Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was haben wir hier wieder für einen Antrag vorliegen? Zunächst einmal ist das angesprochene Thema derzeit gar nicht so akut. Warum, darauf komme ich gleich zu sprechen. Dann wäre der Landtag auch gar nicht für die Benennung einer Kaserne zuständig, das haben wir eben schon gehört. Wie das funktioniert, kann ich Ihnen auch noch mal erklären. Einzig könnte der Landtag sich für einen bestimmten Namen aussprechen. Ob dies allerdings aufgrund des durch die Bundeswehr vorgeschriebenen Meinungsfindungsprozesses so angemessen wäre, ist für mich fraglich und auch dazu komme ich noch.
Beginnen möchte ich aber mit der Art und Weise, wie Sie Ihren Antrag formuliert haben. Die Wortwahl Ihres Antrages ist schon in Teilen irgendwie merkwürdig. „Bilderstürmerei“ oder, wie es altgriechisch so schön heißt,
„Ikonoklasmus“, Abbild zerstören, führen Sie hier als Versinnbildlichung an. Der Streit zwischen den Bilderverehrern und den Ikonoklasten, also den Bilderstürmern, eskalierte und endete oftmals blutig. Erst in der Neuzeit konnte diese Streitfrage endgültig für das Christentum entschieden werden. Aber das nur nebenbei.
So sehr ich dafür bin, das Thema „Ernst Moritz Arndt“ zu beraten – und meine Fraktion hat im Zusammenhang mit der Namensdebatte bei der Universität Greifswald ja wohl deutlich gemacht, dass sie die Umbenennung nicht befürwortet –, aber mit einer Ikone würde ich Ernst Moritz Arndt nun auch nicht gleichsetzen. Deshalb ist die Wortwahl, die Sie für Ihren Antrag benutzen – Bilderstürmerei –, schon etwas fragwürdig.
Auch Ihren versteckten Angriff auf die Bundesverteidigungsministerin möchte meine Fraktion ausdrücklich zurückweisen. Überprüfungen von Kasernennamen gibt es schon seit 20 Jahren, seit über 20 Jahren, also auch nach dem alten Traditionserlass. Es geht dabei einzig darum, das heutige Traditionsverständnis der Bundeswehr mit den Kasernenbezeichnungen in Einklang zu bringen. Wenn es nach den Richtlinien notwendig und gewollt ist, wird man diesbezüglich auch tätig werden. Dabei geht es insbesondere darum, die deutsche Militärgeschichte in ihrer ganzen Breite in den Blick zu nehmen, und es geht eben auch darum, die Geschichte unserer Bundeswehr, die mittlerweile auf 60 Jahre eigene Geschichte zurückschauen kann, zu berücksichtigen.
Seit 2013 wurden zehn Kasernen umbenannt. In diesem Zusammenhang von Bilderstürmerei zu sprechen, verkennt die Errungenschaften der Bundeswehr. Lassen wir also das Theatralische weg und versuchen wir, die Fakten hinter Ihrem Antrag aufzuzeigen. Seit 1982 gibt es den sogenannten Traditionserlass bei der Bundeswehr. Dieser wurde überarbeitet, nicht neu erlassen, sondern überarbeitet. Ziel ist es unter anderem, dass auch Kasernenbezeichnungen aus den 50er- und 60er-Jahren darauf überprüft werden, ob sie noch heute mit den Ansprüchen an die Bundeswehr vereinbar sind.
Ernst Moritz Arndt – das ist gesagt worden – war ein deutscher Schriftsteller, Historiker, Freiheitskämpfer, Abgeordneter der Nationalversammlung und von Kritikern wird ihm Antisemitismus vorgeworfen. Er war – das ist auch gesagt worden – ein Mensch seiner Zeit, lebte 1769 bis 1860. Ich glaube, auf diese Fakten können wir uns hier im Landtag einigen. Steht die Kaserne in Hagenow also aktuell vor einer Umbenennung? Nein. Wie kommt die Fraktion der AfD denn nun auf ihren Antrag?
Herr Ritter hat es schon angedeutet, auch dazu müssen wir ein kleines bisschen in der Geschichte zurückgehen, allerdings lediglich bis ins Jahr 2017. Ich hatte es bereits erwähnt, seit über 20 Jahren überprüft die Bundeswehr die Benennung von Liegenschaften. Im Jahr 2017 gab es tatsächlich eine sehr vereinzelte Berichterstattung, nach der die Kaserne in Hagenow sich umbenennen lassen müsse. Es stellte sich jedoch heraus, dass es sowohl für die Umbenennung als auch für die Neubenennung der Prüfung durch die in der Liegenschaft selbst stationierten Truppenteile und Dienststellen bedarf. Das war nach dem alten Traditionserlass so und das ist auch nach dem überarbeiteten Traditionserlass so.
Intern wurde ein Meinungsbildungsprozess gestartet, aber bis heute gibt es keinen offiziellen Antrag der Ka
serne in Hagenow auf Umbenennung oder Neubenennung. Ich habe dazu weder etwas aus dem Panzergrenadierbataillon noch aus dem Versorgungsbataillon verlautbaren hören. Der Bürgermeister und die Mitglieder einzelner Fraktionen der Stadtvertretung haben sich ganz ausdrücklich für die Beibehaltung des Namens ausgesprochen. Dies ist insoweit wichtig, weil auch die Kommunen an der Meinungsbildung zur Namensgebung ihrer Kaserne beteiligt werden. Dies ist Ausdruck der Philosophie der Bundeswehr beziehungsweise der Bürger in Uniform.
Dennoch fühlte sich 2017 der damalige Fraktionsvorsitzende der AfD, Herr Holm, dazu genötigt, eine Pressemitteilung zu der Thematik herausgeben zu müssen, schon damals, wie ich bereits ausführte, offensichtlich ohne zu wissen, wie Umbenennungen tatsächlich ausgeführt und umgesetzt werden. Warum beschäftigen wir uns heute, ein Jahr nach dieser einzelnen Pressemeldung, mit der Thematik? Gibt es neue Erkenntnisse?
Nein! Herr Holm, jetzt im Bundestag für die AfD, hat eine entsprechende Anfrage im Plenum des Bundestages gestellt, interessanterweise mit dem Verweis auf den über ein Jahr alten Bericht. Unsere AfD-Landtagsfraktion hat nicht viel Besseres zu tun, als diese Anfrage noch einmal hier im Landtag zu thematisieren. Da stellt sich schon die Frage, ob Herr Holm aus Berlin in die Fraktion immer noch hineindirigiert. Vielleicht – das ist auch noch interessant zu wissen – hat Herr Holm keine Antwort auf seine Frage bekommen. Doch, hat er. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium, Herr Tauber, hat deutlich gemacht, nach welchen Regeln Umbenennungen von Kasernen erfolgen, dass auch bei der Kaserne in Hagenow der Meinungsbildungsprozess eingeleitet worden sei. Er hat aber nicht gesagt, dass es eine Umbenennung geben würde.
Sie sehen also, es ist gar nichts passiert. Ich sage es noch einmal ganz deutlich: Wenn eine Umbenennung angestrebt werden würde, dann würde das höchst demokratisch von der Liegenschaft aus und mit Beteiligung der kommunalen Gremien erfolgen, aber da ist nichts. Sagen Sie doch einfach dem Herrn Holm,
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Allen Fraktionen hier im Landtag, mit Ausnahme der AfD, war bekannt, dass die Umbenennung vom Tisch ist. Man konnte sich erkundigen – auch wir wussten das – beim Bürgermeister und beim Standortkommandanten. Es ist schon interessant, dass gerade die AfD, die diesen Antrag stellt, das ausgerechnet nicht wusste – bedauerlich, sagt aber auch einiges aus.
Trotzdem sage ich noch mal ein paar Worte zu Ernst Moritz Arndt, weil ich diesen tatsächlich großen Deutschen auch nicht Ihnen allein überlassen kann. Ernst Moritz Arndt ist uns allen bekannt als wichtiger Kämpfer gegen die Leibeigenschaft und durch sein großes Engagement für die Einheit und Freiheit Deutschlands zu Zeiten, als das Land von Napoleons Truppen besetzt war. Als Sohn der Insel wird er auf Rügen sehr hoch geachtet, denn gerade Rügen litt unter der Leibeigenschaft lange und schwer. Darüber hinaus war er nicht nur in Vorpommern und in Mecklenburg, sondern in ganz Deutschland bekannt und hat dort seine Verehrer.
Die Fraktion der Bürger für Mecklenburg-Vorpommern zeichnet sich durch ein sehr differenziertes Urteil aus. Deshalb verschließen wir natürlich auch nicht blind die Augen vor den Vorwürfen, die Arndt wegen antisemitischer Äußerungen heute, nach 200 Jahren, gemacht werden. Die Äußerungen – das ist schon mehrmals gesagt worden – sind im Kontext seiner Zeit zu sehen, aber durch die furchtbaren Ereignisse der Verfolgung und der Massenermordung von jüdischen Menschen in der Zeit des Nationalsozialismus sind wir hoffentlich alle sehr sensibel an dieser Stelle geworden, zumal es auch andere sehr um Freiheit und Demokratie verdiente Persönlichkeiten der gleichen Zeitepoche gibt, die keine antisemitischen Äußerungen hinterlassen haben.
Die Wochenzeitung „Die Zeit“ listete kürzlich, Anfang Mai, einige Namen auf, zum Beispiel Johann Georg Adam Forster, Philipp Jakob Siebenpfeiffer oder Emma Charlotte Herwegh und noch viele andere. Das können Sie nachlesen, das war die Ausgabe Nummer 19. Es ist also eine Abwägungssache, ob man die Verdienste von Ernst Moritz Arndt höher bewertet oder antisemitische Äußerungen, die wir heute nicht tolerieren, die aber zu einer Zeit ausgesprochen wurden, als man sich die Verbrechen des Nationalsozialismus nicht vorstellen konnte.
Die Fraktion der Bürger für Mecklenburg-Vorpommern hat sich in dieser Abwägung eindeutig für Ernst Moritz Arndt entschieden. Auch wenn es uns im heutigen Deutschland gelingt, zunehmend eine eigene demokratische und freiheitliche Tradition aufzubauen, fühlen wir uns unseren Wurzeln sehr verbunden und sind dankbar, dass unsere Vorfahren unsere heutigen Bürgerrechte erkämpft haben. Ernst Moritz Arndt war dabei einer der Protagonisten in unserer Region. Deshalb sollte die Erinnerung an ihn lebendig gehalten werden, aber durchaus in der skizzierten Differenziertheit, sodass er uns nicht nur Vorbild, sondern auch eine Mahnung sein kann. Daher sprechen wir uns dafür aus, dass in Zukunft Schulen, Universitäten und eben auch Kasernen seinen Namen tragen.
Bezüglich des vorliegenden Antrages, das haben wir schon gehört – die Sache ist vom Tisch, und es handelt sich sowieso nicht um ein Thema, mit dem der Landtag oder die Landesregierung befasst werden. Insofern wäre
es tatsächlich am sinnvollsten, den Antrag zurückzuziehen. Ich weiß nicht, ob Sie das eventuell machen. Wenn nicht, werden wir dem Antrag zustimmen, denn wir möchten damit trotzdem deutlich machen, dass wir für Ernst Moritz Arndt sind. – Danke schön.
(Beifall vonseiten der Fraktion der BMV – Peter Ritter, DIE LINKE: Das ist aber auch eine komische Logik.)
Ich glaube, meine Redezeit reicht aus, mich zunächst, Herr Ritter, bei Ihnen für die Äußerung zu entschuldigen. Sie ist hier im Gefecht erfolgt,
Entgegen dem, was hier gesagt wird, ist der Prüfungsprozess nicht beendet. Ich wusste übrigens nicht, dass Herr Holm die Anfrage gestellt hatte, ich kannte auch die Auskunft nicht, aber wie Sie heute berichteten, ergibt sich daraus genau, dass dieser Prüfungsprozess, der 2017 an die Kaserne gegeben wurde, nicht abgeschlossen ist. Mir liegt ein Zeitungsbericht von März 2018 vor – das war die Grundlage für meinen Antrag –, die Nachfrage eines Journalisten im Verteidigungsministerium mit der Auskunft, das läuft noch, das ist nicht abgeschlossen.
Da wurde gesagt, Ende 2017 sollte das abgeschlossen sein. Der war von März 2018. Ende 2017 sollte der Prüfungsprozess schon abgeschlossen sein, war er im März 2018 auch nicht. So, wie Sie auch die Erklärung des Ministeriums hier wiedergegeben haben, läuft der Prüfungsprozess noch.
Im Übrigen ist uns die Zuständigkeit sehr wohl bewusst. Das ergibt sich aus dem, was ich bisher vorgetragen hatte. Deshalb, wie es mein Kollege Professor Weber auch gesagt hatte, geht es darum, eine Erklärung abzugeben, dass man an dem Namen festhalten möchte, jedenfalls keine Umbenennung vornehmen möchte. Und wenn Sie sehen, wer an diesem Prüfungsprozess beteiligt ist, dann kann solche Äußerung eines Landtages durchaus sinnvoll sein.
Es ist richtig, ich habe, weil ich das in der Einbringungsrede nicht geschafft hätte, mich da noch nicht mit dem Traditionserlass beschäftigt, denn der Traditionserlass – auf den muss man eingehen, das ist richtig – bildet die Grundlage dafür, dass eine Umbenennung geprüft wird und durchgeführt werden könnte. Der Erlass bietet aber meines Erachtens keine Grundlage für eine Umbenennung, und dazu braucht man nicht über ein Jahr Prüfung. Diese wäre nach den Ziffern 3.4 und 4.15 des Erlasses nur geboten, wenn Arndt eine Person der Geschichte wäre, die nach heutigem Verständnis verbrecherisch, rassistisch oder menschenverachtend gehandelt hat. Ich weiß nicht, ob wir das bei ihm bejahen sollten.
Man sollte sich im Übrigen mit dem umfänglichen Erlass mit seinen vielen phrasenhaften Thesen befassen und wird feststellen, dass hier die politische Korrektheit die Feder geführt hat. Drei Punkte sind hervorzuheben.
Erstens. Der Erlass stellt den politischen Aspekt, die Bindung der Armee an die Normen und Werte des Grundgesetzes, ganz oben an.
Da ist zunächst mal nichts dagegen zu sagen. Danach – Hören Sie zu! –, danach ist die Bundeswehr die Armee eines demokratischen Rechtsstaates, das ist in Ordnung.
Zweitens. Folglich können Wehrmacht und NVA nicht traditionsstiftend sein, weil sie einer Diktatur gedient haben.
Drittens. Zentraler Bezugspunkt der Tradition sind nunmehr nach Ziffer 3.3 ihre eigene lange Geschichte und die Leistungen ihrer Soldatinnen und Soldaten, zivilen Angehörigen sowie Reservistinnen und Reservisten, so die neue gendergerechte Erlasssprache.
Die Bindung an das System bedeutet verkürzt: Wer unter einer Diktatur dient, ist ein böser Soldat und kann nur ausnahmsweise ein Held sein. Deshalb scheiden Wehrmacht und NVA grundsätzlich als traditionsstiftend aus. Somit bleibt nur noch die eigene Tradition der Bundeswehr als zentraler Bezugspunkt für die Traditionspflege übrig. Das ist kümmerlich wenig und geht an der Wirklichkeit völlig vorbei, denn weder die Bundeswehr noch die NVA sind vom Himmel gefallen, ihre Wurzeln reichen über die Wehrmacht weit zurück in die deutsche Militärgeschichte. Und eine Armee bewährt sich erst im Krieg, wenn es darum geht, ob das erlernte Kriegshandwerk erfolgreich angewandt wird. Daran kommt man bei nüchterner Betrachtung nicht vorbei. Diese Bewährungsprobe musste die Bundeswehr Gott sei Dank bisher nicht bestehen und sie möge ihr auch dauerhaft erspart bleiben.
Die bisherigen Auslandseinsätze, die mit der Tradition der Vaterlandsverteidigung oder des eigenen Landes brechen, haben zwar Opfer gefordert, haben aber doch eine völlig andere Dimension. Gerade weil sie mit der Verteidigung des eigenen Landes nichts zu tun haben, erscheint schon heute die ihnen zugesprochene Sinnstiftung für die Traditionspflege der Bundeswehr problematisch.
Unabhängig davon, wie man zu dem neuen Traditionserlass steht, der Name Ernst Moritz Arndt auf der Kaserne Hagenow ist damit durchaus vereinbar.
Eines der ersten Opfer der von der Bundeswehr losgetretenen Säuberungskampagne war übrigens der verstorbene und weltweit geachtete Kanzler Helmut Schmidt. Sein Bild, das ihn in Wehrmachtsuniform zeigt – er konnte ja kaum im Schlafanzug oder sonst was gezeigt werden –,