erwähne ich als weiteren Grund, meine Damen und Herren, die jahrelange Weigerung der jugoslawischen Regierung zur Rückübernahme ihrer eigenen Staatsangehörigen.

Eine Ermittlung der Kosten, Herr Coenen, die der öffentlichen Hand für diese Flüchtlingsgruppen entstehen, wäre nur durch zusätzliche, sehr zeitund arbeitwendige Erhebungen und Berechnungen durch die Sozialämter aller unserer niedersächsischen Kommunen möglich gewesen und ist deshalb von mir bisher nicht veranlasst worden.

Zu Frage 3: Illegale Einreisen und Schleusertätigkeiten sind in einem Land mit offenen Grenzen, wie es die Bundesrepublik Deutschland ist und bleiben soll, nie ganz zu verhindern. Es kann nur versucht werden, durch effektive Grenzüberwachungsmaßnahmen die Zahl möglichst gering zu halten. Illegal einreisende Flüchtlinge werden auch künftig ohne vorherige Asylantragstellung geduldet werden, solange es Staaten gibt, in die eine Rückführung z. B. wegen akuter Kriegssituation oder wegen fehlender Verkehrsverbindungen nicht möglich ist oder die sich völkerrechtswidrig weigern, ihre eigenen Staatsangehörigen zurückzunehmen.

Allerdings muss sichergestellt werden, dass die Lasten, die durch illegal nach Deutschland einreisende Flüchtlinge entstehen, von allen Ländern gemeinsam getragen werden. Während Asylbewerber nach den im Asylverfahrensgesetz festgelegten Quoten auf die Länder verteilt werden, gibt es für eine Verteilung der illegal eingereisten und geduldeten Flüchtlinge keine Rechtsgrundlage. Unter Umgehung des Asylverfahrens haben illegal eingereiste Flüchtlinge faktisch die Möglichkeit, den Ort ihrer Aufnahme und ihres weiteren Verbleibs im Bundesgebiet frei zu wählen. Sie sind insoweit besser gestellt als Asylbewerber.

Das in der Vergangenheit im Zusammenhang mit der Aufnahme illegal eingereister Flüchtlinge aus Bosnien und Herzegowina und aus dem Kosovo zwischen den Innenministern der Länder vereinbarte Verfahren, die Flüchtlinge mit einer Duldungsauflage in ein anderes, unterproportional mit Flüchtlingen belastetes Bundesland weiterzuleiten, ist von mehreren Oberverwaltungsgerichten - auch vom Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht für nicht rechtmäßig erklärt worden. Die Nichtverteilung der illegal eingereisten Flüchtlinge ist aber ein wesentlicher Grund dafür, keinen Asylantrag zu stellen.

Meine Damen und Herren, deshalb unterstützt Niedersachsen eine von Nordrhein-Westfalen vorgeschlagene Gesetzesinitiative, die zum Ziel hat, durch Einfügung eines § 56 a in das Ausländergesetz eine gesetzliche Grundlage für die Verteilung von illegal eingereisten Flüchtlingen zu schaffen, damit diese künftig gegenüber Asylbewerbern nicht mehr privilegiert sind.

Es liegen keine Wortmeldungen für Zusatzfragen vor.