Ich rufe den Tagesordnungspunkt 25 auf: Beratung des Antrages der Fraktion der Linkspartei.PDS – Bürgernahe Polizei – Kennzeichnung von Polizeibeamtinnen und -beamten, Drucksache 5/346.
Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS: Bürgernahe Polizei – Kennzeichnung von Polizeibeamtinnen und -beamten – Drucksache 5/346 –
Sehr geehrter Herr Innenminister, Sie können sich ja von mir aus schmücken, womit Sie wollen, aber es spricht schon von einer gewissen Prinzipienlosigkeit der CDU, wenn sie heute alles feiert, was sie noch vor Jahresfrist nahezu verteufelt hat.
(Dr. Armin Jäger, CDU: Was ist denn das? – Zuruf von Egbert Liskow, CDU – Dr. Armin Jäger, CDU: Also ich habe das nicht verstanden. Erklären Sie es doch mal!)
(Dr. Armin Jäger, CDU: Nö! – Gino Leonhard, FDP: Wir wollen das auch verstehen. – Zuruf von Vincent Kokert, CDU)
Herr Kokert, ich bin froh, dass Sie wieder da sind, nachdem Sie sich vorhin bei der Abstimmung über die Erbschaftssteuer so tapfer gedrückt haben.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die nette Verkäuferin im Supermarkt trägt ein Namensschild, an der Uniform des Zugbegleiters der Deutschen Bahn AG prangt ein Namensschild, auf dem Empfang der FDP-Fraktion bekamen alle Besucher ein Namensschild, das uns alle nahezu als FDP-Mitglieder ausgewiesen hat,
obwohl wir davon ausgehen müssten, dass der Ministerpräsident uns kennt. An diesen wenigen Beispielen wird deutlich, dass es in vielen Bereichen des öffentlichen
Lebens mittlerweile normal ist, dass die, die Dienst am Bürger leisten, Dienstleister für die Bürger sind, auch namentlich erkennbar und damit bürgernah sind. Nur für eine wichtige Berufsgruppe soll dieses Element der Bürgernähe nicht in vollem Umfang gelten, für die Polizei oder, genauer gesagt, für die Landespolizei Mecklenburg-Vorpommern.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, als sich ein Landesparteitag der Linkspartei.PDS im April 2006 für eine Kennzeichnungspfl icht für Polizistinnen und Polizisten aussprach, lasen sich einzelne Reaktionen darauf so, als ob meine Partei die vollständige Entwaffnung der Polizei gefordert hätte.
Der damalige CDU-Generalsekretär Lorenz Caffi er bezeichnete den Beschluss als unverantwortlich und forderte, dass sich der damalige Innenminister Gottfried Timm klar auf die Seite der Polizei stelle.
Der Landeschef der Gewerkschaft der Polizei meinte sogar, damit würden die Kolleginnen und Kollegen zum Freiwild erklärt. Für ihn sei eine Kennzeichnungspfl icht eine wunderbare Gelegenheit, Polizisten an den Haken zu kriegen. Und auch der Kollege Kokert lässt uns heute in seiner Pressemitteilung wieder Ähnliches wissen.
(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja, wo er recht hat, hat er recht. – Zuruf von Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS)
Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich hoffe, dass der Ihnen vorliegende Antrag dazu beiträgt, die Debatte zu versachlichen. Er enthält, kurz gesagt, drei Aufträge an die Landesregierung: erstens eine Unterrichtung, zweitens eine Vorlage und drittens eine Prüfung.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die individuelle Kennzeichnung von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten auch und gerade in geschlossenen Einsätzen ist erstens keine neue Idee, zweitens keine Erfi ndung der Linkspartei.PDS und drittens aber auch kein Gegenstand, bei dem Mecklenburg-Vorpommern vor dem restlichen Deutschland einem gefl ügelten Wort folgend 100 Jahre Vorsprung gewährt werden muss.
Ich darf – und das ist vielleicht für einige interessant – in diesem Zusammenhang in Erinnerung rufen, dass noch von der ersten frei gewählten Volkskammer der DDR am 1. Oktober ein Gesetz beschlossen wurde, was am 1. Oktober 1990 in Kraft getreten ist, nämlich das Gesetz über die Aufgaben und Befugnisse der Polizei, Gesetzblatt I der DDR, Seite 1489. In Paragraf 11 Absatz 2 kann man lesen, ich zitiere: „Beim Einsatz von Polizei als geschlossene Einheiten hat jeder Angehörige der Polizei zur Gewährleistung der Identifi zierbarkeit deutlich sichtbar eine Dienstnummer zu tragen.“
Dieser vorbildliche Schritt einer bürgerfreundlichen und rechtsstaatlichen Regelung des Identifi zierungsproblems ist leider in Gesamtdeutschland nicht aufgegriffen und umgesetzt worden. Selbst die neuen Bundesländer haben diese Beschlussfassung der ersten frei gewählten Volkskammer nach der Vereinigung wieder rückgängig gemacht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieses Beispiel zeigt und auch andere Beispiele zeigen, dass seit über 25 Jahren Bürgerrechtlerinnen und Bürgerrechtler auf die Kennzeichnungspfl icht für Polizistinnen und Polizisten pochen, doch gegen den Widerstand von Polizeiführung und Gewerkschaften war bisher kaum etwas zu machen.
Aber Anfang 2002 fand das Vorhaben Eingang in die rot-rote Koalitionsvereinbarung in Berlin. Als erstes Bundesland will Berlin nunmehr Einsatzgruppen der Polizei kennzeichnen.
haben sich an ihre Uniform längst ein Namensschild gesteckt, und das ganz freiwillig und ohne Zwang.
(Beifall bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS – Dr. Armin Jäger, CDU: Dagegen habe ich ja nichts. – Vincent Kokert, CDU: Aber nicht bei Einsätzen.)
Aber auch das ungleich schwierigere Ziel, die Einsatzhundertschaften mit einer persönlichen Kennung individualisierbarer zu machen, rückt in Berlin näher. Bislang war es so, dass nur jede Hundertschaft und jeder Zug über eine Kennung verfügte. Nun soll auch die Achtergruppe ein eigenes offi zielles Zahlenmerkmal bekommen. Inoffi ziell sind schon die meisten Einsatzhundertschaften gekennzeichnet. Die auf Uniform und Helm geklebten Kreise, Dreiecke und Streifen sind jedoch für Außenstehende kaum zu deuten, vor allem nicht in Stresssituationen.
Wir bitten die Landesregierung beziehungsweise den Innenminister um einen Bericht über die Erfahrungen, die der Berliner Innensenator Herr Körting (SPD) auf diesem Gebiet gesammelt hat, einschließlich der damit verbundenen Probleme natürlich. Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, darüber hinaus wollen wir die Landesregierung beauftragen, anknüpfend an die Berliner Erfahrungen dem Landtag Grundzüge eines entsprechenden Modellprojektes für Mecklenburg-Vorpommern vorzulegen.
Auch hierbei wird niemand verlangen, dass der Innenminister sofort die perfekte und komplette Lösung unter dem Helm hervorzaubert.
Eine Kennzeichnung bei geschlossenen Polizeieinsätzen ist etwas anderes als eine namentliche Kennzeichnung von Polizeibeamten im täglichen Dienst, etwa bei der
Aufnahme von Unfällen. Bei geschlossenen Einheiten sind selbstverständlich auch weiterhin taktische polizeiinterne Kennzeichnungen erforderlich. Darüber hinaus soll aber in dem Modellprojekt eine für Otto Normalverbraucher gut lesbare, möglichst kurze und eindeutige individuelle Kennzeichnung den Uniformträger aus der Anonymität befreien.
Das stärkt im Übrigen eine Ressource, welche die Polizei für eine effektive Arbeit unbedingt braucht und die kaum Geld kostet: Vertrauen durch rechtsstaatliche Verantwortbarkeit.