Protocol of the Session on May 31, 2018

Schriften gegen Frankreich. So schrieb er unter anderem den „Katechismus für den deutschen Kriegs- und Wehrmann“, was ihm später die Bezeichnung als literarischer Blücher einbrachte. Arndt befasst sich in seinen Schriften vor allem mit der Idee des Volkes und hatte die Vorstellung von einer unverletzlichen Volkspersönlichkeit. Dabei geht er von einem ursprünglich reinen Zustand des Volkes aus, der bewahrt werden müsse. Das wird ihm heute als rassistisch angekreidet. Versetzt man sich allerdings in die damalige Zeit eines durch Kleinstaaterei, Religionskriege und Fremdherrschaft zerrissenen Deutschlands, dann war es das deutsche Volk, das es aus der Sicht von Arndt zu bewahren und zu einen galt. Der Kitt des deutschen Volkes und ein wesentliches Identifikationsmerkmal war und ist seine Sprache. Mit Rassismus hat dies nichts zu tun.

Das Verhältnis von Arndt zu den Juden war problematisch. So schrieb er zum Beispiel, das lange, unstete Dasein hätte aus ihnen das Gemeine, Kleinliche, Feige und Geizige hervorgelockt, sie seien jeder schweren Mühe und jeder Art von Arbeit gegenüber ungeduldig und würden daher nach jedem leichten und flüchtigen Gewinn streben. Nun, davon würde Arndt sich heute sicherlich distanzieren.

Arndt war ohne Frage eine der großen Gestalten der deutschen Einigungs- und Freiheitsbewegung und bereits zu Lebzeiten eine Legende. Zuletzt war er 1848, fast 80-jährig, Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung. Sein Lied „Was ist des Deutschen Vaterland“ war lange Zeit die inoffizielle Hymne der deutschen Einheitsbewegung. Er schrieb das Gedicht Anfang 1813 in Königsberg, als er für die Erhebung der Ostpreußen gegen Napoleon agitierte. Die erste Strophe lautet:

„Was ist des Deutschen Vaterland? Ist‘s Preußenland, ist‘s Schwabenland? Ist‘s, wo am Rhein die Rebe blüht? Ist‘s, wo am Belt die Möve zieht? O nein! nein! nein! Sein Vaterland muss größer sein.“

Und einige Strophen weiter:

„Was ist des Deutschen Vaterland? So nenne mir das große Land! So weit die deutsche Zunge klingt Und Gott im Himmel Lieder singt, Das soll es sein! Das, wackrer Deutscher, nenne dein!“

Für dieses bewegende Lied, welches das Streben nach einem einigen Deutschland, in dem alle Deutschen vereint sind, befeuert hat, verdient Arndt auch aus heutiger Sicht Anerkennung und keine Schelte, denn an diesem Streben war nichts Verwerfliches.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Bei einer kritischen Würdigung des Lebens und Wirkens von Arndt sollte Konsens darin bestehen, dass historische Ereignisse nur aus ihrer Zeit heraus zu verstehen und zu beurteilen sind. Es geht nicht an, die Vergangenheit ausschließlich mit dem Hochmut des Besserwissens und dem Verständnis und Wertebild von heute rückblickend zu beurteilen. Dabei kann auch ein Blick auf den Nachbarn, wie dort mit Geschichte umgegangen wird, hilfreich sein.

Arndt hat eine antifranzösische Propaganda betrieben und zum Hass gegen die Franzosen aufgefordert. Das ist richtig. Aber wie lautet der historische Kontext? Es war die Zeit der napoleonischen Fremdherrschaft, die sich weit über Europa erstreckte. So entstand das von Arndt gedichtete „Vaterlandslied“ der Freiheitskriege, das da lautet:

„Der Gott, der Eisen wachsen ließ, der wollte keine Knechte, drum gab er Säbel, Schwert und Spieß dem Mann in seine Rechte;“

(Beifall Dirk Lerche, AfD)

„drum gab er ihm den kühnen Mut, den Zorn der freien Rede, dass er bestände bis aufs Blut, bis in den Tod die Fehde.“

Aber wie sah es auf französischer Seite aus? Dort hatte man anlässlich der Kriegserklärung an Österreich ein Kriegslied für die Armee am Rhein gedichtet, das blutrünstiger kaum sein kann. Der Refrain nach allen Strophen lautet übersetzt:

„Zu den Waffen, Bürger, Formiert eure Truppen, Marschieren wir, marschieren wir! Unreines Blut Tränke unsere Furchen!“

Diese Zeilen werden nach jeder Strophe wiederholt, also noch mal:

„Unreines Blut Tränke unsere Furchen!“

Wessen unreines Blut hier gemeint ist, muss ich wohl nicht erklären.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, sollten Sie es noch nicht bemerkt haben, es handelt sich um die Marseillaise. Diese wurde alsbald und ist gemäß Artikel 2 der französischen Verfassung von 1958 auch heute die französische Nationalhymne. Das heißt, deutsche Politiker müssen sich diesen Refrain bei Staatsbesuchen gelassen anhören. Vermutlich ist den meisten der Text unbekannt. Aber stellen Sie sich einmal die umgekehrte Situation vor: Beim Staatsbesuch von Macron würde ein ähnlicher Text von der Bevölkerung leidenschaftlich mitgesungen und diesem um die Ohren geschmettert.

Aber so weit wollen wir gar nicht gehen. Ich habe diesen Vergleich als Beispiel dafür gebracht, wie fundamental anders unsere Nachbarn mit Geschichte und Tradition umgehen. Ich bin mir sicher, dass die Franzosen beim Absingen ihrer kriegerischen Hymne die Aussöhnung und Freundschaft mit Deutschland nicht infrage stellen. Sie würden sich aber vehement dagegen verwahren, diese Hymne irgendwie umzudichten. Andererseits würden sie mit Sicherheit heute einen solchen Text nicht neu erfinden. Wenn wir uns hier ein kleines Stück dieses Umgangs mit Geschichte und Tradition der Franzosen zu eigen machen würden, gäbe es den heutigen Tagesordnungspunkt überhaupt nicht.

Kommen wir zum Vorwurf des Antisemitismus. Ja, Arndt war kein Freund der Juden. Aber das gilt auch für andere

Größen unserer Geschichte, unter anderem für Karl Marx. Und eines vorweg: Wir können und dürfen diesen Punkt nicht allein aus heutiger Sicht nach der Erfahrung der größten Schande unserer Geschichte, nämlich des Holocaust, betrachten. Wenn wir das nämlich tun, dann müssten wir als Erstes unseren großen Reformator Martin Luther von der Liste großer Deutscher streichen. In seiner Schrift „Von den Juden und ihren Lügen“ beschrieb Luther die Juden mit allen nur bekannten Vorurteilen und forderte ganz konkret, die Synagogen niederzubrennen, ihre Häuser zu zerstören und sie am Ende zu vertreiben. Die Quellen sind eindeutig. Allerdings war der Judenhass jener Zeit vor allem religiös motiviert. So erklärt sich die Schmähskulptur an der Kirche zu Wittenberg und am Kölner und Erfurter Dom, deren judenerniedrigende Bezeichnung mir nicht über die Lippen geht.

Was sagt uns das? Ist der große Reformator aufgrund seines Judenhasses und der von ihm geforderten Maßnahmen gegen die Juden – aus heutiger Sicht ein unfassbares Verhalten dieses frommen Gottesmannes – vom Sockel zu stürzen? Natürlich nicht. Wir legen diese hässliche Seite beiseite und versuchen sie aus der damaligen Zeit zu verstehen. Das sollte auch für Arndt gelten, dessen judenfeindliche Äußerungen bei Weitem nicht an den Schmähgehalt der Schriften Luthers heranreichen.

Auch der von Arndt vertretene Volksbegriff wird kritisiert. Nun, hier liegt Arndt ganz auf der Linie der Protagonisten der deutschen Einigungsbewegung, die von der deutschen Nation in einem einigen Reich träumten. Das deutsche Volk war damals unproblematisch durch Abstammung und Sprache auszumachen, nicht anders als bei unseren Nachbarvölkern. Ein Volksbegriff im Sinne einer beliebigen multikulturellen Bevölkerung, von dem heute im links-grünen Milieu geschwärmt wird, lag damals außerhalb der Vorstellungswelt aller Deutschen.

Man muss den Thesen Arndts nicht in jedem Punkt hundertprozentig folgen. Sein Kampf für die Einheit und Freiheit Deutschlands macht ihn jedenfalls zu einem unserer großen Deutschen. Warum nun dieser Hass auf Ernst Moritz Arndt, dessen Name im öffentlichen Bewusstsein getilgt werden soll? Nachdem es die Universität Greifswald getroffen hat, droht der Kaserne in Hagenow nunmehr ebenfalls der Namenspatron abhanden zu kommen. Offensichtlich passt Ernst Moritz Arndt einer linken Mehrheit nicht mehr in die Zeit.

(Heiterkeit und Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Der Blick zurück durch die Brille der politischen Korrektheit ist getrübt und verlangt nach Säuberung, wo der Keim nationalistischen, rassistischen oder antisemitischen Denkens vermutet wird. Dabei hat man sich auf den Weg einer unwürdigen und absurden Bilderstürmerei begeben.

Werte Abgeordnete, ich bitte Sie um Unterstützung unseres Antrages. Setzen Sie ein Zeichen gegen eine kleinkarierte postmortale Gesinnungsschnüffelei großer Gestalten unserer Geschichte! Arndt war ein großer Deutscher und gehört zu den identitätsstiftenden Figuren unseres Landes. Er hat sich aufrecht und mutig für die Rechte der Geknechteten eingesetzt, für die Befreiung Deutschlands von der napoleonischen Fremdherrschaft sowie die Einigung des Vaterlandes gekämpft. Die Kaserne Hagenow soll weiterhin seinen klangvollen Namen tragen. Ein

Bekenntnis zu Arndt wäre ein Signal, über das sich die Verteidigungsministerin nicht einfach hinwegsetzen könnte, und es wäre mit Sicherheit ein Signal im Sinne der Mehrheit unserer Bürger. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD und Ralf Borschke, BMV)

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Ums Wort gebeten hat zunächst der Minister für Inneres und Europa. Herr Caffier, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für meinen Geschmack haben wir in letzter Zeit etwas zu häufig über das Thema Namensgebung gesprochen, grundsätzlich, egal, ob die Rufe von links oder von rechts kamen. Hier werden letztendlich historische Personen für politische oder möglicherweise auch ideologische Zwecke missbraucht, und das, finde ich, ist nicht im Interesse der Sache grundsätzlich.

Heute also wieder Thema Ernst Moritz Arndt – ich habe dazu durchaus ein paar Fakten mitgebracht, die in der emotionalen Debatte sicherlich hilfreich sind, doch zunächst erst mal zum eigentlichen Thema des Antrages.

Wie so vieles in der Bundeswehr sind auch die Namensgebung und die Umbenennung nun mal strikt geregelt und unterliegen nicht der Verteidigungsministerin, um das gleich vorwegzuschicken.

(Bernhard Wildt, BMV: Richtig!)

Das geht weder auf Zuruf des Kasernenkommandanten, des Bürgermeisters oder der Stadtvertretung, weder auf Zuruf der Bundesverteidigungsministerin und schon bestimmt gar nicht auf der Grundlage eines kulturrevolutionären Studentengremiums, was den Kasernennamen betrifft. Vereinfacht gesagt ist das Verfahren zu der Namensgebung wie folgt geregelt: Erst einmal muss sich die Kaserne selbst eine Meinung bilden, bevor die Gemeinde beteiligt wird. Dann ergeht ein entsprechender Antrag an die Leitung des zuständigen Organisationsbereiches. Schließlich entscheidet das Bundesverteidigungsministerium und zum Schluss die Ministerin, ob sie diesen Antrag genehmigt oder nicht. Alleingänge sind da von vornherein ausgeschlossen, und zwar egal, ob von oben oder von unten.

Ich habe mich – aber das ist ja nun auch die Aufgabe – im Rahmen Ihres Antrages vor dieser Landtagssitzung umgehört und mir die Sachstände geben lassen. Die Kaserne hat sich im letzten Jahr mit dem Thema befasst und hat dann eine Namensänderung verworfen.

(Bernhard Wildt, BMV: Richtig!)

Dafür gab es die ausdrückliche Zustimmung des Bürgermeisters und der Gremien.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Welcher Partei gehört er an? Welcher Partei gehört er an, der Bürgermeister in Hagenow?)

LINKE.

(Unruhe vonseiten der Fraktion der CDU – Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE: LINKE! Ah, Mensch, guck an! – Zurufe von Torsten Renz, CDU, und Wolfgang Waldmüller, CDU)

Seitdem hat das Thema in Hagenow keine Rolle mehr gespielt. Die Kasernenleitung war da sehr deutlich. Ich verrate auch kein Geheimnis, dass beide Vertreter schon sehr genervt waren ob der vielen Anrufe unterschiedlicher Fraktionsvertreter inklusive des Ministeriums, die alle das Gleiche gefragt haben, und alle haben deutlich gesagt, wir haben uns entschieden, wir wollen keine Veränderung.

Auch das Bundesverteidigungsministerium hat mir die gleiche Information gegeben. Die Ministerin, mit der ich gesprochen habe, hat mir versichert, dass eine Umbenennung der Kaserne nicht vorgesehen ist, denn es liegt gar kein Antrag vor, und ohne Antrag und mit der Historie,

(Bernhard Wildt, BMV: Das Thema ist vom Tisch. – Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

die ich gerade dargestellt habe, wird es auch keine Veränderung geben.

Insofern wäre es vielleicht hilfreich gewesen, wenn der eine oder andere Kollege der AfD-Fraktion bei mir angerufen hätte, dann hätte ich ihm die gleiche Auskunft gegeben und wir hätten den Antrag nicht in der Form hier gebraucht.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Recherchieren ist nicht ihre Stärke.)

Zumal – noch mal –, selbst wenn wir entschieden hätten, wir wollen das nicht, hat das für das entsprechende Gremium keine Bindungswirkung. Wir können denen das nicht verordnen, aber es steht gar nicht zur Debatte.

Deswegen glaube ich, bei der Frage, ob es besonders hilfreich ist, wenn wir über bestimmte Namen und die Geschichte immer wieder diskutieren, ist das zumindest strittig. Aber letztendlich, Sie haben schon darauf verwiesen, wenn wir bei dem Thema sind, natürlich möchte man dann doch die eine oder andere Anmerkung zum Thema Ernst Moritz Arndt oder andere machen. Ja, Ernst Moritz Arndt hat sich in einer Art und Weise über die Reinheit von Völkern ausgelassen, die wir aus heutiger Sicht grundsätzlich verwerfen würden. Auch seine Äußerungen zum Judentum – Sie haben schon darauf verwiesen – zeugen von abscheulichen Vorurteilen, die bis heute ideologischer Nährboden für Antisemitismus sind.