Protocol of the Session on September 24, 2008

Eine Möglichkeit, dies zu bewerkstelligen, ist die Sicherungsverwahrung. Selbstverständlich sind wir uns bewusst, dass diese Maßnahme die schärfste Ein

schränkung von Persönlichkeitsrechten darstellt, die es im demokratischen Rechtsstaat gibt. Aber deshalb sind auch die Hürden und die strengen Kriterien zur Anordnung und Kontrolle vom Gesetzgeber beziehungsweise von der Rechtsprechung ausgesprochen hoch angelegt worden. Trotz der anhängigen Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof sehen wir keinen Grund, an dieser Maßnahme oder den Anordnungspraktiken zu zweifeln. Ich darf es noch einmal sagen: Für uns Sozialdemokraten hat der Schutz der Allgemeinheit Vorrang vor der Einschränkung der Persönlichkeitsrechte von Schwerstverbrechern, die durch ihre Taten und ihre anhaltende Gefährlichkeit bewiesen haben, dass sie nicht in der Gemeinschaft leben können.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Lesen Sie mal Protokolle des Bundesrates.)

Das ist mir ganz egal, ich sage Ihnen ja, was wir hier denken, Herr Professor Methling.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion der FDP – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Da haben sozialdemokratische Justizminister gesprochen.)

Um einen Überblick über die Anordnung und die Vollstreckung der Sicherungsverwahrung, insbesondere bei Jugendlichen, in unserem Land zu erhalten, können wir dieses Thema jederzeit im Europa- und Rechtsausschuss aufrufen und die Regierung um einen Bericht ersuchen, den wir dann auch sicherlich erhalten werden.

Die von der Fraktion DIE LINKE geforderte umfangreiche Berichtspflicht der Landesregierung oder gar die Einsetzung einer Bundeskommission halten wir für absolut entbehrlich und lehnen den Antrag ab. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU – Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)

Danke schön, Herr Abgeordneter.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der FDP der Abgeordnete Herr Leonhard. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Immer wieder gibt es spektakuläre Einzelfälle von Straftätern, die nach der Haftentlassung neue schwere Taten begehen. Und jeder dieser Fälle sorgt in besonderer Weise für Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit. Berechtigt oder unberechtigt sah sich der Gesetzgeber in den vergangenen Jahren mehrmals in der Pflicht, Gesetze zu verabschieden, die das Instrument der Sicherungsverwahrung für immer mehr Anwendungsfälle geöffnet haben. Und um eines klar zu sagen, die Sicherungsverwahrung ist leider nach wie vor notwendig und daher als Maßregel der Besserung und Sicherung im Strafrecht unverzichtbar.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das stimmt auch.)

Viele Strafgefangene sind trotz langjähriger Haft weiterhin brandgefährlich. Hier bietet die Sicherungsverwahrung eine letzte Möglichkeit, angemessen zu reagieren.

In der 14. Wahlperiode hat der Bundestag die nachträgliche Sicherungsverwahrung eingeführt. Die Regelung wurde auch mit den Stimmen der FDP-Bundestagsfraktion verabschiedet. Sie sieht vor, dass eine nachträgliche Sicherungsverwahrung angeordnet werden kann,

wenn sich der Hang zu gefährlichen Straftaten erst während des Vollzugs herausstellt, nämlich dann, wenn das Gericht die Anordnung bereits bei Verurteilung des Täters im Urteil vorbehalten hat. Damit wurde aus unserer Sicht eine verhältnismäßige und akzeptable Lösung gefunden.

Die FDP-Bundestagsfraktion war allerdings der Auffassung, dass diese Voraussetzungen bei der Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung dann nicht mehr gegeben sind, wenn die Anordnung nicht im Urteil vorbehalten wird, sondern erst nachträglich erfolgt. Die Liberalen haben dieser Erweiterung der Sicherungsverwahrung daher nicht zugestimmt. Grund für die Ablehnung war auch die mit dem Gesetz eingeführte Möglichkeit der nachträglichen Sicherungsverwahrung für Heranwachsende. Sachverständige haben auf erhebliche Probleme im Hinblick auf die Prognoseentscheidung hingewiesen. Diese Bedenken bestehen umso stärker gegen die kürzliche Ausdehnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung auf nach dem Jugendstrafrecht Verurteilte. Bei jungen Straftätern kann aufgrund der viel kürzeren Delinquenzgeschichte eine zulässige Aussage über künftige Gefährlichkeit meist nicht zuverlässig getroffen werden. Zudem fehlt es in Deutschland nach wie vor an zuverlässigen Diagnose- und Prognoseinstrumenten.

Es passt nicht zusammen, wenn der Bundesgesetzgeber ständig die Anordnungsvoraussetzungen erweitert und die Länder aufgrund ihrer Personal- und Finanzknappheit nicht in der Lage sind, die hohen Anforderungen an die Prognoseentscheidung und die Begutachtung zu erfüllen. Es wird dem Problem in keiner Weise gerecht, einzig und allein in der Sicherungsverwahrung die Lösung für schwere Fälle von Straftätern zu sehen. Für junge Menschen müssen Alternativen gefunden werden. Verantwortliche Rechtspolitik muss sicherstellen, dass die Gewährleistung von Sicherheit verhältnismäßig und mit rechtsstaatlichen Mitteln erfolgt.

Sie können aus den Ausführungen entnehmen, dass meine Fraktion durchaus eine Evaluierung für sinnvoll hält. Dann können wir auch eine umfassende Bewertung vornehmen. Insoweit widerspricht sich der Antrag der Linksfraktion, enthält er doch bereits Feststellungen, die eigentlich erst Ergebnis einer notwendigen Evaluierung sein können. Aus diesem Grund beantrage ich für meine Fraktion eine getrennte Abstimmung der römischen Ziffern I und II. Wir werden der Evaluierung zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen DIE LINKE und FDP)

Danke schön, Herr Abgeordneter.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der CDU die Abgeordnete Frau Lochner-Borst. Bitte schön, Frau Abgeordnete.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Oh!)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Fraktion DIE LINKE, es dürfte Sie nicht überraschen, dass wir Ihren vorliegenden Antrag ablehnen werden, besonders die Damen und Herren, die bereits in der letzten Legislaturperiode in diesem Landtag waren und/oder im Untersuchungsausschuss zum Mordfall Carolin mitgearbeitet haben.

Ich möchte für meine Fraktion an dieser Stelle aber noch einmal in aller Deutlichkeit festhalten, dass für uns die Sicherungsverwahrung immer die Ultima Ratio war und bleiben wird. Sie wird dann angewendet, wenn es kein anderes Mittel mehr gibt – Ultima Ratio –, um die Allgemeinheit vor schwersten Straftätern zu schützen. Das gilt auch – unter anderen Maßstäben als bei erwachsenen Tätern – für junge Täter.

Wir brauchen hier keine zusätzlichen Unterrichtungen und keine Kommissionen. Meine Fraktion ist sehr dankbar, dass nach dem Untersuchungsausschuss Carolin zahlreiche Maßnahmen ergriffen wurden, um die Allgemeinheit vor Schwerstverbrechern zu schützen.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.)

Daran arbeiten wir zusammen mit der Justizministerin kontinuierlich weiter, denn für uns stand und steht der Opferschutz immer im Vordergrund. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU und FDP)

Danke schön, Frau Abgeordnete.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der NPD der Abgeordnete Andrejewski. Bitte, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sicherungsverwahrung sollte einerseits noch weiter ausgeweitet werden können. Nicht nur Gewalttäter sind eine Gefahr für die Allgemeinheit, sondern auch Wirtschaftsverbrecher. In diesem Bereich gibt es in Deutschland einige Hundert Intensivtäter, die zwar niemanden zusammenschlagen, aber dafür reihenweise Existenzen zerstören. Mit immer neuen Tricks, hinter immer neuen Firmenfassaden, mithilfe von Strohmännern plündern sie ihre Opfer aus. Und gerade diese Kriminellen kommen in unserem Rechtssystem am leichtesten davon. Die Verfahren sind oft kompliziert und erfordern viel Arbeit, und um sich dieses zu ersparen, neigt die Justiz dann gerne zur Einstellung gegen Geldzahlungen, sodass die Gauner ungestraft nicht nur einen Teil der Beute behalten dürfen, sondern auch fröhlich weitermachen können. Damit wäre Schluss, wenn auch solche Herrschaften in besonders schwerwiegenden Fällen in Sicherungsverwahrung genommen werden könnten.

Auf der anderen Seite erwischt man mit jeder Polizei- oder Justizmaßnahme natürlich auch Unschuldige. Die Freispruchquote liegt in Deutschland bei 20 Prozent. In jedem fünften Fall sind Polizei und Staatsanwalt von der Schuld des Betreffenden überzeugt, die Gerichte lassen die Anklage auch zu und stellen dann fest, dass es doch ganz anders war, und kommen zu einem anderen Ergebnis. Auch unter den Verurteilten befinden sich immer einige Unschuldige, die dann vor der Wahl stehen, entweder die Tat, die sie nicht begangen haben, zu gestehen oder weiter auf ihrer Unschuld zu beharren. Solche Fälle hat es tatsächlich gegeben. Im ersteren Fall laufen die Leute Gefahr, dass man ihnen die Haftentschädigung verweigert, weil sie ja gestanden hätten und selber schuld seien. Und wenn sie nicht gestehen, werden sie wegen Uneinsichtigkeit nicht auf Bewährung entlassen.

Der Schutz der Allgemeinheit erfordert, dass Verurteilte, von deren Schuld und Gefährlichkeit die Gerichte überzeugt sind, auch in Sicherungsverwahrung genommen werden können. Aber je schärfer die freiheitsein

schränkende Maßnahme ist, desto gründlicher muss ihre Berechtigung natürlich auch immer wieder nachgeprüft werden. Das erfordert bei langjährigen Haftstrafen oder gar lebenslänglichen eine Erleichterung der Wiederaufnahme – die im Augenblick äußerst restriktiv gehandhabt wird – und bei der Sicherungsverwahrung eine ständige Überprüfung, ob die Voraussetzungen tatsächlich noch gegeben sind.

Die nachträgliche Sicherungsverwahrung ist in der Tat eine äußerst zweifelhafte Angelegenheit. Wenn sich das Gericht beim Urteil die Möglichkeit vorbehalten hat, ist das in Ordnung. Aber wenn das nicht der Fall ist, einen zu einer Zeitstrafe Verurteilten nach deren Verbüßung weiter zu behalten, weil erst in der Haft seine Gefährlichkeit zutage getreten sei, das ist nicht viel anders, als wenn man jemanden, der sich in Freiheit befindet, ohne Strafurteil einfach so aufgrund objektiver Gefährlichkeit einkassiert. Das ist das Konzept von Guantanamo. Feindliche Kämpfer, keine konkreten Strafvorwürfe aufgrund konkreter Taten, sondern eine allgemeine Persönlichkeitseinschätzung, die zu beliebig langer Wegsperrung führt – Prävention pur. Das entfernt sich doch sehr weit vom Rechtsstaat.

Wenn das Gericht bei der Verurteilung keine Sicherungsverwahrung anordnet und sich diese Möglichkeit nicht vorbehält, dann hat es seine Chance erst einmal vertan. Ohne weitere Straftaten in der Haft dürfte es rechtsstaatlich keine Möglichkeit mehr geben, außer vielleicht der Einweisung in ein Hospital für geistesgestörte Gewalttäter, wenn das denn so diagnostiziert würde.

Um das klarzustellen: Bei Sexualstraftätern muss Sicherungsverwahrung obligatorisch sein, aber verbunden mit dem Urteil und nicht irgendwann hinterher. Denn wer seine Zeitstrafe verbüßt hat, der ist nicht anders anzusehen als einer, der nie verurteilt wurde, und den können Sie nicht einfach aufgrund irgendwelcher Prävention einsperren. Das ist nicht mehr rechtsstaatlich.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

Es hat jetzt noch einmal das Wort für die Fraktion DIE LINKE die Abgeordnete Frau Borchardt. Bitte schön, Frau Abgeordnete.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu Beginn möchte ich feststellen, dass wir nicht über die allgemeine Sicherungsverwahrung reden, sondern die im Rahmen des Jugendstrafrechtes. Das heißt, wir reden über Jugendliche, die von dieser Verschärfung betroffen sind.

Zweitens möchte ich feststellen, Frau Kuder, und das können Sie uns glauben, selbstverständlich sieht auch die Fraktion DIE LINKE die Opfer, und wir werden auch im Blick auf Strafverschärfung das immer mit betrachten. In einem persönlichen Gespräch würde ich gerne mal über den unterschiedlichen Zugang mit Ihnen sprechen und auch über die unterschiedliche Bewertung dazu.

Ich möchte gleichzeitig sagen, ich finde das schon sehr stark, wenn Sie die Sachverständigen im Bundestag so als Theoretiker darstellen,

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Ja, das finde ich auch.)

Theoretiker, die scheinbar nichts von der Materie verstehen – Bundesrichter, Psychologen. Ich werde mal versuchen, anhand einiger Aussagen von Sachverständigen zu sagen, um wen es sich denn hier handelt.

Also anlässlich der Anhörung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung bei Verurteilung nach Jugendstrafrecht hat zum Beispiel die Rechtsanwältin und Diplomkriminologin Christine Graebsch geschrieben, ich zitiere: „Die mit dem vorliegenden Entwurf intendierte Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung bei Verurteilungen nach Jugendstrafrecht ist abzulehnen, weil sie durchgreifenden Bedenken aus jugendstrafrechtlicher, verfassungs- und menschenrechtlicher Sicht begegnet, die insbesondere nach dem Stand der kriminologischen Forschung begründet sind.“ – SPD und CDU sahen damals und sehen heute darüber einfach hinweg.

Oder wie ist es mit dem ehemaligen Universitätsprofessor Herrn Dr. Arthur Kreuzer? Er führte eine bundesweite empirische Erhebung zur Lage des Vollzugs der Sicherungsverwahrung durch und fasste sie unter anderem wie folgt zusammen, ich zitiere erneut: „Mit der nachträglichen Sicherungsverwahrung sind zahlreiche negative, womöglich gar der Intention des Gesetzgebers widerstreitende Auswirkungen auf den Strafvollzug verbunden.“ – SPD und CDU sahen damals und sehen heute auch darüber einfach hinweg.

Meine Damen und Herren! Auch der ehemalige Richter am Bundesgerichtshof Dr. Gerhard Schäfer äußerte sich ähnlich. Seine Vorbehalte beruhen in erster Linie darauf, dass bei jungen Menschen die „geforderte Gefährlichkeitsbeurteilung nicht verlässlich gestellt werden kann“. Daneben erwartet er „negative Auswirkungen auf den Vollzug bei Verurteilungen zu Jugendstrafe von sieben Jahren und mehr“. „Verfassungsrechtliche Bedenken“ hat er „wegen des Verbots der Doppelverfolgung nach Art. 103 Abs. 2 GG“. – SPD und CDU sahen damals und sehen auch heute darüber hinweg.

Nach Auffassung von einem Richter am Amtsgericht, Thomas Ullenbruch, verstößt die Neuregelung gleich mehrfach gegen das Grundgesetz und ist „unvereinbar mit der Europäischen Menschenrechtskonvention“. – Alles Theoretiker, auch das interessiert SPD und CDU nicht.

Meine Damen und Herren, abschließend möchte ich Professor Jörg Kinzig zitieren. Auch er lehnt die Einführung einer nachträglichen Sicherungsverwahrung für Jugendliche klar ab und kommt unter anderem zu folgendem bemerkenswerten Schluss, ich zitiere: „Die Einführung einer solchen Regelung wäre ein fataler Schritt zu einer weiteren Ausweitung und Entgrenzung dieses Rechtsinstituts. Aufgrund bedauerlicherweise immer zu befürchtender Rückfälle fehlt einer Kriminalpolitik, die auf fast jede neue schwere Rückfalltat mit einer Ausweitung der Sicherungsverwahrung reagiert, jedes Maß. Die konsequente Fortführung des seit dem Jahr 1998 verfolgten Ansatzes müsste letztendlich in der Einführung einer Sicherungsverwahrung ohne Straftat enden.“ Ferner führte er aus, ich zitiere wiederum: „Ein Sicherheitszugewinn für die Bevölkerung ist durch die beabsichtigte Regelung nicht erkennbar. Statt der sechsten Ausweitung der Sicherungsverwahrung binnen zehn Jahren sollte über einen kriminalpolitischen Kurswechsel nachgedacht werden.“ – SPD und CDU waren und sind auch in diesem Punkt anderer Auffassung.

Meine Damen und Herren, auch wenn die Koalition die Bedenken meiner Fraktion und auch die anderer Fraktionen hier im Landtag nicht teilen mag, auch wenn sich die Koalition dagegen sträubt, den Landtag durch die