Ich bin meinem Kollegen Herrn Dr. Jäger dankbar, dass er hinsichtlich der Behandlung dieses Themas eingelenkt hat und die Frage nicht nur im Hinblick auf die Fälle in der DDR diskutieren will, denn es ist völlig unangebracht, dieses begangene Unrecht auf ein politisches System zu beschränken. Damit würden wir den Opfern nicht gerecht. Gewalt gegen Kinder und Jugendliche ist immer schlimm, egal ob zu DDR-Zeiten oder heute, egal ob in staatlichen Einrichtungen oder in kirchlichen oder in der häuslichen Umgebung.
Denn wir, die Politikerinnen und Politiker, haben aus unserer Sicht die Pflicht, im Rahmen unserer Möglichkeiten für eine sachgerechte Aufklärung zu sorgen und Maßnahmen einzuleiten, die dazu beitragen, den Kindern größtmöglichen Schutz zu bieten und künftige Misshandlungen zu vermeiden.
Nicht nur aus diesem Grund werden wir der Überweisung federführend in den Europa- und Rechtsausschuss und, ich denke, auch in den Sozialausschuss zustimmen. Ich gehe davon aus, dass wir dann gemeinsam mit der notwendigen gebotenen Sensibilität die Fragen diskutieren. Das sind wir den Opfern schuldig, und zwar allen Opfern, egal wann und zu welcher Zeit und in welcher Form der Missbrauch stattgefunden hat.
Ich hoffe, wir sind uns auch darüber einig, dass nicht nur Mecklenburg-Vorpommern gefragt ist, sondern dieses Thema gesamtdeutsch zu behandeln ist. Mit der Einrichtung eines Runden Tisches auf Bundesebene ist diesbezüglich ein erster Schritt gemacht worden. Die ersten
Meine Damen und Herren, wenn man sich mit dieser Problematik beschäftigt, glaube ich, sollte man dabei bedenken, dass diejenigen, die davon betroffen sind, große Hürden zu überwinden haben, über das Leid, über das, was ihnen passiert ist, zu berichten. Und ich glaube, man kann eins feststellen: Missbrauch von Kindern, egal in welchem politischen System, findet immer da statt, wo geschlossene und autoritäre Strukturen aufgebaut worden sind, die sich einer demokratischen Kontrolle entziehen beziehungsweise von Beginn an entzogen worden sind.
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU und FDP – Dr. Margret Seemann, SPD: Das ist völlig richtig, Frau Borchardt. – Vincent Kokert, CDU: Richtig.)
Missbrauch von Kindern ist auch zum größten Teil Ausdruck eines bestimmten Erziehungsbildes, immer dann, wenn Verantwortliche, denen wir unsere Kinder in Obhut gegeben haben, ihre Autorität, körperliche Überlegenheit sowie die Unwissenheit, das Vertrauen und die Abhängigkeit ausnutzen.
Und auch das steht fest: Versteckter, verschwiegener Missbrauch findet dort statt, wo niemand ihn vermutet. Drei Viertel aller Missbrauchsfälle an Kindern geschehen in Familien, im Bekannten- und Verwandtenkreis. Wenn wir uns also ernsthaft mit der Aufarbeitung und Prävention befassen wollen, müssen wir so weit wie möglich weg von politischen Einschätzungen.
Meine Damen und Herren, Erfahrungen der zahlreichen Beratungsstellen in unserem Land machen deutlich, wie schwer es vielen Betroffenen fällt, mit ihren Problemen an die zuständigen Stellen zu gehen. Manchmal dauert es Jahrzehnte. Die Gründe sind vielfältig. An dieser Stelle möchte ich mich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den entsprechenden Beratungsstellen für ihre Arbeit bedanken.
Sie leisten eine verantwortungsvolle Aufgabe, von ihnen wird viel abverlangt. Sie sind diejenigen, zu denen die Betroffenen den ersten Schritt gehen. Ihrem Einfühlungsvermögen ist es zu verdanken, ob die Opfer in das Leben zurückfinden.
Und natürlich, auch das will ich kurz anreißen, stellt sich gleichzeitig die Frage der juristischen Bewertung. Aber auch hier haben wir, die Politikerinnen und Politiker, eine hohe Verantwortung. Wir dürfen es uns nicht so leicht machen und in der Strafverschärfung die Lösung sehen. Damit wecken wir Erwartungen und Hoffnungen, die wir nicht erfüllen können. Deshalb – bezogen auf den Antrag der FDP – will ich an dieser Stelle auch sagen, die Überweisung in den Rechtsausschuss bedeutet für uns nicht die Verbindung mit weiterer Strafverschärfung. Dabei will ich eine Prüfung von Schutzvorschriften für Kinder nicht ausschließen.
Meine Damen und Herren, weitere Ausführungen möchte ich bewusst nicht machen. Da gäbe es noch einiges zu sagen, etwa wenn einige in der Homosexualität die Ursache sehen oder die Tatsache, dass einige bereits Schlussfolgerungen gezogen haben, bevor die
Arbeit beginnen konnte. Nein, all das will ich ausklammern. Meine Fraktion und ich persönlich wollen sich an unseren eigenen Forderungen messen lassen und die Debatte im Europa- und Rechtsausschuss nicht unnötig erschweren.
Meine Damen und Herren, lassen Sie uns gemeinsam dafür Sorge tragen, dass die Opfer von Missbrauch, auch diejenigen, die den Mut noch nicht gefunden haben, ihr Schicksal öffentlich zu machen beziehungsweise an die entsprechenden Beratungsstellen sich zu wenden, Genugtuung, Unterstützung und Solidarität erhalten. – Danke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Barbara! Sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche ist ein abscheuliches Verbrechen. Es muss alles dafür getan werden, die Fälle sexueller Gewalt rückhaltlos aufzuklären, die Opfer so gut es geht zu unterstützen und ihnen zu helfen. Kinderschänder müssen für ihre Taten im Straf- oder Maßregelvollzug büßen. Betroffene leiden sehr oft sehr lange unter den Folgen dieser Verbrechen, sind physisch krank, psychisch krank, fühlen sich stigmatisiert. Öffentlichkeit tut not, billiges Haschen nach Schlagzeilen und öffentlicher Profilierung jedoch nicht.
Meine Damen und Herren, es gilt, Konsequenzen aus den zahlreichen bekannt gewordenen Fällen sexuellen Missbrauchs in kirchlichen und weltlichen Einrichtungen zu ziehen. Vermutlich werden wir für Mecklenburg-Vorpommern mehr über DDR-Heime und -Jugendwerkhöfe reden müssen, aber wir werden Missbrauchsfälle etwa im Verantwortungsbereich der römisch-katholischen Kirche und anderswo nicht ausblenden. Es geht um ein möglichst offenes gesellschaftliches Klima im Interesse von Opfern und von Prävention. Es sind unsere Kinder, die unseren Schutz, unsere Unterstützung brauchen.
Meine Damen und Herren, der Europa- und Rechtsausschuss wird sich auf Antrag der Koalitionsfraktionen – und, Herr Leonhard, ich hatte es Ihnen schon persönlich gesagt, unsere Idee war vor Antragsschluss – mit dem Thema Missbrauch von Kindern und Jugendlichen befassen, und zwar nunmehr ohne Einschränkung im Hinblick auf Zeitraum, Ort oder Institution. Es gilt, möglichst Konsens über die erforderlichen Hilfen und die notwendigen präventiven Maßnahmen zu erzielen und damit zu helfen, eine gesellschaftliche Kultur des Hinsehens zu befördern. Auch die Themen Aufarbeitung und Entschädigung werden sicher eine Rolle spielen.
Sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen ist leider ein breites gesellschaftliches Phänomen, wahrscheinlich in viel größerem Umfang, als wir es uns vorstellen können. Sexuelle Übergriffe, wir haben es gehört, beschränken sich nicht auf Kirche, Schulen, Heime, sexuelle Übergriffe passieren am häufigsten in Familien.
Wir haben im Land seit Längerem sehr viel dafür getan, um sexuelle Gewalt wirksam zu bekämpfen. Ich möchte hier stellvertretend für viele engagierte Menschen unsere Parlamentarische Staatssekretärin Frau Dr. Seemann erwähnen.
Und wir bauen das auch weiter aus, wie jüngst im Bereich der Justizministerin. Ich bin sicher, dass der Runde Tisch in Berlin Empfehlungen erarbeiten wird, und zwar für alle Bereiche.
Meine Damen und Herren, auch nach Gesprächen mit den Kollegen der FDP-Fraktion gehe ich davon aus, dass die formale Einschränkung im Antrag nicht aufrechterhalten werden muss. Namens unserer Fraktion stimme ich der Überweisung in den Europa- und Rechtsausschuss zu. Ich bitte, aus der Kürze meiner Sätze keine falschen Schlüsse zu ziehen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Beim Lesen Ihres Antrags fiel mir unwillkürlich eine Kleine Anfrage ein, die wir Anfang des Jahres 2009 an die Landesregierung stellten. Darin ging es zwar nicht um Missbrauchsfälle und Gewalttaten in Kinderheimen und Jugendwerkhöfen vor 1989, sondern um Fälle von sexuellen Missbrauchs Schutzbefohlener durch Angestellte der christlichen Kirche, die Problematik ist aber ungefähr dieselbe. Die Landesregierung gab sich seinerzeit noch recht wortkarg: „Fälle von sexuellem Missbrauch“ im oben genannten Bereich „werden weder bei den Staatsanwaltschaften noch bei den Gerichten des Landes gesondert erfasst“, hieß es in der Antwort der Landesregierung.
Sei es, wie es sei. Mittlerweile vergeht kein Tag, an dem sich nicht neue Opfer melden, die angeben, von Priestern und anderen Angestellten der Katholischen Kirche missbraucht worden zu sein. Entsprechende Fälle sind auch für das spätere Mecklenburg-Vorpommern belegt.
Sicher, eine Aufarbeitung der Gewalt an Kindern und Jugendlichen, ob nun in Form eines Runden Tisches oder in einer anderen, ist wichtig und richtig. Auch geht es darum, wie Sie in Ihrem Antrag schreiben, Vorschläge zur Änderung der rechtlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu erarbeiten, um sexuelle und körperliche Gewalt zukünftig besser vermeiden, aufdecken und ahnden zu können.
Und hier bietet sich für uns als nationale Opposition die Gelegenheit, auf eine entscheidende Tatsache hinzuweisen. Die NPD forderte seit Jahren ein Optimum an Kinderschutz, so auch hier im Landtag von Mecklenburg und Vorpommern. Sie erinnern sich – ob nun gern oder nicht, ist uns völlig egal –, dass wir hier in diesem sogenannten Hohen Hause mehrfach die schnellstmögliche Einrichtung einer bundesweiten Datenbank für Sexualstraftäter und Kinderschänder angemahnt haben. Mit einem derartigen Zentralregister würde ein wirksamer Beitrag dafür geleistet, dass entsprechend vorbelastete Personen nicht in öffentlichen Einrichtungen tätig werden und somit nicht in die Nähe des Nachwuchses gelangen können. Hierzu liegt Ihnen unser Änderungsantrag vor.
Doch wenn ich mich recht erinnere, Herr Roolf, haben auch Sie und Ihre Fraktion stets gegen so ein Ansinnen
gestimmt. Stattdessen bekommen Vertreter der Altparteien geradezu hysterische Anfälle, wenn sich nationale Bürger mit den Opfern von perversen Kinderschändern solidarisieren. Ich erinnere hier nur an den Fall in Gadebusch, als ein 22-jähriger Tatverdächtiger nach einem Sexualmissbrauch an drei Kindern von der Polizei verhaftet, der Haftbefehl dann aber von der Justiz unter lächerlichen Auflagen außer Kraft gesetzt wurde. Ein gesundes Volksempfinden stand hier wieder einmal einer Justiz gegenüber, die der Meinung ist, dass eine bloße Kontakt sperre genügt, um so einer Wiederholungsgefahr zu begegnen. Wie hätte wohl die Entscheidung ausgesehen, wenn die Amtsträger für ihre Entscheidung haftbar gemacht werden könnten oder gar die eigenen Kinder von ihrer Entscheidung betroffen wären?
Frau Borchardt, Sie haben recht, ich war etwas fixiert auf die Vergangenheit. Ich will Ihnen das auch erklären. Ich war am 10. April bei einer Veranstaltung der Opfer des Stalinismus und da hat eine junge Frau vorgetragen, wie ihr Schicksal war. Und ich sage Ihnen, ich weiß, dass Sie das genauso berührt wie mich. Was dort vor vielen Menschen vorgetragen wurde, ist etwas, was mich umgetrieben hat. Und ich glaube, wir sind es den Opfern schuldig, so, wie die Dienststelle der Landesbeauftragten für die Unterlagen der Staatssicherheit es getan hat, hier aufzuklären. Und wir sind es schuldig, ihnen zu helfen, sich zu artikulieren.
Das hat Herr Kollege Dankert als besonders wichtig benannt, das sehe ich genauso. Aber das reicht nicht, völlig klar. Das reicht nicht, denn die Vergangenheit ist wichtig, wenn man für die Zukunft etwas ändern will, aber natürlich müssen wir in die Zukunft blicken.
Und, liebe Kollegen von der FDP-Fraktion, wir werden Ihren Antrag natürlich nicht ablehnen, aber Sie haben ja selber gemerkt, wir brauchen keine interministerielle Arbeitsgruppe.
Wir brauchen diese Landesregierung wirklich nicht zum Jagen zu tragen. Was die beiden Ministerinnen hier vorgetragen haben, muss Sie doch eigentlich davon überzeugen, dass in diesem Lande diese Problematik gesehen und auch entsprechend zielgerichtet gehandelt wird. Ich bin sehr dankbar für den Vortrag sowohl der Justizministerin wie der Sozialministerin. Und, Frau Schwesig, wir beide haben an einem bestimmten Punkt immer da zusammengearbeitet, deswegen wusste ich auch, was Sie tun.
Ich will mir aber dennoch nicht verkneifen, etwas zu sagen zur Stellung von Kindern und von Jugendlichen in einer Gesellschaft. Da bedarf es in der Tat der Aufarbeitung und die bedarf es nicht nur auf dem Gebiet der ehemaligen DDR. Die Einstellung zum Kindeswohl, zur Erziehung hat sich in den letzten 30 Jahren ganz erheblich, Gott sei Dank, verändert. Wenn ich aus meiner Generation berichte, wie ganz normal es für Eltern war, ganz bestimmte körperliche Erziehungsmethoden anzuwenden, und wie das in der Gesellschaft auch als ein
richtiger Weg gesehen wurde, dann kann ich natürlich durchaus nicht mit den Maßstäben, die wir heute unter unserer heutigen Entwicklung ja fast selbstverständlich in unserer Gesellschaft haben, an Dinge aus der Vergangenheit herangehen.
Aber, ich will das auch so deutlich sagen, natürlich ist das Verhalten gegenüber den eigenen Kindern auch das Spiegelbild einer Gesellschaftsform. Und wenn als Ziel von Erziehungsmethoden in Jugendwerkhöfen festgelegt wurde, dass man zunächst den Widerstand zu brechen habe, dann ist vieles, was dann dort geschehen ist, quasi systematisch abgelaufen. Das müssen wir aufklären. Das darf sich nicht wiederholen.
Diese Einstellung, das Kind, den Menschen, den jungen, kleinen Menschen zum Objekt zu machen des Staates, das ist genau das, was Artikel 1 unseres Grundgesetzes zum Glück ausschließt. Deswegen hatte ich zunächst dieses aus meiner Erfahrung aus dem Gespräch mit Opfern vorgesehen zu untersuchen. Ich bin der Meinung, wir müssen eben weitergehen.
Und ich bitte die FDP-Fraktion, wirklich nicht zu grollen, wenn wir sagen, wir wollen dies dort beraten, wo es hingehört, nämlich in den Ausschüssen dieses Landtages, weil wie gesagt, wenn wir die Regierung zum Jagen tragen müssten, wäre das okay, wir wissen aber, dass wir eigentlich die Regierung jetzt nur behindern würden, wenn wir sie zwingen, irgendwelche Arbeitskreise einzurichten. Wenn du nicht mehr weiterweißt, bilde einen Arbeitskreis, haben wir früher gesagt. Ich meine das nicht böse.
Lassen Sie uns das gemeinsam tun als Abgeordnete. Es ist unsere ureigene Verantwortung, an diesem Punkt zusammenzuarbeiten, lassen Sie uns das so begreifen. Und ich bitte Sie, damit einverstanden zu sein, das ist ja mehrfach gesagt worden, dass dieser Antrag in den Europa- und Rechtsausschuss verwiesen wird. Ich bin mir ganz sicher, dass der Sozialausschuss uns dabei unterstützen wird. Das haben wir in unserem gemeinsamen Antrag, Herr Dankert, auch schon so vorgesehen. – Ich bedanke mich.