Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Kampf gegen den Kindesmissbrauch ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Hier sind wir alle gemeinsam gefragt und gefordert, den richtigen Weg zu finden. Dieser Heraus forderung stelle ich mich mit ganzer Kraft. Lassen Sie uns gemeinsam handeln! – Herzlichen Dank.
Es hat jetzt ums Wort gebeten die Ministerin für Soziales und Gesundheit Frau Schwesig. Bitte schön, Frau Ministerin, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! In Ergänzung zu der Rede unserer Justizministerin möchte ich Ihnen über die Ergebnisse des Runden Tisches in Berlin berichten.
Ich möchte aber vorab eine Bemerkung machen: Wenn es hier darum geht, den Missbrauch von Kindern und Jugendlichen aufzuklären, für die Zukunft zu vermeiden, dann werde ich nicht von Missbrauch sprechen, sondern von Gewalt.
Denn wenn wir von Missbrauch sprechen, dann suggerieren wir, dass es auch einen „Gebrauch“ von Kindern geben könnte.
Und den darf es nicht geben. Deswegen appelliere ich an alle: Lassen Sie uns das direkt ansprechen! Hier geht es, egal bei welcher Tat, um Gewalt gegen Kinder und Jugendliche, die wir ächten müssen und die wir natürlich möglichst verhindern müssen.
Dieses Thema ist zu ernst, dass sich Politiker darüber streiten sollten, wer am lautesten fordert oder wer als Erster damit in den Medien erscheint. Bei diesem Thema ist Besonnenheit gefragt und nicht Aktionismus. Deswegen darf ich Ihnen sagen, dass es bei diesem Thema seit vielen Jahren eine gute Zusammenarbeit innerhalb der Landesregierung gibt. Wir haben mehrere, die mit diesem Thema beschäftigt sind:
Wir haben unsere Parlamentarische Gleichstellungsbeauftragte, die verantwortlich ist für die Beratungsstellen von Opfern sexualisierter Gewalt, die es seit vielen, vielen Jahren gibt und wo sie immer wieder darum kämpft, dass diese weiterhin bestehen, gut ausgestattet sind.
Wir haben unsere Justizministerin, die sich natürlich, und das hat sie, denke ich, hier sehr engagiert auch gezeigt, bei den strafrechtlichen Fragen, aber eben auch bei der Frage der Opferhilfe einsetzt. Und ich freue mich sehr, dass es uns gelungen ist, gleich zum Haushalt miteinander zu verabreden, dass meine Mittel, die in meinem Haus zur Verfügung standen für Opferhilfe, an die Justizministerin gehen, um hier zum Beispiel Strukturen effektiv zusammenzufügen.
Herr Dr. Jäger, wir beide wollen gerne, dass so gute Programme wie das Zeugenbegleitprogramm für Kinder, die Opfer von sexualisierter Gewalt sind, bestehen können, auch bestehen können strukturell, nicht nur immer, wenn die Spenden gut da sind. Da freue ich mich, dass wir mit der Justizministerin hier auf gutem Weg sind.
Natürlich ist auch unser Bildungsminister engagiert. Die KMK hat bereits jetzt schon im April vorgelegt, dass viele präventive Maßnahmen, die im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe gelten, auch im Schul bereich gelten sollen.
sondern wir reden darüber schon lange, engagieren uns. Aber natürlich ist es so, dass, wie Herr Leonhard
sagt, die Fälle, die jetzt noch mal an die Öffentlichkeit kommen, Anlass dafür sein müssen, noch mal genau hin zuschauen, ob wir eigentlich schon genug tun. Deshalb ja, wir werden die Fälle der Gewalt an Kindern und Jugendlichen von heute, aber vor allem auch von der Vergangenheit, die Kinder und Jugendliche in ehemaligen Einrichtungen der DDR erlebt haben, aufklären. Und ja, wir werden und wollen ein eindeutiges Signal setzen und den Opfern zeigen, dass sie als Menschen wahrgenommen werden, denen Unrecht geschehen ist, und dass eben nicht Schuld und Scham bei den Opfern liegt, sondern Schuld und Scham bei den Tätern liegen muss.
Und ja, wir werden dieses Unrecht weder bagatellisieren oder gar tolerieren, weder für die Vergangenheit noch für die Zukunft. Und die schonungslose Aufklärung ist uns auch deshalb wichtig, weil wir dadurch lernen können, aufmerksamer zu sein für die Gefahren, die unseren Kindern jeden Tag begegnen können.
Und die öffentliche Debatte, losgelöst um die skandalösen Fälle in der Katholischen Kirche, aber auch in Einrichtungen wie die Odenwaldschule und dann auch über bekannt gewordene Fälle in Einrichtungen der ehemaligen DDR, war Anlass für die Bundesregierung, einen Runden Tisch in Berlin einzuberufen unter Leitung der drei Bundesministerinnen. Frau Justizministerin hat sie benannt.
An diesem Runden Tisch nehmen 60 verschiedene Vertreter teil aus Kinderschutzverbänden, von Ländern, von Opferverbänden, aus der Justiz, aus der Wissenschaft, aus verschiedensten Bereichen. Die Länder sind dort vertreten durch den Vorsitzenden der Kultusministerkonferenz, durch den Vorsitzenden der Justizministerkonferenz und auch durch die Vorsitzende der Jugend- und Familienministerkonferenz, die ich in diesem Jahr sein darf.
Deswegen nehme ich an diesem Runden Tisch in Berlin teil. Dieser Runde Tisch hat bereits am 23. April 2010 getagt und es wird im Rahmen dieses Runden Tisches drei Arbeitsgruppen geben:
eine Arbeitsgruppe, die sich mit den Fragen der Prävention, Intervention und Information beschäftigt. Die nächste Sitzung wird am 25. Mai 2010 sein.
Es wird unter Leitung der Bundesjustizministerin eine zweite Arbeitsgruppe geben, die sich mit den Fragen Durchsetzung des Strafanspruchs beschäftigt, mit rechtspolitischen Folgerungen und natürlich mit den Fragen der Anerkennung des Leids von Opfern. Diese wird am 20. Mai tagen.
Aus diesem Runden Tisch ist herausgekommen, dass wir auch eine dritte Arbeitsgruppe einrichten unter dem Vorsitz der Bundesbildungsministerin, die sich beschäftigen wird mit den Konsequenzen für den Bereich Wissenschaft, Forschung und Lehre, weil am Runden Tisch deutlich wurde, dass wir in diesem Bereich, gerade was die Frage Gewalt an Kindern und Jugendlichen angeht und die Frage auch von Vorbeugung, noch Lücken haben.
Diese Arbeitsgruppen tagen im Mai und noch ein zweites Mal vor der Sommerpause. Im September und Dezember dieses Jahres wird noch mal der Runde Tisch zusammenkommen und dann soll Ende des Jahres ein erster Zwischenbericht vorgelegt werden.
Zur Vorbereitung auf diesen Runden Tisch habe ich Gespräche mit den Opferberatungsstellen geführt, mit den Verantwortlichen beim Kinderschutzbund, vom Zeugenbegleitprogramm, natürlich mit Vertretern der Katholischen Kirche Mecklenburg-Vorpommern, mit den Mitarbeiter/-innen der Landesbeauftragten Mecklenburg-Vorpommern für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR, wo ja diese Fälle auflaufen, wo die Opfer sich melden.
Wir haben natürlich eine Abstimmung mit allen Jugend- und Familienministern der Länder gemacht. Wir treten hier parteiübergreifend, länderübergreifend auf und insbesondere haben wir uns auch noch mal abgestimmt zwischen den Familienministern der ostdeutschen Länder zu der speziellen Frage Gewalt in Einrichtungen der ehemaligen DDR.
Ich habe ein Gespräch geführt mit der Beauftragten für Missbrauch, Dr. Christine Bergmann, die parallel zum Runden Tisch eingesetzt worden ist von der Bundesregierung, unabhängig, die die Aufgaben hat, die Aufklärung zu machen, Anlaufstelle zu sein und Empfehlungen an den Runden Tisch zu geben. Frau Dr. Bergmann wird alleine 25 telefonische Anlaufstellen mit Profis einrichten für die Opfer, aber nichtsdestotrotz war es uns wichtig, hier im Land natürlich auch noch einmal explizit eine eigene Anlaufstelle zu benennen. Hier hat die Justizministerin das so schnell wie möglich gemacht und dafür bin ich ihr sehr dankbar.
Wir haben innerhalb der Landesregierung uns abgestimmt, sind schon natürlich seit Jahren zu dem Thema im Gespräch, aber auch noch mal abgestimmt, wie gehen wir mit den Themen, die jetzt noch mal ganz aktuell hochgekommen sind, um. Ich persönlich hätte mir gewünscht, wenn es diese Opfer gibt, die sich schon auch im letzten Jahr gemeldet haben, dass es an uns eher herangetragen worden wäre. Und als es uns bekannt wurde, haben wir uns noch einmal zusammengesetzt und überlegt, was machen wir noch zusätzlich. Wie gesagt, es gibt ja Opferberatungsstellen. Es ist nicht so, dass es nichts gibt. Es gibt auch gute Präventionsprojekte.
Wir sind uns einig, dass die Fälle der Vergangenheit aufgeklärt werden müssen, insbesondere auch die Gewalttaten gegen Kinder und Jugendliche in der ehemaligen DDR. Ich glaube, das kam hier bei allen heraus, dass es wichtig ist. Wir sind uns aber auch einig, dass eine Insellösung für Mecklenburg-Vorpommern nicht ausreicht. Wir haben bereits den Runden Tisch „Heimkinder West“, 50er- bis 70er-Jahre. Wir wollen nicht noch mal einen extra Runden Tisch, ich sage mal „Heimkinder Ost“.
Das ist übrigens nicht eine isolierte Meinung unserer Landesregierung, sondern diese Position habe ich mit allen Jugend- und Familienministern der ostdeutschen Bundesländer abgestimmt. Alle begrüßen es, dass dieses Thema dahin gehört, wo die Aufmerksamkeit ist, und zwar an den Runden Tisch in Berlin. Und der Runde Tisch begrüßt es vollständig und natürlich auch die Bundes ministerin. Da bin ich sehr froh, dass wir parteiübergreifend, länder- und bundübergreifend die gleiche Position haben.
Ich unterstütze noch mal ausdrücklich, was unsere Justiz ministerin gesagt hat: Alle Opfer müssen das gleiche Recht haben auf Aufklärung und auch auf Entschädigung. Hier darf es keine Unterschiede geben. Hier darf es nicht neues Unrecht geben.
Selbstverständlich habe ich diese Position auch mit der unabhängigen Beauftragten Frau Dr. Christine Bergmann besprochen. Aufgrund ihrer ostdeutschen Biografie liegt es ihr natürlich besonders am Herzen, wenn auch diese Fälle in ihren Anlaufstellen bekannt werden, diese mit in die Aufklärung und Aufarbeitung einzubeziehen. Wir haben also sozusagen das Thema nach Berlin transportiert, an den Runden Tisch, zur Missbrauchs beauftragten, aber wir haben auch hier mit der Anlaufstelle bei Frau Justizministerin Kuder noch eine Lösung für M-V. In sofern, denke ich, ist eine ganze Menge passiert und auf gutem Weg.
Nichtsdestotrotz ist es natürlich hilfreich, dass wir uns weiter damit beschäftigen. Ich muss offen gestehen, dass ich zum Anfang Skepsis und Sorge hatte, dass dieser Runde Tisch in Berlin zu hohe Erwartungen wecken würde, die wir vielleicht am Ende nicht erfüllen können. Die erste Sitzung war sehr konstruktiv, sie war geprägt von Redebeiträgen, die konkret waren, die ohne Zuspitzungen waren, auch wenn es unterschiedliche Positionen gab, die wirklich davon geprägt waren, dass es jedem einzelnen am Herzen lag, bei dem Thema wirklich was zu erreichen und sich nicht gegeneinander zu stellen.
Es gab erste Anregungen zur Prävention und hier möchte ich noch mal betonen: Wir haben Anlaufstellen, wir haben gute Präventionsprojekte. Und die Sorge, die immer vor Ort ist, ist, können die weiter finanziert werden, können die, wenn die finanziellen Mittel zurückgehen, stehen sie dann infrage. Und da muss man einfach sagen, und die Position habe ich auch in Berlin vertreten, Kinderschutz gibt es nicht zum Nulltarif, hier müssen sich alle engagieren, Kommunen, Länder und Bund.
Und, sehr geehrte Abgeordnete der FDP, Ihr Landesvorsitzender ist ja auch am Runden Tisch Mitglied als Vertreter der FDP-Bundestagsfraktion und, wie gesagt, alle waren sich einig am Runden Tisch, dass das Thema Aufklärung DDR-Einrichtungen dort hingehört. Und ich habe es sehr begrüßt, dass Herr Ahrendt dort in Aussicht gestellt hat, dass es natürlich darum geht, die Präventionsprojekte zu stärken, und dass der Bund sich hier angemessen beteiligen will. Wenn das so kommt, würde ich das sehr begrüßen und hoffe, dass die Regierung auch hier ihr Wort hält. Aber wie gesagt, ich bin guter Dinge von dem, was am Runden Tisch gesagt worden ist. Es gab konkrete Anregungen zu rechtspolitischen Folgerungen, konkrete Anregungen zu Fragen der Wiedergutmachung, die in diesen verschiedenen Arbeitsgruppen weiter thematisiert werden sollen.
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, im Juni 2010 tagt hier in Schwerin die Jugend- und Familienministerkonferenz. Alle Jugend- und Familienminister der 16 Bundesländer werden hier zu Gast sein und natürlich wird das Thema sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche, Möglichkeiten der Aufklärung, aber vor allem der Prävention eine Rolle spielen, in Institutionen und in Familien. Und ich bin der festen Auffassung, dass wir die öffentliche Aufmerksamkeit zu diesem Thema jetzt nutzen müssen, um dieses Thema endgültig zu enttabuisieren, um wirklich Gewalt gegen Kinder und Jugendliche zu ächten, um aufzuklären.
Das sind wir den Opfern der Vergangenheit schuldig, aber das sind wir vor allem den heutigen Kindern und Jugendlichen schuldig. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nicht erst seit der Vorlage des Berichtes des Bürgerbeauftragten beschäftigt die Öffentlichkeit sich mit dem Thema Missbrauch von Kindern. Ich bin dankbar für den Hinweis der Sozialministerin, ja, es ist Gewalt. Und ich verstehe Gewalt gegen Kinder nicht nur in Bezug auf sexuellen Missbrauch, sondern Gewalt in jeglicher Form.
In den letzten Wochen und Monaten konnten wir nicht nur einmal in der Presse über Missstände sowohl in Einrichtungen der Kirche als auch in Kinderheimen der DDR, aber auch in Familien lesen, und dieses Thema war auch nicht nur einmal Tagesordnungspunkt hier im Landtag. Die Parlamentarische Staatssekretärin für Gleichstellung hat uns nicht nur einmal über die Erfahrungen in den Beratungsstellen, über die Entwicklung in Bezug auf Missbrauch gegenüber Kindern berichtet und auch über die Ergebnisse, die dort herausgearbeitet worden sind, über die Probleme. Es ist also nicht neu.
Ich bin meinem Kollegen Herrn Dr. Jäger dankbar, dass er hinsichtlich der Behandlung dieses Themas eingelenkt hat und die Frage nicht nur im Hinblick auf die Fälle in der DDR diskutieren will, denn es ist völlig unangebracht, dieses begangene Unrecht auf ein politisches System zu beschränken. Damit würden wir den Opfern nicht gerecht. Gewalt gegen Kinder und Jugendliche ist immer schlimm, egal ob zu DDR-Zeiten oder heute, egal ob in staatlichen Einrichtungen oder in kirchlichen oder in der häuslichen Umgebung.