Protocol of the Session on April 25, 2002

Die Begründung dazu ist doch eindeutig. Es geht um die im Grundgesetz garantierte Gleichheit vor dem Gesetz und den Schutz vor Benachteiligung. Es geht um die Angleichung der Lebensverhältnisse Ost und West. Es geht um soziale Gleichstellung und Gerechtigkeit für die

ältere Generation, das gleiche Altersruhegeld, die gleiche Rente für die gleiche geleistete Lebensarbeitszeit.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS und Dr. Margret Seemann, SPD)

Die Differenzierung in der Rentenberechnung nach einkommens- und strukturschwachen Regionen ist aber abzulehnen. Auch in Westdeutschland gibt es, unter anderem bedingt durch Unterschiede in der Wirtschaftsstruktur, Unterschiede im Entgeltniveau. Das war jetzt die Rentensprache. Seit eh und je wird ein einheitlicher Rentenwert in den alten Bundesländern angewandt. Oder ist uns eine Bayernrente beziehungsweise Ostfriesenrente in Schleswig-Holstein bekannt?

(Heiterkeit bei Dr. Margret Seemann, SPD)

Im Westen ist es selbstverständlich, dass alle Rentnerinnen und Rentner den aktuellen Rentenwert – und jetzt sage ich ihn mal, 49,51 DM – erhalten. Die Festlegung ist vom 01.07.2001. Und deshalb ist es doch nicht nachvollziehbar, warum dieser Rentenwert im Osten nur 43,12 DM beträgt. Verzeihen Sie mir, ich habe die Cent-Umrechnung oben liegen lassen. Dieser Unterschied führt zum Beispiel bei einer gleichen Rente nach 45 Jahren Erwerbsarbeit bei den Rentnerinnen und Rentnern hier bei uns im Land zu einer Einbuße von circa 140 Euro im Monat. Diese Einbuße können wir keiner Rentnerin und keinem Rentner mehr erklären.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS und Dr. Margret Seemann, SPD)

Wir fordern deshalb, dass die Angleichung der Renten zügig in Angriff genommen wird, damit die ältere Generation die Herstellung einheitlicher Lebensbedingungen im geeinten Deutschland noch erlebt. Und wir fordern, dass dieses Parlament, nachdem sich die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern in dem uns vorliegenden Programm „Älter werden in Mecklenburg-Vorpommern“ klar positioniert hat, dass auch dieser Landtag sagt, mit dieser Ungleichheit wollen wir gemeinsam aufhören.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS und einzelnen Abgeordneten der SPD)

Danke, Frau Gramkow.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat die Sozialministerin Frau Dr. Bunge.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, 1991 wurden im Bundestag in Bonn die Weichen gestellt, um die DDR-Renten in bundesdeutsches Recht zu überführen. Vieles ist gelungen, bei etlichem gibt es noch Handlungsbedarf.

Auf dem heute zu besprechenden Gebiet hatte die damalige Regierungskoalition von CDU/CSU und FDP die euphorische Annahme, dass die Angleichung der Lebensverhältnisse, also auch der Einkommensverhältnisse, bis 1995 erreicht werden könnte. Dementsprechend wurden Übergangsregelungen wie zu den Sozialzuschlägen oder zu den Auffüllbeträgen terminisiert. Letztere, also die Sozialzuschläge und die Auffüllbeträge, wurden pünktlich 1996 abgeschafft beziehungsweise abgeschmolzen,

doch das Rentenniveau Ost beträgt heute noch keine 100 Prozent, sondern erst 87,2. Es ist verständlich, dass 3,5 Millionen ältere Bürgerinnen und Bürger in den neuen Bundesländern zwölf Jahre nach der deutschen Einheit ungeduldig werden, enttäuscht sind ob der nicht eingelösten Versprechen.

(Barbara Borchardt, PDS: Mehr als verständlich.)

Nachvollziehbar ist auch, dass die Älteren geradezu erbost sind, wenn ihre Rentendurchschnitte mit denen in den alten Bundesländern verglichen werden und dann festgestellt wird, dass es keinen Handlungsbedarf gibt.

(Vizepräsident Andreas Bluhm übernimmt den Vorsitz.)

Sicher ist der Zahlenvergleich imposant: Durchschnitts

rente West – letzte Erhebung 2000 will ich hier einmal nennen – 1.334 DM, dagegen Ost 1.484, bei den Männern West 1.861, Ost 1.921, bei den Frauen West 892 und Ost gar 1.200 DM. Die Pfennige habe ich jetzt mal weggelassen. Dahinter verbergen sich lange Zeiten der Berufstätigkeit von Männern und Frauen in der DDR, ungebrochene Erwerbsbiographien, wie das im Rentendeutsch beziehungsweise besser Rentenchinesisch heißt.

(Beifall und Heiterkeit bei Annegrit Koburger, PDS)

Dahinter verbirgt sich aber auch – und das wird häufig nicht erwähnt –, dass alle Berufsgruppen aus der DDR in die bundesdeutsche gesetzliche Rentenversicherung überführt wurden. In der Bundesrepublik hingegen gehören etliche Berufs- und Statusgruppen gesonderten Altersversorgungen an, wie beispielsweise die Beamtenversorgung, Berufsständische Versorgungswerke freier Berufe, zum Beispiel von Ärzten, Apothekern, Architekten und so weiter und so fort, oder die Versorgung Bund und Länder für öffentliche Verwaltungen.

(Zuruf von Nils Albrecht, CDU)

Zumeist Gutverdienende bleiben damit bei der Durchschnittsbildung West außen vor, also es gehen nur Otto und Marie Normalverbraucher in die Durchschnittsrente ein und die wird verglichen mit dem gesamten Beschäftigungsspektrum der DDR – von der gering verdienenden Textilarbeiterin bis zum gut dotierten Professor.

(Nils Albrecht, CDU: Genossen.)

Es werden also Äpfel mit Birnen verglichen.

Vielleicht können Sie wenigstens bei dem Thema mal sachlich bleiben!

(Irene Müller, PDS: Oh je! Das wird schwierig. – Zuruf von Nils Albrecht, CDU)

Als Beruhigungspille ist dieser Vergleich des Durchschnitts folglich völlig untauglich.

Nicht unbeachtet bleiben darf bei dieser Problematik auch, dass den Ostrentnerinnen und -rentnern im Vergleich zu den Ruheständlern West kaum private Altersvorsorge wie Wohneigentum oder Kapitalbildung zusätzlich zur Verfügung steht und sie auch keine nennenswerten betrieblichen Altersversorgungen haben, und die wenigen, die es gab, wurden ersatzlos gestrichen.

Diese ganzheitliche Betrachtung macht deutlich, dass im Osten das erklärte Ziel der Alterssicherung, Erhalt des Lebensstandards, nicht erreicht wird. Im Gegenteil,

Altersarmut zieht auch hier langsam ein, vor allem bei denen, die nach zehn Jahren Arbeitslosigkeit nach der Wende jetzt in die Rente gehen. Und diese Tendenz setzt sich durch die gebrochenen Erwerbsbiographien vor allem durch lange Arbeitslosigkeit fort.

Der Satz, den Rentnerinnen und Rentnern im Osten geht es doch gut, stimmt nur im Vergleich zu Langzeitarbeitslosen und SozialhilfeempfängerInnen, Jugendlichen, die den Berufsstart nicht packen. Aber dieser Vergleich ist ein schwacher Trost. Es besteht also Handlungsbedarf.

Nun ist die rechtliche Umsetzung aber nicht einfach, denn die Entwicklung der Renten folgt der Entwicklung der durchschnittlichen Löhne und Gehälter. Selbst wenn die schrittweise Angleichung der Einkommen im öffentlichen Dienst bis 2007, wie jetzt vereinbart, erfolgen sollte, ist damit das Problem der Rentnerinnen und Rentner nicht erledigt, denn in den Lohn- und Gehaltsdurchschnitt gehen natürlich alle im Bereich der freien Wirtschaft mit tariflicher oder untertariflicher Bezahlung, der Niedriglohnbereich, ein. Keiner weiß heute genau, wann sich die Durchschnittseinkommen angeglichen haben werden. Daher sind kursierende Zeitangaben wie das Jahr 2030 nicht unmöglich. Die letzte Positionierung, relativ offizielle Positionierung des Verbandes der Rentenversicherungsträger geht von 2017 aus. Aber auch diese Zeitspanne ist, meine ich, für Rentnerinnen und Rentner ob deren begrenzten Lebensperspektive unzumutbar. Deshalb muss die Entscheidung her, die Rentenentwicklung Ost von der Lohn- und Gehaltsentwicklung abzukoppeln.

Sicher folgen daraus noch andere Änderungen im Rentenrecht. Zum Beispiel muss gesichert werden, dass sich für die heute Erwerbstätigen das Einkommen bei der jährlichen Rentenpunktebewertung, der so genannten Entgeltpunktermittlung, durch die Wichtung an einem dann höheren, stufenweise angeglichenen, aber faktisch fiktiven Durchschnitt nicht entwertet.

Doch Rentenrecht ist nicht naturgegeben. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Ich meine, nach der Klärung des Solidarpakts II ist das Gebot der Stunde, endlich ein politisches Zeichen zu setzen und den historischen Akt der Einheit Deutschlands auch auf dem Gebiet der Alterssicherung zu vollziehen. – Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS – Heiterkeit bei Annegrit Koburger, PDS)

Danke schön, Frau Ministerin.

Als Nächster hat jetzt das Wort der Abgeordnete Herr Jäger für die Fraktion der CDU.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Frau Kollegin Koburger, wenn Sie Ihren Lachanfall eingestellt haben,

(Irene Müller, PDS: Wird’s jetzt ein bisschen lustig?)

darf ich vielleicht weitermachen.

Es wundert Sie, dass ich hier stehe, und das soll Sie auch wundern, weil das, was wir eben von der Sozialministerin gehört haben, wage ich gar nicht den älteren Mitbürgern in unserer Stadt zu sagen,

(Zuruf von Götz Kreuzer, PDS)

und schon gar nicht dort, wo im Augenblick meine Mutter in dieser Stadt ist, wo ich oft mit älteren Bürgerinnen – es sind ja meistens die Damen, die uns überleben – rede. Ich wage es gar nicht zu sagen.

(Torsten Koplin, PDS: Warum? – Irene Müller, PDS: Wollen sie die Wahrheit nicht hören?)

Denn wissen Sie, meine Damen und Herren, und da mag Ihnen das Lachen ein bisschen im Hals stecken bleiben, zwischen dem großen Getöne, das wir eben gehört haben, und dem, was Wirklichkeit ist, liegen Welten und die Welten liegen im Folgenden:

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Irene Müller, PDS: Wie bitte? – Zuruf von Torsten Koplin, PDS)

1991 wurde – und das hat auch die Sozialministerin erkannt – eine eigentlich richtige Entscheidung getroffen. Wir wollten alle...

(Dr. Martina Bunge, PDS: Ich war dabei. Ich kann das genau beurteilen.)