Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 24: Beratung des Antrages der Fraktion der NPD – Ausarbeitung eines Schadensberichts und eines Reparatur- und Ausbaukonzepts für die Deiche an den Binnenküsten in Mecklenburg-Vorpommern, Drucksache 5/349.
Antrag der Fraktion der NPD: Ausarbeitung eines Schadensberichts und eines Reparatur- und Ausbaukonzepts für die Deiche an den Binnenküsten in Mecklenburg-Vorpommern – Drucksache 5/349 –
Für den Hochwasserschutz in Mecklenburg-Vorpommern ist viel Papier beschrieben worden. Es gibt ein Wassergesetz, einen Generalplan zum Küsten- und Hochwasserschutz und jede Menge Studien und Ausarbeitungen. Für den Hochwasserschutz ist auch viel Geld ausgegeben worden. Seit 1991 sollen Bund und Land 235 Millionen Euro in den Küstenschutz investiert haben. Aber offensichtlich hatten all die klugen Schriften wenig mit der Wirklichkeit zu tun. Die Gelder sind entweder falsch oder bei Weitem nicht in ausreichendem Maße eingesetzt worden, denn sonst hätten Anzahl und Intensität der Sturmfl uten im vergangenen Herbst und Winter bei den zuständigen Stellen und in der Öffentlichkeit nicht eine solche Überraschung auslösen können.
Dieser Landtag ist ein Hohes Haus und neigt gelegentlich auch dazu, ein wenig in politisch höheren Sphären zu schweben, aber die Menschen des Landes fürchten langsam, nasse Füße zu bekommen. Soweit sie sich überhaupt noch dafür interessieren,
was hier im Parlament vor sich geht, erwarten sie, dass im Landtag ihre Sorgen und Probleme auch hinsichtlich lokaler Einzelheiten zur Sprache kommen. Deshalb will ich hier einmal zusammenfassen, was sich in den letzten Monaten im Kampf um die Deichverteidigung zugetragen hat, bevor alles in der sommerlichen Urlaubsstimmung wieder vergessen wird. Das sind keine belanglosen Dorfgeschichten, sondern Vorzeichen großer ernst zu nehmender zukünftiger Bedrohungen:
Im November des vorigen Jahres richtete eine Sturmfl ut an Deichen auf Usedom und dem Darß schwere Schäden an. Daraufhin wurden auf Usedom für den Küstenschutz 3 Millionen Euro aufgebracht. Eine halbe Million Kubikmeter Sand wurde aufgeschichtet, doch erschreckenderweise befand sich das Deichsystem in dieser Region schon wenige Wochen später wieder am Rand des Zusammenbruchs, weil offenbar niemand mit sechs Sturmfl uten hintereinander gerechnet hatte. In Anklam wurde eine Bootswerft unter Wasser gesetzt und wie es die Verwaltung des Landkreises Ostvorpommern selbst einschätzte, fehlte nicht viel, dass der „Anker“ beim Marktplatz unter Wasser gestanden hätte. An der Wolgaster Schlossinsel trat das Wasser des Peenestroms an drei Stellen über die Ufer. In der Stadt Usedom sickerte Wasser durch einen Deich. In Lassan waren Einzelge
höfte direkt gefährdet und Wasser drang in einen Verteilerkasten, es gab einen Stromausfall. Bei Greifswald brach sogar ein Deich, Taucher mussten den Durchbruch abdichten. Feuerwehrleute kämpften darum, einen weiteren Deichbruch an der Südküste Usedoms zu verhindern. Wollen wir einmal hoffen, dass unter diesen Feuerwehrleuten keiner war, der eine nationale Einstellung hatte, denn sonst wäre dieser Deich auf politisch inkorrekte Weise gerettet worden.
Dann müssen Sie ihn zur Not wieder einreißen und von politisch zuverlässigen Feuerwehrleuten aufbauen lassen oder am besten gleich selbst Hand anlegen.
90 Deiche mit einer Länge von 210 Kilometern befanden sich am Rande der Belastungsgrenze entlang des Achterwassers, des Peenestroms und am Greifswalder Bodden. Dies alles klingt nicht nach guter Vorbereitung. Das Motto „Weiter so!“ verbietet sich. Man kann nicht einfach noch mal das Programm der letzten 17 Jahre abspulen. Offenbar stimmt grundsätzlich etwas nicht.
Angesichts von Aufwendungen in Höhe von 235 Millionen Euro seit 1991 sagt heute der Leiter des Staatlichen Amtes für Umwelt und Natur in Ueckermünde, die Deiche an den Inselküsten der vorpommerschen Boddengewässer seien für Dauerbelastungen von lange anhaltenden hohen Wasserständen nicht ausgelegt. Das klingt nicht nach augenblicklichen Schwierigkeiten, das heißt, an der Küste haben wir prinzipiell die falsche Überlebensausrüstung, prinzipiell unzureichende, ungeeignete Deiche.
Der Leiter des Umweltamtes sagt weiter, nach den Regeln der Technik hätten die Deiche der Dauerbelastung nicht standhalten müssen. Es war also eine Überraschung, dass sie hielten. Es war also ein Glücksfall, dass die Deiche nicht brachen. Angesichts ihrer Konstruktion konnte man das gar nicht erwarten, das war eine Art Bonus. Es handelt sich offenbar um Schönwetterdeiche. Gemäßigte Wasserstände, seltene und zahme Fluten halten sie aus, damit werden sie fertig. Von diesen Bauten hängt seit Jahren die Sicherheit vieler Bürger ab, obwohl die meisten Klimastudien davon ausgehen, dass hohe Wasserstände und zahlreiche massive Sturmfl uten bald Normalität sein werden.
Angesichts dessen ist es grotesk, welche Themen in Landespolitik und Medien oftmals im Vordergrund stehen. Darf man in Kneipen rauchen oder nicht? Nun, die Ostsee wird schon dafür sorgen, dass die Kippe ausgeht, auch bei denen, die dieses Thema für langweilig halten sollten.
Grotesk ist auch, dass Mecklenburg-Vorpommern bis zu 100 Millionen Euro für drei Tage im Juni für die hohen Herrschaften des G8-Gipfels ausgeben will und vom dauerhaft ausgeglichenen Haushalt träumt, während Fachleute und Praktiker erklären, die Küste sei in akuter Gefahr. Der Hauptgast ist dort George W. Bush, der die Flutkatastrophe von New Orleans zu verantworten hat, weil er alle Warnungen in den Wind geschlagen und sich viel zu schlecht vorbereitet hat. Ich hoffe, dass Sie
Es sind unabsehbare Investitionen nötig, mit der bisher offenbar an den Tag gelegten Flickschusterei beim Dammwesen muss Schluss sein. Nötig ist ein Bericht über die jüngsten Deichschäden und deren grundsätzliche Geeignetheit für ihre Aufgabe, und zwar aus einer nüchternen Perspektive heraus wie der des Ueckermünder Amtsleiters, und keine optimistischen Politikerparolen. Nötig ist ein Konzept für einen dauerhaft sicheren Küstenschutz, der die zu erwartenden Kosten wirklichkeitsnah darstellen muss. Das muss Thema Nummer eins sein in einem Küstenland in Zeiten des Klimawandels. Eine Aufgabe von Küstengebieten, wie der Minister der Landwirtschaft hier gerade vorgeschlagen hat in dieser Sitzung, kann auf gar keinen Fall eine Option sein. Da gebe ich schon lieber den G8-Gipfel auf. Es kann ja wohl nicht sein, dass in 30 Jahren vielleicht das Küstengebiet von Heiligendamm überfl utet wird,
weil die 100 Millionen Euro zum Küstenschutz nicht eingesetzt wurden, die wir jetzt für den G8-Gipfel verbraten. Deswegen halten wir das, was wir beantragt haben, für dringend notwendig.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 30 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! Wir hören jetzt mal wieder auf mit der Panikmache. Ich will Ihnen kurz einmal ein Sprichwort vorlesen: „Es ist besser, Deiche und Dünen zu bauen, als darauf zu hoffen, dass die Flut allmählich Vernunft annimmt.“
Woher mag der kommen? Dieses Papier ist gerade allen Mitgliedern des Agrarausschusses zugeleitet worden. Es kommt aus dem Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz. In diesem Konzept, sehr geehrte Herren der NPD,
ist alles detailliert aufgeschlüsselt, was bisher an Küstenschutzmaßnahmen in diesem Land geschaffen worden ist und was zukünftig in diesem Land passieren wird.
Herr Methling, ich will hier in dieser Runde auch einmal meinen herzlichen Dank aussprechen, dass Sie uns damals auf Hiddensee behilfl ich waren, den Küstenschutz so weit zu gewährleisten, wie er bis jetzt gewährleistet worden ist. Ich will hier einmal ganz kurz ein paar Millionenbeträge in die Runde werfen, damit jeder, auch Sie auf der rechten Seite, erfährt, was in den nächsten Jahren an Investitionsmaßnahmen ansteht.
(Heiterkeit bei Volker Schlotmann, SPD: Ich warte auf die Millionen. – Heiterkeit bei Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS)
So sind insbesondere an der Haffküste 19 Millionen Euro für eine Sturmfl utschutzwand für den Deichneubau und für die Deichverstärkung veranschlagt, in Greifswald 25 Millionen Euro, in meinem eigenen Wahlkreis Boddendeiche für Rügen mit 8 Millionen Euro. Der Sturmfl utschutz in Prerow/Zingst wird mit 30 Millionen Euro veranschlagt und in Dierhagen/Ahrenshoop mit 12 Millionen Euro. In Rostock-Warnemünde, Groß Klein und Markgrafenheide sind es noch einmal 11 Millionen Euro. Es sind round about 100 Millionen Euro, die in den nächsten Jahren für den Küstenschutz veranschlagt werden.
Ich denke, das ist eine Summe, die nicht leicht aufzubringen ist. Ich vermute auch und gehe davon aus, dass das zuständige Ministerium im Agrarausschuss in den nächsten Monaten die Konzepte vorlegen wird, sodass man sich detailliert an die Maßnahmen der nächsten Jahre herantasten wird.
Ich kann nur sagen, Sie haben sich die Mühe gemacht. Mein Fraktionsvorsitzender würde sagen: Antrag für die Galerie, Hausaufgaben verpasst. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zu unseren Ausführungen zu diesem Thema noch einen Gesichtspunkt hinzufügen. Viele Gemeinden können sich notwendig gewordene Deicherhöhungen gar nicht leisten. Bei Deichen, die lediglich landwirtschaftliche Gebiete schützen, sind die Wasser- und Bodenverbände nur für die Unterhaltung der Schutzkonstruktion zuständig. Eine Erhöhung müssen die Kommunen oder die Anlieger selbst bezahlen und nicht jede Gemeinde kann ansteigende Gewerbesteuereinnahmen verzeichnen. Die Gemeinde Barschow in Ostvorpommern hat eine dringend erforderliche Deicherhöhung jahrelang vor sich hergeschoben. Jetzt, angesichts einer immer ernster werdenden Hochwasserbedrohung, muss Barschow 20.000 Euro für diesen Zweck ausgeben, was weit über den Möglichkeiten des Ortes liegt und auch der Einwohner, die an den fi nanziellen Belastungen beteiligt werden sollen.
Kommunen in dieser Lage – und von diesen dürfte es viele geben – brauchen die Hilfe des Landes. Überhaupt sind Höhenfeststellungen bei den Deichen häufi ger durchzuführen, um zu ermitteln, welche Gefährdungen bei einem möglichen Deichbruch eintreten können. In Pudagla auf Usedom kam man bei einer solchen Untersuchung zu dem Ergebnis, dass sich auch Wohngebiete in der Gefahrenzone befanden.
Jede Gemeinde sollte die ihr drohenden Risiken genau kennen. In diesem Zusammenhang ist auch die Problematik der Polder immer im Auge zu behalten. Überall im Lande werden diese eingedeichten Gebiete, die seit vielen Jahrzehnten unverzichtbarer Teil des Hochwasserschutzsystems sind, wieder vernässt und überfl utet. Ob dies angesichts einer immer unberechenbarer
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der NPD auf Drucksache 5/349. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Bei Zustimmung der Fraktion der NPD und Ablehnung der Fraktionen der Linkspartei.PDS, SPD, CDU und FDP ist dieser Antrag abgelehnt.