Einkommensarmut allein, sehr geehrte Damen und Herren, führt jedoch nicht zwangsläufi g zu eingeschränkten Entwicklungsmöglichkeiten des armen Kindes, allein wohlgemerkt. Faktoren, die die potenziell ungünstigen Wirkungen prekärer Lebensverhältnisse besonders in den ersten Lebensjahren abfedern, sind beispielsweise ein gutes Familienklima, ein fördernder Erziehungsstil der Eltern, eine positive Eltern-Kind-Beziehung, ein förderndes Umfeld sowie das Vorhandensein möglichst stabiler familiärer und sozialer Netzwerke. Ein frühzeitiger und dauerhafter Kindergartenbesuch ist für eine spätere schulische Entwicklung ebenfalls unbedingt förderlich.
In der Koalitionsvereinbarung von SPD und CDU unter Ziffer 212 im Kapitel „Soziales und Gleichstellung“ fi nden Sie unter der Überschrift Familienpolitik den Absatz: „Wichtigstes Ziel der Kinder- und Jugendpolitik der Koalitionspartner ist, dass alle Kinder und Jugendlichen in Mecklenburg-Vorpommern in sozialer Sicherheit, emotionaler Geborgenheit, mit gleichen und gerechten Lebenschancen aufwachsen. Kinder als die schwächsten Mitglieder der Gesellschaft bedürfen des besonderen Schutzes. Störungen der kindgerechten Entwicklung wird insbesondere durch Kindertagesstätten und Schulen möglichst frühzeitig entgegengewirkt. Die Koalitionspartner fördern die Teilnahme von Kindern und Jugendlichen aus benachteiligten Familien am gesellschaftlichen und schulischen Leben.“
Sehr geehrte Damen und Herren, eine ganz bedauerliche Entwicklung nehmen wir zurzeit im Bildungsbereich wahr. Nur jeder dritte Schüler in Mecklenburg-Vorpommern, so die Medien, erreicht die Hochschulreife. Bei einem Bundesdurchschnitt von 43 Prozent ist dies eine denkbar schlechte Quote und sicher auch der fi nanziellen Situation der Elternhäuser geschuldet, die sich eine solch lange Schulzeit bis zum Abitur ihrer Kinder und die damit entstehenden Kosten schlichtweg nicht leisten können, manchmal auch nicht leisten wollen. Und das ist wirklich eine sehr schlimme Entwicklung.
Eine gute Allgemeinbildung ist unglaublich hilfreich dabei, will man die geistigen Ergüsse, wie wir sie hier zum Beispiel in hoher Zahl über uns ergehen lassen müssen, richtig einschätzen und dorthin packen, wo sie hingehören.
Sehr geehrte Damen und Herren, im Kapitel „Bildung, Wissenschaft und Kultur“, aber nicht nur hier, fi nden Sie konkrete Vorhaben zur Verwirklichung der Ziele der Koalitionsfraktionen, ich betone es noch einmal, der Chancengleichheit für alle Kinder, die wir uns schon gesetzt haben. Ich sehe die Koalitionsvereinbarung nicht als unverbindliche Empfehlung, wie Herr Holter das gestern schon einmal anklingen ließ, sondern schon als Selbstverpfl ichtung der Koalitionspartner an. Und wer gestern im Sozialausschuss gewesen ist, wird festgestellt haben, dass wir dies auch ernst meinen.
Diese Selbstverpfl ichtung gilt aber nicht nur für jetzt und heute, sondern für die gesamte Dauer der Legislatur. Aber wer sich die Begründung der Fraktion DIE LINKE genauer anschaut – Frau Dr. Linke hat das ja vorhin noch einmal ganz klar und deutlich herausgestellt –, der hat gemerkt, worum es in diesem Antrag der LINKEN vorrangig geht. Da steht ja im vorletzten Absatz: „Diese Situation“, also Kinderarmut in Mecklenburg-Vorpommern, „und ihre Auswirkungen gilt es zu erfassen und zu analysieren, um geeignete Maßnahmen, wie z. B. die Ermittlung und Gewährung eines bedarfsgerechten, Existenz- und Teilhabe sichernden Regelsatzes für Kinder und Jugendliche ergreifen zu können, die dieser Situation wirksam entgegenwirken.“ Wir sind also wieder bei den Regelsätzen von Hartz IV angelangt.
Der Sozialminister hat heute Morgen in der Aktuellen Stunde hierzu schon Stellung bezogen und gesagt, wie er sich den Einfl uss unseres Landes an dieser Stelle vorstellt. Bereits in der Vergangenheit hat meine Fraktion die klare Position bezogen, dass die Erhöhung des Regelsatzes allein das Problem im Ansatz nicht lösen kann.
Die vom Sozialminister angesprochenen Analysen werden dies noch einmal verdeutlichen. Wir werden Ihren Antrag ablehnen. Wir haben uns dafür entschieden, hier im Land Kinder und Jugendliche mit Leistungen zu fördern, die ihnen direkt zugutekommen, wie zum Beispiel – das hatten Sie auch schon gesagt – Senkung der Kita-Beiträge oder Bezuschussung des Mittagessens und viele andere durch den Sozialminister schon häufi g angekündigte Maßnahmen, die einen echten Ansatz zur Chancengleichheit für alle Kinder bilden. Dabei bleiben
wir. Ich denke, die Analyse, die bereits geplant und haushaltsmäßig untersetzt ist, wird uns ein Stück weiterbringen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Aufgestellt hat sich schon der Abgeordnete Herr Grabow von der FDP. Herr Grabow, Sie haben das Wort.
(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Nur Analysen, die die Koalition fordert, sind gute Analysen. – Zuruf von Minister Erwin Sellering – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Wir scheinen ja gar nicht weiter auseinander.)
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Bekämpfung von Kinderarmut liegt uns allen gleichermaßen am Herzen. Die FDP-Fraktion begrüßt daher den Antrag der Fraktion DIE LINKE, eine umfassende Analyse zur sozialen Struktur von Kindern und Jugendlichen erstellen zu lassen. Meiner Fraktion liegt es sehr am Herzen, effektive Maßnahmen gegen Kinderarmut zu ergreifen. Wir brauchen keine Schaufensteranträge, die schön in der Zeitung aussehen. Arbeitslosengeld II und Sozialhilfe zu erhöhen ist populär, aber wenig hilfreich, wenn das Geld nicht bei den Kindern ankommt. Stattdessen müssen wir den Menschen im Lande korrekte Hilfestellungen anbieten, die wir als Landtag auch beschließen und umsetzen können.
Ein erster Schritt in diese Richtung ist die Erfassung der tatsächlichen Lage im Land. Dafür brauchen wir eine solide Datenbasis, die uns über die Lebensverhältnisse unserer Kinder genauestens informiert. Nur so können wir erkennen, wo Probleme bestehen, welche und wie viele Kinder Probleme haben und vor allem, warum. Erst wenn wir das alles wissen, können wir entscheiden, was genau wir auf der Länderebene zu tun haben. Dafür braucht es nicht viel Zeit, denn Handlungsbedarf zur Bekämpfung von Armut allgemein und bei Kindern speziell wurde in diesem Hause nicht das erste Mal beschlossen. Schon in der vergangenen Legislaturperiode beschäftigte man sich mit dem Thema Armut. Die Fraktionen der SPD und der damaligen PDS beantragten im Jahr 2005 einen Armuts- und Reichtumsbericht für Mecklenburg-Vorpommern. Interessanterweise legte man seitens der CDU und nicht etwa der PDS besonders Wert darauf, dass in diesem Bericht auch die Lage von Kindern und Jugendlichen in armutsnahen Lebensverhältnissen erfasst wird.
Der Sozialausschuss empfahl ausdrücklich, beide Anträge umzusetzen. Ein Armuts- und Reichtumsbericht liegt bis heute jedoch nicht vor. Gleichwohl legt die Landesregierung damit einen ersten Sachstandsbericht vor. Darin enthalten ist eine Gliederung mit den Unterpunkten Kinder und Jugendliche.
Liebe Kolleginnen von der Fraktion DIE LINKE, es haben unter Ihrer Führung erste Vorarbeiten stattgefunden. Ihnen müssten also schon gute Vorkenntnise zum Thema Kinderarmut vorliegen. Die Fraktion der FDP hält es daher für sehr sinnvoll, Erkenntnisse aus Vorarbeiten zum Armuts- und Reichtumsbericht in die von Ihnen geforderte Analyse mit aufzunehmen. Es ist bedauerlich, dass es seitens der Landesregierung bislang keinen Bericht zur Verteilung von Armut und Reichtum in
unserem Land gibt. Aber wir gehen davon aus, dass die damals begonnene Arbeit an einem solchen Bericht bis heute noch andauert und nicht eingestellt worden ist. In unserem Änderungsantrag fordern wir deshalb, die entsprechenden Vorarbeiten aus der 4. Wahlperiode zu berücksichtigen. Daher wird hier beantragt, die Analyse auf die notwendige breite Datenbasis zu stellen, und wir bitten um Unterstützung für unseren Änderungsantrag.
Und eine Sache persönlich an den Herrn Minister: Hier sind schon sehr oft Versprechen gelaufen. Ich hoffe, dass diesmal auch wirklich Taten folgen und bis Februar dieser Bericht dann vorliegt. Sie wissen, ich habe ein paar Mal hier den Kindergipfel gefordert. Ich lasse es auch nicht sein, denn im Endeffekt könnten sich alle demokratischen Kräfte an dieser Diskussion beteiligen und nicht nur in der SPD-Basis. – Danke.
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Der Minis- ter hat doch gesagt, gut Ding braucht Weile.)
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! DIE LINKE hat wieder einen Berichtsantrag gefordert.
Frau Linke, ich muss Ihnen sagen, viele Dinge, die Sie hier vorgetragen haben, kennen Sie als Ministerin aus dem Armuts- und Reichtumsbericht, und viele Ergebnisse und Zahlen, die Sie hier so genannt haben, scheinen daraus zu sein. Daher ist das Klagen, was Sie hier vortragen, wenig hilfreich. Die statistischen Dinge sind bekannt. 59.500 Kinder sollen nach Ihrer Statistik oder nach Ihren Aussagen in Armut leben.
(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Haben Sie nicht den Bericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes gelesen? – Zuruf von Dr. Marianne Linke, DIE LINKE)
Für die CDU-Fraktion ist unstrittig, dass wir einen Bericht zur sozialen Lage in Mecklenburg-Vorpommern brauchen.
(Irene Müller, DIE LINKE: Früher hat er den Verband gerettet und heute kennt er seine Zahlen nicht.)
Wir haben zusammen in Absprache mit der SPD und dem Sozialminister auch Geld für diese Dinge eingestellt.
Also für DIE LINKE noch einmal gesagt: Sie müssen sich in dieser Frage auch ein wenig gedulden, denn andererseits haben Sie ja auch immer in Ihrer Regierungszeit im Armuts- und Reichtumsbericht nicht gerade die besten Noten erhalten. Die Bilanz und das, was wichtig ist für Kinder, eine intakte Familie, sind immer der Bezug. Die Rahmenbedingungen im Land sind weitestgehend in Ordnung.
Wir haben zumindest, was Tagesmütter, Krippenlandschaft und Bildungsangebote im Land betrifft, gute Rahmenbedingungen.
Wir müssen in die Qualität hineingehen und da bin ich vor allem dem Bildungsminister sehr dankbar, dass er im Verhältnis zu früher deutlich bessere Ansätze vorbereitet.
Und noch ein Wort zu Ihrer Bilanz, auch, was Arbeitsplätze bedeutet, denn zur sozialen Sicherheit gehört vor allen Dingen ein Arbeitsplatz. In Ihren Spitzenzeiten, als Sie als LINKE in der Regierung waren und den Arbeitsminister gestellt haben, hatten wir teilweise 200.000 Arbeitslose im Land. Wir kommen heute auf knapp 130.000.
(Irene Müller, DIE LINKE: Das ist eine Analyse zur Kinderarmut. – Zurufe von Gabriele Měšťan, DIE LINKE, Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE, und Michael Roolf, FDP)
Ich meine schon, dass es sich lohnt, dass die Christdemokraten mit in der Regierung sind, denn Sie wissen, was die Kanzlerin auch immer sagt: Dort, wo die CDU regiert, geht es den Menschen besser, auch in Mecklenburg-Vorpommern, meine Damen und Herren.
(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Seit einem Jahr geht es ständig aufwärts. – Zuruf von Angelika Gramkow, DIE LINKE – Unruhe bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU und FDP – Zuruf von Udo Pastörs, NPD)
Das tut ja wieder weh, Frau Gramkow, das verstehe ich auch. Toben Sie sich mal ein bisschen aus und dann warte ich, bis Sie fertig sind.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion der FDP – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Bloß die Einkommen gehen abwärts.)
Meine Damen und Herren, wir haben auch bei der Frage nach einem sozialen Netz die Frage zu beantworten, wie wir weiter mit SGB II und SGB XII umgehen. Sagen Sie mir Länder in Europa, die bessere Sozialleistungen für ihre Bürgerinnen und Bürger ausgestaltet haben als die Bundesrepublik Deutschland. Nennen Sie mir mal ein Land, zeigen Sie mir eins