Und mit Verlaub, allgemein bekannt ist doch wohl, dass nach dem Zweiten Weltkrieg große Mengen konventioneller Munition und auch chemische Kampfstoffe in den deutschen Küstengewässern von Nord- und Ostsee versenkt wurden. Es ist weiterhin bekannt, dass rund die Hälfte der Munition die ursprünglich vorgesehenen Bestimmungsgebiete für die Versenkung nicht erreichte, sondern schon während der Fahrt wild verklappt wurde. Es sollen, auch das ist bekannt, nach 1947 weitere massive Versenkungen durch die ehemalige Sowjetunion in der Ostsee stattgefunden haben. Aber in den Fokus gerät dieses unliebsame Thema immer dann, wenn Kampfmittel durch Fischer aufgefi scht oder Anlandungen von Kampfmitteln an Küsten und Stränden erfolgen. Wägt man die Argumente ab, dann ist die Forderung, einen Bericht mit Gefährdungsabschätzung für Mensch und Umwelt mal eben für die nächste Sitzung einzufordern, mehr als nur naiv.
Herr Kollege Leonhard, ohne Ihnen zu nahe zu treten, vielleicht hätten Sie Ihre Leidenschaft an dieser Stelle zügeln und die Ratio zur Hilfe nehmen sollen.
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Das wäre gut gewesen.)
Welche Qualität, meine Damen und Herren von der FDP, soll denn so ein Bericht oder eine Studie haben? Wozu soll ein mit heißer Nadel gestrickter Bericht oder eine Studie dienen? Oder soll dieser Antrag vielleicht nur dafür herhalten, eine Medienpräsenz zu erreichen? Oder geht es hier um das Prinzip, Profi lierung um jeden Preis für die FDP-Fraktion?
Das einzig Positive, was ich diesem Antrag abgewinnen kann, ist die Tatsache, dass sich der Landtag mit dem Thema befasst. Für mich steht fest, dass es durchaus eine latente Gefahr gibt, die von Kampfmittelmunition und konventioneller Munition ausgeht. Bereits auf Grundlage erster Bestandsaufnahmen von Rüstungsaltlasten in den ausgewählten Gebieten der Nord- und Ostsee, die Anfang der 90er Jahre erfolgten, kam man zu dem Ergebnis, dass längerfristig Gefährdungen der Meeresumwelt nicht auszuschließen sind. Bereits vor 15 Jahren wurde deshalb gefordert, dass die bestehenden Erkenntnis lücken insbesondere in Bezug auf die Ökotoxikologie durch gezielte Untersuchungen geschlossen werden sollten.
Aber, sehr geehrte Damen und Herren, es gibt durchaus Handlungsansätze, sich mit dieser Thematik zu befassen.
Und der Handlungsbedarf für das Land besteht zum Beispiel im Rahmen der Umsetzung der europäischen Wasserrahmenrichtlinie, nach der bis 2015 Oberfl ächengewässer – zu denen auch die Küstengewässer gehören – einen guten Zustand haben müssen. In diesem Zusammenhang sind neben den hauptsächlich die Wasserqualität bestimmenden Einträgen aus landwirtschaftlicher Nutzung auch die chemischen Stoffe von Kampfstoffen beziehungsweise Munition einzubeziehen. Nach der Wasserrahmenrichtlinie, ich rekapituliere noch einmal, war bis Ende 2004 der gegenwärtige Gewässerzustand aufzunehmen und abzuschätzen, bis 2006 waren Überwachungsprogramme und Planungen zur Erreichung eines guten Zustandes einzuleiten, bis Ende 2009 sind Maßnahmeprogramme und ein Bewirtschaftungsplan für die Flusseinzugsgebiete aufzustellen und bis 2015 soll dann in den natürlichen Gewässern ein guter Zustand erreicht werden. Verantwortlich für die Umsetzung zeichnen das Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt, das LUNG und die StÄUN.
In diesem Jahr, meine Damen und Herren, ist also Halbzeit für die Umsetzung der europäischen Wasserrahmenrichtlinie. Im Rahmen der Kleinen Anfrage der FDP informierte das Innenministerium, dass durch die Monitoringprogramme im nachgeordneten Bereich des Ministeriums für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz die Qualität der Küstengewässer langfristig beobachtet wird.
Sehr geehrte Damen und Herren, allerdings hat der Sachverständigenrat für Umweltfragen im Rahmen eines Sondergutachtens bereits im Jahr 2004 darauf aufmerksam gemacht, dass zu wenig Informationen vorliegen über den derzeitigen Zustand der Munition
und somit zur Freisetzung von Schadstoffen, um die Sachlage zufriedenstellend bewerten zu können. Und die Sachverständigen führten weiter aus, ich zitiere: „Da zunehmend auch mit der Durchrostung von dickwandigerer Munition zu rechnen ist, wird die Umweltbelastung durch Munitionsinhaltsstoffe wahrscheinlich noch nicht seinen Höhepunkt erreicht haben.“ Zitatende.
Insofern, so konnte ich es zwischen den Zeilen lesen, stehen die Experten den vorliegenden Berichten der Bundesländer über den Zustand der Gewässer im Rahmen der Wasserrahmenrichtlinie doch eher skeptisch gegenüber. Bezogen auf unser Land heißt das: Insbesondere für das Flusseinzugsgebiet Warnow-Peene – und dieses umfasst außer dem Stettiner Haff alle Küstengewässer unseres Landes – liegen nach Expertenmeinung überhaupt keine Erkenntnisse darüber vor, mit wie viel und mit welcher Art von Munition an den fünf offi ziellen Munitionsversenkungsstellen und diversen weiteren Verdachtsfl ächen zu rechnen ist.
Auch im Bericht zur Flussgebietseinheit Oder-StettinerHaff fi nden sich keine Angaben zu Munitionsbelastungen, obwohl Munition dort auf Grundlage einer Eintragung auf amtlichen Seekarten nachweislich entsorgt worden ist.
Sie sehen, meine Damen und Herren von der FDP, ganz so gutgläubig sind wir mit diesem Thema nicht, aber die Hektik und die Eile, die Sie hier an den Tag legen, halten wir für unangebracht.
Ich erwarte von der Landesregierung, dass gemeinsam mit dem Bund nach Wegen gesucht wird, dass eine Ersterkundung oder Sondierung zumindest für küstennahe Munitionsversenkungsgebiete vorgenommen wird. Eine fundierte Auswertung dieser Daten ist notwendig und würde zu einer wesentlichen Qualitätsverbesserung der vorgenommenen Bestandserfassungen für die Küstengewässer beitragen. Hinzuzuziehen ist dabei das Landesamt für zentrale Aufgaben und Technik der Polizei, Brand- und Katastrophenschutz – früher das Amt für Katastrophenschutz. Unsere Fraktion wird diesen Antrag ablehnen, denn wir sind der festen Überzeugung, dass blinder Aktionismus an dieser Stelle fehl am Platze ist.
Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Herr Lietz. Bitte schön, Herr Abgeordneter.
Liebe Kollegin Schwebs, ich bin Ihnen dankbar, dass ich nach Ihnen sprechen kann. Das ist vielleicht auch in Ihrem Interesse.
Liebe Kollegen, wir haben damit die Chance, den heutigen Tagesablauf etwas zu forcieren. Zu den Zuständigkeiten und Situationen, das ist uns hier allen bewusst in diesem Hause, lieber Kollege Leonhard, haben wir ausführlich den Bericht des Ministers gehört. Ich möchte an dieser Stelle nur noch einmal unterstreichen, dass auch der Ausschuss für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz sich diesem Thema widmen wird. Wir werden auf der Basis der Daten, die ja hier zugesichert sind und die wir auch erhalten werden, darüber beraten. Ich bin mir sicher, dass wir im Verlauf dieser Legislaturperiode über dieses Thema weiterhin sprechen werden, und bitte dazu auch die anderen Ausschüsse. Angesprochen war der Innenausschuss, aber ich denke auch, dass im Bereich der Finanzen über dieses Thema ausführlich gesprochen werden muss.
Über die Notwendigkeit, das Thema zu behandeln, brauchen wir hier und heute nicht zu debattieren. Auch ich schließe mich meinen Vorrednern an: Wir werden Ihren Antrag heute hier ablehnen.
Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der NPD der Fraktionsvorsitzende Herr Pastörs. Bitte, Herr Abgeordneter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich sehe bereits die Schlagzeile in der Zeitung mit den vier großen Buchstaben vor mir: „Al Kaida und neue Nazis rüsten auf – Tauchtrupps bergen Munitionsaltlasten“. Der bekannte Meeresbiologe Dr. Stefan Neh
ring befürchtet im Zusammenhang mit den in der Ostsee lagernden Kampfmitteln einen möglichen Zugriff terroristischer und sogenannter rechtsextremer Gruppen. Nehring bezieht sich dabei auf die geringen Wassertiefen vieler Versenkungsstellen, die zwischen null und 30 Meter betragen. Anscheinend folgt der Mann, zumindest was die nationale Opposition betrifft, der Spiegelfechterei des BRD-Zeitgeistes. Dr. Nehrings wissenschaftliches Renommee wird dadurch aber in keiner Weise geschmälert. Mit tiefgründigen und teilweise mühseligen Recherchen hat er unter anderem nachgewiesen, dass in der Ostsee eine Zeitbombe tickt, die zur Kontamination von Meeresorganismen führt
und Menschen gefährdet, zum Beispiel Fischer, aber auch Touristen, wie wir erst kürzlich wieder von der Insel Usedom erfahren mussten, als eine Frau infolge weißen Phosphors eine schwere Verletzung davontrug.
Bis heute gibt es für Usedom wie auch für die übrigen in M-V registrierten 16 Versenkungsstellen beziehungsweise Verdachtsstellen keine Gefährdungsabschätzung und erst recht keinen Bergeplan, und das, obgleich Fachleute schon vor zwölf Jahren warnten, dass zunehmend auch mit der Durchrostung dickwandiger Munition zu rechnen sei. Erst im Oktober 2007 wurde auf einem Symposium die Feststellung getroffen, dass Metallhüllen bis zu 0,15 Millimeter im Jahr rosten. Insgesamt rechnet man im Bereich der Ostsee mit mindestens 100.000 Tonnen konventioneller Munition, über 30.000 Seeminen sowie 40.000 bis möglicherweise 365.000 Tonnen Giftgasmunition.
In einem an den Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee gerichteten Offenen Brief vom 8. März 2008 forderte der NABU unter anderem einen gemeinschaftlichen Kraftakt von der Bundes- und der Landesregierung, der Bundeswehr, Forschungseinrichtungen, Unternehmen und Umweltverbänden unter Zurückstellung von Zuständigkeitsfragen. Das klingt auf den ersten Blick wie ein x-beliebiger Hilferuf, trifft aber den Kern, wie die Stellungnahmen beweisen. So heißt es in der Antwort der Bundesregierung auf Drucksache 16/353 vom 11.01.2006 unter anderem: „Die Beseitigung von Kampfmitteln … aus der Zeit der beiden Weltkriege ist als Gefahrenabwehr im ordnungsrechtlichen Sinn … nach der durch das Grundgesetz festgelegten Zuständigkeitsverteilung eine Aufgabe der Länder (Artikel 30, 83 GG).“
In der „Tageszeitung“ vom 14. Januar 2008 wird ein Sprecher des hiesigen Umweltministeriums zitiert. Zitat: „Die Munition liegt entweder außerhalb der Zwölfmeilenzone oder nahe an den Bundeswasserstraßen. Zuständig ist deshalb in jedem Fall die Schifffahrtsdirektion des Bundes.“ Dagegen enthält eine Publikation des Wissenschaftlers Liebezeit die Bemerkung: „Der überwiegende Teil konventioneller Kampfmittel wie Explosivstoff und Brisanzmunition sei in den deutschen Küstengewässern innerhalb der Zwölfmeilenzone versenkt worden.“ Wer hat Recht? Oder spielen sich hier zwei Ebenen auf Kosten von Mensch und Natur die Bälle zu? Wird gar versucht oder vertuscht, wie es die „Süddeutsche Zeitung“ vom 01.02.2008 aufgrund ihr vorliegender Dokumente für die Bundesseite feststellte?
Die Lübecker Bucht betreffend – und dies sollte auch uns in M-V etwas angehen – sei das Bundesamt für See
schifffahrt und Hydrographie in den 90er Jahren vom Verkehrsministerium unter Druck gesetzt worden, Funde nicht aufzuführen beziehungsweise umzudeklarieren von „chemischer Munition“ zu „Chemikalien“. In offi ziellen Dokumenten fehlen die Fundstellen so gänzlich, was auch einer Hintergehung der internationalen Helsinki-Kommission gleichkommt. Dies ist ein Treppenwitz. Derweil sich BRD-Regierungen tatsächlich souveränen Staaten gegenüber in oberlehrerhafter Manier anmaßen, Demokratie und Toleranz anzumahnen, wird das Thema Munitionsaltlasten im eigentlichen Zuständigkeitsbereich wie eine Art Geheimwissen verhandelt. Der Antrag der NPD ist aus unserer Sicht sinnvoll und fi ndet die Unterstützung meiner Fraktion.
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Das ist ja erstaunlich. – Zuruf von Minister Dr. Till Backhaus)
Es hat jetzt noch einmal das Wort für die Fraktion der FDP der Abgeordnete Herr Leonhard. Bitte, Herr Abgeordneter.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst lassen Sie mich noch einmal feststellen, es geht hier um den Antrag meiner Fraktion, der FDP-Fraktion. Ich werbe hier ausdrücklich nicht um die Stimmen der NPD, weil wir die nicht brauchen.
(Reinhard Dankert, SPD: Das ist uns klar. – Michael Andrejewski, NPD: Oh! – Zurufe von Raimund Borrmann, NPD, und Stefan Köster, NPD)
Was ich nicht ganz verstehen kann, sehr geehrter Herr Minister, ich fi nde es nicht fair und auch nicht gerecht, dass wir das Thema Vögel mit Munition in Verbindung bringen. Das Thema Vögel hat ganz andere Gründe. Das ist eine Krankheit.
Die Vögel fl iegen und die Munition, die liegt seit mehreren Jahrzehnten. Das Thema ist virulent und es ist einfach da.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion der NPD – Zurufe von Michael Andrejewski, NPD, und Raimund Borrmann, NPD)
Zu der Fraktion DIE LINKE möchte ich Folgendes sagen: Wir beschäftigen uns ja auch mit dem Thema von sorbischen Minderheiten. Und wenn Sie in acht Jahren Regierungshandeln keine Notwendigkeit gesehen haben, sich diesem Problem zu widmen, dann tut mir das leid.