Protocol of the Session on May 31, 2018

Da wäre so etwa ein Satz von 20 bis 30 Tagessätzen denkbar. 20 Tagessätze, geringer Tagessatz, 5 bis 10 Euro, dann kann man mit allem geschätzten Risiko doch gelegentlich mal auf Usedom ein Fahrrad oder einen Fahrradträger klauen – so aus der Sicht der Betroffenen, der Opfer.

(Heiterkeit bei Jens-Holger Schneider, AfD)

Sich hier einmal mit dem Nord-Süd-Gefälle in der deutschen Rechtsprechung zu befassen, wäre ein lohnendes Thema. Der Antrag der LINKEN ist aus Sicht der AfD abzulehnen. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Friedriszik.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Damen und Herren Abgeordnete! Die umfangreiche Darstellung der Ministerin hat deutlich gemacht, dass dem Anliegen des Antrages der Fraktion DIE LINKE bereits entsprochen wird. Die SPD-Fraktion lehnt den Antrag ab. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – Peter Ritter, DIE LINKE: Oh, da bin ich aber enttäuscht. Da hat sich Detlef Müller mehr Mühe gegeben.)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der BMV der Abgeordnete Herr Dr. Manthei.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch die BMVFraktion wird den Antrag ablehnen.

Zunächst zur Bedeutung der Ersatzfreiheitsstrafe: Ich habe mal die Zahl für 2016 herausgesucht. Gerichte in Mecklenburg-Vorpommern haben im Jahr 2016 11.319mal eine Geldstrafe verhängt. In wie vielen Fällen mussten Ersatzfreiheitsstrafen verhängt werden? Das Statistische Bundesamt hat Zahlen zum Stichtag 30.11. veröffentlicht. Demnach waren es 85 Verurteilte und im Jahr 2016 77 Verurteilte. Das sind ungefähr ähnliche Zahlen zu den jeweiligen Stichtagen. Also nur in den wenigsten Fällen kommt es zu einer Ersatzfreiheitsstrafe.

Wie kommt es zu einer Ersatzfreiheitsstrafe? Wenn der Strafrichter die Schuld eines Angeklagten festgestellt hat, muss er die Strafe festlegen, und das macht er anhand der individuellen Schuld des Angeklagten und anhand der Einkommensverhältnisse. Zunächst muss das Gericht die Anzahl der Tagessätze bestimmen – zwischen 5 und 360. Danach muss das Gericht die Höhe eines einzelnen Tagessatzes festlegen zwischen 1 Euro und 30.000 Euro. Durch die Tagessatzhöhe wird eine Anpassung der Strafe an die unterschiedlichsten wirtschaftli

chen Verhältnisse der Täter ermöglicht. Täter mit einem höheren Einkommen erhalten also bei vergleichbarer Tatschuld eine höhere Strafe.

Um dies zu erreichen, orientiert sich das Gericht an den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters. Dabei geht das Gericht in der Regel vom Nettoeinkommen runtergebrochen auf einen Tag aus. Theoretisch kann ein Täter also zu einer Geldstrafe von 5 Euro verurteilt werden. Entsprechend der Einkommensverhältnisse können auch 90 Tagessätze zu je 6.000 Euro, also 540.000 Euro zustande kommen, wie als Beispiel bei dem Fußballer Marco Reus.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Der übrigens heute Geburtstag hat.)

Marco Reus? Auch heute Geburtstag?

(Peter Ritter, DIE LINKE: Nur die Besten haben heute Geburtstag. – Zuruf von Sebastian Ehlers, CDU)

Gut, dann herzlichen Glückwunsch aus Schwerin.

Bereits an diesen Beispielen können wir sehen, dass mit Geldstrafen äußerst differenziert auf Tat und Täter reagiert werden kann. Das ist der erste Punkt.

Zweitens kann ein Verurteilter Zahlungserleichterungen erhalten. Schon das Gericht ist verpflichtet, ihm Zahlungsfristen oder Ratenzahlungen zu gewähren, wenn es entsprechende Anhaltspunkte hierfür hat. Erst wenn die Geldstrafe trotz dieser eventuellen Erleichterungen uneinbringlich ist, tritt an die Stelle der Geldstrafe die Ersatzfreiheitsstrafe. Aus einem Tagessatz wird ein Tag Freiheitsstrafe. Aus dieser wiederum kann eine Arbeitsleistung werden, denn die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe kann durch sogenannte freie Arbeit, also gemeinnützige Arbeit, verhindert werden. Der Verurteilte kann die Geldstrafe schon jetzt in Form der freien Arbeit ableisten. Er kann also schon jetzt die ihm drohende Ersatzfreiheitsstrafe durch gemeinnützige Arbeit vermeiden.

Es stellt sich also die Frage: Was ist die Alternative, wenn man sagt, Ersatzfreiheitsstrafen sind abzuschaffen, welches Druckmittel will man anwenden, dass die Strafe noch irgendeinen Sinn hat? Das Landesamt für ambulante Straffälligenarbeit vermittelt zur Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafen in freie gemeinnützige Arbeit. Erst als Ultima Ratio kommt es zur Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe, die nach unserer Auffassung als letztes Mittel auch weiterhin erforderlich ist. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der BMV)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Herr Ehlers.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will mal mit zwei, drei Sachen aufräumen, die hier bei der Einbringung der LINKEN dargelegt wurden. Im Antrag steht, „Ersatzfreiheitsstrafen (sind) juristisch“ höchst „bedenklich“. Ich habe bisher noch kein richtiges Argument dafür gefunden, warum das so sein sollte, jedenfalls wurde es hier nicht geliefert. Natürlich ist die Ersatzfreiheitsstrafe auch verfassungsgemäß.

Sie haben weiterhin hier vorgetragen, dass wir damit in Deutschland allein auf weiter Flur sind, dass es das in Europa gar nicht gibt, überall abgeschafft wurde. Da scheint es irgendwo Lücken gegeben zu haben bei der Redevorbereitung, denn wenn man sich die Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages aus dem Februar 2018 mit dem schönen Titel „Ersatzfreiheitsstrafen im europäischen Rechtsvergleich“ anschaut, findet man dort zum Beispiel zum dänischen Strafrecht, und ich darf zitieren: „Das dänische Strafrecht sieht bei Uneinbringlichkeit einer Geldstrafe … eine Ersatzfreiheitsstrafe … vor.“ England und Wales haben die Ersatzfreiheitsstrafe als Ultima Ratio. Österreich sieht es vor, in Schweden gibt es Ähnliches und auch in Frankreich. Von daher ist das Argument ganz locker vom Tisch gewischt. Wir sind da also nicht alleine, es gibt auch andere europäische Staaten, die das so vollziehen, so zumindest der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages, den Sie als LINKE hier auch häufiger zitieren.

Die Diskussion zum Thema zeigt, dass es diese auch in der Justizministerkonferenz gibt. Es ist nicht so, dass es nicht auch von den Justizministern Ansatzpunkte gibt, das zu diskutieren, sondern dass es durchaus Kritik gibt. Wir hatten als CDU- und CSU-Sprecher aus den Landtagen gerade eine Tagung in Berlin. Dort haben wir uns die JVA Tegel angeschaut. Die ist etwas größer als die Justizvollzugsanstalten hier im Land. Der Einrichtungsleiter dort hat gesagt, dass das für sie eine schwierige Situation ist. Er hat Beispiele aus der Praxis genannt und gesagt, dass viele erst mal dort einrücken und dann auf die Idee kommen, doch noch zu bezahlen. Natürlich ist das ein gewisser bürokratischer Aufwand. Die Frage ist nur, was hätte man mit denen gemacht, wenn sie dort nicht eingerückt wären. Es gab verschiedene Ideen, zum Beispiel für diese Fälle noch eine separate Haftanstalt mit sozialpädagogischer Betreuung einzurichten. Da habe ich mir die Frage erlaubt, wie das am Ende des Tages finanziert werden soll. Von daher, glaube ich, ist das schon so vernünftig.

Die Ersatzfreiheitsstrafe ist aus unserer Sicht, aus Sicht der CDU-Fraktion ein entscheidendes Instrument, zunächst zahlungsunwillige Verurteilte doch noch zur Zahlung zu veranlassen. Die Zahlen sprechen für sich. Wenn 77 Prozent der als uneinbringlich geltenden Geldstrafen dann doch noch gezahlt werden, zeigt das, dass alleine die Androhung an der Stelle schon wirkt. Die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe setzt voraus, dass die ausgeurteilte Geldstrafe uneinbringlich ist. Aber – und das ist auch schon von der Ministerin deutlich angesprochen worden – es gibt genug Möglichkeiten, die Menschen in Arbeit mit einzubinden. Das ist klar und deutlich. Von daher, glaube ich, braucht man nicht noch eine deutlichere Hinwendung und mehr Verbesserungen an der Stelle, denn es gibt bereits die Möglichkeiten.

2016 verbüßten in Mecklenburg-Vorpommern 922 Personen eine Ersatzfreiheitsstrafe und in 1.027 Fällen wurde der Strafvollzug durch freie gemeinnützige Arbeit abgewendet. Da sieht man ganz klar und deutlich, dass hier ein Schwerpunkt liegt. Regelungen zur Tilgung der Geldstrafe durch gemeinnützige Arbeit existieren in allen Bundesländern, auch in Mecklenburg-Vorpommern. Auch dies ist bereits angesprochen worden. Ich glaube, deswegen brauchen wir den Beschluss nicht. Die Justizministerkonferenz hat dort die Arbeitsgruppe eingesetzt. Das wird wahrscheinlich nicht von heute auf morgen

gehen, das braucht bestimmt seine Zeit, aber ich bin mir sicher, dass die Punkte, die hier angesprochen wurden, zu gegebener Zeit im Anschluss bekannt werden. Die Justizministerin pflegt, das kann man so auch lobend sagen, im Rechtsausschuss einen sehr offenen Umgang mit allen Fraktionen, einen offenen Kommunikationsstil. Ich gehe davon aus, dass sie diese Ergebnisse dann im Rechtsausschuss vorstellen wird. Von daher wird dieser Teil Ihres Antrages schon umgesetzt.

Abschließend kann ich nur sagen, in vielen Diskussionen fordern wir immer, dass der Rechtsaat an der Stelle klar und deutlich seine Härte zeigen muss. Ich glaube, es wäre schon ein Schlag ins Gesicht aller rechtschaffenden Bürgerinnen und Bürger, wenn sich der Staat nicht darum kümmert,

(Zuruf von Andreas Butzki, SPD)

dass die Missachtung der Gesetze spürbare Folgen haben muss. Ich glaube, die Zahlen sprechen für sich. Es kann nicht sein, dass am Ende die Allgemeinheit dafür haftet.

Und ja, es kostet Geld, aber ich glaube, der Justiz- und der Strafvollzug sind nicht darauf ausgelegt, irgendwo Gewinn zu machen. Natürlich kostet das Geld. Jeder Strafgefangene hier bei uns im Land belastet das Steuersäckel, auch in diesem Bereich. Aber ich glaube, es darf an der Stelle kein falsches Verständnis geben, denn wenn dort Geldstrafen nicht gezahlt werden, dann, finde ich, muss der Staat alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten einsetzen. Dazu gehört aus Sicht unserer Fraktion ganz klar und deutlich auch die Ersatzfreiheitsstrafe, und deswegen sind wir gespannt, welche Ideen aus der Justizministerkonferenz kommen. Heute lehnen wir Ihren Antrag aber ab. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Ums Wort gebeten hat noch einmal für die Fraktion DIE LINKE die Abgeordnete Frau Bernhardt.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Herr Förster, Sie zeigen mir jedes Mal, dass wir ein völlig unterschiedliches Menschenbild haben.

(Zuruf vonseiten der Fraktion der AfD: Das darf auch so sein.)

Sie denken kurzfristig, bieten einfache Lösungen und denken nicht im Sinne der Gesellschaft. Sie sagen, wenn jemand eine Strafe begeht, dann soll er in die Justizvollzugsanstalt, ohne dass ihm geholfen wird, ohne Blick auf seine sozialen Probleme. Was passiert denn, wenn ihm nicht geholfen wird in der Justizvollzugsanstalt?

(Zuruf von Jens-Holger Schneider, AfD)

Er kommt untherapiert raus, eventuell mit Suchtproblematiken, ist angewiesen, neue Straftaten zu begehen.

(Jens-Holger Schneider, AfD: Oh nee!)

Wo ist denn da der Schutz der Gesellschaft aus Ihrer Sicht?

(Jens-Holger Schneider, AfD: Was ist denn das für ein Menschenbild?)

Das ist viel zu kurzfristig gedacht. Das tragen meine Fraktion und ich überhaupt nicht mit.

(Minister Harry Glawe: Das meinen Sie doch wohl nicht im Ernst jetzt?! Das gibts ja wohl nicht!)

Um auf Herrn Friedriszik einzugehen: Sie machen es sich wirklich sehr einfach. Sie kommen hier vor und sagen, es ist alles gesagt, gut ist.

(Zuruf von Minister Harry Glawe)

Das kann man so machen, aber das ist nicht wirklich eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Thema.

(Torsten Renz, CDU: Die Wahlergebnisse geben ihm recht.)

Dass eben nicht alles in Ordnung ist, zeigen die Zahlen. Warum steigen die Zahlen von 2014 zu 2016 der Ersatzfreiheitsstrafen an? Haben Sie dafür eine Begründung? Haben Sie sich die Mühe gemacht, mal dahinter zu schauen? Haben Sie mit den Leuten gesprochen, ob hier nicht eine Fortentwicklung notwendig ist? Das erkenne ich in Ihrem Redebeitrag nicht. Insofern muss ich nicht groß weiter darauf eingehen.

(allgemeine Unruhe)