Protocol of the Session on May 31, 2018

Deswegen glaube ich, bei der Frage, ob es besonders hilfreich ist, wenn wir über bestimmte Namen und die Geschichte immer wieder diskutieren, ist das zumindest strittig. Aber letztendlich, Sie haben schon darauf verwiesen, wenn wir bei dem Thema sind, natürlich möchte man dann doch die eine oder andere Anmerkung zum Thema Ernst Moritz Arndt oder andere machen. Ja, Ernst Moritz Arndt hat sich in einer Art und Weise über die Reinheit von Völkern ausgelassen, die wir aus heutiger Sicht grundsätzlich verwerfen würden. Auch seine Äußerungen zum Judentum – Sie haben schon darauf verwiesen – zeugen von abscheulichen Vorurteilen, die bis heute ideologischer Nährboden für Antisemitismus sind.

Ernst Moritz Arndt ist aber eben auch, wie jeder Mensch, keine eindimensionale Person. Er war Schriftsteller, Freiheitskämpfer, Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung, er war somit ganz entscheidend mitbeteiligt an der Idee – auch das haben Sie schon kurz erwähnt – eines vereinten Deutschlands. Seine demokratischen Gedanken sind unbestritten und sie sind auch bahnbrechend für das 18./19. Jahrhundert. Er ist ein Vorreiter eines geeinten demokratischen Deutschlands.

Ich betone auch diese zeitliche Komponente, weil man die Äußerung einer Person immer mit im Kontext der Zeit sehen sollte, in der die jeweilige Person gelebt hat. Was seine demokratischen Gedanken angeht, auch seine Gedanken in Bezug auf ein freies geeintes Deutschland, damit war er seiner Zeit zusammen mit einigen anderen Pionieren deutlich voraus. Mit seinen Äußerungen in Bezug auf die Reinheit von Völkern oder das Judentum hebt er sich bedauerlicherweise nicht vom damaligen Zeitgeist ab. Auch das ist die Wahrheit. Trotzdem stehen wir, was unser freiheitlich-demokratisches Deutschland betrifft, auch dank Ernst Moritz Arndt heute da, wo wir sind. Ich kann sagen, dafür bin ich auch dankbar.

Ich möchte behaupten, dass Sie auf der Welt keine Person finden werden, die – an heutigen Maßstäben gemessen – frei von Fehlern ist, schon gar nicht in der Zeit, von der wir hier reden.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der AfD und BMV – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Die Errungenschaften der Studenten der bürgerlichen Opposition und der Freiheits- und Einheitsbewegung Deutschlands des 18. und 19. Jahrhunderts insgesamt würde doch niemand infrage stellen wollen, aber insbesondere aus heutiger Sicht war auch damals schon der eine oder andere Spinner in diesen Organisationen mit dabei. Allein beim Wartburgfest, das in jedem Geschichtslehrbuch richtigerweise als einer der wichtigen Meilensteine auf dem Weg zur ersten demokratischen Verfassung in Deutschland dargestellt ist, haben auch antisemitische Töne ihren Platz gefunden.

Oder, auch das erwähnten Sie, nehmen Sie Luther. Der hat die evangelischen Fürsten sogar zur Versklavung oder Vertreibung der Juden aufgerufen. Aber hier schaffen wir es doch auch, Luther einerseits am historischen Kontext seiner Zeit und andererseits im Verhältnis zur zeitlosen Bedeutung der Person Martin Luther zu sehen. Es wäre niemand ernsthaft auf die Idee gekommen, das Reformationsjubiläum, das wir letztes Jahr mit Tausenden von Veranstaltungen in ganz Deutschland gefeiert haben, abzublasen. Ich kenne auch keinen einzigen Antrag auf Umbenennung von Martin-Luther-Universität oder Martin-Luther-Straße oder Martin-Luther-Platz.

Und wer kommt als Nächstes? Bedeutet der Judenhass von Richard Wagner, dass wir ihn für seine Musik nicht würdigen dürfen, seine Musik gar zensieren sollten? Fangen wir irgendwann gar an, ganze politische Diskussionen abzubügeln, weil wir ein paar der zugrundeliegenden Prämissen des Gegenübers als einen Tick zu unbequem für unsere sensiblen Seelen empfinden? So ist aus meiner Sicht bald kein Staat zu machen, zumindest kein demokratischer.

Unsere Demokratie lebt davon, dass sie sich kritisch mit Personen und Ideen auseinandersetzt, so, wie wir es bei Martin Luther, Ernst Moritz Arndt oder Karl Marx auch tun. Ich kann doch wohl Ernst Moritz Arndt für das, was er für unser heutiges freiheitlich-demokratisches Deutschland getan hat, einerseits würdigen und mich andererseits kritisch mit seinen antisemitischen Aussagen auseinandersetzen. Das eine schließt doch das andere nicht aus. Aber Themen komplett abzubügeln oder Personen in Gänze ihren guten Charakter abzusprechen, das sollte in einer Demokratie, die die freie Meinungsäußerung

kennt, so restriktiv wie möglich gehandhabt werden, ansonsten zieht sich bald wieder jeder beleidigt in seine Filterblase zurück, in der er sich nicht einmal mehr im Ansatz mit anderen Meinungen beziehungsweise Haltungen anderer Menschen auseinandersetzen muss.

(Beifall Bernhard Wildt, BMV)

Das sollten wir der Demokratie nicht antun.

Deswegen zum Antrag selbst: Es gibt keine Umbenennung. Wenn es keine Umbenennung gibt, brauchen wir in der Form über diesen Antrag auch nicht abzustimmen. – Recht herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der CDU und BMV)

Für die Fraktion DIE LINKE hat jetzt das Wort der Abgeordnete Ritter.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Manchmal ist es gut, wenn zwischen einzelnen Debatten etwas Zeit liegt, dann kann man noch mal darüber nachdenken, was man sich so gegenseitig an den Kopf wirft. Wenn der Kollege Förster im vorhergehenden Tagesordnungspunkt meinte, ich sei dümmer als ein Sonderschüler, dann nehme ich das zur Kenntnis, aber dass man damit Sonderschüler als dumm hinstellt, das spricht nicht gerade für den Verfasser dieses Spruches, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE und Bernhard Wildt, BMV)

Der vorliegende Antrag wendet sich gegen Bilderstürmerei, ist aus meiner Sicht aber nichts weiter als Schaumschlägerei. Auch ist der Streit um Kasernennamen in diesem Land nicht neu. Es hat hier im Parlament und außerhalb des Parlamentes schon heftige Debatten darüber gegeben. Der Kollege Reinhardt wird sich vielleicht daran erinnern, dass er mich in der Debatte um Steinhoff sogar zum Rücktritt von meiner Funktion als PGF aufgefordert hat.

(Marc Reinhardt, CDU: Jawoll!)

Nun gut, auch das muss jeder für sich selber entscheiden.

Drittens ein Blick in die Geschichte, liebe Kolleginnen und Kollegen: Nicht so sehr zum Leben und Wirken von Ernst Moritz Arndt, sondern etwas zur Namensgebung. Das mot. Schützenregiment 29 der Nationalen Volksarmee war Bestandteil der 8. mot. Schützendivision. Das mot. Schützenregiment 29 trug den Ehrennamen Ernst Moritz Arndt. Anders als heute trugen nicht die Kasernen der NVA Ehrennamen, sondern die Truppenteile, die in den einzelnen Divisionen aufgestellt waren. Zur 8. mot. Schützendivision, zu dem das mot. Schützenregiment 29 Ernst Moritz Arndt gehörte, gehörte auch das Panzerregiment 8. Das Panzerregiment 8 trug den Ehrennamen Artur Becker. Ich gehe davon aus, dass Sie wissen, wer Artur Becker ist

(Egbert Liskow, CDU: Jo!)

und stelle die rein rhetorische Frage, ob Sie in diesem Zusammenhang auch einen Antrag in den Landtag ein

gebracht hätten, wenn es um diese Namensgebung gehen würde. Ich glaube, nicht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Fraktion wird den vorliegenden Antrag ablehnen, denn er hat nur oberflächlich etwas zu tun mit einer durchaus legitimen Diskussion um die Person Ernst Moritz Arndt. Die AfD verfolgt eine andere Stoßrichtung. Die Landesregierung soll aufgefordert werden, sich gegen, wie es in diesem Antrag heißt, Bilderstürmerei einzusetzen. Diese Bilderstürmerei ist eigentlich die angelaufene Umsetzung des überarbeiteten Traditionserlasses der Bundeswehr.

Meine sehr verehrten Herren von der AfD, warum benennen Sie in Ihrem Antrag denn nicht genau diesen Hintergrund? Warum nennen Sie das Kind nicht beim Namen? Warum erwähnen Sie mit keiner Silbe Hintergrund und Anlass des neuen Traditionserlasses? Hintergrund und Anlass des neuen Traditionserlasses waren nämlich rechte beziehungsweise rechtsextreme Umtriebe in der Bundeswehr vor rund einem Jahr. Es waren zweifelhafte Traditionszimmer einzelner Bundeswehreinheiten, die zu einer notwendigen Überarbeitung des Traditionserlasses geführt haben. Der wurde in Gang gesetzt, nicht, weil irgendeine LINKEN-Fraktion das gefordert hat, sondern der wurde in Gang gesetzt, weil die Bundesverteidigungsministerin das so auf den Weg gebracht hat. In diesem Zusammenhang stehen auch die Diskussionen um bestimmte Namensgeber für Kasernen. So stand auch die Debatte in Hagenow auf der Tagesordnung.

Als ich mit dem Fraktionsvorsitzenden der Linksfraktion, Dietmar Bartsch – ich glaube, vor Jahresfrist, Jacqui? –, am Standort Hagenow zum Truppenbesuch war, waren wir genau in der Zeit da, als die Diskussion dort geführt worden ist. Wir haben uns darüber ausgetauscht, und die Meinung der Kommandeure in Hagenow und im Übrigen auch des Bürgermeisters – ich wiederhole noch mal ganz gern: in Klammern DIE LINKE – war ganz klar, wir haben andere Sorgen, auch am Standort Hagenow, zum Beispiel, was die Einsatzbereitschaft der Technik angeht. Denn wir wissen auch, dass Hagenow auslandskontingenteinsatzfähig sein muss und da gibt es große Probleme. Darum sollte man sich eher kümmern als um einen solchen Namensstreit, der eigentlich gar nicht auf der Tagesordnung steht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich die AfD-Bilderstürmerei etwas genauer betrachten. Hier hilft ein Blick in den neuen Traditionserlass, der am 28. März unterzeichnet wurde. Vielleicht ist er bei Ihnen noch nicht angekommen. Dort ist unter anderem die Rede von der Einbindung der Bundeswehr in die Strukturen der Europäischen Union, von einem Bekenntnis der Bundeswehr zur Europahymne und zur Europafahne. Das ist natürlich Musik, die die Ohren der Antragsteller schmerzlich zum Klingen bringen muss – ein Bekenntnis der Bundeswehr zur Europäischen Union.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich zitieren aus Punkt 4.3 „Verantwortung und Dienstaufsicht“ des Traditionserlasses. Dort heißt es: „Traditionspflege und historische Bildung sind Führungsaufgaben. Sie liegen in der Verantwortung der Inspekteure bzw. Inspekteurinnen und Leiter bzw. Leiterinnen der Organisationsbereiche der Bundeswehr sowie insbesondere der Kommandeure bzw. Kommandeurinnen, Dienststellenleiter bzw. Dienststellenleiterinnen und Ein

heitsführer bzw. Einheitsführerinnen. Diese sorgen für das Beachten und Verwirklichen dieser Richtlinien.“ Nicht nur genderpolitisch sind diese Formulierungen für mich beachtlich, sondern sie regeln auch ganz klar die Zuständigkeit. Über eine Zuständigkeit des Landtages oder der Landesregierung findet sich keine Silbe, ganz im Gegenteil. Ich zitiere weiter unter Punkt 4.3: „Die verantwortlichen Vorgesetzten treffen ihre Entscheidungen auf Grundlage dieser Richtlinien selbständig.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren, in diesem förmlichen Sinn stellt der vorliegende Antrag eine Anmaßung dar und inhaltlich sieht es nicht anders aus. Ich zitiere aus Punkt 4.15 „Traditionsnamen“: „Das Benennen von … Kasernen … ist Teil der Traditionspflege der Bundeswehr. … Bestehende Benennungen müssen diesem Traditionserlass entsprechen. Bei … Überprüfungen und Umbenennungen ist das Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr … einzubeziehen“ und nicht der Landtag MecklenburgVorpommern. Zitatende.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Weber?

Immer wieder gern.

(Heiterkeit bei Christel Weißig, BMV)

Ich bedanke mich für die interessanten Ausführungen zum Traditionserlass, wollte aber fragen, ob Sie zur Kenntnis genommen haben, dass weder unser Antrag noch auch nur ein kleiner Satz in der Antragsbegründung und -einbringung irgendeinen Bezug zu diesem Traditionserlass genommen haben, dass wir also darüber gar nicht reden müssen und auch nicht reden wollen, sondern nur über diesen Namen der Kaserne.

Das habe ich zur Kenntnis genommen. Das ist genau der Fehler Ihres Antrags, denn Sie beantragen oder verlangen hier von der Regierung, vom Parlament, wir mögen uns dafür einsetzen, dass an dem Kasernennamen Hagenow nun nicht herumgedeutelt wird.

(Zuruf von Dirk Friedriszik, SPD)

Das können wir aber gar nicht, deswegen habe ich auch für Sie noch mal dargelegt, wer für solche Diskussionen und am Ende vielleicht auch für Umbenennungen zuständig ist: weder das Parlament von MecklenburgVorpommern noch die Landesregierung, sondern einzig und allein, ich zitiere noch mal Punkt 4.3: „Die verantwortlichen Vorgesetzten treffen ihre Entscheidungen auf Grundlage dieser Richtlinien selbständig.“ Zitatende. Nicht der Landtag Mecklenburg-Vorpommern, nicht die Regierung treffen diese Entscheidungen.

(Thomas Krüger, SPD: So ist es.)

Deshalb für mich sozusagen der Hinweis an Sie, mal einen Blick in den Traditionserlass zu werfen. Wenn Sie das jetzt noch kurz tun in der Debattenzeit, die läuft, dann ziehen Sie Ihren Antrag vielleicht doch lieber zurück. – Schönen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Gestatten Sie eine weitere Nachfrage? (Zustimmung)

Ganz kurz nur die Nachfrage: Deswegen haben wir auch nicht beantragt, dass die Entscheidung umzuändern ist, sondern, dass man sich dafür einsetzen möge, dass dieser Name erhalten bleibt, nicht mehr und nicht weniger.

Herr Abgeordneter, das war keine Frage, sondern eine Bemerkung.

Ich habe angefangen mit: „Haben Sie zur Kenntnis genommen, dass …“, und damit war es eine Frage.

Ich habe zur Kenntnis genommen, sehr geehrter Herr Professor, dass Sie das Parlament mit einer Angelegenheit betrauen, wofür wir uns einsetzen sollen, wofür wir nicht zuständig sind. Also noch mal: Der Traditionserlass regelt die Zuständigkeiten, da ist auch klar geregelt, wer sich für Namensumbenennungen oder -beibehaltungen einsetzen sollte. Das ist nicht das Parlament. – Danke schön.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Zuständigkeit des Landtages oder der Landesregierung ist hiermit also nicht gegeben. Das alles kann die AfD-Fraktion oder könnte die AfD-Fraktion nur dann nicht wissen, wenn sie ihren eigenen Landesvorsitzenden nicht mehr ganz so ernst nimmt, nämlich Stichwort, Kollege Weber, Stichwort „Kleine Anfrage an die Bundesregierung“ Ihres Landesvorsitzenden und die entsprechende Antwort der Bundesregierung darauf. Hätten Sie auch das gelesen, dann wären Sie vielleicht von sich aus selber auf die Idee gekommen, ach so, richtig, der Adressat ist hier falsch bei diesem Antrag.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die vorliegende kreative Leistung der hiesigen AfD ist jedenfalls wieder mächtig in die Hose gegangen, aber auch das hat Tradition in diesem Landtag mittlerweile, und das ganz ohne Traditionserlass. – Herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Für die Fraktion der CDU hat jetzt das Wort die Abgeordnete FriemannJennert.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was haben wir hier wieder für einen Antrag vorliegen? Zunächst einmal ist das angesprochene Thema derzeit gar nicht so akut. Warum, darauf komme ich gleich zu sprechen. Dann wäre der Landtag auch gar nicht für die Benennung einer Kaserne zuständig, das haben wir eben schon gehört. Wie das funktioniert, kann ich Ihnen auch noch mal erklären. Einzig könnte der Landtag sich für einen bestimmten Namen aussprechen. Ob dies allerdings aufgrund des durch die Bundeswehr vorgeschriebenen Meinungsfindungsprozesses so angemessen wäre, ist für mich fraglich und auch dazu komme ich noch.