Protocol of the Session on April 4, 2001

Wo ist die Aufgabe der Politik, meine Damen und Herren? Zunächst gilt es, die bodenständige Landjugend zu erreichen. Wir haben im Land den Landjugendverband, den wir aus dem 08er Haushalt mit Landesmitteln unterstützen. Das muss die Kontaktstelle zur Jugend werden. Wenn wir über Ausbildungskoordinatoren sprechen, gehört der Landjugendverband mit an den Tisch. Es müssen Wege gefunden werden zu einer interessanten Berufsausbildung. Die Berufsausbildung mit Abitur, die wir eingeführt haben, ist ein Schritt in die richtige Richtung und wird sehr gut angenommen durch die jungen Menschen.

(Beifall Heidemarie Beyer, SPD – Reinhard Dankert, SPD: Natürlich.)

Das muss sich herumsprechen, das muss publiziert werden.

Das Angebot im Rahmen der Lehrausbildung muss so gestaltet werden, dass die jungen Leute neugierig werden auf alles das, was ein moderner wettbewerbsfähiger Landwirtschaftsbetrieb zu bieten hat. Hochmoderne Technik, Arbeit in der Natur und das Bewusstsein, für die Ernährung vieler Menschen verantwortlich zu sein, das muss zum Credo werden für ein Berufsbild, für eine

Zukunft im ländlichen Raum für junge Menschen. Die Schritte dahin müssen wir mit den jungen Menschen gemeinsam gehen. Deshalb ist „Jugend im Landtag“ im Jahr 2000 nur ein Anfang. Wir müssen den Weg weitergehen. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Danke, Frau Schildt.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Glawe von der Fraktion der CDU.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen! Die Aktuelle Stunde „Mehr Rechte und Mitwirkungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche in Mecklenburg-Vorpommern“ hat, denke ich, nicht die Aktualität, mit der Sie sie sozusagen bewerten.

(Torsten Koplin, PDS: Das hatten wir schon mal. – Zuruf von Irene Müller, PDS)

Ich will das auch begründen, meine Damen und Herren. Wir haben größere Probleme im Land. Eines der größten Probleme ist die Frage nach Arbeit,

(Reinhard Dankert, SPD: Da haben wir doch mor- gen einen Antrag drauf, ist doch morgen drauf.)

die Frage nach Jugendarbeitsarbeitslosigkeit, die Frage nach Sicherheit, aber auch die Frage: Wie gehen wir mit unseren Sozialhilfeempfängern im Land um? Und wir haben immerhin über rund 53.000, davon 17.000 Kinder und Jugendliche, meine Damen und Herren. Das ist auch eine Bilanz Ihrer Arbeit

(Andreas Bluhm, PDS: Ja. – Sylvia Bretschneider, SPD: Oh, oh, oh!)

und sichert sozusagen die Mitwirkungsmöglichkeiten.

(Zuruf von Reinhard Dankert, SPD)

Ich sage Ihnen eins, Kinder und Jugendliche brauchen die Familie, sie brauchen die Familie als Sicherheit und sie brauchen letzten Endes auch das Gefühl, dass es der Familie und damit auch den Kindern und Jugendlichen gut geht. Und dieses Gefühl können Sie nach Ihrer Wahl vor gut drei Jahren nicht vermitteln.

Meine Damen und Herren, auch die Arbeitslosenzahlen sprechen gegen Sie – über 180.000 Arbeitslose, 24.000 arbeitslose Jugendliche, meine Damen und Herren. Sie haben einen Rekordstand erreicht, den Sie uns ja nie zugetraut haben. Uns haben Sie immer unterstellt, dass wir alles nicht können. Aber Sie können es nun gar nicht, meine Damen und Herren, das ist einfach so. Sie reden immer nur, Sie sagen was und Sie reden und Sie reden und Sie reden

(Minister Dr. Gottfried Timm: Sie auch, Sie auch.)

und weiter passiert eigentlich nichts, außer, dass Sie es jetzt noch fertig kriegen, die Jugendclubs im Land flächendeckend in den ländlichen Räumen sozusagen auszulöschen.

(Siegfried Friese, SPD: Überlegen Sie mal, was Sie da sagen!)

Ich will Ihnen ein Beispiel dazu geben, weil ja viele von Ihnen die Basis nicht mehr erreichen. Foren, wo es um

Arbeitslosigkeit von Jugendlichen geht, wo es um Mitwirkungsmöglichkeiten geht, besuchen Sie nicht, auch einer der führenden Leute Ihrer Partei macht es nicht. Herr Dankert zum Beispiel war in Bützow nicht dabei, obwohl er eigentlich kommen wollte.

(Reinhard Dankert, SPD: Ja, ja, Herr Glawe.)

Meine Damen und Herren, Jugendclubs werden in der Fläche, ich sage Ihnen das mal am Beispiel Nordvorpommerns, ausradiert.

(Torsten Koplin, PDS: Was ist denn das für eine Wortschöpfung?)

Es gab in der Region um Nordvorpommern allein zwischen Ribnitz-Damgarten und Grimmen zehn Jugendclubs. Ich sage Ihnen mal einige Standorte: Tribsees, Hugoldsdorf und Siemersdorf, Drechow, Kirch Baggendorf, Deyelsdorf, Grammendorf und Nehringen sowie Rodde. Was haben Sie fertig gekriegt? Die ersten Clubs wurden zum 31. Januar geschlossen und die anderen Clubs dann zum 28. Februar. Bilanz: 500 Jugendliche machen jetzt Jugendarbeit an Bushaltestellen. Das ist Ihre Bilanz! Und Sie haben keine Antworten. Sie sagen immer nur: Konnten wir nicht ahnen, konnten wir nicht wissen, die Bundesanstalt für Arbeit ist schuld oder die Kommunen sind schuld.

Meine Damen und Herren, so können wir nicht mehr weitermachen! Sie vernachlässigen die Zuschüsse für die Kommunen, Sie deckeln das FAG und fordern gleichzeitig immer mehr von diesen heraus.

Meine Damen und Herren, ich will Ihnen auch attestieren, dass das eine oder andere richtig war, was Sie gemacht haben. Schülerzeitungen haben wir aber auch schon gemacht. Sie haben es vielleicht nur in Ihre Richtung, aus Ihrer Sicht verbessert. Schulsozialarbeiter – das Problem ist nicht gelöst. Sie entwickeln Nischenprogramme, schaffen mal knapp 400 Stellen und rühmen sich damit, dass dies der Ausweg aus der Arbeitslosigkeit für die Jugendlichen ist. Das ist er nicht, das wissen Sie ganz genau. 400 Stellen im Verhältnis zu 180.000 Arbeitslosen oder zu 24.000 jugendlichen Arbeitslosen, denke ich, kann nicht der Maßstab sein.

Meine Damen und Herren, ich will feststellen, Rot-Rot redet nur und man kann, wenn man was zu sagen hat, nicht nur reden, man muss handeln. Und dazu will ich Sie auffordern. – Danke schön.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Heidemarie Beyer, SPD: Und was tun Sie? – Zuruf von Andreas Bluhm, PDS)

Danke schön, Herr Glawe.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Koplin von der Fraktion der PDS.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Mir sind die fünf Minuten einfach zu kurz, um mich hier im Detail mit Herrn Glawe auseinander zu setzen. Aber der Sprachgebrauch, zum Beispiel „ausradieren“ und Ähnliches befremdet mich sehr, das muss ich hier einmal sagen.

(Reinhard Dankert, SPD: Da gab es doch schon ein gutes Vorbild mit dem Flammenwerfer.)

Ich knüpfe viel lieber an meinen geschätzten Kollegen Herrn Schädel an und bejahe …

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Zu Neubrandenburg komme ich noch, Herr Glawe. Sie haben ja eben und auch schon beim Redebeitrag von der Kollegin Bretschneider Ihr Interesse an Neubrandenburg bekundet. Da sage ich Ihnen gerne was Positives.

Ich knüpfe viel lieber an die Ausführungen meines Kollegen Herrn Schädel an und sage: Mitbestimmung bedeutet Teilhabe an wesentlichen Entscheidungen und deren Vorbereitung. Das schließt alle Bevölkerungsgruppen ein, nicht später, nicht nachrangig, sondern gleichrangig und mit voller Berechtigung.

(Beifall Monty Schädel, PDS)

Und das gilt insbesondere für junge Menschen. Ein wunderbares Beispiel – und da komme ich schon zu Neubrandenburg, Herr Glawe – für gelebte Teilhabe am demokratischen Leben war die jüngste Tagung des Kinder- und Jugendparlaments in Neubrandenburg. Und jetzt halte ich auch mal was hoch, auch wenn ich keine gelben Handschuhe anhabe. Das kann man sich wunderbar durchlesen: Antragsreihenfolge des Kinder- und Jugendparlaments der Stadt Neubrandenburg.

Ich nehme mal zwei Beispiele. Da ist der Fachkreis Fun und Freizeit. Ich hatte ja vermutet, da geht es um Diskotheken, Freizeit, Kultur und so weiter. Aber die Anträge, die dort zu lesen sind, sollten auch Ihr Herz als gesundheitspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion erwärmen. Das Kinder- und Jugendparlament Neubrandenburgs fordert zum Beispiel die Geschäfte des Einzelhandels, Tankstellen, Presseshops der Stadt Neubrandenburg, das Jugendamt und das Ordnungsamt auf, sich stärker für die Einhaltung des Jugendschutzgesetzes einzusetzen. Dies beinhaltet die stärkere Überwachung der Abgabe von Alkohol und Zigaretten an Kinder und Jugendliche unter 16 beziehungsweise 18 Jahren sowie den Aufenthalt von Kindern und Jugendlichen an jugendgefährdenden Orten und den unerlaubten Aufenthalt in Kneipen und Diskotheken. Das sind ernsthafte Fragen, die die jungen Menschen bewegen und die sie ins Stammbuch der Parlamentarierinnen und Parlamentarier, ob auf kommunaler Ebene oder auf Landesebene, geschrieben haben.

Eine Feuerprobe, und da stimme ich Frau Bretschneider außerordentlich zu, der gewählten Stadtvertreter besteht darin, diese Beschlüsse aufzunehmen. In der Wahrnahme der Beschlüsse der Jugendlichen durch andere bewährt sich Demokratie und wird erlebbar und es ist notwendig – und ich beziehe mich wieder auf Frau Bretschneider –, das strukturell zu untersetzen. Insofern müssen wir noch die rechtlichen Rahmenbedingungen schaffen, die den Kinder- und Jugendparlamenten den Sitz im Jugendhilfeausschuss ermöglichen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wer will, dass Kinder und Jugendliche ihre Rechte und Mitwirkungsmöglichkeiten wahrnehmen und sich demokratisch engagieren, muss sich zuerst vehement für die Beseitigung der sozialen Ausgrenzung einsetzen, nicht aber auf die Art und Weise wie hier von Herrn Glawe vorgetragen, indem die Statistik bemüht wird und einseitig jemand für schuldig erklärt wird. Das geht uns alle an. In welchem Maße sozusagen diese Ausgrenzung besteht, will ich beispielhaft verdeutlichen, ein Thema, wie gesagt, das uns alle angeht.

Armut von Kindern und Jugendlichen ist in Deutschland kein marginales Phänomen. Im Vergleich zu anderen

Altersgruppen sind unter 18-Jährige in der Armutsstatistik die am stärksten betroffene Gruppe. Etwa jedes siebte Kind lebt heute in einer als arm definierten Familie. Die Folgen sind soziale und kulturelle Ausgrenzungen, Entwicklungsstörungen und gesundheitliche Beeinträchtigungen.

Das Thema der heutigen Aktuellen Stunde wäre jedoch verfehlt, wenn es nur um Rechte und Mitwirkungsmöglichkeiten von deutschen Kindern und Jugendlichen ginge. Wenn die PDS-Fraktion fordert, dass insbesondere der Rechts- und der demokratische Status der hier lebenden Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit dem der Deutschen angeglichen werden muss, dann logisch deshalb, weil die Realität davon weit entfernt ist.

Nehmen wir die Sicherung des Existenzminimums: Für bestimmte Flüchtlingsgruppen ist es durch das Asylbewerberleistungsgesetz legitimiert, dass Personen, die ihnen angehören, eine um 20 Prozent geringere Hilfe zum Lebensunterhalt bekommen als die Sozialhilfe für deutsche Staatsangehörige – Kinder inbegriffen. Das ist aus unserer Sicht antidemokratisch und grenzt von vornherein vom Umgang mit gleichaltrigen deutschen jungen Leuten auf gleicher Augenhöhe aus und damit von demokratischen Mitentscheidungsmöglichkeiten. Damit wird der demokratische Grundgedanke der Gleichbehandlung, auf dem jedes demokratisch-republikanische Staatswesen fußen muss, verletzt.

Asylverfahren sind oft, und ich denke, das wissen Sie von der CDU auch, nicht kindgerecht. Diese Kinder werden überfordert und auch dadurch von der Wahrnahme der wenigen Rechte, die sie haben, ausgeschlossen. Hinzu kommt, dass inzwischen 16- bis 18-Jährige wie Erwachsene im Asylverfahren als voll handlungsfähig behandelt werden. Es fehlt an einer bundeseinheitlichen Clearingstelle, die über den Aufenthaltsstatus oder eine kindgerechte Rückführung ins Herkunftsland entscheidet. Die rechtlichen Missstände der unbegleiteten und der begleiteten Flüchtlingskinder liegen wesentlich darin begründet, dass der Gedanke des Kindeswohls bislang im deutschen Ausländer- und Asylrecht kaum Beachtung gefunden hat.

Sehr geehrte Damen und Herren! Zwar hat sich die BRD 1992 bei der Unterzeichnung der UN-Kinderrechtskonvention verpflichtet, bei allen staatlichen Handlungen gegenüber Kindern – also auch ausländischen – vorrangig das Kindeswohl zu beachten, zugleich hat sie jedoch bei der Ratifizierung einen schriftlichen Vorbehalt erklärt. Danach ist Deutschland der Ansicht, dass die Konvention keine unmittelbare innerstaatliche Anwendung findet und nicht das Recht der BRD beschränkt, Gesetze und Verordnungen über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländerinnen und Ausländern zu erlassen. Aufgrund dieses Vorbehalts verstoßen die deutschen Gesetze und Verordnungen nicht im juristisch formalen Sinne gegen die Kindesschutzbestimmungen, beeinträchtigen Sie de facto aber doch. Im September 1999 hat der Bundestag die Regierung aufgefordert, die Vorbehaltserklärung zurückzunehmen und die Kinderrechtskonvention voll inhaltlich umzusetzen. Geschehen ist seitdem leider nichts.

Wenn wir heute, ich komme zum Schluss, wieder einmal mehr Rechte und Mitwirkungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche fordern, dürfen ihre Gleichaltrigen ohne deutschen Pass davon nicht ausgeschlossen sein. Deshalb sind derartige Rechtsgrundlagen herzustellen, die die gleichberechtigte Teilnahme von ausländischen